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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Eckpunkte zur Reform des Abstammungsrechts vorgestellt

LSVD fordert zügiges Gesetzgebungsverfahren

Pressemitteilung vom 16.01.2024

Berlin, 16. Januar 2024. Bundesjustizminister Buschmann hat heute Eckpunkte für die lange erwartete Reform des Abstammungsrechts vorgestellt. Die Eckpunkte sehen mit der Abschaffung von Stiefkindadoptionen für Zweimütterfamilien und der Einführung von Elternschaftsvereinbarungen massive Verbesserungen für Regenbogenfamilien vor, bleiben jedoch bei trans*, inter* und nichtbinärer Elternschaft vage. Dazu erklärt Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD):

Endlich legt das Bundesjustizministerium Vorschläge für eine Reform des Abstammungsrechts vor – leider nur in Form von Eckpunkten. Vorgesehen sind unter anderem die vom LSVD seit langem geforderte Abschaffung von Stiefkindadoptionen für Kinder, die in Zweimütterfamilien hineingeboren werden, sowie verbindliche Elternschaftsvereinbarungen. Die Eckpunkte müssen jetzt in einem zügigen Verfahren in Gesetzesform gegossen werden, damit die verfassungswidrige Diskriminierung von Regenbogenfamilien schnellstmöglich der Vergangenheit angehört.

Die Eckpunkte enthalten umfangreiche rechtliche Verbesserungen für Regenbogenfamilien: So soll es künftig möglich sein, dass auch Frauen kraft Ehe oder Anerkennung rechtlicher Elternteil werden können. Vorgesehen sind zudem notarielle Elternschaftsvereinbarungen, in denen Mütter und samenspendende Personen bereits vor der Empfängnis verbindliche Vereinbarungen über rechtliche Elternschaft, Sorge- und Umgangsrechte treffen können. Im Samenspenderregister sollen künftig auch Privatspenden registriert werden können. Die rechtlichen Eltern sollen sorgerechtliche Befugnisse und Umgangsrechte vertraglich auf bis zu zwei zusätzliche Personen übertragen können. Mit diesen Reformvorschlägen würde die gelebte Realität vieler Regenbogenfamilien endlich rechtlich abgesichert.

Das Eckpunktepapier enttäuscht allerdings mit fehlenden konkreten Vorschlägen zu trans*, inter* und nichtbinärer Elternschaft. Während es andere Konstellationen ausführlich erläutert und mit Beispielsfällen illustriert, beschränken sich die Eckpunkte hier auf einen Satz. In diesem wird angekündigt, dass diese Personen künftig entsprechend den allgemeinen Regelungen des Abstammungsrechts als rechtlicher Elternteil bzw. Vater oder Mutter in das Personenstandsregister eingetragen werden können sollen. Leider bleibt dabei völlig unklar, ob dies die identitätsverfälschende Eintragung von trans*, inter* und nichtbinären Elternteilen mit ihrem unzutreffenden Geschlecht und Vornamen beenden wird. Von einer queerpolitischen Aufbruchskoalition hätten wir ein deutliches Bekenntnis zur Beendigung der Diskriminierung trans*, inter* und nichtbinärer Eltern erwartet.

Auch die fehlende Rückwirkung der Regelungen sehen wir kritisch. Zwar sollen verheiratete Zweimütterfamilien ab Inkrafttreten der Reform die Elternschaft auch für schon geborene Kinder durch Annahmeerklärung etablieren können. Allerdings sehen die Eckpunkte nicht vor, dass diese Annahmeerklärung auf den Zeitpunkt bereits gestellter Adoptionsanträge, Feststellungsanträge oder gemeinsamer Geburtsanzeigen zurückwirkt. Das wird der Tatsache nicht gerecht, dass Regenbogenfamilien seit Jahren mit einer verfassungswidrigen Rechtslage leben müssen. Für Elternteile, die sich bereits vor der Reform um die rechtliche Elternstelle bemüht haben, sollte die rechtliche Elternschaft auch rückwirkend ermöglicht werden. Außerdem fehlt die Klarstellung, dass auch unverheiratete Zweimütterfamilien die Elternschaft bereits geborener Kinder per Annahmeerklärung etablieren können.

Hintergrund

Das geltende Abstammungsrecht verwehrt Kindern aus Regenbogenfamilien den zweiten Elternteil. Es diskriminiert zudem weibliche, trans*, inter* und nicht-binäre Personen als Elternteile. Bereits in ihrem Abschlussbericht von 2017 empfahl die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz berufene Fachkommission nach dreijähriger Beratung Reformen.

Mehrere Oberlandesgerichte haben die aktuellen Regelungen zum Abstammungsrecht schon dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil sie an deren Verfassungsmäßigkeit zweifeln. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus. Es gibt mehrere Petitionen mit insgesamt über 80.000 Unterschriften, die eine unverzügliche Abstammungsrechtsreform fordern.

Die Ampelregierung hat im Koalitionsvertrag eine umfassende Reform des Abstammungs- und Familienrechts zur besseren rechtlichen und gesellschaftlichen Absicherung von Regenbogenfamilien versprochen. Angekündigt sind präkonzeptionelle Elternschaftsvereinbarungen, die Aufwertung der sozialen Elternschaft, die Öffnung des Samenspenderregisters für private Spenden und die automatische Elternschaft beider Mütter, wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sofern nichts anderes vereinbart ist.

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