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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Die Homophobie der AfD - eine unberechenbare Alternative

LSVD-Dossier wertet Partei- und Wahlprogramm aus

Alice Weidel ist die erste lesbische Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Wer nun denkt, die AfD kann also gar nicht homophob sein, der wird getäuscht. Ob mit oder ohne Weidel – die AfD ist eine unberechenbare, radikale und zutiefst homophobe Partei. Wir zeigen warum.

Die Homophobie der AfD - eine unberechenbare Alternative

Alice Weidel ist die erste lesbische Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Wer nun denkt, die AfD kann also gar nicht homophob sein, der wird getäuscht. Ob mit oder ohne Weidel – die AfD ist eine unberechenbare, radikale und zutiefst homophobe Partei. Das Dossier beruht zwar auf der Auswertung ihres Parteiprogramms und ihres Wahlprogramms zur Bundestagswahl 2017 sowie weiterer Zitate und Erklärungen. Grundsätzlich hat sich aber seit dem nichts an ihren Positionen geändert. Die AfD zeigt auch in ihren Antworten von 2021 zu den Wahlprüfsteinen ihre Verachtung für viele Errungenschaften und Erfolge. Trotz lesbischer Spitzenkandidatin steht die AfD für eine gefährliche Politik, der LSBTI keine Stimme geben sollten.

So will sie etwa die Ehe für Alle wieder abschaffen und hat dazu auch einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht. In der Debatte sah sie in der Eheöffnung keinen Abbau von Diskriminierung, sondern "rot-grüne Ideologieprojekt". Sie zielt damit konkret auf die Entrechtung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Kurze Zeit später sah der AfD-Abgeordnete Thomas Ehrhorn in der Eheöffnung die "Hoffnung auf den eigenen Volkstod" verwirklicht.

Zudem will sie weiterhin das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wieder abschaffen. Ein lesbisches Paar im Restaurant nicht bedienen, einer trans* Frau nach ihrem Coming-out kündigen oder einem schwulen Paar das Doppelbett im Hotel verweigern - all das wäre ohne das AGG erlaubt. Ganz unverhohlen möchte sie Diskriminierung wieder erlauben. Denn, so schreibt sie uns: "Als AfD sind wir darüber beunruhigt, dass das AGG schon heute in den Schutzbereich von Grundrechten eingreift (z.B. allgemeine Handlungsfreiheit, Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung, Freiheit des religiösen Bekenntnisses)." Diskriminierung ist für die AfD offensichtlich ein Grundrecht. Da hilft auch Alice Weidel nicht. Für queere Menschen ist die AfD gefährlich.

Sie spricht sich gegen eine Gleichwertigkeit von Regenbogenfamilien aus. So antworte sie dem LSVD Sachsen-Anhalt anlässlich der Landtagtswahlen 2021: "Die traditionelle Familie aus Vater, Mutter und möglichst mehreren Kindern ist das Leitbild unserer Familienpolitik. Was als Regenbogenfamilie oder neudeutsch Patchwork-Familie - eigentlich Flickwerk-Familie - verniedlicht wird, ist in Wahrheit oft nicht mehr als das Ergebnis eines gescheiterten Versuchs, eine normale Familie aufzubauen." In ihrer Antwort auf unsere Wahlprüfsteine sagt sie Familie, das ist Vater, Mutter und Kinder. Nichts anderes. Das ist das Ideal und Leitbild, alle anderen Familienformen sind am Ideal gescheitert und weniger wert. Für diese Familien will und wird sie auch keine Politik machen. Für diese Partei ist Familie nicht da, wo Kinder sind. Daran ändert auch Alice Weidel nichts. Auch sie hat sich nie von solchen Positionen distanziert, noch deutlich gemacht, dass sie sich für eine Änderung dieser Position in ihrer Partei einsetzt.

Gerne kritisiert die AfD Gewalt gegen Lesben und Schwule, allerdings nur, wenn die Täter*innen in ihr rassistisches Weltbild passen. So behauptet sie, dass die große Gefahr für die körperliche Sicherheit von Muslim*innen bzw. Geflüchteten ausgehen würde. Dabei sprechen die Zahlen des Innenministeriums eine deutliche Sprache. 2020 wurden insgesamt 782 homo- und transphob motivierte Straftaten, darunter 154 Gewalttaten, registriert. 273, d.h. knapp 1/3 dieser Taten wurden rechtsextremen Täter*innen zugeordnet. Der größte Teil konnte keiner politischen Ideologie zugeordnet werden, auch nicht einer "ausländischen" oder "religiösen" Ideologie, die es als Kategorien in der Hasskriminalitätsstatistik aber gäbe. Gerne verweist sie auch auf den schrecklichen, islamistisch motivierten Mord auf ein schwules Paar in Dresden. Einen anderen Mord im letzten Jahr an einen schwulen Mann im thüringerischen Altenburg lässt sie unter den Tisch fallen - die Täter waren nämlich Rechtsextreme. Wenn ihr die Sicherheit von LSBTI soviel Wert wäre, hätte sie die letzten vier Jahre im Bundestag nutzen können und Anträge zur Prävention und Bekämpfung vorlegen können. Das hat sie nicht. Entsprechende Anträge von FDP und Bündnis 90/ Die Grünen hat sie abgelehnt, obwohl die Oppositionsparteien durchaus mal gemeinsam abstimmen. Stattdessen will sie bestehende Bildungs- und Aktionspläne gegen Homo- und Transphobie beenden. 

Ihr Feindbild Islam pflegt sie, unabhängig davon, dass die Mehrheit der Muslim*innen in Deutschland anders als sie selbst für die Ehe für alle sind. Gleichzeitig ist die AfD bestens vernetzt mit evangelikalen Hardlinern und christlich-fundamentalistischen Gruppen. So fürchtet der AfD-Bundestagsabgeordnete Waldemar Herdt, man werde bald in "Sodom und Gomorrha" landen, da sich die deutsche Gesetzgebung auf Druck von "Nichtgläubigen" so stark verändert habe. Darum baut er ein Netzwerk aus rechten Evangelikalen und homofeindlichen Aktivisten aus aller Welt auf. Sie bekämpfen nach Recherchen von des ARD-Magazin Kontraste und der taz vor allem LGBT und wollen weltweit die Gesetzgebung beeinflussen. Rückhalt für Herdt gibts auch aus der AfD-Fraktion. So gründete sie die sog. "Interparlamentarische Menschenrechtskommission" (IPMK). Ihr Sprecher ist Waldemar Herdt.

Herdt ist etwa mit dem lettischen Prediger Alexey Ledyaev befreundet. Der ist Kopf der "Watchmen on the Wall". Hauptzweck dieser evangelikalen Gruppe ist der Kampf gegen Homosexualität. Ledyaev gründete die zusammen mit Scott Lively. Der warb etwa in Uganda erfolgreich für ein Gesetz mit Todesstrafe für LGBT. Herdt sagt Kontraste und der taz, die Ansichten der Gruppe entsprächen seinen Ansichten. Er habe auch keine Angst, mit Lively in Verbindung gebracht zu werden. Lively erwähnt ihn sogar auf seiner Website. Dort hieß es kürzlich, der AfD-Politiker werde dem ungarischen Ministerpräsidenten Orbán für dessen Anti-LGBT-Gesetz einen "Menschenrechtspreis" verleihen.

Überhaupt gilt die Politik Orbáns vielen aus der AfD als Vorbild. Ganz offen wird um seine Partei im EU-Parlament geworben, gerne würde man mit der Partei eine gemeinsame Fraktion bilden. Im Juni wurden im ungarischen Parlament mehrere Gesetze geändert. Damit werden Informationen über Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit verboten, die für Kinder und Jugendliche zugänglich sein könnten. Ein weiterer Schritt zur Entrechtung und Ausgrenzung von LSBTI in Ungarn. Bereits im letzten Jahr hat Orbans Regierung das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare sowie die Möglichkeit einer Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag verboten. Besonders alarmierend ist, dass sich das nun verabschiedete Gesetz an dem russischen Antihomosexualitätsgesetz orientiert. Sämtliche Informationen über Transgeschlechtlichkeit und Homosexualität sollen für Kinder und Jugendliche verboten werden. LSBTI-akzeptierende Werbung und Unterrichtsinhalte sollen ebenfalls verboten werden. Die Argumentationen gleich sich, Orbán verbietet das, was die AfD als "Frühsexualisierung" oder "Homo-Propaganda" diffamiert. Offene Unterstützung bekommt Orbán nicht nur von Jörg Meuthen, sondern etwa auch von der AfD-Kandidatin Christina Baum, die aller Voraussicht nach in den Bundestag ziehen wird. Als Jens Spahn über seinen Wunsch sprach, mit seinem Ehemann eine Familie zu gründen, postete sie "...wer von Ihnen beiden soll denn nun 'Mamma' werden und das Stillen übernehmen?" und sah das Kindeswohl in Gefahr. Unter ihrem Facebook-Post tobte sich dann der schwulenfeindliche Mob aus. Auch auf weiteren AfD-Accounts in sozialen Netzwerken ergießt sich Häme über den Kinderwunsch Spahns. So twitterte der zum völkischen AfD-Flügel gehörende Bundestagsabgeordnete Martin Reichardt, dass Spahn und sein Mann "ganz sicher" keine guten Eltern wären. Sie forderte etwa ein CSD-Verbot, mit anderen Worten die Einschränkung der Versammlungsfreiheit für LSBTI, während gleichzeitig von der AfD Werbeanzeigen zum Kölner CSD geschaltet werden mit dem Slogan "Damit ihr auch in 10 Jahren CSD feiern könnt". 

Die AfD ist und bleibt ein unberechenbares, gefährliches und unheimliches Sammelbecken aus völkisch-nationalistischer, rechtsextremistischer und religiös-fundamentalistischer Ideologie. Eine Weidel macht da keinen Sommer. Ihre Kandidatur zeigt viel mehr: Wer seine eigene Minderwertigkeit und den zugewiesenen Platz in der Hackordnung anerkennt, kann auch in einer homophoben Partei Karriere machen.

Alice Weidel bleibt immer still, wenn es um die Ausfälle von AfD-Politiker*innen geht. Sie wird die Rechte von LSBTI nicht verteidigen und falls wider Erwarten doch, wird sie diesen Kampf gegen die eigene Partei verlieren.

Inhaltsverzeichnis

  1. Keine Politik für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI)
  2. AfD-Politiker*innen äußern sich regelmäßig homophob
  3. AfD will Antidiskriminierungsgesetzgebung wieder abschaffen
  4. Diffamierung und Abschaffung für Bildungsplänen, die Akzeptanz für LSBTI fördern soll
  5. Familienpolitik lässt keine Vielfalt zu
  6. AfD will Eheverbot für Schwule und Lesben
  7. Widersprüchliche Religionspolitik
  8. Gleichstellungspolitik zurückdrehen
  9. Feindbild Gender
  10. Verbindung zu Neuer Rechten und Rechtsextremen
  11. Instrumentalisierung statt Integration: Flüchtlingspolitik der AfD
  12. Weitere Themen und Literatur

1. Keine Politik für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI)

Die AfD macht keine LSBTI-Politik. Bekämpfung von Homo- und Transphobie ist kein Thema für die Partei – nirgends. (1)  Ihre Familien-, Bildungs- und Gleichstellungspolitik ist ein kaum verhüllter Frontalangriff auf Emanzipations- und Gleichstellungserfolge. Ob Eheöffnung, Rehabilitierung der nach §175 verurteilten Männer, LSBTI-inklusive Bildungspläne - mit Kritik und Polemik ließ die AfD nie lange warten. (2) Weder Alice Weidel noch die Gruppe der Homosexuellen in der AfD wenden sich offen gegen diese Politik.

Politik hat die Aufgabe, ein diskriminierungsfreies Lebensumfeld für alle zu schaffen. Sie muss es allen Menschen garantieren können, zu jeder Zeit, an jedem Ort und ohne Angst vor Anfeindung verschieden sein zu können; sei es in der Schule, im Sportverein, im Pflegeheim, im öffentlichen Raum oder am Arbeitsplatz. Ideologien der Ungleichwertigkeit, die Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit als alleinige Normen definieren, tabuisieren, werten ab und grenzen aus. Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) haben in den letzten Jahrzehnten viel an Akzeptanz erkämpft und gewonnen. Dennoch werden sie im Alltag auch heute noch oft als Menschen zweiter Klasse behandelt, verleugnet, beleidigt, verbal oder gar physisch bedroht und angegriffen. Das darf nicht hingenommen werden.

LSBTI sind selbstverständlicher Bestandteil der heutigen Gesellschaft. Doch im Wahlprogramm der AfD ist für sie kein Platz. Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit werden dort explizit an genau einer Stelle genannt – und zwar um vor deren „einseitige(r) Hervorhebung im Unterricht“ zu warnen. Denn Lesben und Schwule sind in den Augen der AfD vor allem eine Gefahr. Denn sie sind gemeint, wenn zwei Sätze weiter betont wird, dass Kinder „nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden“ dürfen. (3)

Die Diffamierung und Verzerrung von Gleichstellungspolitiken und Gender Studies und das Beharren auf einer „natürlichen“ Geschlechterordnung richten sich ebenfalls implizit gegen LSBTI. Es wird zudem vehement betont, dass Familie nicht da ist, wo Kinder sind, sondern nur aus Vater, Mutter und Kind besteht. Oder wie es expliziter in der Magdeburger Erklärung heißt: Nur die „traditionelle Familie“ gehöre zum „Kern der deutschen Leitkultur“. Das sollte auch gesellschaftlich vermittelt werden. (4)

Weil „der Erhalt des eigenen Staatsvolks (...) vorrangige Aufgabe der Politik und jeder Regierung [sei]“, braucht es laut AfD „eine aktivierende Familienpolitik“. (5) Diese richtet sich explizit nur an diese Form des Zusammenlebens und implizit damit gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Regenbogenfamilien oder Familien mit LSBTI-Kindern. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend soll in „Bundesministerium für Familie und Bevölkerungsentwicklung“ (6) umbenannt werden. Ob dann noch Verwendung für das Referat „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen, Geschlechtsidentität“ besteht, ist eher fraglich.

Sicher ist hingegen, dass die AfD das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz abschaffen möchte. (7) Diskriminierung nicht nur aufgrund der sexuellen Identität soll also wieder erlaubt werden. Verbesserungen für die Anerkennung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen sind nicht vorgesehen. Stattdessen wird vor der „Gender-Ideologie“ gewarnt. (8)

Maßgeblich für den Blick auf Homosexualität ist der evangelikale-bibeltreue Flügel der AfD um Beatrix von Storch. Für Evangelikale ist Homosexualität „Sünde“ und „nicht gottgewollt“. Ausgehend von der These, dass Homosexualität eine erlernte Neigung, wenn nicht sogar Krankheit und pathologische Störung sei, bieten manche evangelikale Organisationen Umpolungstherapien an. Dort sollen dann die vermeintlichen Ursachen von Homosexualität wie etwa traumatische Erlebnisse in der Kindheit oder fehlende Ich-Stabilisierung therapiert werden. (9)

Zwar gibt es mit Alice Weidel eine lesbische Spitzenkandidatin. Sie sollte mächtig genug sein, der Politik ihrer Partei und die regelmäßigen LSBTI-feindlichen Äußerungen ihrer Parteikolleg*innen zu widersprechen. Doch sie schweigt genau wie die Gruppe der „Homosexuellen in der AfD“. Sie greifen lieber die an, die sich für gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt einsetzen. (10)  Die Homosexuellen in der AfD sind parteipolitisch irrelevant und inzwischen in der Versenkung verschwunden. Auf der Homepage der Partei findet man sie nicht. Die Kandidatur von Alice Weidel zeigt vielmehr: Wer seine eigene Minderwertigkeit und den zugewiesenen Platz in der Hackordnung anerkennt, kann auch in einer homophoben Partei Karriere machen. Genauso wenig wie die AfD wird Alice Weidel die Rechte von LSBTI verteidigen.

Quellen

(1) Siehe dazu auch die Auswertung ihrer Antworten auf die LSVD-Wahlprüfsteine 
(2) Von 1950 bis 1969 wurden rund 50.000 Schwule verurteilt, weil Sex unter Männern verboten war. Viele verloren ihre Arbeit, ihre Familie und ihre bürgerliche Existenz. Die Bundesregierung hat im Sommer 2017 diese Verurteilten per Gesetz rehabilitiert. Ein längst überfälliger Schritt, der für späte Gerechtigkeit sorgt. Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag bezeichnete die Aufhebung als "Schande". (zu Bildungsplänen siehe Kapitel 4 "Diffamierung und Abschaffung von Bildungsplänen", zur Eheöffnung siehe Kapitel 6 "Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare")
(3) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 41. 
(4) Magdeburger Erklärung zur Frühsexualisierung
(5) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 37. 
(6) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 37. 
(7) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 12. 
(8) Antworten der AfD auf die Wahlprüfsteine des LSVD (Punkt 3: Diskriminierung gegen LSBTI gesetzlich beseitigen)
(9) So etwa Dr. Christl Ruth Vonholdt. Sie leitete das Deutsche Instituts für Jugend und Gesellschaft der Offensive Junger Christen bis Februar 2017. Die Öffentlichkeitsreferentin Elke Pechmann wird als Mitinitiatorin des Aktionsbündnisses Familie genannt. Dieses Aktionsbündnis ist in Trägerschaft der Evangelischen Allianz, der größten deutschen Vereinigung evangelikaler Christ*innen. Hartmut Steeb ist der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz und war Redner bei den von Beatrix von Storch mitgorganisierten „Demos für Alle“ gegen Bildungspläne zur Akzeptanzförderung von LSBTI.
(10) Jan Schnorrenberg (2016): Der rosarote Dolchstoß. Die AfD, ihre LGBT* und der schwule Rechtspopulismus. und queer.de (2017): "Homosexuelle in der AfD" spalten sich.

2. AfD-Politiker*innen äußern sich regelmäßig homophob

Beatrix von Storch

Die AfD fällt regelmäßig damit auf, sich über LSBTI verächtlich, abfällig oder gar volksverhetzend zu äußern. Führende AfD-Politiker*innen geben dazu die Tonart vor, viele andere folgen.

Galionsfigur homophober AfD-Politik ist sicherlich Vizepartei-Chefin Beatrix von Storch. Sie ist fest im evangelikalen-bibeltreuen Flügel der AfD verankert. Für diesen ist Homosexualität „Sünde“ und „nicht gottgewollt“. Von Storch hat den baden-württembergischen Bildungsplan als „Gift“ und „Gewalt“ bezeichnet (1), weil dieser auch eine Akzeptanzförderung von LSBTI vorsah.

Sie rühmt sich auch damit, die „Demo für Alle“ organisiert zu haben. (2) Diese protestiert regelmäßig gegen die Erweiterung von Bildungsplänen und Sexualkunderichtlinien um die Vermittlung der Gleichwertigkeit von LSBTI. Von Storch ist somit verantwortlich für die wenigen großen Demonstrationen in Deutschland, die sich ausdrücklich gegen LSBTI richten. Die Gästeliste liest sich dabei wie das Who is Who der homophoben Hardliner, die Ansichten der Demoteilnehmenden sind nicht weniger erschreckend.

Hedwig von Bevernfoerde ist das homophobe Gesicht der „Demo für Alle“ und kann sich bei jeder Aktion des Rückhalts der AfD sicher sein. Denn mit den von Storchs ist sie eng verbandelt. Von Storch möchte nun auch als Abgeordnete in den Bundestag einziehen. Vor kurzem hat sie sich über einen Workshop beim Evangelischen Kirchentag zum lesbischen Coming-out echauffiert. „Wir dürfen uns bitte nicht wundern, wenn diese Muslime, die zu uns kommen, die klar an ihrem Glauben hängen, die stolz auf ihre Kultur sind – das sei ihnen unbenommen – unsere verachten, weil wir sie offensichtlich selber verachten, wenn wir eine evangelische Kirche haben, die solche Seminare auf ihrem Kirchentag anbietet. Dann müssen wir uns nicht wundern, wenn wir irgendwann nicht mehr sind. (…) Das wollen wir und das werden wir nicht hinnehmen." (3)  Eine offene evangelische Kirche ist für von Storch also verachtenswert.

Björn Höcke

Der völkisch-nationale Flügel um Björn Höcke ist nicht weniger drastisch. Höcke verspricht bzw. droht: „Wir werden diesem Zeitgeist, diesem unsäglichen, diesem unglücklichen, diesem perversen Zeitgeist, anders kann man es nicht sagen, niemals nachgeben. (…) Wir werden ihm die Stirn bieten, wir stehen gerade und aufrecht für die Natürlichkeit der Familie, für die Natürlichkeit der Sexualität, für das, was die Gesellschaft prägt: die natürliche Verbindung aus Mann und Frau. Was denn sonst?“ (4)

AfD-Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt fänden es gut, wenn Homosexuelle wie in den Maghreb-Staaten ins Gefängnis kommen oder gesellschaftlich unsichtbar bleiben müssen. (5) Schließlich sei Homosexualität wahlweise ein „Fehler der Natur“, „Abweichung“ oder „Irrtum“, der „lebensgefährlich für die Menschheitsfamilie“ sei. (6) Der Landesvorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt und Mitglied des Bundesvorstandes André Poggenburg wurde von Olivia Jones wegen Volksverhetzung angezeigt. (7) Auch dem Berliner AfD-Politiker Kay Nerstheimer droht inzwischen eine Anklage wegen Volksverhetzung. Er hatte Homosexuelle als „degeneriert“ bezeichnet. (8)

Frauke Petry

Parteichefin Frauke Petry mischt auch mit. Auch wenn sie selbst keine Zeit zum Fernsehen hätte, ärgert sie sich zum Beispiel, dass zu viele Schwule im Fernsehen zu sehen seien. Sie fühle sich unter Druck gesetzt, dass sie das angeblich auch noch gut finden müsse. (9) 

Diese Äußerungen blieben innerhalb der Partei ohne Konsequenzen. Alice Weidel hat sich nie gegen solche Bemerkungen positioniert. Dabei sollte sie mächtig genug sein, der Politik ihrer Partei und die regelmäßigen LSBTI-feindlichen Äußerungen ihrer Parteikolleg*innen zu widersprechen. Das unterscheidet sie zum Beispiel auch von offen schwulen CDU-Politikern wie Jens Spahn und Stefan Kaufmann, die deutlich machen, dass sie Positionen ihrer Partei nicht teilen, sondern verändern wollen. Homophobe Ausfälle von CDU-Abgeordneten werden auch von ihnen kritisiert. Doch Weidel und Co schweigen.

Quellen

(1) Norbert Blech (2014): Beatrix von Storch zum Bildungsplan: Widerstand ist Pflicht.
(2) Norbert Blech (2015): Beatrix von Storch: Ich organisiere die "Demos für Alle".
(3) Dennis Klein (2017): AfD macht Wahlkampf gegen Homo- und Transsexuelle
(4) queer.de (2016): LGBTI-Akzeptanz: Höcke kündigt Kampf gegen "perversen Zeitgeist" an.
(5) Welt online (2016): Homosexuelle ins Gefängnis? AfD will Protokoll-Korrektur.
(6) Norbert Blech (2017): Schamlose Parlamentsrede. AfD: Wir sind die neuen 175er.
(7) Interview mit Olivia Jones (2016): "Ich lasse mich nicht in eine Schublade mit Pädophilen stecken"
(8) Felix Hackenbruch (2017): Berliner AfD-Politiker Nerstheimer droht Anklage wegen Hetze.  bzw. Ulrich Kraetzer (2016): AfD diskutiert über homophobe Kommentare 
(9) Frauke Petry bei Jung und Naiv (2016)

3. AfD will Antidiskriminierungsgesetzgebung wieder abschaffen

Egal ob Wohnungssuche oder Jobauswahl, Kündigung oder Familiengründung, Antidiskriminierungsgesetze schützen alle Menschen vor Benachteiligung. Die AfD will diese Gesetze abschaffen.

Wenn es nach der AfD geht, gilt bald das mittelalterliche Recht des Stärkeren. „Die Alternative für Deutschland tritt für die Bewahrung bzw. Wiederherstellung der bürgerlichen Selbstbestimmung im Zivilrechtsverkehr ein. „Deshalb lehnen wir sogenannte „Antidiskriminierungsgesetze“ ab.“, schreibt die AfD in ihrem Wahlprogramm. (1) Was sich unter bürgerliche Selbstbestimmung gut liest, trifft mehr Menschen als die AfD zugeben mag.

In den Medien lesen wir hin und wieder von gleichgeschlechtlichen Paaren, die etwa im Restaurant nicht bedient worden sind oder keine Wohnung finden. Aber jede*r, der oder die ein körperliches Defizit hat, einen ausländisch klingenden Namen trägt oder Kinder hat, kann von den besonderen Schwierigkeiten der Job- und Wohnungssuche ein Lied singen. Antidiskriminierungsgesetze helfen hier den Betroffenen, ihre Rechte einzufordern. Hinter den Gesetzen verbirgt sich noch mehr als der Schutz vor negativen Vorverurteilungen durch andere Menschen. Auch der Schutz gegen sexuelle Belästigung fällt etwa darunter.

Es ist gut, das durch Gesetze einzudämmen und Menschen einen Schutz vor Diskriminierung mit an die Hand zu geben. Dieser Schutz ist eine gesetzliche Grundlage, auf der sie das einfordern können, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Gleiche Rechte. Die AfD will eben das offenkundig nicht.

Quellen

(1) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 12. 

4. Diffamierung und Abschaffung für Bildungsplänen, die Akzeptanz für LSBTI fördern soll

Gesellschaftliche Vielfalt gehört zum heutigen Alltag und Schule muss darauf vorbereiten. Die schulische Beschäftigung mit LSBTI ist ein fundamentaler Bestandteil von Demokratie- und Menschenrechtsbildung. Die AfD findet das nicht und erfindet pädagogische Mythen, um sich dem entgegenzustellen. In ihrem Wahlprogramm spricht sich die AfD gegen eine „einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität im Unterricht“ aus. Im gleichen Abschnitt warnt die AfD dann davor, dass Kinder „nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden“ (1) dürfen. Die AfD beschreibt hier Lesben und Schwule als eine Gefahr für Kinder – in der einzigen Passage des gesamten Wahlprogramms, in der LSBTI überhaupt explizit genannt werden. Bestehende Bildungspläne sollen folglich auch abgeschafft werden. (2)

Akzeptanzförderung, eine selbstverständliche und unaufgeregte Thematisierung von LSBTI, wird von der AfD skandalisiert, diffamiert und als „Umerziehung“ deklariert. (3) Die Stärkung aller Schüler*innen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität widerspricht ihrer Meinung nach dem schulischen Bildungsauftrag. LSBTI-Projekte, die an Schulen Antidiskriminierungsarbeit machen und Schüler*innen die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, sind der AfD ein Graus. Die Schule soll vielmehr „ein positives Bild von Ehe und Elternschaft vermitteln“. (4) Und Familie und Ehe beziehen sich für die AfD ausschließlich auf die "traditionelle Familie". (5) Schul- und Bildungspolitik ist für die AfD Teil von Bevölkerungspolitik.

Immer wieder fallen AfD-Abgeordnete mit Agitationen gegen LSBTI-inklusive Lehrpläne auf. Maßgeblich beeinflusst wird die Familien- und Bildungspolitik durch den christlich-fundamentalistischen Flügel der Partei um Beatrix von Storch und den völkischen Flügel mit Bernd Höcke und André Poggenburg. Von Storch möchte als Abgeordnete in den Bundestag einziehen. Sie hat den baden-württembergischen Bildungsplan als „Gift“ und „Gewalt“ bezeichnet, weil dieser auch eine Akzeptanzförderung von LSBTI vorsah. Ihre „Demo für Alle“ protestiert regelmäßig gegen die Erweiterung von Bildungsplänen und Sexualkunderichtlinien um die Vermittlung der Gleichwertigkeit von LSBTI. Hedwig von Bevernfoerde ist das homophobe Gesicht der „Demo für Alle“ und kann sich bei jeder Aktion des Rückhalts der AfD sicher sein. Denn mit den von Storchs ist sie eng verbandelt. (6)

Eine Grundlage für die AfD-Bildungspolitik ist die von André Poggenburg initiierte und 2016 von allen damaligen AfD-Landtagsfraktionen getragene „Magdeburger Erklärung zur Frühsexualisierung“. Darin wird die AfD noch deutlicher: Lesbische und schwule Partnerschaften oder Regenbogenfamilien seien keinesfalls als gleichwertig anzusehen. Nur die „traditionelle Familie“ gehöre zum „Kern der deutschen Leitkultur“. Diese klare Hierarchie muss auch staatlich durchgesetzt werden, insbesondere im Bildungsbereich. So heißt es in diesem AfD-Positionspapier weiter: „Wir bekennen uns zu einem Schulunterricht, der auch die Botschaft vermittelt, dass nicht Triebbefriedigung, sondern eine intakte Familie primäres Ziel sein sollte.“ Kinder und Jugendliche sollen also dazu angehalten werden, ihr Glück in der Vater-Mutter-Kind-Familie zu suchen und damit auch „dem Erhalt unseres Volkes, unseres Staates und unserer Nation“ zu dienen. (7)

Zudem beruft sie sich auf das „vom Grundgesetz garantierte Elternrecht auf Erziehung“, das durch schulische Akzeptanzförderung angeblich verletzt werden würde. Dabei verschweigt die AfD, dass laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts der allgemeine Auftrag der Schule zur Bildung und Erziehung der Kinder dem Elternrecht nicht nach-, sondern gleichgeordnet ist. Im Gegensatz zu den Behauptungen der AfD sind auch Lerninhalte, die den Wünschen und Ansichten der Eltern widersprechen, mit dem Grundgesetz vereinbar. (8)

Wir halten also fest: Die AfD ist gegen die Förderung eines angst- und diskriminierungsfreien Miteinanders an Schulen. Dementsprechende Bildungspläne sollen wieder abgeschafft werden. Die Schul- und Bildungspolitik hat für die AfD vielmehr auch im Dienst einer völkischen Familien- und Bevölkerungspolitik zu stehen – LSBTI gehören für die AfD nicht dazu.

Quellen

(1) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 41. 
(2) So schreibt die AfD in ihrer Antwort an den LSVD 
(3) LSVD-Pressemeldung vom 15.11.2016: Faktenfreie AfD-Kampagne skandalisiert Akzeptanz von Lesben, Schwulen und Transgender.
(4) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 39. 
(5) Siehe Kapitel 5. "Familienpolitik lässt keine Vielfalt zu"
(6) Norbert Blech (2014): Beatrix von Storch zum Bildungsplan: Widerstand ist Pflicht. und Norbert Blech (2015): Beatrix von Storch: Ich organisiere die "Demos für Alle".
(7) Magdeburger Erklärung zur Frühsexualisierung
(8) Die rechtlichen Vorgaben für den Sexualkundeunterricht. Zusammenfassung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte.

5. Familienpolitik lässt keine Vielfalt zu

Familie ist, wo Kinder sind. Die AfD spricht sich gegen diesen Grundsatz aus. Statt alle Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen, teilt die AfD Familien in schutzwürdig und nicht-schutzwürdig ein. Kinder haben das Recht auf eine Anerkennung ihrer Lebensrealität und auf individuelle Förderung, unabhängig davon, in welcher Familienform sie aufwachsen. Das kann nur gelingen, wenn weiterhin alle Familien unter dem staatlichen Schutz stehen und in angemessener Weise von staatlichen Hilfen profitieren können. Die AfD will das nicht und zementiert damit Familien zweiter Klasse.

Die AfD sieht die Mann-Frau-Kind-Familie durch andere Familienformen bedroht, letzteren ist deswegen der Schutz zu entziehen. So schreibt die AfD in ihrem Wahlprogramm: „Die AfD will, dass sich die Familienpolitik des Bundes und der Länder am Bild der Familie aus Vater, Mutter und Kindern orientiert. Wir lehnen alle Versuche ab, den Sinn des Wortes „Familie“ in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz auf andere Gemeinschaften auszudehnen und der Familie auf diesem Wege den besonderen staatlichen Schutz zu entziehen.“ (1) Damit stellt sie sich auch gegen geltende Rechtsprechung: In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2013 heißt es: „Leben eingetragene Lebenspartner mit dem leiblichen oder angenommenen Kind eines Lebenspartners in sozial-familiärer Gemeinschaft, bilden sie mit diesem eine durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie im Sinne des Grundgesetzes.“ (2)

Die AfD versteht unter Familie ausschließlich „die Verbindung aus Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Sie garantiert den Erhalt unseres Volkes, unseres Staates und unserer Nation.“ (3) Dieses Familienbild wird nicht nur gefördert, alle anderen Familienmodelle sind der AfD ungleich und zu vermeiden. Eine gute Erziehung könnten etwa gleichgeschlechtliche Paare auch nicht gewährleisten, darum sei ihnen das Adoptionsrecht auch zu verweigern. (4) Die Fülle an Studien, die belegen, dass es Kindern in Regenbogenfamilien gut ginge, wird von der AfD ignoriert. (5) 

Doch das begrenzte Familienbild der AfD trifft nicht nur schwule und lesbische Familienmodelle („Regenbogenfamilien“), sondern etwa auch Alleinerziehende, Patchworkfamilien, Pflegeelternschaften, Adoptivfamilien und andere Konstellationen, in denen Kinder erzogen, geliebt und gefördert werden. Die Argumentation der AfD ist hanebüchen und völkischer Klangart. Die heterosexuelle Familie soll als staatstragendes Institut geschützt werden, „weil nur dieses das Staatsvolk als Träger der Souveränität hervorbringen kann“ (6).

Eine Aufteilung von Familien in „schutzwürdig“ und „nicht schutzwürdig“ ist gefährlich. In Deutschland leben derzeit knapp elf Millionen Kinder (bis 15 Jahre). Rund 30% der Familien, in denen diese Kinder aufwachsen, entsprechen nicht dem Vater-Mutter-Kind-Familienmodell (7). Es ist nicht zu akzeptieren, diesen Familien den Status der Familie abzusprechen und ihnen jeden grundrechtlichen Schutz zu entziehen. Die AfD möchte ferner Migrantenfamilien den Familiennachzug verwehren. (8)

Im Klartext: Keineswegs sollen alle Familien und Kinder unterstützt und gestärkt werden.

Quellen

(1) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 40. 
(2) Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013 zur Sukzessivadoption. BVerfG 133, 59. 
(3) Magdeburger Erklärung zur Frühsexualisierung
(4) Magdeburger Erklärung zur Frühsexualisierung.
(5) ZEIT online (2017) „Homosexuelle sind keine schlechteren Eltern als Heterosexuelle“  oder Meller Zeitung (2017) Studien: Viel Wärme wenig Konflikte in Regenbogenfamilien 
(6) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 40. 
(7) Zensusdatenbank: Zensus 2011 der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder
(8) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 31.

6. AfD will Eheverbot für Schwule und Lesben

In schwulen und lesbischen Partnerschaften werden die gleichen Werte gelebt wie in heterosexuellen. Im Vordergrund steht, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Verheirateten muss es frei stehen, sich für oder gegen Kinder zu entscheiden. Für die AfD haben schwule und lesbische Beziehungen hingegen nicht den gleichen Wert.

Die AfD war und ist strikt dagegen, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Für sie gibt es nur eine einzige richtige Form des Zusammenlebens: Die Gemeinschaft zwischen Frau und Mann als Zelle der Reproduktion und Erziehung. Im Bundestagswahlprogramm heißt es dazu: „Wir wollen unnötige Hemmnisse beseitigen, damit stabile Ehen und Familien entstehen und bestehen bleiben. Hiermit wollen wir schon früh beginnen, indem anerkannte Regeln zu Partnerschaft und Familie, Haushaltsführung, Lebensschutz (1) und Kindererziehung in Lehrplänen und Schulbüchern aller allgemeinbildenden Schulen wieder fester Bestandteil werden.“ (2)

Die AfD führt nicht weiter aus, was unter diesen „anerkannten Regeln“ konkret zu verstehen ist. Es ist zu vermuten, dass Schlagwörter wie Haushaltsführung, Kindererziehung und anerkannte Regeln zur Partnerschaft ein Roll-Back in die 50er Jahre bedeuten würden. Der Zweck der Ehe wäre demnach ausschließlich auf Familienführung und somit auf Reproduktion ausgelegt. (3) Kinder und Jugendliche sollen schulisch auf diese zweifelhafte Norm getrimmt werden. Die (heterosexuelle) Ehe und das individuelle Streben danach wird zu einem Lebensentwurf erklärt, der in Familie, Schule und Medien vermittelt werden könnte und muss. (4)

Das widerspricht den Grundsätzen unserer freiheitlichen Gesellschaft, in der Bürger*innen selbstverständlich selbst wählen können, welche Form des Zusammenlebens für sie die passende ist. Die Durchsetzung dieses völkischen Ideals betrifft nicht nur Schwule und Lesben in Beziehungen, Lebensgemeinschaften und Ehen, sondern wäre ein gewaltiger Rückschritt für jeden Menschen, egal ob hetero- oder homosexuell, der für sich nicht die Ehe mit Kinderplänen als Form der Beziehung wählen möchte oder kann.

Quellen

(1) Lebensschutz meint Nicht-Abtreibung. Die AfD will sich mindestens für Meldepflichtauflagen und somit Erschwernis von Abtreibungen einsetzen oder Abtreibungen gar ganz verbieten (AfD 2017, S.39).
(2) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 37. 
(3) Siehe auch Kapitel 5. "Familienpolitik lässt keine Vielfalt zu"
(4) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 39. 

7. Widersprüchliche Religionspolitik

Die große Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslim*innen zeigen eine hohe Zustimmung zu gesellschaftlichen Grundwerten und eine hohe Verbundenheit mit Deutschland. (1)  Trotzdem werden alle der fünf Millionen deutschen und hier lebenden Muslim*innen von der AfD pauschal als „große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung“ (2) diffamiert. Mit Unterscheidungen zum politischen Islamismus, Fundamentalismus oder Salafismus hält die AfD sich nicht lang auf. Vielmehr wird allen Muslim*innen attestiert, dass sie nicht zu Deutschland gehören. Dass Muslim*innen auch Deutsche sind, passt nicht in ihr Weltbild. Ihnen wird die Religionsausübung und Gleichberechtigung mit anderen Religionsgemeinschaften verweigert. Das ist Hetze in Reinformat.

Religion und LSBTI werden oft als Widerspruch gedacht. Die Geschichte religiös begründeter Verurteilung und Verachtung für LSBTI ist lang und hält bis heute an. „Sünde“ oder „nicht gottgewollt“ – LSBTI kennen religiös legitimierte Homophobie leider nur allzu gut. Insofern gibt es durchaus Anlässe, dass das Feindbild Islam auch bei LSBTI verfängt. Doch aus Angst vor Homophobie die AfD zu wählen, das macht den Bock zum Gärtner.

Auch die großen deutschen muslimischen Organisationen wie der Islamrat oder der Zentralrat der Muslime werten Homosexualität als Sünde. Lesben und Schwule sollen aber nicht diskriminiert werden. Diesen Widerspruch findet man jedoch auch im katholischen Katechismus und im evangelikalen Flügel um Beatrix von Storch oder auch in evangelischen Gemeinden – gern mit Verweis auf die Bibel. Hier kommt folglich die Doppelmoral der AfD zum Tragen, wenn dann ausschließlich der Islam kritisiert wird. Gleichzeitig wird verschwiegen, dass viele Muslim*innen in Deutschland z.B. für die Eheöffnung waren und damit in dieser Frage liberaler als die AfD und viele in der Union.(4)

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ - Die AfD macht Millionen von Muslim*innen sehr deutlich, dass sie sie hier nicht haben möchte. Das ist gefährlich. Wie sie in letzter Konsequenz dafür sorgen will, dass Muslim*innen aus Deutschland verschwinden, darüber schweigt sie sich im Wahlprogramm aus. Darüber hinaus fordert die AfD einerseits die Integration von Muslim*innen ein, andererseits hält sie eine Aufklärung im Islam für „nicht realistisch und nicht wünschenswert“(5). Ein Widerspruch.

Klar ist jedoch: Die AfD setzt auf Konfrontation statt Integration und Aufbau von Dialog und Ausbau von Prävention. Die Einschränkung der Religionsfreiheit verstößt gegen das Grundgesetz und trifft auch liberale Muslim*innen und LSBTI-Muslim*innen. Blick in andere Wahlprogramme, um zu zeigen, dass alle Parteien Anfälligkeit für Fundamentalismus und Extremismus als Problem klarstellen und auch niemand behauptet, die Scharia einzuführen. Das heißt die AfD hat in dieser Frage kein Alleinstellungsmerkmal, selbst wenn sie das gern behauptet.

Der Mechanismus, Minderheiten die Grundrechte zu verweigern, ist gefährlich und unberechenbar. Die Ausrichtung von Politik am Ziel kultureller Homogenität richtet sich gegen Selbstbestimmung, Individualität und Freiheit. Wurden bereits einer Minderheit die Rechte genommen, warum dass nicht auch auf andere Gruppen ausweiten? Völkische Ideologie ist hochanschlussfähig für Verfolgung und Unterdrückung jeder Art. Die Politik steht für den Wunsch, alles abzulehnen, das nicht zum definierten Volk gehört.

Quellen

(1) Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung (2015): Sonderauswertung Islam. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick 
(2) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 34.
(3) u.a. Muhammad Sameer Murtaza (2016): „Die Würde des Menschen gilt für alle“ bzw. queer.de (2016): Zentralrat der Muslime: Wir verteidigen die Freiheit von Homosexuellen.
(4) Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung (2015): Sonderauswertung Islam. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick; Adrian Arab (2017): Liberal-Islamischer Bund: „Der Koran erlaubt die Homo-Ehe“, Welt (2017): Muslime im Bundestag stimmten für Ehe für alle 
(5) Lenz Jacobsen (2016): AfD spricht Islam Fähigkeit zur Aufklärung ab 

8. Gleichstellungspolitik zurückdrehen

Alle Menschen sollten die gleichen Chancen auf Teilhabe haben und niemand sollte diskriminiert werden. Diskriminierungen finden dennoch täglich überall statt. Insbesondere Frauen werden aufgrund des Geschlechts diskriminiert, etwa bei der Jobsuche oder beim Gehalt. Die AfD will nichts dagegen unternehmen und bereits erreichte Erfolge abschaffen, etwa das Allgemeine Gleichstellungsgesetz, Gleichstellungsbeauftragte oder die Frauenquote in Vorständen.

Die AfD findet: Gleichstellungspolitik dient nur der Abschaffung der klassischen Familie als Lebensmodell und bedroht damit auch den Erhalt des Volkes. Im Wahlprogramm heißt es dazu: „Wir lehnen daher Bestrebungen auf nationaler wie internationaler Ebene ab, diese Ideologie [gemeint ist die „Gender-Ideologie“] durch Instrumente wie Gender-Studies, Quotenregelungen z.B. für Frauen, Propagandaaktionen wie den „Equal Pay Day“ oder die „geschlechterneutrale Sprache“ umzusetzen.“ (1)

Mit der Ausrichtung ihrer Familien- und Bildungspolitik will die AfD ausschließlich ein Familienmodell fördern: Die „traditionelle Familie“ aus Vater-Mutter-Kind. (2) Und „traditionell“ bedeutet in der Regel auch, dass die Mutter die Erziehungs- und Hausarbeit übernimmt während der Vater der Erwerbsarbeit nachgeht. Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist kein Thema für die AfD – gleiche Chancen für Alle auch nicht. (3)

Stattdessen fordert sie die Abschaffung des Antidiskriminierungsgesetzes – „Vertragsabschlussfreiheit“ heißt das bei der AfD. (4) Dieses Wort klingt gut – wer mag schon nicht mehr Freiheit. Gemeint ist jedoch eine Erlaubnis zur Diskriminierung. Das trifft alle Menschen. Dass einer Frau mit Verweis auf ihr Geschlecht der Job oder die Beförderung wieder verweigert werden könnte, gehört dann genauso wieder zum „zentralen Grundwert einer freiheitlichen Zivilrechtsordnung“ wie einem schwulen Paar die Wohnung nicht zu vermieten oder einer Lesbe die Bedienung im Café zu verweigern.

Quellen

(1) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 40. 
(2) Siehe auch Kapitel 5 „Vorherrschaft der traditionellen Familie“
(3) Deutscher Frauenrat (2017): Gleichstellungs-Check zur Bundestagswahl 2017.
(4) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 12.

9. Feindbild Gender

Viele Menschen haben eine feste Vorstellung davon, wie Frauen zu sein haben, wie Männer zu sein haben, was sie dürfen, können, sollen und wollen. Diese Vorstellungen haben sich nicht nur geschichtlich verändert, sondern waren und sind immer auch umkämpft. Vorstellungen von „richtigen“ Männern und „richtigen“ Frauen sind zudem mit Homo- und Transphobie aufs Engste verknüpft. Gender Studies (Geschlechterforschung) beschäftigen sich damit, welche Vorstellungen es von Geschlechterrollen gibt und welche Konsequenzen und Auswirkungen sie für unsere Gesellschaft haben. Das ist der AfD ein Graus. Für die AfD ist dieses Fach Ideologie und die Forschung „Steuer-Verschwendung“.

Die AfD diffamiert Gender Studies als Ideologie und will ihre Abschaffung. Sie schreibt in ihrem Wahlprogramm: „Bund und Länder dürfen keine Mittel für die Gender-Forschung mehr bereitstellen und keine Gender-Professuren mehr besetzen. Bestehende Förderlinien sollen beendet werden, die der „Gender-Ideologie“ verpflichteten „Gleichstellungsbeauftragten“ an den Universitäten sind abzuschaffen.“ (1) Indem die AfD Geschlechterforschung als „Steuerverschwendung“ bezeichnet, macht sie auch den Weg frei für eine Kriminalisierung. Denn Steuerverschwendung soll laut Wahlprogramm zu einem Straftatbestand werden. (2)

Auch wenn sie ein paar Seiten später vorgibt, die Autonomie der Hochschulen stärken zu wollen und die Freiheit von Forschung und Lehre zu bewahren, setzt sie in Bezug auf Gender Studies folglich auf gravierende Einschnitte in die Wissenschaftsfreiheit.

Was haben LSBTI mit Gender Studies zu tun? Die AfD vertritt ein binäres Geschlechtermodell und das Leitbild der traditionellen Familie. Diese Zuschreibungen sind die Grundlage für Sexismus und LSBTI-Feindlichkeit. Dieses Bild impliziert nämlich, dass Männer und Frauen fundamental verschieden sind und sich nur in der heterosexuellen Ehe vervollständigen können. Auch dank den Gender Forschungen wissen wir mittlerweile, dass das aus wissenschaftlicher Sicht Unsinn ist. In dem Forschungsgebiet ist auch aus LSBTI-Sicht noch viel zu erforschen. Ein Angriff auf Gender Studies ist durchaus auch ein Angriff auf all diejenigen, die sich nicht an die vorgegebenen Geschlechternormen und Erwartungen halten (wollen oder können), d.h. auch auf LSBTI.

Quellen

(1) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 41. 
(2) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 11. 

10. Verbindung zu Neuer Rechten und Rechtsextremen

Seit ihrer Gründung hat sich die AfD unaufhaltsam zu einem so unberechenbaren wie unheimlichen politischen Sammelbecken radikalisiert. Die AfD positioniert sich selbst als Partei rechts von der Union, ohne sich klar von Rechtsextremen abzugrenzen. Immer wieder sucht die AfD die Nähe zu Rechtsaußen. Innerhalb der AfD bestehen personelle und inhaltliche Überschneidungen mit der Neuen Rechten um Götz Kubitschek (1), nationalistischen Burschenschaften, der rechtsextremen NPD, der (gewaltbereiten) rechtsextremen Szene oder den vom Verfassungsschutz ebenfalls beobachteten Identitären. (2) Der völkisch-nationalistische Flügel um den AfD-Fraktions- und Landeschef in Thüringen, Björn Höcke, ist inzwischen eine mächtige Strömung in der AfD. Der Parteiausschluss von Höcke ist wieder vom Tisch. Das zeigt, wie viel Rückhalt der völkisch-nationalistische Flügel innerhalb der Partei hat.

Seit ihrer Gründung 2013 und spätestens ihrem rasanten Aufstieg im Wahljahr 2014 war die AfD eine Allianz und Sammelbecken für drei Strömungen, die sich alle über eine Zementierung von sozialer Ungleichheit definieren:

  • einen neoliberalen Euro-kritischen Flügel um Bernd Lucke und Konrad Adam,
  • einen christlich-fundamentalistischen, anti-säkularen und aristokratisch-klerikalen Flügel um Beatrix von Storch,
  • einen völkisch-nationalistischen Flügel mit Björn Höcke und André Poggenburg. (3)

Neben André Poggenburg (AfD-Fraktions- und Landeschef in Sachsen-Anhalt) ist Björn Höcke die Schlüsselfigur. Er pflegt intensive Kontakte zur Neuen Rechten, zu rechtsextremen Burschenschaften und zur völkischen Neonazi-Szene. (4) Ob die „Erfurter Resolution“, Vorträge im Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek oder seine Reden zur Erinnerungspolitik oder von rassistischen Bevölkerungsstrategien – es ist unübersehbar, dass Höcke eine AfD für Rechtsextreme aufbaut und in diesem Milieu großen Rückhalt genießt. Wenn der AfD der Einzug in den Bundestag gelingt, wird u.a. mit Jürgen Pohl, Marcus Bühl, Stephan Brandner oder Enrico Komning eine Reihe seiner Vertrauter und Gleichgesinnter zur Fraktion gehören. (5)

Die Stärke des völkisch-nationalistischen Flügels lässt sich auch auf AfD-Landtagsfraktionen bzw. AfD-Landesverbände übertragen. (6)  Ob in Mecklenburg-Vorpommern (7), Berlin (8), Bayern (9), Sachsen (10), Sachsen-Anhalt oder Thüringen (11) , Nordrhein-Westfalen (12) oder dem Saarland (13) - immer wieder werden personelle wie inhaltliche Überschneidungen hin zu extrem rechten Netzwerken und Positionen deutlich.

Ein Parteiausschluss Höckes wird nicht mehr diskutiert. Mit Alexander Gauland und Jörg Meuthen genießt er prominenten Rückhalt im AfD-Bundesvorstand. (14)

Das hat auch AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel erkannt. Sie hat Markus Frohnmeier von der noch radikaleren „Jungen Alternative“ (15) zu ihrem Pressesprecher gemacht. Der gehört zum völkischen Flügel und pflegt Kontakte zu Burschenschaften. Trotz eines offiziellen Unvereinbarkeitsbeschlusses der Partei trifft er sich auch weiter mit der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung. (16) Weidel selbst betonte in einem Interview, dass es für sie nicht nötig sei, sich und die AfD von völkischen, rassistischen und antisemitischen Ideologien abzugrenzen. Rote Linien brauche es nicht. (17) Wird sie auf Höcke angesprochen, distanziert sie sich nicht. Sie verlässt dann zum Beispiel lieber die Wahlsendung des ZDF. (18)

Quellen

(1) Götz Kubitschek war auch Ehrengast auf der Wahlparty der AfD Sachsen-Anhalt. Stange, Jennifer (2016): Rechte Idylle
(2) Maria Fiedler (2017): Wie radikal wird die AfD-Fraktion im Bundestag
(3) Andreas Kemper (2015): Christlicher Fundamentalismus und neoliberal-nationalkonservative Ideologie am Beispiel der „Alternative für Deutschland“. In: Lucie Billmann (Hg.): Unheilige Allianz. Das Geflecht von christlichen Fundamentalisten und Politisch Rechten a, Beispiel des Widerstands gegen den Bildungsplan in Baden-Württemberg. Rosa Luxemburg Stiftung. S. 21-29.
(4) Andreas Kemper (2015): Die NPD-AfD-Achse Heise-Höcke; FPeter (2016): Das Hinterland der neurechten Bewegung; Focus Online (2017): Acht Zitate zeigen, wie gefährlich der AfD-Rechtsaußen wirklich ist
(5) Maria Fiedler (2017): Wie radikal wird die AfD-Fraktion im Bundestag?
(6) Maria Fiedler (2017): Wie radikal wird die AfD-Fraktion im Bundestag?
(7) Biermann, Kai et al. (2016): AfD in Mecklenburg-Vorpommern: Rechts bis extrem. Zeit online vom 05.09.2016.
(8) Olaf Sundermeyer (2017): Von Neukölln aus an die Macht. und Berlin Rechtsaußen (2016): Das rechte Netzwerk der Berliner AfD
(9) Spiegel online (2017): Wirbel um Hitler-Bild in Chatgruppe der Nürnberger AfD. und Johannes Osel (2017): Bayern-AfD: Eng mit rechtsextremer Szene verbandelt.
(10) Nachdem sich Parteichefin Frauke Petry für einen Parteiausschluss von Höcke ausgesprochen hatte, wurde sie beim letzten Parteitag abgestraft. Teile der AfD Sachsen versuchten ihr deshalb auch das Direktmandat für die Bundestagswahl wieder zu entziehen. 
(11) Kai Budler (2017): Rechtsrock-Festival auf Grundstück eines AfD-Politikers
(12) Schule ohne Rassismus (2016): Themenheft Rechtspopulismus. S. 13.
(13) Zeit online (2016): AfD löst saarländischen Landesverband auf
(14) FAZ (2017): Petry warnt AfD-Mitglieder vor zu hohen Erwartungen; Dietmar Neuerer (2016): AfD-Chef beim Kyffhäusertreffen. Mit strammen AfD-Rechtsauslegern auf Tuchfühlung
(15) Christoph Asche (2014): AfD-Jugendorganisation Junge Alternative "Fast unverhohlen rechtsradikal", Andreas Speit (2016): Rechtsextremisten in der AfD-Jugend, Josa Mania-Schlegel (2015): Junge Alternative: Der rechte Nachwuchs, Christoph Kluge (2016): Jugendverband der AfD: Die radikale Alternative, Friedemann Karig (2016): Sven Tritschler führt die Jugendorganisation der AfD. Die halten sich für Punk. Ein Porträt
(16) Maria Fiedler (2017): Weidel macht Chef der AfD-Jugend zu ihrem Sprecher.
(17) Maria Fiedler und Jost Müller-Neuhof (2017): AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel: „Das Kopftuch gehört nicht zu Deutschland“. 
(18) Alex Krämer (2017): Eklat in ZDF-Sendung. Und dann war Weidel weg

11. Instrumentalisierung statt Integration: Flüchtlingspolitik der AfD

Jeder Mensch hat das Recht, Schutz vor Krieg und Verfolgung zu suchen. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt auch für Deutschland. Gleichzeitig kommen viele Flüchtlinge aus Ländern, in denen sich demokratische Traditionen kaum entfalten konnten, in denen gleichgeschlechtliche Beziehungen strafrechtlich verboten sind und LSBTI staatlich und gesellschaftlich massiv verfolgt werden. Die Rechte von LSBTI sollten daher Regelthema in Integrations- und Sprachkursen werden. Gesamtgesellschaftliche Prävention und zielgruppenspezifische Aufklärung müssten ausgebaut werden. Die AfD will das Gegenteil. Dass sie sich für die Rechte von LSBTI einsetzt, ist unwahrscheinlich.

Die Flüchtlingssituation der letzten zwei Jahre hat in Deutschland zu erheblichen politischen Verwerfungen geführt. Während sich viele Menschen mit großem Einsatz für die Aufnahme von Flüchtlingen engagieren, hat sich die Zahl rassistischer Attacken gegen Flüchtlingseinrichtungen 2015 mit über 1.000 Fällen verfünffacht. Als Bürgerrechtsverband verteidigt der LSVD mit Nachdruck das Grundrecht auf Asyl und die Schutzrechte, die in der Genfer Flüchtlingskonvention verbrieft sind. Wir sind für eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik, für menschenwürdige Aufnahme, Unterstützung, Integration und gesellschaftliche Teilhabe von Geflüchteten. (1)

Die AfD reagiert mit Panik- und Stimmungsmache. Geflüchtete und Ausländer kommen im Programm ausschließlich als (potentielle) Kriminelle vor. Sie erhebt menschen- und grundrechtswidrige Forderungen, will rechtstaatliche Verfahren verweigern und stellt die Flüchtlingskonvention zur Disposition (2). In ihren Untergangsszenarien macht sie auch keinen Unterschied zwischen Zuwanderung auf der einen, und Flucht aufgrund von Krieg und Verfolgung auf der der anderen Seite. Der Tenor: Geflüchtete bedrohen Deutschland, sie sind eine Gefahr, die deutschen Außengrenzen müssen dicht gemacht werden. An keiner Stelle erwähnt sie, dass die große Zahl der Menschen tatsächlich vor Krieg oder Verfolgung zum Beispiel auch aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität fliehen. Von Humanität oder Solidarität kein Wort. Ihre Vorschläge wie „Minuszuwanderung“ und „Mindestabschiebequote“ (3) machen deutlich, dass für die AfD Asyl nicht länger die Verfolgungssituation im Herkunftsland Kriterium sein sollte, sondern ob eine willkürlich gesetzte Zahl bereits erreicht wurde oder nicht. Angesichts des massiven Anstiegs von Angriffen gegen Geflüchtete und Flüchtlingsunterkünfte ist eine fehlende Verurteilung rassistischer Gewalt auffällig. Vielmehr betont AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, dass die AfD eine Abgrenzung zu rassistischen, völkischen und antisemitischen Ideologien nicht nötig hätte. (4)

Dass sich Flüchtlinge in Deutschland auch an das Grundgesetz und die anderen Gesetze halten müssen, ist eine Selbstverständlichkeit. Niemand bestreitet das, auch wenn die AfD das gern behauptet. Doch Integration kommt nicht von allein. Die Bereitschaft zur Integration und Identifikation ist zudem maßgeblich von der Erfahrung einer menschenrechtskonformen Flüchtlingspolitik und von den Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe abhängig. Die AfD hat hingegen keine Vorschläge zur Unterstützung von Integration. Sie erwartet einfach Anpassung an eine nicht näher erläuterte „deutsche Leitkultur“(5).

Doch Integration und Teilhabe der Geflüchteten ist eine große gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zusätzlich zur Integrationsunterstützung bei Bildung, Arbeitsmarkt und Wohnen ist ein unabdingbarer Aspekt von Integration auch das gesellschaftliche Miteinander und das Sichern eines dem Grundgesetz verpflichteten Zusammenlebens. Daher müssen sämtlichen Programme zur Integration und Materialien zum Spracherwerb darauf ausgerichtet sein, Demokratie und individuelle Freiheitsrechte zu fördern.

Die Rechte von LSBTI müssen Regelthema in Integrations- und Sprachkursen werden und verpflichtenden angemessenen Raum erhalten. Das will die AfD nicht. Zwar warnt sie bisweilen vor der Homophobie von Geflüchteten, aber gleichzeitig diffamiert sie Bildungs- und Aktionspläne für Akzeptanz und möchte diese beenden.(6) Dabei würden solche Programme auch Geflüchtete erreichen. Angesichts ihrer Familien- und Antidiskriminierungspolitik (7) wird die Doppelmoral der AfD deutlich. Sie entdeckt ihr Herz für LSBTI nur, wenn sie diese gegen Geflüchtete instrumentalisieren kann. Sie handelt scheinheilig und bleibt unglaubwürdig.

Wer aus Angst vor Homophobie die AfD wählt, kommt vom Regen in die Traufe.

Quellen

(1) Beschluss des LSVD-Verbandstages (2016): Flüchtlinge schützen – Integration fördern.
(2) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 30. 
(3) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 29.
(4) Maria Fiedler und Jost Müller-Neuhof (2017): AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel: "Das Kopftuch gehört nicht zu Deutschland". 
(5) Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 32. 
(6) Siehe Kapitel 4 "Diffamierung und Abschaffung von Bildungsplänen"
(7) Siehe Kapitel 3 „Antidiskriminierungsgesetzgebung soll abgeschafft werden“ und Kapitel 5 „Familienpolitik lässt keine Vielfalt zu“

12. Weitere Themen und Literatur

Sozial- und Wirtschaftspolitik der AfD

Die AfD ist keine Partei der “kleinen Leute”. Nach dem Abflauen der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise versucht die AfD, sich sozialer zu geben, um neue Wähler*innen anzusprechen. Überzeugen kann der Versuch aber nicht, wie eine Analyse ihres Wahlprogramms zeigt.

21 Gründe, warum Gewerkschaften Rechtspopulisten wie AfD, Pegida und Co. ablehnen

Umweltpolitik der AfD

Bewertung des AfD-Grundsatzprogramms durch den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

Die Umweltpolitik der Alternative für Deutschland (AfD). Eine politische Analyse

Weitere Literatur

  • Volker Weiß (2017): Die autoritäre Revolte. die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes.
  • Correctiv (2017): Schwarzbuch AfD. Fakten, Figuren, Hintergründe.
  • Liane Bednarz / Christoph Giesa (2015): Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte.

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