Innenausschuss diskutiert über „kleine“ sichere Herkunftsstaaten
LSVD⁺ warnt vor rechtswidriger Einstufung von LSBTIQ*-Verfolgerstaaten

Berlin, 6. Oktober 2025. Der Innenausschuss des Bundestages befasst sich heute mit dem Konzept sogenannter „kleiner“ sicherer Herkunftsstaaten. Künftig soll die Bundesregierung Länder per Verordnung als „sicher“ einstufen können – ohne Zustimmung des Bundesrats. Der LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt e. V. – kritisiert das Vorhaben scharf und warnt vor massiven Gefahren für verfolgte LSBTIQ*-Personen.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR), der Deutsche Anwaltsverein (DAV) , Pro Asyl und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst haben das Gesetzesvorhaben bereits deutlich kritisiert. Besonders problematisch ist, dass die Bundesregierung angekündigt hat, die Maghrebstaaten – also Marokko, Algerien und Tunesien – künftig als „sicher“ einzustufen. In allen drei Staaten werden LSBTIQ*-Personen systematisch verfolgt.
Erst am 1. August hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass kein Staat als sicher gelten darf, wenn bestimmte Gruppen dort nicht ausreichend vor Verfolgung geschützt sind.
Patrick Dörr, Mitglied im Bundesvorstand des LSVD⁺, erklärt: „Der LSVD⁺ lehnt das im Innenausschuss diskutierte Konzept der ‚kleinen‘ sicheren Herkunftsstaaten entschieden ab. Wir teilen die Kritik von DIMR, DAV, Pro Asyl und den Jesuiten. Das Vorhaben ist ein Versuch, demokratische Kontrollmechanismen zu umgehen und Staaten als ‚sicher‘ einzustufen, in denen queere Menschen massiv verfolgt werden.
In Marokko, Algerien und Tunesien drohen für gleichgeschlechtliche Handlungen mehrjährige Haftstrafen, gesellschaftliche Ächtung ist allgegenwärtig. Zahlreiche Berichte internationaler Organisationen, positive Asylentscheidungen und Urteile deutscher Verwaltungsgerichte bestätigen: Das Leben für LSBTIQ*-Personen in diesen Ländern ist gefährlich.“
Wolfgang Schwarz-Heim, Vorstandsvorsitzender der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren e.V. (BISS) mahnt: „Schutzsuchende schwule Männer und LBTIQ* in Ursprungsländer abzuschieben, die Homosexualität bzw. sexuelle und geschlechtliche Vielfalt verurteilen bzw. verfolgen ist nicht human und verabscheuungswürdig. Unsere Gesellschaft muss sich um die Minderheiten kümmern, darin liegt unsere Verantwortung. Die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen durch den § 175 haben wir abgeschafft und dürfen diese nicht über Umwege wieder beleben. NIE WIEDER“.
Einhaltung von Recht und EuGH-Urteilen gefordert
„Wir erwarten von der Bundesregierung, die EuGH-Rechtsprechung anzuerkennen und umzusetzen – statt weitere rechtswidrige Einstufungen voranzutreiben“, so Dörr weiter. „Konkret fordern wir, die Einstufung mindestens von Ghana, Senegal und Georgien mit sofortiger Wirkung auszusetzen, wie es auch deutsche Verwaltungsgerichte verlangen. Zudem muss die Bundesregierung offenlegen, auf welchen Informationsquellen ihre Bewertungen basieren – wie es der EuGH ausdrücklich verlangt. Alles andere wäre ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht.“
Ausblick auf GEAS-Reform: Schutz für queere Geflüchtete sicherstellen
Mit Blick auf die kommende GEAS-Reform auf EU-Ebene fordert der LSVD⁺ von Bundesregierung und deutschen EU-Abgeordneten, sich für einen wirksamen Schutz queerer Geflüchteter einzusetzen.
„Wenn die Reform – wie von der EU-Kommission vorgesehen – vorgezogen wird, muss sichergestellt werden, dass LSBTIQ*-Personen aus Verfolgerstaaten ausdrücklich von der Einstufung als sichere Herkunftsstaaten ausgenommen werden“, betont Dörr. „Der aktuelle Vorschlag der Kommission tut dies nicht – etwa für Marokko, Tunesien, Ägypten oder Bangladesch. Dabei sieht die anstehende GEAS-Reform diese Möglichkeit ausdrücklich vor. Solche Ausnahmen sind übrigens auch nichts Neues: So haben vor dem EuGH-Urteil mehrere EU-Staaten bereits LSBTIQ* bei der Einstufung sicherer Herkunftsstaaten ausgenommen.“
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