Politische Bildung in Gefahr
Wie können Bildungsfachkräfte menschenfeindlichen Einstellungen entgegenwirken und Demokratiebildung verteidigen?
Am 02. April 2019 fand in Magdeburg die 4. Regionalkonferenz des LSVD-Projekts "Miteinander stärken. Rechtspopulismus entgegenwirken" statt. Im Fachforum "Politische Bildung in Gefahr" berichteten Daniela Zocholl (Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt) und Manuela Selzner (Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik) vom Umgang mit diffamierenden Angriffen und rechtspopulistischen Attacken. Anschließend analysierten die Teilnehmenden Strategien für Bildungsfachkräfte mit dem Ziel, menschenfeindlichen Einstellungen entgegenzuwirken und Demokratiebildung zu verteidigen? Moderiert wurde das Fachforum von Kerstin Schmitt (Theaterpädagog*in).
Eine Publikation stellt die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen der 4. Regionalkonferenz dar. Die Broschüre "Gegensteuern – Rechtspopulismus die Stirn bieten" kann hier als pdf heruntergeladen werden oder solange der Vorrat reicht auch als Printversion bestellt werden per Mail an presse@lsvd.de.
Rechtspopulismus und Ideologien der Ungleichwertigkeit sind gegenwärtig die größten Herausforderungen für die schulische und außerschulische politische Bildung in Deutschland. Mit besorgniserregenden Agitationen machen Rechtspopulist*innen und Gleichstellungsgegner*innen Stimmung gegen Fachkräfte der Politischen Bildung in Schulen, in der Erwachsenenbildung und auch in der Jugendarbeit.
Sie versuchen dabei den „Beutelsbacher Konsens“ zu instrumentalisieren. Rechte und religiöse Fundamentalist*innen zielen darauf ab, menschenfeindliche Thesen in der Politischen Bildung unterzubringen und salonfähig zu machen. Kann und muss sich die politische Bildung hier stärker positionieren?
Im Forum wurde diskutiert, welche Strategien und Ansätze guter Praxis es gibt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Antifeministische Anfeindungen und Handlungsmöglichkeiten
Daniela Zocholl sprach in ihrem Vortrag über das Thema „Antifeministische Anfeindungen und Handlungsmöglichkeiten“. Zocholl stellte exemplarisch dar, mit welcher Bedrohungslage von rechter und populistischer Seite sich die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) in Sachsen-Anhalt auseinandersetzen muss. Es gibt Anfeindungen im Netz und auch Gäste, Referent*innen und Mitarbeitende der Stiftung werden bedroht und unter Druck gesetzt.
Die Ziele der Gegner*innen seien klar: feministische und emanzipatorische Bildungsarbeit zu behindern. Die Angriffe zielten darauf ab, dass Veranstaltungen abgesagt werden müssen. Die HBS macht solche Angriffe auf die Demokratie und die eigene Arbeit sichtbar, indem die Stiftung diese in Veranstaltungen thematisiert und dadurch veröffentlicht. Durch Solidaritätsaktionen mit Betroffenen wird dem Hass der Angreifer*innen Liebe und Unterstützung entgegengesetzt.
Komplexer stellt sich das Problem dar, wenn die Angriffe nicht von Einzelpersonen, sondern über rechte Kampagnen oder Netzwerke erfolgen. So machte die HBS beispielsweise mit der Fotoaktion „Wer braucht Feminismus?“ auf die Vielfalt feministischer Forderungen und Akteur*innen aufmerksam. Parallel versuchte unter anderem die Jugendorganisation der AfD eine Gegenkampagne gegen Feminismus zu initiieren.
Einzelne Mitglieder riefen in rechten Netzwerken dazu auf, die Veranstaltungen der HBS zu stören. Derartige Aktionen haben das Ziel, gesellschaftliche Diskurse zu verschieben (z.B. von sexualisierter Gewalt hin zur angeblichen Bedrohung durch Migration) und Ängste (z.B. vor Homosexualität oder Sexualaufklärung) zu schüren. Die HBS setzt in ihrer politischen Bildungsarbeit gezielt auf Fakten und Aufklärung gegen diese Diffamierungen. Darüber hinaus werden Multiplikator*innen und feministisch Aktive durch Argumentationstraining gestärkt und empowert.
Schule als Lernort für "Demokratie-Begeisterung"
Manuela Selzner sprach sich in ihrem Input für mehr Mitbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in Schulen und Bildungseinrichtungen aus. Die demokratische Ausgestaltung der Schule als Lern- und Lebensort sei eine wichtige Grundlage für „Demokratie-Begeisterung“. Die DeGeDe verfolgt in ihrer Arbeit einen primär-präventiven Ansatz.
Demnach ist Demokratie nicht allein eine Regierungsform, sondern vor allem auch eine soziale Idee. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Förderung von demokratischer Handlungskompetenz. Im Rahmen ihrer Arbeit setzt die DeGeDe auf Partizipations-Entwicklung und auf Bündnisse für eine demokratische Bildung.
Im nachfolgenden Fachgespräch machte Manuela Selzner noch einmal deutlich, dass die Frage des Framings (mit welchen Begriffen wollen wir auftreten?) zentral für die Auseinandersetzung mit Gleichstellungs-Gegner*innen ist. Daniela Zocholl ergänzte, dass antifeministische Einstellungen sich mehr und mehr auch in der Mitte der Gesellschaft festsetzen. Ein Hauptproblem ist, dass die rechten Gruppen und Initiativen vermehrt Kinder und Jugendliche in den Fokus nehmen. Mit ihren Jugendangeboten versuchen sie ihr menschenfeindliches Weltbild in die Köpfe junger Menschen zu übertragen.
Manuela Selzer unterstrich in der Diskussion, dass man dem nur entgegenwirken kann, wenn Kinder und Jugendliche in der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit vielfältige Formen von Gemeinschaften kennen und schätzen lernen. Auch sollte man in der Arbeit gegen demokratie-feindliche Einstellungen die Rolle der Eltern nicht vergessen. Das Thema kann zum Beispiel in „Eltern-Cafés“ und „Elternschulen“ diskutiert werden. Laut Zocholl ist die HBS besonders in der Politischen Bildung aktiv und versucht Erwachsene zu sensibilisieren.
Im zweiten Teil des Fachforums setzen sich alle Teilnehmenden mit Strategien und Maßnahmen auseinander, die bei den vergangenen Vernetzungstreffen und Regionalkonferenzen in München, Düsseldorf und Dortmund erarbeitet wurden.
Welche Strategien gibt es?