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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Jugendverbandsarbeit queer gedacht?! Wie können Jugendverbände Homophobie und Transphobie abbauen?

Fachforum auf dem 3. Regenbogenparlament "Akzeptanz für LSBTI* in Jugendarbeit und Bildung"

Ob Pfadfinder*innen, beim Fußball, in politischen Jugendorganisationen, Migrant*innen-Selbstorganisationen oder auch bei der Freiwilligen Feuerwehr - was können Jugendverbände tun, um Regenbogenkompetenz zu erhöhen und Homo- und Transphobie abzubauen?

Jugendverbandsarbeit – queer gedacht?! Fachforum auf dem 3. Regenbogenparlament "Akzeptanz für LSBTI* in Jugendarbeit und Bildung"

Das 3. bundesweite Regenbogen-Parlament stand unter dem Schwerpunkt „Akzeptanz von LSBTI* in Jugendarbeit und Bildung“. Regenbogen-Kompetenz meint dabei die Fähigkeit von Fachkräften, mit den Themen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität professionell und möglichst diskriminierungsfrei umzugehen.

Hier dokumentieren wir die Ergebnisse des Fachforums "Jugendverbandsarbeit – queer gedacht?!" mit Julia Niedermayer (Bundesleitung, Katholische junge Gemeinde KjG), Oliver Ohm (Fachvorstand Vielfalt, Landesjugendring Niedersachsen), Michael Rogenz (Referent für Jugendbildung, DLRG-Jugend), Nora Meduri (Bildungsreferent*in, Jugendnetzwerk Lambda), moderiert von Kevin Rosenberger (Bildungswissenschaftler, Akademie Waldschlösschen).

Die Broschüre mit den Ergebnissen und Handlungs-Empfehlungen des 3. Regenbogenparlaments "Akzeptanz für LSBTI* in Jugendarbeit und Bildung" kann als pdf heruntergeladen werden oder aber so lange der Vorrat reicht per Mail an presse@lsvd.de kostenfrei bestellt werden.

Hauptaussagen des Fachforums "Jugendverbands-Arbeit – queer gedacht?!"

  • Jugendverbände sind wichtiger Teil der Sozialisation und Persönlichkeits-Entwicklung von Kinder und Jugendlichen
  • geschlechtliche und sexuelle Vielfals als Herausforderung für Jugendverbände vor allem im ländlichen Raum bzw. mit Angebot an sportlichen und körperbetonten Aktivitäten
  • Leitbild zur geschlechtlichen Vielfalt / sexualpädagogisches Konzept / Antidiskriminierungs-Konzept / Leitlinien
  • mehr Sichtbarkeit und mehr Schutzräume, mehr Unterstützung beim Coming-out
  • Qualifikation und Professionalität braucht finanzielle Ressourcen: Finanzierung von hauptamtlichen Strukturen, Struktur-Förderung, Förder-Gelder für queere Jugendarbeit
  • regelmäßige Fortbildungen und Pflichtmodul zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt in der JuLeiCa-Ausbildung 
  • sichtbare Willkommenskultur und Ansprechbarsein für queere Jugendliche

Einleitung

Die Arbeit von Jugendverbänden ist ein wichtiger Teil unserer pluralistischen Gesellschaft. In Pfadfinder*innen-Verbänden, beim Fußball, in politischen Jugend-Organisationen, bei Migrant*innen-Selbstorganisationen oder auch bei der Freiwilligen Feuerwehr erfahren Kinder und Jugendliche ihre Sozialisation und sollen in ihrer Persönlichkeits-Entwicklung gestärkt werden.

Ein binäres Geschlechter-Verständnis und damit verbundene Rollen-Zuschreibungen schränken junge Menschen jedoch in ihrer selbstbestimmten Persönlichkeits-Entfaltung ein und bilden einen Nährboden für homosexuellen-, trans*- und inter*feindliche Einstellungen. Innerhalb des Fachforums wurde diskutiert, wie es Jugendverbänden gelingen kann, die Vielfalt von unterschiedlichen Lebensweisen und Identitäten für ihre Arbeit zu nutzen, die eigene Regenbogen-Kompetenz zu erhöhen und somit allen Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, sich frei und selbstbestimmt zu entwickeln.

Leitbild zur geschlechtlichen Vielfalt

Julia Niedermayer erläuterte, wie die Katholische junge Gemeinde (KjG) mehr Vielfalt auch in Fragen der Sexualität und der Geschlechter-Gerechtigkeit umsetzen will. Dazu hat die letzte Bundeskonferenz der KjG beschlossen, die männlich-/weiblich-Parität der Geschlechter in ihren Gremien um „divers“ zu ergänzen. Geschlechter-Vielfalt bzw. -gerechtigkeit in diesem umfassenden Sinne ist eines der Kernthemen.

Zielsetzung ist dabei, auf allen Ebenen das Leitbild zur geschlechtlichen Vielfalt umzusetzen. Dabei gehen die katholischen Jugendverbände diese Herausforderung durchaus unterschiedlich stark ausgeprägt an. Ein klares Signal geht von der Bundesebene und den Diözesan-Ebenen aus. Diese haben sich selbst zur Umsetzung verpflichtet und empfehlen die Umsetzung auch den nachgeordneten Ebenen. Die KjGay (als LesBiSchwules Netzwerk) bietet zusätzlich eine Plattform zum Austausch an.

Kluft an Angeboten zwischen Ballungsgebieten und ländlichem Raum

regenbogenparlament2019_hamburg_07-09-2019_00051_foto-caro_kadatz.jpgOliver Ohm stellte für den Landesjugendring Niedersachsen fest, dass die Herausforderungen im Hinblick auf die Geschlechtervielfalt bei vielen Mitglieds-Verbänden, insbesondere im ländlichen Raum, noch hoch sind. Die Ballungsgebiete wie zum Beispiel Hannover mit einem neuen LSBTI*-Jugendzentrum haben eine große Anziehungskraft für queere Jugendliche auch aus der Umgebung.

Der Landesjugendring beschäftigt sich bereits seit fünf Jahren in der AG Gender und sexuelle Vielfalt mit der Thematik. Für die Studie „Jugendarbeit im Que(e)rschnitt“ wurden qualitative Interviews mit Jugendlichen geführt. Zentrales Ergebnis dieser Studie ist, dass queere Jugendliche mehr Sichtbarkeit und mehr Schutzräume zur Bewältigung des inneren und des äußeren Coming-outs benötigen.

Die Unterstützung im Coming-out können ehrenamtliche Jugendleitungen nicht alleine bewältigen. Hauptamtliche Jugend-Referent*innen (wie z.B. „neXT-queer“) können diese Unterstützung leisten und auch die Sensibilisierung voranbringen, damit das Coming-out in den Jugendverbänden zur selbstverständlichen Realität werden kann. Ein Handbuch für die JuLeiCa (1) ist erschienen, ein Methoden-Buch für die Umsetzung in der praktischen Arbeit ist geplant.

Sexualpädagogisches Konzept bei der DLRG-Jugend

Michael Rogenz stellte klar, dass die Jugend der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in erster Linie Freizeitmaßnahmen, jugendverbandliche Qualifizierungen wie z. B. JuLeiCa- und Teamer*innen-Ausbildungen sowie Seminare zur politischen Bildung durchführen.

Doch insbesondere in den Ortsgruppen finden viele Aktivitäten im Wasser statt und daraus ergeben sich spezielle Bedarfe für queere Kinder und Jugendliche: Für sportliche und körperbetonte Aktivitäten, die in Gruppen und teilweise wettbewerbs-orientiert ausgeführt werden, ist ein starkes Selbstbewusstsein zum eigenen Körper und zur eigenen Identität besonders wichtig. Doch vielen queeren Jugendlichen fehlt das in der sensiblen Phase ihres Coming-outs. Auf diese speziellen Bedarfe queerer Jugendlicher soll deshalb reagiert werden:

Auf dem Bundesjugendtag 2018 hat sich die DLRG-Jugend entschlossen, ein sexualpädagogisches Konzept zu entwickeln, welches u.a. auch das Thema Queer beleuchtet. Ziel ist eine Sensibilisierung für das Thema und ein umfassender Diskriminierungs-Schutz auf allen Ebenen des Verbandes, um eine inklusive Haltung zu fördern. In einem geplanten Seminar mit dem queeren Jugendnetzwerk Lambda sollen konkrete Vereinbarungen und Empfehlungen erarbeitet werden. Außerdem soll das Leitbild mit ausdrücklicher Erwähnung von queerer Diversität überarbeitet werden.

Wie geht Willkommenskultur für queere Jugendliche?

Nora Meduri vom queeren Jugendnetzwerk Lambda betonte, wie wichtig die Ergebnisse der Studien des Deutschen Jugendinstituts (DJI) sind, um die gesellschaftlichen Realitäten und das Freizeit-Verhalten von Jugendlichen zu erfassen.

Die erste Studie „Coming-out, und dann?!“ aus dem Jahr 2015 zur Lebenssituation von LSBTI*Jugendlichen hat deutlich gemacht, dass das Coming-out für viele Jugendliche ein jahrelanger und schwieriger Prozess ist. Die zweite Studie 2018 („Queere Freizeit“) (3) zu den Erfahrungen von LSBTI*-Jugendlichen in Freizeit und Sport zeigte, was die Jugendverbände angeht, dass die Willkommenskultur für queere Jugendliche noch ausbaufähig ist.

Daher empfiehlt Lambda dringend die Aufnahme von LSBTI* in die Leitbilder der Jugendverbände und eine sensibilisierte Haltung, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und Diskriminierung entgegenzuwirken. Zur geschlechtlichen Vielfalt hat das Netzwerk beim Bundesjugendring ein Positionspapier eingebracht, denn die geschlechtliche Selbstbestimmung von Jugendlichen ist trotz des dritten Geschlechtseintrags noch nicht umgesetzt.regenbogenparlament2019_hamburg_07-09-2019_00082_foto-caro_kadatz.jpg

Die Expert*innen äußerten folgende Wünsche zur Erhöhung von Regenbogen-Kompetenz:

  • Finanzierung von hauptamtlichen Strukturen in jedem Bundesjugendverband
  • Unterstützung von Netzwerken (in jedem Verband kann auf eigene Expertise zurückgegriffen werden)
  • Förder-Gelder für queere Jugendarbeit zur Neugründung von Zentren, insbesondere im ländlichen Raum
  • Verstetigung durch institutionelle Struktur-Förderungen in der außerschulischen Jugendarbeit vor Ort

Die Teilnehmenden des Fachforums sammelten Herangehensweisen, um für Vielfalt und Respekt in der Jugendverbands-Arbeit zu werben:

  • Wissenstransfer: Peer-to-PeerAufklärungsprojekte einladen („Queere Bildung“ e.V.) sowie regelmäßige Fortbildungen und Pflichtmodul zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt in der JuLeiCa-Ausbildung 
  • Verbandliche Haltung entwickeln: LSBTI*-Beauftragte benennen, Antidiskriminierungs-Konzept erstellen, Vielfalt in Satzung bzw. Leitbild, Außendarstellung und Sprache überprüfen
  • Sichtbarkeit erhöhen: AG zur selbstbestimmten Mitarbeit einrichten, Anlaufstellen sichtbar machen, Verweis auf Link-/Literaturliste von regenbogenportal.de, Materialien auslegen und Fachinformationen vorhalten
  • Verantwortung des öffentlichen Trägers einfordern: Maßnahmen in Landes-Aktionsplänen für Jugendverbände verankern

Bei ablehnender Haltung von Eltern und anderen Bezugspersonen empfehlen die Teilnehmenden den Jugendverbänden:

  • klare Haltung: Leitlinien entwickeln, vertreten und verbreiten
  • Aufklärungsarbeit: mit wissenschaftlichen Argumenten, um Sorgen und Schuldfragen aufzulösen
  • Netzwerke nutzen: zur Unterstützung, um bedarfsgerechte Beratung zu ermöglichen 
  • Transparenz: von Angeboten, um Zugänge zu ermöglichen
  • Gesprächs-Bereitschaft: Ernstnehmen von Besorgnissen, geeignetes Setting mit Vertraulichkeit und ausreichend Zeit sicherstellen, Kultursensibilität
  • Schulung von Multiplikator*innen: Sensibilität bzgl. Begrifflichkeiten, Methoden und Handreichungen für Gruppenarbeit zur Verfügung stellen und gegebenenfalls unterschiedliche Fachbegriffe erläutern: theologische, politische, soziologische usw.
  • Angebote für Jugendliche, die Diskriminierung erfahren: Schutzräume bieten, Begleitung anbieten, sofortige Reaktion in konkreter Ausgrenzungs-Situation, ansprechbar sein (auch als Unterstützung für Multiplikator*innen, ehrenamtlich Engagierte)

Quellen

1 Die JuLeiCa (Jugendleiter*in Card) ist der bundesweit anerkannte Qualitätsstandard für die Ausbildung von freiwillig Tätigen in der Jugendarbeit. Siehe dazu: www.juleica.de
2 Krell, Claudia; Oldemeier, Kerstin (2015) Coming-out – und dann...?! Ein DJI-Forschungsprojekt zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Online verfügbar unter: https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2015/DJI_Broschuere_ComingOut.pdf 
3 Krell, Claudia; Oldemeier, Kerstin (2018): Queere Freizeit. Inklusions- und Exklusionserfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und *diversen Jugendlichen in Freizeit und Sport. Online verfügbar unter: https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/ bibs2018/26869_DJI_QueereFreizeit.pdf

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