Pakistan
Leitsatz: Mögliche Verfolgung wegen Homosexualität in Pakistan ist im Folgeverfahren zu prüfen:
- Für die Zulässigkeit eines Asylfolgeantrags genügt der glaubhafte und substantiierte Vortrag hinsichtlich der Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland oder der das persönliche Schicksal bestimmenden Umstände. Keine Rolle spielt es, ob der neue Vortrag tatsächlich zutrifft, denn dies muss in einem neuen, mit den Verfahrensgarantien des AsylG ausgestatteten Asylverfahren beurteilt werden.
- Die Frage, ob Männern in Pakistan wegen ihrer Homosexualität staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung droht, ist weder höchstrichterlich geklärt noch in der Rechtsprechung einheitlich beurteilt. Eine dahingehende Klärung muss im Asylfolgeverfahren erfolgen und darf nicht in die Entscheidung über die Zulässigkeit des Folgeantrags verlagert werden.
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1. In Pakistan müssen Homosexuelle mit Verfolgungshandlungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG in Form einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung i.S.v. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 lit. c QRL rechnen (vgl. allg. VG Potsdam, Urt. v. 13.5.2014 – 6 K 3802/13.A – juris Rn. 26).
2. Es ist auch nicht ersichtlich, dass hinsichtlich der Situation Homosexueller in Pakistan regionale Unterschiede bestehen, so dass ein interner Schutz nach § 3e AsylVfG ausscheidet.
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Praktizierende Homosexuelle sind in Pakistan Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 AsylG ausgesetzt. Die Auskunftslage spricht insgesamt dafür, dass die in Art. 377 PPC für homosexuelle Handlungen enthaltenden Androhung einer Haftstrafe jedenfalls in Einzelfällen auch tatsächlich vollzogen wird. Homosexuelle müssen zudem mit Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure rechnen, gegen die staatlichen Stellen keinen Schutz zu bieten.
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1. Homosexualität ist gemäß § 377 Pakistan Penal Code (- PPC -) als „gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr" zwar verboten; für eine Verurteilung ist jedoch der Beweis des Geschlechtsaktes zwingend erforderlich. Verurteilungen in Fällen gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehrs im beiderseitigen Einvernehmen sind mangels entsprechender Aussagen der Beteiligten oder wegen des Fehlens einer ärztlichen Untersuchung zur Beweissicherung daher selten.
2. Obwohl gemäß dem 1990 eingeführten Scharia-Gesetz homosexuelle Handlungen mit Peitschenhieben, Haft oder mit dem Tod bestraft werden können, sind dem Auswärtigem Amt auch derartige Fälle unbekannt. Auch Amnesty International hat seit Oktober 2012 selbst keine Fälle der Anwendung von § 377 PPC oder des Scharia-Rechts dokumentiert.
3. Homosexualität ist in Pakistan gesellschaftlich nicht akzeptiert, wird aber im privaten Bereich toleriert.
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1. Homosexualität ist nach § 377 des pakistanischen Strafgesetzbuchs (PPC) als "gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr" verboten. Das Strafmaß beträgt im Regelfall zwei bis zehn Jahre Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Allerdings muss der Geschlechtsakt für eine Verurteilung nachgewiesen werden. Neben dem Verbot von Homosexualität nach Art. 377 PPC sind homosexuelle Handlungen nach dem 1990 eingeführten Scharia-Gesetz mit Peitschenhieben oder mit Tod durch Steinigung strafbar.
2. Praktizierende Homosexuelle sind in Pakistan im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 AsylG relevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt. Die Auskunftslage spricht insgesamt dafür, dass die in Art. 377 PPC für homosexuelle Handlungen enthaltene Androhung einer Haftstrafe jedenfalls in Einzelfällen auch tatsächlich vollzogen wird.
3. Hinzu kommt, dass Homosexuelle, wenn sie sich outen, auch mit Verfolgungsmaßnahmen durch nichtstaatliche Akteure rechnen müssen, gegen die staatliche Stellen keinen Schutz bieten. Eine Person, deren Homosexualität entdeckt wird, wird in Pakistan zum Opfer von Drohungen, Schlägen und Ausgrenzung. Die betroffenen Personen sind häufig Einschüchterungen oder gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt, gegen die sie sich nicht wehren können, weil die Polizei nicht hilft. Homosexuelle, die Beziehungen auf einvernehmlicher Basis unterhalten, werden darüber hinaus leicht Opfer von Nötigungen seitens der Polizeibehörden selbst, die die Homosexuelle um Geld und Geschlechtsverkehr erpressen, damit sie diese nicht anzeigen.
4. Sind Homosexuelle demnach in Pakistan einer im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG relevanten Verfolgung ausgesetzt, muss auch der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit gegen ihn gerichteten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen, wenn er seine Homosexualität öffentlich leben würde. Darüber hinaus wird der Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in Pakistan keinen staatlichen Schutz vor der Verfolgung durch seine eigene Familie, seine Verwandten und Nachbarn erhalten.
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Dem Kläger droht infolge seiner Homosexualität eine Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
Homosexuelle sind in Pakistan häufig Einschüchterungen, Bedrohungen oder gewalttätigen Übergriffen - vor allem auch innerhalb der Familie - ausgesetzt. Darüber hinaus werden Homosexuelle häufig Opfer von Nötigungen und Erpressungen durch Polizeiangestellte.
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Der nicht vorverfolgt aus Pakistan ausgereiste Kläger hat wegen seiner Homosexualität bei Rückkehr nach Pakistan Verfolgung in Gestalt unverhältnismäßiger oder diskriminierender Strafverfolgung oder Bestrafung begründet zu befürchten (§ 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 AsylG). Diese Verfolgung droht ihm durch den Staat sowie ferner, ohne dass der pakistanische Staat wirksamen Schutz hiervor bieten würde, durch nichtstaatliche Akteure (§§ 3c, 3d AsylG). Interner Schutz hiervor (§ 3e AsylG) steht dem Kläger nicht zur Verfügung.
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1. Praktizierende Homosexuelle sind in Pakistan im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 AsylG relevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt. Die Auskunftslage spricht insgesamt dafür, dass die in Art. 377 PPC für homosexuelle Handlungen enthaltene Androhung einer Haftstrafe jedenfalls in Einzelfällen auch tatsächlich vollzogen wird.
2. Der Umstand, dass allgemein in Pakistan selten Strafverfahren und Verurteilungen gegen Homosexuelle wegen einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs bekannt werden, dürfte im Kern darin begründet sein, dass Homosexuelle in Pakistan aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der weit verbreiteten Vorbehalte in der Bevölkerung ihre sexuelle Orientierung verbergen, und beispielsweise ein Doppelleben in einer erzwungenen Ehe führen.
3. Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass hinsichtlich der Situation Homosexueller in Pakistan regionale Unterschiede bestehen, so dass ein interner Schutz nach § 3e AsylG ausscheidet.
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Homosexuelle Handlung werden in Pakistan nur solange toleriert, wie die sexuelle Orientierung geheim bzw. unsichtbar bleibt. Homosexuelle werden strafrechtlich verfolgt und Haftstrafen in Einzelfällen tatsächlich auch verhängt (unter Bezug auf VG Augsburg, Urteil vom 31.10.2014 - Au 3 K 14.30222 - asyl.net: M22406, Asylmagazin 1-2/2015).
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Homosexuelle in Pakistan sind einer im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG relevanten staatlichen Verfolgung ausgesetzt, wenn sie ihre Homosexualität öffentlich ausleben.
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1. Berücksichtigt man, dass es in der Provinz Punjab in Pakistan pro Jahr zu rund zehn Strafverfahren gegen Homosexuelle kommen soll, obwohl dort etwa 5-10 Millionen homosexuell orientierte Menschen leben, dann ergibt sich daraus, dass sich die Verfolgungshandlungen nicht so wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden homosexuell Veranlagten nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Dies gilt auch, wenn man die Schwere der drohenden Gefahr einer Inhaftierung, die häufig mit weiteren schweren Menschenrechtverletzungen einhergeht, würdigt.
2. Dass keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung oder privater Übergriffe besteht, wird bezüglich des Antragstellers zudem auch durch die Tatsache gestützt, dass er nach seinem eigenen Vortrag nachdem seine Eltern von seiner Homosexualität erfahren haben, noch zehn Jahre unbehelligt in Pakistan leben konnte, obwohl selbst Teile seiner Umgebung (Nachbarn etc.) von seiner Homosexualität wussten und er Geschlechtsverkehr mit männlichen Prostituierten ausgeübt hat.
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Aufgrund seiner Homosexualität und seinem ausdrücklich geäußerten Wunsch, seine sexuelle Orientierung auszuleben, droht dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner sexuellen Ausrichtung und deren Betätigung im Fall der Entdeckung eine in Pakistan auch tatsächlich praktizierte Strafverfolgung, die sich als politische Verfolgung darstellt.
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1. Der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen in Pakistan unter Strafe gestellt sind, stellt als solcher noch keine Verfolgungshandlung in Gestalt einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung dar.
2. Angesichts der geringfügigen Zahl von Fällen strafrechtlicher Verfolgung bzw. Verurteilungen von homosexuellen Männern ist die Wahrscheinlichkeit einer strafrechtlich Verfolgung und Verurteilung als sehr gering einzuschätzen, auch wenn man berücksichtigt, dass von dem Asylbewerber eine Geheimhaltung seiner Homosexualität im Herkunftsland oder Zurückhaltung nicht erwartet werden darf.
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Homosexuelle stellen in Pakistan eine soziale Gruppe dar. Ihnen droht staatliche Verfolgung durch Strafverfahren sowie Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure.
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1. Zu der Frage, ob einem Homosexuellen, der seine sexuelle Orientierung auszuleben wünscht, im Fall einer Rückkehr nach Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner sexuellen Ausrichtung und deren Ausleben im Fall der Entdeckung in Pakistan auch tatsächlich in Form einer praktizierten Strafverfolgung eine Verfolgung droht, haben das VG Gelsenkirchen und andere im einzelnen angeführte Verwaltungsgerichte ausführlich Stellung genommen.
2. Gemäß den aktuellen, nach Erlass des Urteils des VG Gelsenkirchen veröffentlichten Erkenntnisquellen, die dem Gericht zur Verfügung stehen, hat sich die Situation Homosexueller in Pakistan zwischenzeitlich nicht verändert.
3. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger homosexuell ist und dies auch offen lebt. Deshalb droht ihm im Fall der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner sexuellen Orientierung.
4. Die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative nach § 3e Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 8 RL 2011/95/EU scheidet bereits wegen der landesweiten Gültigkeit der Strafvorschriften betreffend homosexuelle Handlungen aus.
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Dem Kläger drohen in seinem Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, die an seine sexuelle Orientierung anknüpfen. Im Falle der Entdeckung der Homosexualität bzw. deren Auslebung droht dem Kläger in Pakistan eine - tatsächlich praktizierte - staatliche Strafverfolgung und damit eine unverhältnismäßige und diskriminierende Bestrafung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG, die sich als Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3 AsylG darstellt.
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Homosexuelle Handlungen können in Pakistan mit Haft- und Körperstrafen geahndet werden. Diese Vorschriften werden auch tatsächlich angewandt; wenn nur relativ wenige Fälle bekannt werden, so liegt das auch daran, dass die betroffenen Personen ihre sexuelle Orientierung aus Angst vor Repressalien verbergen. Vor Verfolgung durch Dritte bieten die staatlichen Behörden keinen Schutz. (Leitsatz des Einsenders bei Asyl.Net )
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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG
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Abhilfebescheid: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagte einem Kläger aus Pakistan in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2019 vor dem VG Gießen (Az: 5 K 553/17.GL) zu, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Richter hatte erklärt, dass er kein Zweifel hatte, dass der Kläger homosexuell sei und seine Homosexualität in der Öffentlichkeit in Deutschland zeige und lebe. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit für beendet erklärt. Im Abhilfebescheid nimmt das BAMF ausdrücklich auf die Rechtsprechungen Bezug, die feststellt, dass „praktizierende“ Homosexuelle in Pakistan im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG relevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt seien.
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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG
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Droht homosexuellen Flüchtlingen in ihrem Heimatland Verfolgung, dürfen Behörden und Gerichte einen Asylfolgeantrag nicht ohne nähere Prüfung ablehnen. Sie müssen einer möglichen Verfolgung genauer auf den Grund gehen, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Montag veröffentlichten Beschluss. Im konkreten Fall ging es um einen jungen Mann aus Pakistan, der 2015 als Jugendlicher mit seinem Vater nach Deutschland kam. Nachdem der Asylantrag des Vaters abgelehnt wurde, stellte er nach Eintritt der Volljährigkeit einen Asylfolgeantrag und verwies darauf, dass ihm in Pakistan wegen seiner Homosexualität Verfolgung drohe. Gleichgeschlechtliche Menschen würden dort teilweise sogar umgebracht. (Badische Zeitung vom 28.01.2020)
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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG
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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG
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Homosexuellen Männern, die ihre Wesensprägung nicht verdeckt leben, droht in Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.
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Keine Flüchtlingsanerkennung für einen homosexuellen Mann aus Pakistan, der seine sexuelle Orientierung nicht "öffentlich auslebt"
1. Homosexuellen Männern droht in Pakistan keine Gruppenverfolgung durch staatliche oder private Akteure.
2. Männer, die "selbst in Deutschland" ihre sexuelle Orientierung nicht "öffentlich ausleben" und auch keinen Kontakt zu Organisationen halten, die sich für die Belange von LSBTIQ einsetzen, kann zugemutet werden, dass sie dieses Verhalten auch nach ihrer Rückkehr nach Pakistan fortsetzen. In diesem Fall droht ihnen keine Gefahr.
3. Jedenfalls vor nichtstaatlicher Verfolgung ist interner Schutz in der Anonymität der Großstädte verfügbar.
(Leitsätze der Asyl.Net Redaktion)
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Homosexuelle sind in Pakistan einer im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG relevanten Verfolgung ausgesetzt. Der Kläger muss im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan mit gegen ihn gerichteten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen, wenn er seine Homosexualität öffentlich ausleben würde.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagt einem Kläger aus Pakistan in der mündlichen Verhandlung zu, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit für beendet erklärt. Der Kläger hatte erklärt, in Deutschland offen schwul zu leben und seine Homosexualität nicht verstecken zu wollen.
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Flüchtlingsanerkennung für homosexuellen Mann aus Pakistan; Verweis auf "diskreten Lebensstil" rechtsfehlerhaft
1. Homosexuelle Männer bilden in Pakistan eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Homosexuelle Handlungen sind in Pakistan unter Strafe gestellt, und die Strafandrohung wird in Einzelfällen auch vollzogen. Zudem existieren zahlreiche Übergriffe nichtstaatlicher Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG gegen Personen, die ihre Homosexualität offen leben.
2. Es besteht kein interner Schutz. Selbst wenn es Personen aus der oberen pakistanischen Mittelschicht möglich sein sollte, in Großstädten wie Lahore, Karachi oder Islamabad "diskret und unter dem Radar zu leben", kann von Betroffenen nicht verlangt werden, ihre sexuelle Orientierung lediglich in Kreisen auszuleben, die ihre sexuelle Orientierung teilen oder tolerieren.
3. Die Argumentation, bei einer "diskreten Lebensweise" seien homosexuelle Personen in Pakistan nicht bedroht, ist rechtsfehlerhaft und verstößt gegen Entscheidungen des BVerfG und des EuGH (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.01.2020 - 2 BvR 1807/19 - Asylmagazin 3/2020, S. 80 f. - asyl.net: M28078 und EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-199/12; C-200/12; C-201/12 X,Y,Z gegen Niederlande (Asylmagazin 12/2013) - asyl.net: M21260).
(Leitsätze der Asyl.Net Redaktion)
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagt einem Kläger aus Pakistan in der mündlichen Verhandlung zu, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit für beendet erklärt. Der Kläger hatte erklärt, in Deutschland offen schwul zu leben und seine Homosexualität nicht verstecken zu wollen.
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Eine gesellschaftliche Verfolgung liegt insbesondere in Fällen nahe, in denen eine Person ihre Homosexualität besonders offensichtlich und exponiert auslebt, auch und gerade in der Öffentlichkeit und für jeden erkennbar und bemerkbar und damit in besonderem Maße anstößig im Sinne der pakistanischen Gesellschaftsordnung. Auch legt die strafrechtliche Situation nahe, dass Personen, die ihre homosexuelle Orientierung für sich als identitätsbestimmend bindend ansehen, durchaus hierdurch zu einem Verzicht gezwungen werden, ihre innere Überzeugung entgegen ihrer eigentlichen Identität zurückzuhalten.
Nach der Rechtsprechung des EuGHs darf von einem Asylbewerber aber nicht erwratet werden, dass er seine Homosexualität im Heimatland geheimhält oder sich beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung zurückhält, um eine Verfolgung zu vermeiden.
Für Personen, die ihre sexuelle Orientierung in dieser Weise als identitätsbestimmend ansehen, ist die Gefahr, angeklagt und verurteilt zu werden, erhöht, ebenso die Gefahr durch nichtstaatliche, gesellschaftliche Akteure verfolgt zu werden.
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Nach Art. 377 des pakistanischen Strafgesetzbuchs ist homosexueller Geschlechtsverkehr zwischen Männern als „gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr" strafbar, wobei nach Art. 511 des pakistanischen Strafgesetzbuches auch bereits der Versuch strafbar ist. Das Strafmaß beträgt im Regelfall zwei bis zehn Jahre Freiheitsstrafe, in schweren Fällen bis zu lebenslange Freiheitsstrafe. Strafverfahren gegen Homosexuelle werden daneben mitunter auch auf zwei weitere Vorschriften gestützt, die „obszöne Tänze und Lieder" (Art. 294) sowie „Blasphemie" (Art. 295) unter Strafe stellen. Schließlich können homosexuelle Handlungen nach der über eine Verordnung anwendbaren Scharia („Hudood Ordinances") wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs („zina") oder wegen Sodomie mit Peitschenhieben, Haft oder Tod bestraft werden.
Die Kriminalisierung von Homosexualität führt über die Strafverfolgung hinaus auch zu weiteren Übergriffen durch den Staat. In den Erkenntnismitteln wird berichtet, Polizeibeamte benutzten mitunter die geltenden Strafnormen, um Homosexuelle zu belästigen, zu erpressen, einzuschüchtern, festzunehmen oder sexuell zu misshandeln.
Die Erkenntnismittel belegen zudem vielfältige und häufige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG gegen Persönen, die ihre Homosexualität offen leben. Homosexuelle sind wegen ihrer sexuellen Orientierung auch Gewalt ausgesetzt, insbesondere in der eigenen Familie, wobei es selbst zu Tötungen durch die eigenen Angehörigen kommt. In Pakistan steht gegen diese Übergriffe kein wirksamer Schutz zur Verfügung.
Vor dem Hintergrund dieser Maßgaben war dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen in Pakistan stattfindender Verfolgung durch den Staat und private Akteure für einen homosexuellen Mann, der seine sexuelle Orientierung öffentlichkeitswirksam lebt.
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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG
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Trans- und Homosexuelle, die ihre Sexualität in einer verfolgungsrelevanten Weise offen leben, unterliegen einem realen Verfolgungsrisiko. Ein offen trans- und homosexuell lebener Mann ist in Pakistan ohne interne Schutzmöglichkeiten homophoben Übergriffen durch staatliche wie insbesondere durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt.
Von dem Asylbewerber darf eine Geheimhaltung seiner Homosexualität im Herkunftsland oder Zurückhaltung nicht erwartet werden. Insbesondere kann der Kläger auch nicht auf eine geschlechtsumwandelnde Operation verwiesen werden.
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Homosexueller Männer, denen es ein inneres Bedürfnis ist, ihre Homosexualität auch öffentlich auszuleben unterliegen in ihrem Heimatland einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung.
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Vor dem Hintergrund des vom Kläger vorgetragenen individuellen Schicksals besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Ein offen homosexuell lebender Mann ist in Pakistan ohne interne Schutzmöglichkeiten homophoben Übergriffen durch staatliche wie insbesondere durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass von dem Asylbewerber eine Geheimhaltung seiner Homosexualität im Herkunftsland oder Zurückhaltung nicht erwartet werden darf. Es wäre vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts schlechthin unvertretbar und würde die Willkürschwelle überschreiten, wenn einem homosexuellen Asylsuchenden gemäß § 3e AsylG asylrechtlicher Schutz unter Verweis auf die Möglichkeit, seine homosexuelle Orientierung im Herkunftsstaat geheimzuhalten, versagt werden würde.
Nach dem Vortrag des Klägers und dessen Eindruck in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass es für ihn ein inneres Bedürfnis ist, seine Homosexualität auch öffentlich auszuleben. Dem Kläger ist daher die Flüchtlingseigentschaft zuzuerkennen.
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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Pakistan.
Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:
In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger glaubhaft darlegen können, dass er homosexuell sei und habe das Gericht auch davon überzeugt, dass er zu seiner Homosexualität stehe, sodass davon ausgegangen werde, dass er im Falle einer Rückkehr nach Pakistan von Verfolgung bedroht wäre, unverhältnismäßige Strafen und Handlungen Dritter zu befürchten hätte und keinen staatlichen Schutz erwarten könne. Folglich habe der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, da er als bekennender Trans- und Homosexueller in Pakistan einer Verfolgung jedenfalls durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt wäre, welche an einen Verfolgungsgrund i.S.v. § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG anknüpft und gegen welche zu schützen der pakistanische Staat nicht hinreichend willens oder in der Lage ist, wobei für den Kläger keine interne Fluchtalternative besteht.
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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG
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Abhilfebescheid: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagte einem Kläger aus Pakistan in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2021 vor dem VG Trier (Az: 10 K 3371/20.TR) zu, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit für beendet erklärt. Der Kläger hatte erklärt, in Deutschland offen schwul zu leben und seine Homosexualität nicht verstecken zu wollen.
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Abhilfebescheid: Das BAMF sagt einem Kläger aus Pakistan in der mündlichen Verhandlung vor dem OVG Koblenz zu, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Parteien haben daraufhin der Rechtsstreit für erledigt erklärt. Der Kläger hatte erklärt, in Deutschland offen schwul zu leben und seine Homosexualität nicht verstecken zu wollen.
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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Pakistan.
Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:
[...] Dabei bedarf es keiner abschließenden Bewertung, ob dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Pakistan allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der homosexuellen Männer eine Verfolgung droht. Homosexualität selbst steht im Herkunftsland des Klägers nicht explizit unter Strafe, jedoch sind sexuelle Handlungen strafbar und werden in Einzelfällen auch subsumiert. Da es sich dabei um Einzelfälle handelt wird mangels Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung homosexueller Männer durch staatliche und nicht-staatliche Akteure in Pakistan überwiegend abgelehnt. In der Person des Klägers sieht das Gericht jedoch besondere Umstände, die seine Verfolgungsfurcht begründen und eine inländische Fluchtalternative ausschließen. So musste der Kläger wegen homosexueller Handlungen unmittelbar vor seiner Flucht mit Verfolgung durch die Familie seines Geliebten und durch die Strafverfolgungsbehörden rechnen. Es lag eine konkrete Strafanzeige vor und ein erkennbares Verfolgungsinteresse durch Dritte. Die Wiederholungsvermutung im Falle einer Rückkehr ist nicht entkräftet. Für den Kläger steht keine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Die gesundheitliche Situation des Klägers spricht zur Überzeugung des Gerichts dagegen, dass er sich in einem anderen Landesteil eine neue Lebensgrundlage aufbauen könnte.
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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Pakistan.
Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht ist überzeugt, dass der Kläger homosexuell ist und dass es unverzichtbar identitätsprägend für ihn ist, seine Homosexualität nach außen erkennbar zu leben. Zudem hat er in Anknüpfung an seine sexuelle Orientierung im Rahmen einer Freiheitsstrafe und Misshandlungen durch Dritte bereits Verfolgung erlitten. In Pakistan bestehen strafrechtliche Bestimmungen die spezifisch Homosexuelle betreffen, wodurch diese als soziale Gruppe anzusehen sind. Die Erkenntnislage zeigt, dass diese in Einzelfällen angewandt wird. Zudem ist belegt, dass es gegen Personen die ihre Homosexualität offen leben zu vielfältigen und häufigen Übergriffen nichtstaatlicher Akteure kommt, insbesondere auch aus dem eigenen sozialen Umfeld. Wirksamer staatlicher Schutz steht im Hinblick auf das geltende Strafrecht nicht zur Verfügung. In Pakistan drohen dem Kläger landesweit schwere Verletzungen seiner grundlegenden Menschenrechte, insbesondere in Form von sexueller Gewalt sowie diskriminierender polizeilicher Maßnahmen und Strafverfolgung. Dem könnte er allenfalls entgehen, wenn er seine Homosexualität in Pakistan geheim hielte oder nur verborgen ausübte. Dies ist ihm jedoch flüchtlingsrechtlich nicht zuzumuten, weil es mit seiner Identität unvereinbar wäre.
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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Pakistan.
Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:
[..] Zwar unterliegen Homosexuelle in Pakistan keiner Gruppenverfolgung es gibt jedoch mehrere Berichte darüber, dass vielfältige und häufige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure gegen Personen, die ihre Homosexualität offen ausleben, stattfinden. Der pakistanische Staat ist außerdem nicht hinreichend willens oder in der Lage den Kläger zu schützen, sodass keine interne Fluchtalternative zur Verfügung steht. Die Verfolgungsgefahr von Homosexuellen besteht in allen Teilen Pakistans gleichermaßen, regionale Unterschiede sind dabei nicht erkennbar. Von einem Asylantragsteller darf nach dem EuGH auch nicht erwartet werden, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Orientierung übt, um die Verfolgungsgefahr zu vermeiden. Für den Kläger ist seine Homosexualität zentraler Bestandteil seiner Identität, sodass eine Verfolgung bei seiner Rückkehr nach Pakistan beachtlich wahrscheinlich ist.
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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger.
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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Pakistan.
Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:
Dem Kläger drohen zwar bei einer Rückkehr nach Pakistan keine Verfolgungsmaßnahmen von staatlicher Seite und/oder von Seiten nichtstaatlicher Akteure allein wegen seiner Zugehörigkeit zu der Gruppe der homosexuellen Männer. Jedoch unterliegen homosexuelle Männer, denen es ein inneres Bedürfnis ist, ihre Gleichgeschlechtlichkeit auch öffentlich auszuleben, in Pakistan einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung, wobei der Kläger ein solches Bedürfnis glaubhaft dargelegt habe. Die Berichterstatterin ist zur vollen Überzeugung gelangt, dass es dem Kläger wichtig sei, zu sich selbst stehen zu können und seine Sexualität nach außen zu zeigen. Der Kläger schilderte glaubhaft, dass er sich in Deutschland sicher fühle und er seine Sexualität aufgrund der nunmehr erlebten Freiheit nicht mehr verstecken möchte, da die sexuelle Ausrichtung einen unverzichtbaren Bestandteil seiner Identität darstellt.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Kläger seine Homosexualität erst spät in das Verfahren eingebracht habe und dies in der Anhörung vor dem Bundesamt keine Erwähnung fand. Jedoch ist bei Homosexuellen aus islamischen Ländern wegen der dort vorherrschenden Einstellung zu berücksichtigen, dass es für Betroffene mit Scham und Überwindung verbunden sein kann, über ihre sexuelle Orientierung offen zu sprechen. Insoweit gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft an, dass er zunächst Angst hatte, weil dies in seinem Heimatland nicht akzeptiert würde. [...]
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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Mann aus Pakistan im Zuge der Prüfung eines Asylfolgeantrags.
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