Steigender Hass in Polen
Deutsche Partnerstädte gefordert

Mit dem Label „LSBTI-freie Zone“ rühmen sich in unserem Nachbarland Polen inzwischen fünf Regierungsbezirke, 37 Landkreise und 55 Gemeinden. Viele weitere Städte haben ebenfalls Erklärungen verabschiedet, die mit Verweis auf angebliche „Familienwerte“ Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*- und intergeschlechtliche Menschen abwerten und eine zunehmend bedrohliche Stimmung anheizen. Diese von offiziellen Autoritäten und Politiker*innen ausgehenden Angriffe legitimieren Hass und alltägliche Gewaltattacken auf LSBTI. So gab es bereits im letzten Jahr zahlreiche Angriffe auf CSD-Demonstrationen durch rechte Hooligans in polnischen Städten wie Białystok oder Lublin. Diese Beschlüsse sind eine Einladung zum Pogrom.
Angriffe auf sexuelle und reproduktive Rechte
Politiker*innen der Regierungspartei PiS befeuern mit Unterstützung von anderen nationalistischen Gruppen und Amtsträgern der katholischen Kirche regelmäßig dieses bedrohliche und gefährliche Klima in unserem Nachbarland. Die zunehmende Sichtbarkeit von LSBTI und ihre Forderungen nach Akzeptanz werden von ihnen seit Jahren als angeblicher Angriff auf die Familie und auf die polnische Identität dämonisiert – mit erschreckendem Erfolg, wie die aktuellen Entwicklungen zeigen. So werden im polnischen Parlament sexuelle und reproduktive Rechte massiv angegriffen. Ein Gesetzentwurf sieht etwa vor, dass Sexualkundeunterricht an Schulen generell verboten werden soll. Die Begründung und Wortwahl erinnert dabei sehr an das Antihomosexualitätsgesetz in Russland, mit dem jegliches neutrales Informieren oder positiv-anerkennendes Sprechen über LSBTI vor Minderjährigen als Propaganda bestraft werden kann.
Städtepartnerschaften zum Protest nutzen
So etwas darf mitten in Europa nicht zugelassen werden. In Deutschland pflegen über 300 deutsche Städte und Gemeinden, eine Partnerschaft zu Polen. Daher haben wir uns in einem Schreiben an die Bürgermeister*innen und Gemeinderäte gewandt und diese gebeten, die sich weiter verschlechternde Menschenrechtssituation von LSBTI offen bei Ihren polnischen Partner*innen anzusprechen.
Während Partnergemeinden und Städte, die sich der Bewegung der „LSBTI-freien Zonen“ (noch) nicht angeschlossen haben, in ihrer Haltung bestärkt werden müssen, sollte im anderen Fall die Art der Zusammenarbeit im Rahmen der Städtepartnerschaft dringend überdacht werden. So muss ernsthaft geprüft werden, den Austausch und die Kontakte mit den politischen Kräften in den Kommunalvertretungen und mit den Amtsträger*innen auszusetzen, die für diese menschenverachtenden Beschlüsse verantwortlich sind.
Gleichzeitig sollte der Kontakt zu LSBTI-Initiativen und Vereinen aufgenommen werden, die sich in der Partnerregion für den Schutz der Demokratie und Menschenrechte einsetzen und ihnen Unterstützung angeboten werden. Solche Initiativen müssen gerade jetzt gestärkt werden. Zwar sind Besuche vor Ort aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie gegenwärtig nicht möglich, nichtsdestotrotz sollte bei zukünftigen Treffen die Rechte von LSBTI ein Thema sein. So können sich die offiziellen Delegationen mit LSBTI in Polen austauschen. Mit polnischen Delegationen können deutsche LSBTI-Organisationen besucht werden oder die Entwicklung der Rechte von LSBTI in Deutschland kann in das Austauschprogramm einfließen.
Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten im Rahmen von internationalen Städtepartnerschaften, dafür einzutreten, dass LSBTI als selbstverständlicher Teil gesellschaftlicher Normalität akzeptiert und anerkannt werden. Gerade in Zeiten, in denen zivilgesellschaftliche Initiativen in Polen immer weiter unter Druck geraten, braucht es die internationale Unterstützung.
Markus Ulrich, LSVD-Pressesprecher
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