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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft: Geschichte des LPartG

Vorwort zur 1. Auflage des LSVD-Rechtsratgebers

Wie kam es zum Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG)? Wie standen FDP, Union, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen zum Gesetz? Welche Bundesländer klagten? Geschichte der Eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Titelbild des LSVD-Rechtsratgebers zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft

von Stephan Ladnar (September 2001)

Eine schwere Geburt!

Eine schwere Geburt! Diese Bemerkung lässt sich kaum verkneifen. Und dabei ist noch gar nicht einmal alles überstanden. Die endgültige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) steht noch aus. Vor allem aber ist der zustimmungspflichtige Teil des Gesetzesvorhabens noch immer nicht verabschiedet, und es ist fraglich, ob und wann dies geschehen wird.

Aber immerhin: Der Abbau von Diskriminierung beginnt Formen anzunehmen. Mit der Verabschiedung des LPartG ist nicht nur ein bedeutender Meilenstein auf einem langen und beschwerlichen Weg erreicht. Hier wurde ein Fundament gelegt. Hier wurde politisches Terrain gewonnen. Und die Wahrscheinlichkeit einer wachsenden Zustimmung auch innerhalb konservativer Kreise ist durchaus größer als die Gefahr, das ganze gewonnene Terrain wieder zu verlieren.

Ein langer Weg

Was für ein Weg wurde hier zurückgelegt! Von Diskriminierung und Verfolgung hin zur rechtlichen Absicherung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Und Verfolgung ist keineswegs übertrieben, wenn man die Zahl der Verurteilungen nach dem alten §175 Strafgesetzbuch in der Adenauerära und den damaligen Verfolgungseifer der Staatsanwälte betrachtet.

Noch in den sechziger Jahren wurde in der Diskussion zur großen Strafrechtsreform die Notwendigkeit der Bestrafung homosexuellen Geschlechtsverkehrs u.a. damit begründet, dass „für Homosexuelle sonst nichts mehr im Wege stände, ihre nähere Umgebung durch Zusammenleben in eheähnlichen Verhältnissen zu belästigen". Führende Juristen sahen in den „homosexuellen Zusammenschlüssen" eine Gefahr, wie man sie heute vielleicht Scientology zuschreibt, eher noch größer. Und heute können wir heiraten, jedenfalls wird der Volksmund allen anderen Begriffen zum Trotz vom Heiraten sprechen. Angesichts der beängstigenden Situation in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik mag man sich fragen, wie das geschafft werden konnte.

Ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare?

Nach den Strafrechtsreformen 1968/1969 in den beiden deutschen Staaten wurden nur noch homosexuelle Handlungen eines Erwachsenen mit einem Mann unter 18 bestraft. Die politische Arbeit der Schwulenorganisationen in der Bundesrepublik richteten sich zunächst fast ausschließlich auf die endgültige Abschaffung des „Restparagraphen" 175 StGB. Bis in die achtziger Jahre hinein ohne Erfolg.

Dann kam AIDS. Das öffentliche Bewusstsein musste nun Notiz von „den Schwulen" nehmen; es war offensichtlich ganz akuter Handlungsbedarf gegeben. Die Einsicht, dass Prävention nicht ohne die Tolerierung der sexuellen Lebensgewohnheiten von Schwulen zu haben war, läutete das Ende des § 175 ein. Es war an der Zeit, die Öffentlichkeit auch mit den zahlreichen anderen Benachteiligungen der Lesben und Schwulen zu konfrontieren. Lesben- und Schwulenorganisation erhielten Anfragen wie z. B.: „Warum bekomme ich keine Aufenthaltserlaubnis für meinen Partner aus dem Ausland?" oder „Wir wollen uns gegenseitig zum Erben einsetzen. Lässt sich die hohe Erbschaftssteuer denn nicht vermeiden?"

Als sich der Erfolg der dänischen Lesben- und Schwulenbewegung abzuzeichnen begann und die Einführung einer registrierten Partnerschaft in Dänemark unmittelbar bevorstand, veröffentlichten Volker Beck, sowie Günter Dworek und Manfred Bruns, heute allesamt im Bundesvorstand des LSVD, Ende der 80er Jahre mehrere Papiere, in denen die Schaffung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Paare gefordert wurde.

Die Reaktionen hierauf waren auch innerhalb der Schwulen- und Lesbenbewegung sehr kontrovers. Volker Beck, Günter Dworek und Manfred Bruns argumentierten, dass das Eheverbot für Lesben und Schwule eine schwerwiegende Diskriminierung sei und man außerdem auf die Probleme vieler schwuler und lesbischer Partnerschaften, insbesondere der binationalen Paare, eine schnellst mögliche, praktisch durchsetzbare Antwort finden müsse. Schließlich dürfe auch die positive Wirkung einer Anerkennung von lesbischen und schwulen Lebensgemeinschaften auf die Emanzipation der Homosexuellen nicht übersehen werden. Beck, Dworek, Bruns und weitere Mitstreiter schlossen sich dem im Februar 1990 neu gegründeten „Schwulenverband in Deutschland (SVD)" an.

Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland

Der SVD war aus den Schwulengruppen der DDR hervorgegangen, die sich als Teil der damaligen Bürgerrechtsbewegung verstanden. Dort hatte man bereits Anfang der achtziger Jahre als Ziel die rechtliche Gleichstellung mit der Ehe formuliert. Diese Forderung wurde nun zu einer Art Markenzeichen für den SVD. Zu Beginn der neunziger Jahre rückte dieses Thema wegen der Einführung der eingetragenen Partnerschaft in Dänemark, nicht zuletzt aber auch wegen Hella von Sinnen und Cornelia Scheel, die angekündigt hatten, heiraten zu wollen und notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Im Sommer 1991 veröffentlichte der SVD zusammen mit den „Schwulen Juristen" einen Gesetzentwurf über „die Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts". Von nun an arbeiteten der SVD und die „Schwulen Juristen" (inzwischen Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen, BASJ) in dieser Angelegenheit eng zusammen. 1999 erweiterte sich der SVD durch den Beitritt vieler Lesben zum Lesben- und Schwulenverband (LSVD)

Die Aktion Standesamt

Da abzusehen war, dass das Parlament auch weiterhin untätig bleiben würde, beschloss man, die Gerichte mit dem Eheverbot bei Gleichgeschlechtlichkeit zu befassen. 1992 riefen der SVD und die „Schwulen Juristen" schwule und lesbische Paare dazu auf, am 19. August die Standesämter zu stürmen. Musteranträge wurden vorbereitet und verteilt.

Rund 250 Paare nahmen an der „Aktion Standesamt" unter außerordentlich großem Medienecho teil. Das Recht auf Heirat wurde eingeklagt, allerdings anfänglich ohne greifbares Ergebnis. Einige Gerichte signalisierten dem Gesetzgeber aber Handlungsbedarf für die rechtliche Absicherung lesbischer und schwuler Paare. Dies tat nicht zuletzt auch das Bundesverfassungsgericht, bei dem 1993 infolge der Aktion Standesamt 30 Verfassungsbeschwerden eingegangen waren, die aber nicht zur Entscheidung angenommen wurden.

Der Gesetzgeber ignorierte diesen Fingerzeig der Justiz, solange die Koalition der CDU/CSU und der F.D.P die parlamentarische Mehrheit besaß. In der Zwischenzeit stieg die Zustimmung der öffentlichen Meinung zur „Homo-Ehe" von 30% auf 60% an, was dem unermüdlichen Einsatz vieler organisierter Schwuler und Lesben zu verdanken ist.

Zu nennen sind hier neben dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) vor allem die Bundesarbeitsgemeinschaft schwuler und lesbischer Paare (SLP), die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ), der Völklinger Kreis – Gay Manager (VK), die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) und der Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen (BEFAH). Sie alle haben dafür gesorgt, dass die Benachteiligungen von schwulen und lesbischen Paaren in der Öffentlichkeit präsent blieben. Vor allem aber haben diese Verbände in ihrem Wirkungskreis auch ihren ganz eigenen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von Lesben und Schwulen geleistet.

Der Regierungswechsel im Herbst 1998

Im Herbst 1998 kam es zum Regierungswechsel. SPD und Bündnisgrüne hatten Lesben und Schwule gezielt umworben und ein Rechtsinstitut für ihre Partnerschaften in Aussicht gestellt. Nun sollten Taten folgen. Hierzu gab es aus den vorangegangenen Legislaturperioden mehrere Vorschläge. Bündnis 90/Die Grünen hatten gefordert, die bürgerlich-rechtliche Ehe für Lesben und Schwule zu öffnen.

Die CDU/CSU hatte bis zum Regierungswechsel alle gesetzlichen Änderungen abgelehnt und erkannte nach dem Machtverlust nur einen punktuellen Regelungsbedarf an, lehnte aber die Einführung eines Rechtsinstituts für Lesben und Schwule nach wie vor strikt ab. In der FDP hatte sich offensichtlich ein Stimmungswandel vollzogen. Während man zu Zeiten der Regierungsbeteiligung immer wieder versprochen hatte, sich für eine eingetragene Partnerschaft nach skandinavischem Vorbild einzusetzen, legte man nun einen Gesetzesentwurf vor, der deutlich dahinter zurückblieb, weil offenbar Teile der FDP einen umfassenden Abbau der Diskriminierungen nicht mittragen wollten.

Der kurz vor der Bundestagswahl präsentierte Vorschlag der SPD, eine Generalverweisung auf die Rechtsfolgen der Ehe zu schaffen und anschließend nur noch Ausnahmen aufzuzählen, wäre insgesamt zustimmungspflichtig gewesen. Deshalb kam dieser Weg nicht mehr in Betracht, nachdem die Regierungskoalition aus SPD und Bündnis90/Die Grünen im Frühjahr 1999 die Mehrheit im Bundesrat verloren hatte.

Aus diesem Grund wurden alle Rechtsfolgen der Lebenspartnerschaft im Einzelnen geregelt. Ein solcher Gesetzesentwurf hatte den Vorteil, dass man ihn notfalls in einen zustimmungsfreien und einen zustimmungspflichtigen Teil aufspalten konnte. Dennoch verlief die „Geburt" des LPartG nicht ohne erhebliche Wehen.

Der erste Entwurf des Bundesjustizministeriums sah zwar weit reichende Pflichten für Lebenspartner vor, hatte aber bei den Rechten noch viele Leerstellen., was heftige Proteste der schwulen und lesbischen Verbände hervorrief. Im weiteren Verlauf wurde eine Koalitionsgruppe mit Abgeordneten der SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingesetzt, die den Entwurf mit dem federführenden Bundesjustizministerium und den weiteren betroffenen Ministerien aushandeln sollte.

Nach einem halben Jahr intensiver Beratungen konnte die Arbeitsgruppe ein Ergebnis präsentierten, das von den Regierungsfraktionen jeweils einstimmig gebilligt wurde. Der Gesetzentwurf wurde am 5. Juli 2000 in den Bundestag eingebracht.

Am 8. November 2000 empfahl der Rechtsausschuss wegen des Widerstands der CDU/CSU und der F.D.P. die Aufteilung des Entwurfs in das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) und das Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz (LPartGErgG), das der Zustimmung des Bundesrats bedarf. Am 10. November 2000 wurden beide Gesetze vom Bundestag angenommen. Der Bundesrat legte gegen das LPartG keinen Einspruch ein. Es wurde am 22. Februar 2001 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 1. August 2001 in Kraft.

Dem LPartGErgG hatte der Bundesrat erwartungsgemäß am 1. Dezember 2000 die Zustimmung versagt. Der Bundestag rief daraufhin den Vermittlungsausschuss an, der bisher keine Einigung erzielen konnte, weil die CDU/CSU die Beratungen blockiert. Sie hofft, das LPartG mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts doch noch verhindern zu können.

Das Lebenspartnerschaftsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht

Die Regierungen von Sachsen und Thüringen hatten nämlich im Juni 2001 beim Bundesverfassungsgericht beantragt, die Unvereinbarkeit des LPartG mit dem Grundgesetz festzustellen. Im Juli reichte auch die bayerische Regierung einen entsprechenden Antrag ein. Um das Inkrafttreten des LPartG zu verhindern, hatte Bayern außerdem bereits am 25. April 2001 den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht beantragt. Sachsen beantragte im Juni dasselbe. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 18. Juli 2001 abgelehnt. Fünf der Verfassungsrichter waren für diese Entscheidung, drei dagegen. Das Urteil über die Hauptanträge steht noch aus.

Eine Bemerkung des Vorsitzenden bei der mündlichen Verhandlung über die Eilanträge Bayerns und Sachsens deutet daraufhin, dass sich das Bundesverfassungsgericht für die Hauptsachenentscheidung nicht so lange Zeit lassen will wie sonst, also nicht mehrere Jahre. Man rechnet deshalb mit Frühjahr 2002.

Ausblick

So ist das Kind endlich zur Welt gebracht, aber es liegt immer noch im Brutkasten. Von den einen voller Hoffnung und Sorge, von den anderen argwöhnisch beäugt. Wenn es sich gut entwickelt, wachsen und gedeihen darf, wird es (so hofft der Verfasser) vielleicht der Beginn eines neuen Lebensgefühls für Lesben und Schwule sein. Denn möglicherweise gelingt es ihm, Toleranz in völlige Akzeptanz zu verwandeln. Und eines fernen Tages könnte sein Nachfolger vielleicht alle Unterschiede aufheben.

Das ist unser Ziel und dafür werden wir weiter kämpfen!

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