Marokko
Es ist davon auszugehen, dass Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt sind.
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Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, sind mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt. Ob diese Gefahr dadurch verringert werden könnte, dass die Homosexualität nicht offen ausgelebt wird, ist unbeachtlich. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann nicht verlangt werden, dass die sexuelle Identität geheim gehalten oder besondere Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung geübt wird.
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1. In Marokko bestehen strafrechtliche Vorschriften, die spezifisch Homosexualität unter Strafe stellen und in der Praxis angewandt werden. Nach Art. 489 des marokkanischen Strafgesetzbuchs wird jede Person, die mit einem Individuum desselben Geschlechts "unzüchtige oder widernatürliche" Handlungen begeht ("acte impudique ou contre nature avec un individu de son sexe") zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren und einer Geldstrafe bestraft. Nach den vorliegenden aktuellen und insoweit übereinstimmenden Erkenntnisquellen wird der Straftatbestand in der Praxis angewandt.
2. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen kann Homosexualität in Marokko in keinem Landesteil offen und ohne die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgelebt werden.
3. Entsprechend ist davon auszugehen, dass Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Ver· folgung und Bestrafung ausgesetzt sind. Ob diese Gefahr dadurch verringert werden könnte, dass die Homosexualität nicht offen ausgelebt wird, ist hingegen unbeachtlich.
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In Marokko bestehen strafrechtliche Vorschriften, die spezifisch Homosexualität unter Strafe stellen und nach aktuellen Erkenntnissen in der Praxis angewandt werden. Daher droht Homosexuellen in Marokko die Gefahr der unverhältnismäßigen und diskriminierenden Bestrafung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG.
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1. In Marokko bestehen strafrechtliche Vorschriften, die spezifisch homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen und die In der Praxis angewandt werden.
2. Der Annahme einer Verfolgung im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG steht nicht entgegen, dass die Fälle strafrechtlicher Verfolgung homosexueller Handlungen vom Auswärtigen Amt und von der Bundesregierung als "vereinzelt" bewertet werden (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom März 2017; ebenso Bundesregierung, BT-Drs, 18/11210, S 2 - ohne ausdrückliche Berücksichtigung sämtlicher oben aufgeführter Fälle), Angesichts der zahlreich dokumentierten Verurteilungen ist diese Bewertung bereits fraglich.
3. Hinzu kommt, dass für die Beurteilung der beachtlichen Verfolgungsgefahr nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 07.11.2013, C-199/12 u.a., Rn. 58 f.) allein maßgeblich ist, dass in der Praxis Freiheitsstrafen wegen homosexueller Handlungen verhängt werden und damit die (konkrete) Gefahr einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung besteht. Anzeigen erfolgen - wie oben dargestellt - nicht allein aus dem Kreis der Familie, sondern auch aus Teilen der Öffentlichkeit Vor diesem Hintergrund hat ein Homosexueller wie der Kläger, wenn er seine Homosexualität in der Öffentlichkeit nicht geheim hält, mit Denunziation und einem harten Durchgreifen der Behörden zu rechnen.
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Kläger nicht auf internen Schutz vor Verfolgung gemäß § 3e AsylG verwiesen werden. Er hat in keinem Teil seines Herkunftslandes Schutz vor Verfolgung. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen kann Homosexualität in Marokko in keinem Landesteil offen und ohne die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgelebt werden.
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1. Wie außerehelicher Geschlechtsverkehr wird auch Homosexualität, die im Verborgenen gelebt wird, nur in Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt, in der Regel auf Anzeige von Familien oder Nachbarn (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: März 2017, S. 16).
2. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Verfolgung lässt sich anhand der Erkenntnislage selbst bei großzügigster Auslegung nicht annehmen.
3. Dabei kann es offenbleiben, ab welcher Quantität von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit auszugehen ist. Das Gericht sieht zwar keinen Grund den insoweit anzulegenden Maßstab grundsätzlich zu klären, lehnt sich aber insoweit an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum sog. bodycount bzw. zur Gruppenverfolgung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23/12 –, BVerwGE 146, 67-89) an, nach der jedenfalls ein Risiko von 1:800 unbeachtlich ist (BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13/10 –, Rn. 23, juris).
4. Bei wenigstens 1 Million Homosexueller in Marokko ist eine Zahl von 10-20, schlimmstenfalls 81 strafrechtlicher Verfahren (deren Ausgang, insbesondere in Bezug auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe offen ist), verschwindend gering und dementsprechend auch das Risiko einer Verfolgung von verschwindend geringem Gewicht.
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Derzeit noch kann Homosexualität eines Marokkaners grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfordern (hier verneint), auch wenn in Marokko die Häufigkeit von Bestrafungen Homosexueller und / oder von Übergriffen ihnen gegenüber bereits abgenommen hat und Liberalisierungstendenzen erkennbar sind.
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Der homosexuelle Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG. Im Falle seiner Rückkehr nach Marokko, muss der Kläger mit einer Verfolgung rechnen. In Marokko werden homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt und auch in der Praxis angewendet. Darüber hinaus sind Denunziationen und ein hartes Durchgreifen der staatlichen Behörden wahrscheinlich.
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1. Homosexualität eines Marokkaners, die im Privaten gelebt wird, wird nur in Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt.
2. Sie kann im Einzelfall zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen (Fortführung der Rechtsprechung nach dem Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2018 - 7 A 119/18 -, juris, mit Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 14. Februar 2018).
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, weil ihm aufgrund seiner Homosexualität in Marokko sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Verfolgung droht. Nach marokkanischem Recht stehen spezifisch homosexuelle Handlungen unter Strafe und werden in der Praxis auch angewendet. Homosexuelle, die ihre sexuelle Orientierung offen ausleben, werden vom Staat kriminalisiert und gesellschaftlich nicht toleriert. Der Kläger wurde bereits aufgrund seiner Homosexualität diskriminiert, wodurch im Falle seiner Rückkehr nach Marokko mit einer erneuten Verfolgung zu rechnen ist. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 3e Abs. 1 AsylG ist nicht ersichtlich.
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1. Homosexuellen droht In Marokko Verfolgung (vgl. ausführlich und mit weiteren Nachweisen VG Hamburg, Urteil vom 10. August 2017 - 2 A 7784/16 juris, Rn. 26 ff. m.w.Nachw.; so auch VG Dresden, Urteil vom 1, März 2018 - 7 K 1327/17 A juris, Entsch-Abdr. S. 5 ff.; VG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2018- 7 A 119/18 juris, Rn. 216 ff. m.w.Nachw.; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. September 2016 - 23 K 4809/18. A juris, Rn. 25). Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes, heißt es hierzu: „Jeder außereheliche hetero- und homosexuelle Geschlechtsverkehr ist strafbewehrt. Homosexualität ist mit Strafe bedroht und wird bei öffentlichem Ausleben auch verfolgt“ (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: November 2018), S, 4). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es Homosexuellen nicht zuzumuten ist, ihre sexuelle Identität im Geheimen zu leben.
2. Da Homosexualität in Marokko landesweit verfolgt wird, kommt auch - anders als das Bundesamt annimmt - ein interner Schutz nicht in Betracht.
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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG
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1. Es ist davon auszugehen, dass Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt sind. Ob diese Gefahr dadurch verringert werden könnte, dass die Homosexualität nicht offen ausgelebt wird, ist hingegen unbeachtlich. Denn nach der genannten Rechtsprechung kann gerade nicht verlangt werden, dass die sexuelle Identität geheim gehalten oder besondere Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung geübt wird.
2. In Marokko besteht aufgrund der Gesetzeslage und der tatsächlichen Verfolgungspraxis landesweit die Gefahr, dass Personen, die ihre Homosexualität offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit strafrechtlichen verfolgt und bestraft werden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 3e Abs. 1 AsylG ist daher nicht ersichtlich.
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Offen gelebte Homosexualität birgt in Marokko ein erhebliches Gefährdungspotenzial für - vornehmlich auch, aber nicht nur - staatliche Verfolgung in sich und dieses Potenzial kann sich im Einzelfall zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit asyl- bzw. flüchtlingsrelevanter Bedrohung verdichten. (Rn. 35)
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1. Homosexuelle Handlungen sind sowohl für Männer als auch für Frauen strafbar. Homosexualität wird von den Behörden geahndet, wenn es zu Anzeigen kommt.
2. Die Auskunftslage belegt, dass offen gelebte Homosexualität in Marokko ein erhebliches Gefährdungspotenzial für - vornehmlich auch, aber nicht nur - staatliche Verfolgung in sich birgt und sich dieses Potenzial im Einzelfall zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit asyl- bzw. flüchtlingsrelevanter Bedrohung verdichten kann.
3. Dem Kläger kann nicht zugemutet werden, auf das Ausleben seiner Homosexualität zu verzichten bzw. entgegen seiner sexuellen Identität eine Ehe mit einer Frau einzugehen. Ein Schutz durch den marokkanischen Staat ist nicht gegeben. Dies gilt landesweit, so dass es auch keine interne Schutzmöglichkeit gibt. Eine Rückkehr nach Marokko ist dem Kläger unter diesem Vorzeichen nicht zumutbar.
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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG
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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG
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Das BAMF hat mit dem Abhilfebescheid mit Datum vom 29. Oktober 2020 einem homosexuellen Mann aus Marokko die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Az 8018831 - 252) ohne das Verfahren vor dem VG Trier abzuwarten (1 K 2614/20.TR) . Der Fall wurde vom LSVD betreut, und wir bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht.
Sonstige Erkenntnisse
BAMF: Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage, Im Fokus: Vulnerable Personen, Stand: 6/2019
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Schriftliche Stellungnahme des Sachverstandigen Reinhard Marx für die Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 25.04.2016:
1. Darüber hinaus ist in Marokko Homosexualität unter Männern strafbar und wird nach Art. 489 des marokkanischen Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und drei Jahren und einer Geldstrafe von 120 bis 1.000 Dinar verfolgt. Von dieser Vorschrift wird in der Praxis Gebrauch gemacht. So berichtet amnesty international u.a. über den Fall zweier junger Männer, die im Dezember 2014 nach einem unfairen Prozess wegen „sexuell abweichenden Verhaltens mit gleichgeschlechtlichen Partnern“ zu drei Jahren Freiheitsstrafe und zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt worden waren. Die Organisation berichtet in diesem Zusammenhang über eine Vielzahl von Fällen in den Jahren 2013 und 2014, in denen männliche Personen aus diesem Grund zu Freiheitsstrafen von drei Jahren verurteilt wurden.
2. Gegen Mob-Gewalt gegenüber homosexuellen Männern schützen staatliche Institutionen nur unzureichend.
3. Es handelt sich damit um flüchtlingsrelevante Verfolgungen. Dies trifft auch auf die Verfolgung von Homosexuellen, die in allen drei Staaten verfolgt werden, zu. Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits 1987 freilich von einem verengten Ansatz aus die Bestrafung und Verfolgung von Homosexuellen als „politische Verfolgung“ im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG 1949 gewertet. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der Rechtsprechung der Vertrags- und Mitgliedstaaten wie auch nach der deutschen Rechtsprechung handelt es sich insoweit um Verfolgungen im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU. Der Gerichtshof misst dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung einen derart hohen Rang bei, dass er es für unzumutbar erachtet, Homosexuellen anzusinnen, zur Abwendung der gegen sie gerichteten flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgefahr auf die öffentliche Ausübung dieses Rechts zu verzichten und ihre Homosexualität nach außen zu verbergen.
4. Dieser Gesichtspunkt wird in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Ersuchen des Bundesrates, bestehende Zweifel gegen die Einstufung der drei bezeichneten Länder als sicher wegen der Behandlung von Homosexuellen auszuräumen, vollständig übergangen. In ihrer Stellungnahme räumt die Bundesregierung stillschweigend ein, dass Homosexuelle in den drei Ländern verfolgt werden, wenn sie diese offen ausleben. Damit erkennt sie an, dass in diesen Staaten flüchtlingsrelevante Verfolgungen gegen Homosexuelle allgemein üblich sind. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt der Verfolgung von Homosexuellen damit in allen drei Staaten eine derart wichtige Bedeutung zu, dass bereits diese Praxis ihrer Bestimmung zu „sicheren Herkunftsstaaten“ entgegensteht.
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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, BT-Drs. 18/8693 v. 07.06.2016, auf Seite 9/10 Folgendes aus:
13. Wie beurteilt die Bundesregierung die menschenrechtliche Situation von LSBTTI in Marokko?
Nach dem marokkanischen Strafgesetzbuch ist jeder außereheliche Geschlechtsverkehr strafbar. Artikel 489 stellt homosexuelle Handlungen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe, die Höchststrafe liegt bei drei Jahren Haft. Homosexualität wird in der Regel toleriert, solange sie im Verborgenen gelebt wird.
LSBTTI-Orientierung oder -Identität wird vom marokkanischen Staat nicht anerkannt, entsprechend bestehen in diesem Bereich keine Gesetze. Das Strafgesetzbuch sieht keine ausdrücklichen Strafen für strafbare Handlungen gegen diese Gruppe vor, und sie wird auch nicht von Antidiskriminierungsgesetzen geschützt. Ein öffentliches Ausleben einer LSBTTI-Orientierung ist mit einem sozialen Stigma verbunden.
a) Wie viele Menschen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen seit 2012 verurteilt?
Im April 2016 wurden in der Provinzstadt Beni Mellal zwei Männer wegen homosexueller Akte gemäß Artikel 489 des marokkanischen Strafgesetzbuches zu drei- und viermonatigen Haftstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt.
Die Bundesregierung hat Kenntnis von folgenden Einzelfällen: Im Mai 2015 wurden drei Männer zu je drei Jahren Haft, dem Maximalstrafmaß, verurteilt. Zwei der drei Männer wurde der Vollzug homosexueller Handlungen vorgeworfen, während der Dritte sich wegen Prostitution vor Gericht verantworten musste, da er den Kontakt zwischen den beiden anderen Männern hergestellt hatte. In einem anderen Fall wurden zwei Männer im Jahr 2015 zu einer dreimonatigen Haftstrafe und einer Geldstrafe von 500 marokkanischen Dirham verurteilt (etwa 50 Euro). Die Männer waren festgenommen worden, weil sie sich öffentlich geküsst haben sollen. Im Juli 2014 wurden sechs Männer in Beni Mellal wegen „homosexueller Akte“ verurteilt, zwei davon zu Haftstrafen, die vier anderen zu Bewährungsstrafen. Im Mai 2013 wurden drei Männer in Souk el-Arbaa wegen homosexueller Akte zu Haftstrafen verurteilt. Zu möglichen anderen Fällen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
b) Wie viele Übergriffe (Einschüchterungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe) gegen LSBTTI sind der Bundesregierung seit 2012 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
In der Presse wird häufig von Übergriffen auf heterosexuelle unverheiratete Paare berichtet, auch Verurteilungen wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, Förderung der Prostitution und Ehebruchs erfolgen. Gelegentlich kommt es zu Übergriffen gegen LSBTTI. Im März 2016 griff eine Gruppe von vier jungen Männern zwei Männer in ihrer Wohnung an (siehe auch die Antwort zu Frage 13). Zwei der Angreifer wurden im April 2016 zu je vier und sechs Monaten Haft wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruchs und Tragens von Stichwaffen verurteilt, zwei weitere Personen wurden freigesprochen.
Während des Fastenmonats Ramadan griffen im Juni 2015 in Fes mehrere Menschen einen Mann an, den sie für homosexuell hielten. Mehrere der an dem Angriff beteiligten Männer wurden festgenommen. Das marokkanische Innenministerium forderte in einer Pressemitteilung von seinen Bürgern, keine Selbstjustiz auszuüben.
Im September 2015 wurden in Casablanca zwei Männer festgenommen, die einen anderen Mann, den sie für homosexuell hielten, angegriffen hatten.
Zu möglichen anderen Fällen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 18/11210 v. 16.02.2017, auf Seite 2 über Marokko Folgendes aus:
1. Wie beurteilt die Bundesregierung die menschenrechtliche Situation von LSBTTI in Marokko?
Die sexuelle Orientierung oder Identität von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Transsexuellen und Intersexuellen (LSBTTI) werden vom marokkanischen Staat nicht anerkannt. Homosexualität wird hingenommen, solange sie im Verborgenen gelebt wird. Offen gelebte Homosexualität wird gesellschaftlich nicht toleriert und ist strafbewehrt. Der Artikel 489 des marokkanischen Strafgesetzbuches stellt homosexuelle Handlungen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe (Haftstrafen von 6 Monate bis 3 Jahren, Geldstrafen von 200 bis 1 000 Dirhams, ca. 20 bis 100 Euro). Strafverfolgung und Verurteilungen sind selten und erfolgen in der Regel auf Anzeige, die meist aus dem direkten persönlichen Umfeld der Betroffenen stammt. Auch in dem in der Vorbemerkung erwähnten Fall der beiden Mädchen in Marrakesch erfolgte die Anzeige durch Familienmitglieder. Im Rahmen der Strafrechtsreform wurde im letzten Jahr diskutiert, die Strafbarkeit homosexueller Handlungen abzuschaffen, dies wird jedoch von der Regierungspartei abgelehnt.
2. Wie viele Menschen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen seit 2013 verurteilt?
Marokko führt keine öffentlichen Statistiken über erfolgte Verurteilungen. Der Bundesregierung sind nur wenige Fälle von Verurteilungen wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen bekannt. Nur selten werden Einzelfälle in den Medien thematisiert.
3. Wie viele Übergriffe gegen LSBTTI sind der Bundesregierung seit 2013 bekannt geworden, und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen?
Der Bundesregierung sind nur vereinzelt Übergriffe bekannt. Die Ablehnung von LSBTTI ist gesellschaftlich weit verbreitet und zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Der marokkanische Staat wehrt sich jedoch gegen jegliche Form der Selbstjustiz durch selbsternannte „Tugendwächter“ und setzt sein Gewaltmonopol konsequent durch.
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Siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90 /Die Grünen: Auswirkungen der Bestimmung Marokkos zum sicheren Herkunftsstaat auf das Territorium der Westsahara und die sahrauischen Volkszugehörigen - BT-Drs. 18/7928 v. 18.03.2016
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Antwort des Staatssekretärs Dr. Helmut Teichmann vom 20. Juni 2018 auf die schriftlichen Fragen 36 bis 38 des Abgeordneten Sven Lehmann - BT-Drs. 19/2922 v. 22.06.2018, Seiten 28 bis 31:
"Die Fragen 36 bis 38 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Nach Kenntnis der Bundesregierung findet in Algerien, Marokko und Tunesien keine systematische Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen statt. Im Einzelnen liegen folgende Erkenntnisse vor:
( ... Ausführungen zu Algerien ... )
In Marokko werden homosexuelle Handlungen gemäß Artikel 489 des Strafgesetzbuchs unter Strafe gestellt (Haftstrafen von sechs Monaten bis zu drei Jahren, Geldstrafen von 200 bis 1 000 Dirhams, ca. 20 bis 100 Euro). Strafverfolgung und Verurteilungen sind selten und erfolgen in der Regel nur auf Anzeige, die meist aus dem direkten persönlichen Umfeld der Betroffenen stammt. Im Rahmen der Strafrechtsreform wurde im Jahr 2016 diskutiert, die Strafbarkeit homosexueller Handlungen abzuschaffen. Dies wird von der größten Regierungspartei und weiten Teilen der Bevölkerung jedoch abgelehnt.
( ... Ausführungen zu Algerien ... )
Die Frage der Strafbarkeit und strafrechtlichen Ahndung von homosexuellen Handlungen wurde bei der vorgesehenen Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten berücksichtigt. Die Bundesregierung ist zu der Einschätzung gelangt, dass Homosexuelle in diesen Staaten nicht grundsätzlich und systematisch als Personen- oder Bevölkerungsgruppe verfolgt werden.
Gemäß dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 7. November 2013 (C-199/12 bis C-201/12) begründet der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung. Vielmehr muss insbesondere die Praxis der staatlichen Behörden und Gerichte, vor allem im Hinblick auf die Verhängung von Freiheitsstrafen, mit betrachtet werden.
Droht einem Staatsangehörigen aus den genannten drei Staaten, Opfer einer solchen Strafverfolgungspraxis zu werden, käme für ihn auch bei Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsstaaten eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung in Betracht; allerdings gilt dahingehend eine Beweislastumkehr im Asylverfahren, dass der Antragsteller im Heimatland weder politischer Verfolgung noch unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung ausgesetzt ist (vgl. Artikel 16a Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Einstufung eines Herkunftsstaats als sicherer Herkunftsstaat stehen solche Einzelfälle auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts indes nicht entgegen.
Bezugnehmend auf das genannte Urteil (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C 199/12) erkennt die Bundesregierung insofern an, dass es nicht hinnehmbar ist, dass einer Person das Recht auf Asyl mit der Begründung vorenthalten wird, dass sie in ihrem Heimatland ihre Homosexualität nicht ausleben solle und dadurch vor Strafverfolgung geschützt wäre."
Presseberichte