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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Das ganze Asylsystem hindert queere Geflüchtete am Ankommen

Gemeinsam erarbeitete Rede der LGBTI-Geflüchteten der Queer Refugees Deutschland zum Cologne Pride 2020

Die ganzen Asylverfahren müssen verbessert werden. Viele trauen sich in den beschleunigten Verfahren bei der ersten Anhörung nicht über ihre sexuelle Identität zu sprechen. Das Misstrauen gegenüber Behörden, Anhörer_innen und Übersetzer_innen ist groß, denn auch diese können LSBTI-Feindlichkeit zeigen.

Gemeinsam erarbeitete Rede der LGBTI-Geflüchteten der Queer Refugees Deutschland zum Cologne Pride 2020

Das ganze Asylsystem hindert queere Geflüchtete am Ankommen. Sie werden in Sechsbett-Zimmer mit den Landsleuten gesteckt, die ihnen in ihren Herkunftsländern massive Probleme bereitet haben.

Sexuelle Gewalt, Schläge, Mobbing kommen oft vor. Sie werden nicht ernst genommen und müssen sich dann manchmal von der Verwaltung blöde Sprüche anhören wie: „ …weil du so feminin bist, passieren dir schlimme Dinge“. Das ist richtig heftig, denn über sensible Dinge zu reden wie Gewalt, das ist schwierig für viele. Oft folgen psychische Probleme.

Ein Computersystem und Zuweisungsschlüssel bestimmen wohin queere Geflüchtete geschickt werden.

Wir fordern, dass sie in der Nähe von großen Städten untergebracht werden. Da sind Beratungsstellen und sie sind näher an der Community. Im ländlichen Bereich ist LSBTI Feindlichkeit höher als in großen Städten und auch die Gefahr zu vereinsamen, da es keine Anlaufstrukturen wie sichere Räume in Form von Treffpunkten gibt.

Die ganzen Asylverfahren müssen verbessert werden. Viele trauen sich in den beschleunigten Verfahren bei der ersten Anhörung nicht über ihre sexuelle Identität zu sprechen. Das Misstrauen gegenüber Behörden, Anhörer_innen und Übersetzer_innen ist groß, denn auch diese können LSBTI-Feindlichkeit zeigen.

Die Rate an negativen Bescheiden ist viel zu hoch. Aufwendige Folgeanträge und Gerichtsprozesse sind die Folge. Diese Ungewissheit belastet Geflüchtete zu sehr und behindert sie bei dem Ankommen in Deutschland. Das muss sich endlich ändern!

Abschiebung tötet, denn viele Entscheidungen im Asylverfahren sind falsch, da sie die Besonderheit von LGBTI Geflüchteten nicht berücksichtigen. Schnell landen LGBTI dann in Abschiebehaft, wo es oft zu spät ist, um rechtzeitig zu reagieren.

Warum ist das so? Viel zu viele müssen die Entscheidungen vom BAMF anfechten. Es gibt angeblich sichere Herkunftsländer, wo man ja ,O-Ton von Gerichten in Deutschland, "seine sexuellen Vorlieben heimlich weiterleben könne“. Länder wie Marokko, Ghana, Libyen, Tunesien oder Armenien sollen sichere Länder sein? Selbst im christlich geprägten Armenien gibt es heftige Übergriffe in der Bevölkerung auf LGBTI. Gerade wird die Situation dort für die Community durch eine Verwicklung in einen Krieg verschärft.

Es gibt in vielen Ländern Gefängnis- bis Todesstrafen. LGBTI werden von ihren eigenen Familien verfolgt, eingesperrt, vergewaltigt und misshandelt. Werden Behörden oder Polizei eingeschaltet, wird alles nur noch schlimmer. Die Einstellung der Bevölkerung ist stark feindlich. Daher haben viele Angst vor Outing, Erpressbarkeit und Jobverlust.

Wegen des Misstrauens und der Scham geben viele nicht an, beim BAMF, das sie LGBTI sind. Folgeverfahren sind teuer und psychisch stark belastend. Viele finden gar keine Unterstützung. Sie werden depressiv und verpassen ihre rechtlichen Möglichkeiten.

Dieser lange Prozess, der sich über Jahre hinziehen kann, erschwert das Ankommen und allein eine Abschiebeandrohung ist eine enorme psychische Belastung. Daher keine Abschiebungen mehr. Denn mindestens 71 Länder in der Welt sind nicht sicher für LSBTI.

Queere Geflüchtete sind mehrfachdiskriminiert wegen ihrer geschlechtlichen und sexuellen Identität, Rassismus (POC), Herkunft, Alters, in der Gesundheitsversorgung. Eine erschwerende Tatsache ist auch, dass unsere LGBTI-Gemeinschaft selber viele Vorurteile untereinander hat. Nicht cis-konforme, wie zum Beispiel nicht binäre Menschen oder trans* und inter* Menschen, werden nicht wahrgenommen und ausgegrenzt. Wir müssen verstehen, dass wir als Gemeinschaft zusammenhalten sollten, insbesondere dass wir auch Schwarze, Migranten, trans* Personen oder Dragqueens in ihrer Identität und mit ihren Problemen mehr intersektional berücksichtigen.

Geflüchtete werden ins Meer zurückgestoßen oder an den Grenzen, wenn sie es endlich geschafft haben, in die EU zu kommen. Sie werden nicht nach EU-Recht behandelt, wie wir es zuletzt an dem Horror-Camp Moria sehen mussten. Anstatt der Menschenwürde entsprechende Unterkünfte zu bauen, leben die Geflüchteten in unbeheizten Zelten, die bei Regen auch noch unter Wasser stehen. Selbst anerkannte Geflüchtete müssen in Griechenland und anderen Ländern auf der Straße leben und sind dort Gewalt ausgesetzt.

Trans* und inter* Geflüchtete werden diskriminiert, weil sie keine Hormone bekommen am Anfang. Genauso können schwule Geflüchtete kein PREP- oder HIV-Medikamente bekommen.
Bekannt sind die Fälle von lesbischen Geflüchteten aus Uganda und Nigeria, die in München kurz vor der Abschiebung stehen. Die Gerichte behaupten, wegen ihren Kindern könnten diese ja gar keine Lesben sein oder sie hätten keinen lesbischen Lifestyle.

Dabei wurden die meisten vergewaltigt, um sie angeblich zu heilen von ihrer Homosexualität. Die Richter haben sie teilweise rassistisch abfällig betitelt, das ist lesben- und frauenfeindlich glelichzeitig.

Sogar die eigene queere Community ist oft ausbeutend. Schwule verlangen Sex als Gegenleistung für eine Unterkunft. Es gibt rassistische Vorurteile oder keinen Zutritt zu schwulen Bars. Wir fordern mehr Aufklärung, Schulung und die Sicherung des wichtigen Projektes "Queer Refugees Deutschland" für die Zukunft!

Das Ankommen und die Inklusion bleiben schwierig. Wir haben kein Wahlrecht, selbst wenn wir hier arbeiten und Steuern bezahlen. In Schottland gibt es für Menschen mit ausländischem Pass die Möglichkeit zu wählen. Wieso nicht hier? Die Hürden für eine Einbürgerung sind hoch und auch die politische Teilhabe, das Finden einer Wohnung oder einer Arbeit ist schwer in einer weiß dominierten Gesellschaft, gerade auch wegen der Mehrfachdiskriminierung. Daraus folgt für uns auch eine Art von sozialer Stigmatisierung. Gar nicht so selten sind queere Menschen gezwungen, in ihre Heimatländer oder angrenzenden Länder zurückzugehen. Dann aber sind sie schon wieder Gewalt ausgesetzt.

Queere Geflüchtete sind Opfer von Stereotypen wie: „…du bist arabisch, aggressiv, unerzogen, nicht gebildet oder Muslim.“ Das muss endlich aufhören. Wir sind jetzt hier zuhause. Die Medien berichten aber oft schlecht über uns. Wir haben alle so viele positive Geschichten, wo sind die veröffentlicht?

Wir haben unsere eigene Kultur, dennoch erwarten viele, dass wir „Copy Paste“ Deutsche werden, vom ersten Tag an.

Das ist ein falscher Einweggedanke von Inklusion oder Diversity. Die Gesellschaft könnte sich etwas emphatischer gegenüber uns verhalten. Seid mehr höflich zu uns, engagiert euch unterstützend mit uns auf Augenhöhe. Unsere Gruppe ist vielfältig und bereichert die deutsche Mehrheitsgesellschaft. Wir machen Deutschland mehr divers und bunt. Deutsche sind schon immer millionenfach ausgewandert und ebenso war es schon immer ein Einwanderungsland. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt, welches die Situation von uns sicher noch optimieren kann.

Schließlich hat Frau Merkel gesagt: „Wir schaffen das!“. Genau das denken wir auch!

Vielen Dank für das Zuhören und danke an den KLUST/ Cologne Pride für die tolle Möglichkeit, hier vor über 2.000 Menschen reden zu können!