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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Neues Projekt für LGBTI in Nicaragua: Niemanden zurücklassen

Langjährige Zusammenarbeit mit Red de Desarrollo Sostenible geht weiter

Im vergangenen Jahr hat das Auswärtige Amt unserer Partnerorganisation „Red de Desarrollo Sostenible“ ein Projekt zur Dokumentation von Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen im Land und zur Aktualisierung der LSBTI-Menschenrechtsagenda gefördert. Und auch 2020 läuft die Unterstützung aus Deutschland weiter.

Zwei Jahre ist es her, dass in Nicaragua Proteste der Bevölkerung gegen eine Reform der Sozialversicherung von der Regierung blutig niedergeschlagen wurden. Auch viele LSBTI nahmen an den Demos teil, wurden verhaftet, mussten untertauchen oder ins Exil. Zum Jahrestag der Proteste am 18. April gab es wieder willkürliche Festnahmen, auch von LSBTI, schreiben unsere Kolleg*innen aus der nicaraguanischen Hauptstadt Managua.
Hinzu kommt die vom Regime geleugnete Corona-Pandemie. Vorkeh­run­gen zum Schutz der Bevölkerung werden nicht getroffen. Es sind Expert*innen der Zivilgesellschaft, die für die nötige Aufklärung sorgen. „Die Situation wird immer schlimmer, und von der Regierung gibt es keine Informationen. Es ist einfach nur traurig. Wir kämpfen gegen die Diktatur, die Epidemie, Depressionen und Angstzustände“, bringt es José Ignacio auf den Punkt.

LSBTI auf die Agenda für ein inklusives Nicaragua

Im vergangenen Jahr hat das Auswärtige Amt unserer Partnerorganisation „Red de Desarrollo Sostenible“ (Netzwerk für Nachhaltige Entwicklung) ein Projekt u.a. zur Dokumentation von Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen im Land und zur Aktualisierung der LSBTI-Menschenrechtsagenda gefördert. Und auch in diesem Jahr läuft die Unterstützung aus Deutschland weiter. Das neue Projekt „Niemanden zurücklassen“ zielt auf die Stärkung der Menschenrechte der LSBTI-Community und deren Befähigung zur Advocacyarbeit, mit der LSBTI-Anliegen auf die nationale politische Agenda gesetzt werden sollen.

Denn die politische Krise im Land hat dafür gesorgt, dass politische Räume entstanden sind, politische Teilhabe thematisiert wird und soziale Bewegungen sichtbarer wurden. Diskutiert werde ein in jeder Hinsicht inklusives Nicaragua und ein transparenter Wahlprozess in 2021 als möglicher Ausweg aus der Krise. Es fehlen jedoch konkrete Vorschläge, wie diese Inklusion erreicht werden soll und wie sie in menschenwürdige Arbeitsplätze, Nichtdiskriminierung und inklusive Gesundheitsdienste, Bildung und andere für die integrale Entwicklung der Menschen wichtige Bereiche münden kann.

Für die LSBTI-Community stelle diese Situation eine besondere Heraus­forderung dar. Ihre Rolle im laufenden politischen Prozess werde zwar anerkannt, aber ihre vorrangigen Anliegen werden (noch) nicht wirklich diskutiert. Sie sollen sichtbar gemacht, konkrete Forderungen in politischen Partizipationsräumen und gegenüber politischen Akteur*innen postuliert werden, damit sie in Wahlprogrammen Berücksichtigung finden. Der Zeitpunkt sei also günstig, um Bündnisse zu schließen und um die Anliegen der LSBTI-Community zu befördern.

Regime leugnet Corona

José Ignacio berichtet aber auch, die Regierung halte sich nicht an die Empfehlungen der WHO, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Im Gegenteil: Schulen wurden nicht geschlossen, der Tourismus wurde angekurbelt, Menschenansammlungen allenthalben. Der Hauptgrund: Man scheue die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Lockdown. Zudem leugne die Regierung die Ausbreitung der Epidemie und spreche von einigen wenigen Fällen von Infizierten, die aus dem Ausland eingereist seien.

Die große Mehrheit der LSBTI-Community habe kaum Zugang zu den Leistungen des Gesundheitssystems. Verschärft werde ihre prekäre Situation durch den Verlust von Jobs, meist im informellen Sektor, Obdachlosigkeit, Gewalt, Stigmatisierung und Hasspredigten religiöser Eiferer.

Das Team in Managua hat beschlossen, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Strategie für die Durchführung ihrer Aktivitäten müsse sorgfältig überprüft werden. Was ist überhaupt noch machbar, was nicht? 

Klaus Jetz
Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Der Beitrag erschien auch in der neuen Ausgabe der LSVD-Zeitschrift respekt! vom Februar 2021.

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