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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Recht

Rechtsprechung zu Herkunftsländern von LSBTI-Geflüchteten

Gerichtsurteile zur Anerkennung des Flüchtlingsstatus aufgrund der Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität im Herkunftsland

Für welche Herkunftsländer wurde in deutscher Asylrechtsprechung eine Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität im Herkunftsland anerkannt und der Flüchtlingsstatus zugesprochen

Dieser Beitrag bietet eine Aufstellung von Gerichtsurteilen zu bestimmten Herkunftsländern von verfolgten Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans* und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI). Die Rechtsprechung zur allgemeinen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund der Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität bzw. Asylrecht für LSBTI haben wir an anderer Stelle zusammengestellt.

Hier findet sich unser Ratgeber zum Asylrecht.

Hinweis

In der nachfolgenden Übersicht über die Rechtssprechung zur Anerkennung der Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität nach Herkunftsland finden Sie nur Urteile, die nach den Entscheidungen des EuGH vom 05.09.2012 (C-71/11 und C-99/11) und vom 07.11.2013 (C-199/12, C-200/12, C-201/12) ergangen sind.

Die älteren Urteile vor dem 07.11.2013 sind überholt, soweit sie davon ausgehen, dass die Asylbewerber ihre Homosexualität zurückgezogen in der Privatsphäre leben könnten und dann nicht gefährdet seien. LSBTI wurde in früheren Urteilen zugemutet, "sich äußerst bedeckt zu halten" bzw. "Diskretion walten zu lassen", um eine Verfolgung zu vermeiden. Ausführliche Informationen dazu gibt es in unserem Artikel zum Diskretionsgebot.

Allerdings haben das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Verwaltungsgerichte sehr schnell einen Ausweg gefunden und lehnen die Asylgesuche jetzt oft mit der Begründung ab, dass in dem Heimatstaat der Asylbewerber nicht gezielt nach Homosexuellen gefahndet werde und dass ein Strafverfahren gegen die Asylbewerber daher äußerst unwahrscheinlich sei. So argumentiert auch die Bundesregierung hinsichtlich der Maghreb-Staaten, die deshalb auch für Homosexuelle „sichere“ Herkunftsstaaten seien.

Zur Begründung dieser Behauptung vergleichen das BAMF und die Gerichte die vermutliche Gesamtzahl der Homosexuellen im Herkunftsland der Asylbewerber mit der sehr geringen Zahl von Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen. Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit, dass gerade der Antragsteller strafrechtlich verfolgt und verurteilt werde, als verschwindend gering einzuschätzen. Typisch für diese Argumentationsweise íst z.B. das Urteil Verwaltungsgerichts Cottbus vom 07.11.2017, 5 K 1230/17.A zur Verfolgungsgefahr in Marokko.

Dabei wird außer Acht gelassen, dass Homosexuelle als solche nicht zu erkennen sind, wenn sie aus Furcht vor Verfolgung ihre Homosexualität nur zurückgezogen in der Privatsphäre leben. Ihnen droht dann keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsgefahr. Deshalb darf die Zahl der Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen nur mit der Zahl der Homosexuellen verglichen werden, die sich nicht verstecken, so das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.02.2013, 10 C 23.12 zur Verfolgung der Ahmadis in Pakistan.

Siehe dazu im Einzelnen den Abschnitt "Verfolgungsgefahr für unverfolgt ausgereiste Asylbewerber" in unserem Ratgeber "Asylrecht für Lesben und Schwule". Außerdem sollten Asylbewerber zusätzlich immer darauf hinweisen, dass sie auch geflohen sind, weil sie in ihrem Heimatland keine Partnerschaft mit einer gleichgeschlechtlichen Partnerin oder einem gleichgeschlechtlichen Partner führen können, siehe in unserem Ratgeber den Abschnitt "Das Recht, offen als Paare zusammenleben zu können."

Zusätzliche Informationen zu den Herkunftsländern finden Sie möglicherweise im Informationssystem des BAMF "MILo" in der Datenbank "Länderinformationen" und in der Datenbank "Rechtsprechung Asyl"

Ägypten

Zuerkennung des Flüchtlingseigenschaft für schwulen Kläger nach § 3 AsylG.

Homosexuelle sind in Ägypten einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt.

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Zuerkennung des Flüchtlingseigenschaft für schwulen Kläger nach § 3 AsylG.

Männer, die im Verdacht stehen, einvernehmliche sexuelle Beziehungen mit anderen Männern zu haben, müssen in Ägypten mit Verhaftung und strafrechtlicher Verfolgung wegen Prostitution und Verletzung der öffentlichen Moral rechnen. Die Behörden ordnen für einige der Gefangenen Zwangsuntersuchungen des Analbereichs an.

Außerdem droht diesen Männern Verfolgung durch ihre Familien.

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Vorliegen des Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 5 AufenthG für schwulen Antragsteller.

Die Lage für Homosexuelle in Ägypten ist problematisch: Einverständliche gleichgeschlechtliche Beziehungen sind nicht ausdrücklich verboten. Immer wieder werden jedoch Straftatbestände wie "Unzucht", "schamloses Verhalten in der Öffentlichkeit" oder "Verletzung der Lehren der Religion", die mit Haftstrafen bis zu zehn Jahren bewehrt sind, zur strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung Homosexueller herangezogen, zumal wenn Homosexualität offen gezeigt wird.

Presseberichten zufolge sollen die Sicherheitsbehörden eine Dating-App zur Identifizierung von Homosexuellen verwendet haben, um diese strafrechtlich zu verfolgen.

In der Gesellschaft werden Homosexuelle diskriminiert und geächtet. Die Regierung unternimmt nichts, um dieser Diskriminierung entgegen zu wirken.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwule Kläger nach § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs 1 AsylG.

Aufgrund der Erkenntnislage droht dem Kläger in Ägypten staatliche Verfolgung durch Bestrafung in Anknüpfung an seine Homosexualität. Zwar stehen homosexuelle Handlungen nicht explizit unter Strafe. Jedoch kennt das ägyptische Strafgesetzbuch den Tatbestand der „Unzucht“ (debauchery). Auch wenn Homosexualität nicht ausdrücklich erwähnt ist, berufen sich in der Praxis die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte auf den entsprechenden Artikel und ein Gesetz zur Bekämpfung der Prostitution von 1961. Es sind in diesem Zusammenhang sowohl Geld- als auch Gefängnisstrafen vorgesehen.

Diese Erkenntnis wird gestützt durch eine Vielzahl weiterer Auskunftsquellen. So müssen nach Auskunft von amnesty international Männer, die im Verdacht standen, einvernehmliche sexuelle Beziehungen mit anderen Männern zu haben, mit Verhaftung und strafrechtlicher Verfolgung wegen Prostitution und Verletzung der öffentlichen Moral rechnen. Die Behörden ordneten für einige der Gefangenen Zwangsuntersuchungen des Analbereichs an.

Aufgrund dieser Auskünfte ist das Gericht davon überzeugt, dass Homosexuellen - wie dem Kläger - landesweit die Gefahr von Verhaftung droht. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gibt es nach der Auskunftslage nicht.

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Zwar stehen homosexuelle Handlungen nicht explizit unter Strafe. Jedoch kennt das ägyptische Strafgesetzbuch den Tatbestand der „Unzucht“ (debauchery). Auch wenn Homosexualität nicht ausdrücklich erwähnt ist, berufen sich in der Praxis die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte auf den entsprechenden Artikel und ein Gesetz zur Bekämpfung der Prostitution von 1961. Es sind in diesem Zusammenhang sowohl Geld- als auch Gefängnisstrafen vorgesehen. Die Praxis der Rechtsprechung wendet jedoch den Straftatbestand der „Unzucht“ fast ausschließlich auf Geschlechtsverkehr zwischen Männern an.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und Asylberechtigung im Sinne Art. 16a GG für schwulen Mann.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Der Kläger hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Kläger hat weder behauptet noch hinreichend glaubhaft gemacht, dass er in Ägypten wegen Homosexualität bereits verfolgt worden ist, konnte aber unter Beweisaufnahme und in der mündlichen Verhandlung das Gericht davon überzeugen, dass er homosexuell orientiert ist, dies auch ausleben will und sich nur aufgrund äußerer Beschränkungen damit vorsichtig verhält. Das Gericht geht davon aus, dass dem Kläger als Mitglied einer sozialen Gruppe aufgrund seiner homosexuellen Orientierung bei einer Rückkehr nach Ägypten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit individuelle Verfolgung droht.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG bei Transsexualität.

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Sonstige Erkenntnisse

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 18/11210 v. 16.02.2017, auf Seite 8/9 über Ägypten Folgendes aus:

Frage 23: Wie sieht die Bundesregierung die Situation von LSBTTI in den anderen nordafrikanischen Staaten (bitte nach den einzelnen Ländern aufschlüsseln)?

Homosexuelle Handlungen stehen in Ägypten nicht explizit unter Strafe. Jedoch werden homosexuelle Handlungen unter Rückgriff auf den Tatbestand der „Unzucht“ und ein Gesetz zur Bekämpfung der Prostitution von 1961 strafrechtlich mit Geld- und Gefängnisstrafen verfolgt. Es kommt zu Übergriffen der Sicherheitskräfte gegen LSBTTI, z. B. in Form von "medizinischen Untersuchungen". Von einer hohen Dunkelziffer ist auszugehen. Das repressive Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Rechte von LSBTTI einsetzen, hat sich verschärft.

Frage 24: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Inhaftierung von 274 Menschen wegen angeblicher LSBTTI-Identität in Ägypten (www.nytimes.com/2016/08/11/world/africa/gay-egyptians-surveilled-and-entrappedare-driven-underground.html?_r=3)?

Der Bundesregierung liegen keine eigenen Zahlen dazu vor. Sie geht davon aus, dass die von der Nichtregierungsorganisation „Solidarity With Egypt LGBTQ+“ veröffentlichten und von der internationalen Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ aufgegriffenen Zahlen die ägyptische Realität widerspiegeln: Demnach wurden zwischen Ende 2013 und Ende 2016 274 LSBTTI-Personen in 114 Verfahren strafrechtlich verfolgt; in 66 dieser Fälle nutzten Behörden OnlinePortale für die Kontaktanbahnung.

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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 19/2020 v. 04.05.2018, über Ägypten Folgendes aus: 

Frage 1: Inwiefern hält sich Ägypten nach Kenntnis der Bundesregierung an das Folterverbot nach Artikel 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte? Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Einsatz von Folter zur Erzwingung vermeintlicher Geständnisse durch ägyptische Sicherheitskräfte und den Umgang der Justiz mit solchen Praktiken?

Der Bundesregierung sind Berichte über den Einsatz von Folter bekannt, insbesondere der Bericht von „Human Rights Watch“ vom 5. September 2017, der zahlreiche Fälle von Folter und Misshandlungen durch ägyptische Sicherheitsbehörden dokumentiert. Im Januar 2018 äußerte sich ein Sprecher des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte kritisch zu Verdachtsfällen von Folter im Zusammenhang mit Hinrichtungsfällen.

Frage 22:Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Haftbedingungen in den offiziellen Hafteinrichtungen und den Haftzentren des nationalen Geheimdienstes, insbesondere den Zugang zu anwaltlicher Beratung, die Verhängung von Einzelhaft, die Länge von Untersuchungshaft und mangelnde medizinische Versorgung?

Die Haftbedingungen in offiziellen Hafteinrichtungen geben, auch im Hinblick auf die Einhaltung internationaler Mindeststandards, Anlass zu großer Sorge. Das Recht der Gefangenen auf anwaltliche Beratung, Familienbesuche und medizinische Grundversorgung wird häufig nicht gewährt. Ein prominentes Beispiel ist der inhaftierte Journalist Hisham Gaafer, dem notwendige medizinische Behandlung verwehrt wird. Zu den Haftbedingungen in den Haftzentren der Geheimdienste liegen glaubhafte Berichte vor, nach denen es zur Anwendung von Folter kommt. Die nach ägyptischem Recht zulässige Obergrenze für die Dauer der Untersuchungshaft liegt bei zwei Jahren, wird aber ebenfalls nicht durchgängig respektiert.

Frage 28: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass in Ägypten viele Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung festgenommen und strafrechtlich verfolgt werden, etwa nach Zeigen der Regenbogenflagge (https://netzpolitik.org/2017/nach-zeigen-der-regenbogenflagge-social-media-ermittlungen-bei-verhaftungswelle-in-aegypten/)? Inwiefern zeichnen sich Veränderungen der rechtlichen Situation dieser Menschen ab, beispielsweise durch Initiativen aus dem ägyptischen Parlament, und hat die Bundesregierung gegen die o. g. Vorkommnisse und mögliche Verschärfungen protestiert?

Seit September 2017 kam es in Ägypten vermehrt zu Verhaftungen von Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Nach Angaben aus der ägyptischen Zivilgesellschaft wurden bis Ende 2017 mindestens 71 Personen verhaftet. 49 Personen wurden zu Haftstrafen zwischen drei Monaten und sechs Jahren verurteilt. Als rechtliche Grundlage wird das Prostitutionsgesetz herangezogen, da Homosexualität in Ägypten nicht explizit strafbar ist. Ein bereits im November 2017 vom Abgeordneten Riyadh Abdel Sattar eingebrachter Gesetzentwurf zur Kriminalisierung von Homosexualität liegt dem legislativen Ausschuss des Parlaments zur Beratung vor. Die Erfolgsaussichten des Gesetzentwurfs lassen sich nicht zuverlässig einschätzen. Die Bundesregierung hat ihre Sorge bezüglich der genannten Vorkommnisse und Entwicklungen gegenüber der ägyptischen Regierung mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht und das Vorgehen der ägyptischen Behörden gegen diese Personengruppe verurteilt.

Frage 30: Inwiefern besteht nach Ansicht der Bundesregierung ein Klima der Straflosigkeit bei Übergriffen gegen ethnische, sexuelle und religiöse Minderheiten, insbesondere gegenüber den Kopten sowie Atheisten?

Es kann in Ägypten nicht pauschal von einem „Klima der Straflosigkeit“ ausgegangen werden. Eine entsprechende Einschätzung hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab.

Presseberichte

Äthiopien

Der Kläger muss wegen seiner homosexuellen Neigungen bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylrechtsrelevanten staatlichen Maßnahmen rechnen. Dass Homosexualität nach dem äthiopischen Strafgesetzbuch mit Haft bedroht wird, ist unbestritten. Von den meisten Äthiopiern wird Homosexualität als Sünde angesehen. Konkrete Berichte zur Gewalt gegen Homosexuelle in Äthiopien sind kaum zu finden, dies liegt vor allem an der Tabuisierung von Homosexualität und die Berichterstattung ist aus Angst vor Vergeltung, Diskriminierung und Stigmatisierung massiv eingeschränkt. Gewalt und Übergriffe gegen Homosexuelle werdem nicht geahndet, die Gewalt geht häufig von staatlichen Akteuren aus. Aus dem vorgelegten Bericht ergibt sich nicht, dass etwa homosexuelle Handlungen, obwohl mit Strafe bedroht, tatsächlich von äthiopischen Gerichten bestraft werden. Offensichtich ist es für homosexuelle Personen nicht einfach zu leben, aber es kann wohl nicht davon ausgegangen werden, dass von staatlichen Stellen gezielte Verfolgungshandlungen und Bestrafungen gegen homosexuelle Personen in einer Vielzahl von Fällen stattfinden, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass Homosexuelle in Äthiopien in einer Art und Weise verfolgt werden, dass ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen wäre.

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Eine lesbische Äthiopierin muss wegen ihrer homosexuellen Neigungen bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylrechtsrelevanten Maßnahmen rechnen.

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GFK-Status: Das BAMF hat mit Bescheid mit Datum vom 19. November 2021 einem homosexuellen Mann aus Äthiopien  die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Az 7279389-225). Der Fall wurde von Rainbow Refugees Support (Aidshilfe Hessen) betreut, die bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht.

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Afghanistan

1. Erweist sich das Vorbringen eines Asylsuchenden zu den individuellen Vorfluchtgründen (Verfolgung durch die Taliban) wegen Widersprüchlichkeit in wesentlichen Punkten insgesamt als unglaubhaft, kann dies die Abweisung der Klage lediglich in diesem Umfang rechtfertigen.

2. Die Ausführungen zum offensichtlichen Nichtbestehen individueller Verfolgungsgründe sind jedoch nicht geeignet, das Offensichtlichkeitsurteil auch im Hinblick auf die Versagung subsidiären Schutzes zu tragen, soweit dieser Anspruch damit begründet wird, dass dem Beschwerdeführer als Zivilperson aufgrund der schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan ein ernsthafter Schaden in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AsylG i.V.m. Art. 3 EMRK) oder aufgrund der allgemeinen Gefahrenlage wegen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG).

3. Indem das Verwaltungsgericht die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten allgemeinen Gefahren ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gewürdigt hat (ob der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde), hat es die für die Zuerkennung subsidiären Schutzes maßgebliche Rechtsvorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 AsylG und die dort vorgesehenen rechtlichen Voraussetzungen (unmenschliche oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK sowie ernsthafte Bedrohung für Leib und Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) vollständig unberücksichtigt gelassen.

4. Zwar wurde in der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung das Vorliegen der Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts für Zivilpersonen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG in Bezug auf Afghanistan insgesamt, namentlich in Bezug auf bestimmte Regionen verneint. Es ist jedoch nicht festzustellen, dass es sich hierbei um eine „gefestigte“ Rechtsprechung im Sinne der vorstehenden Maßstäbe handelt.

5. Außerdem kann von einer gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung auch deswegen nicht gesprochen werden, weil die Verwaltungsgerichte bei einem Land, das - wie Afghanistan - aufgrund der Dynamik des dort herrschenden Konflikts von einer äußerst volatilen und zudem regional sehr unterschiedlichen Sicherheitslage geprägt ist und in dem wegen einer stetigen Verschlechterung der Sicherheitslage in den letzten zwei Jahren die Gefahr besteht, dass die Schwelle des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG überschritten sein könnte, verpflichtet sind, sich laufend über die tatsächlichen Entwicklungen zu unterrichten und nur auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse zu entscheiden.

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Der VGH München stellt fest, dass homosexuelle Männer in Afghanistan einer besonderen Verfolgung unterliegen. Das ergebe sich u.a. aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amts aus dem Jahr 2016. Danach stehen Sexualpraktiken, die mit männlicher Homosexualität in Verbindung gebracht werden, in Afghanistan unter Strafe; die afghanische Verfassung kennt kein Diskriminierungsverbot im Hinblick auf die sexuelle Orientierung.

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Für Homosexuelle besteht bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einem Bekanntwerden ihrer Homosexualität eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie abschiebungsschutzrelevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sind.

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Der afghanische Staat ist nicht in der Lage, den homosexuellen Kläger vor möglichen Misshandlungen ausreichend zu schützen.

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1. Homosexuellen droht in Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung in Anknüpfung an das für sie identitätsprägende Merkmal ihrer sexuellen Orientierung.

2. Es kann von einem Homosexuellen nicht verlangt werden, seine sexuelle Orientierung, die Teil seiner Identität ist, in Afghanistan zu verbergen oder zum Schein vorzugeben, heterosexuell zu sein, um der Gefahr einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung zu entgehen. 

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Homosexuellen drohen in Afghanistan langjährige Haftstrafen sowie Übergriffe durch die Polizei und die Bevölkerung, die die Anerkennung als Flüchtling rechtfertigen. 

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Homosexuelle Personen sind in Afghanistan gezwungen, ihre geschlechtliche Identität zu verbergen, weil sie andernfalls schwerwiegende menschenrechtswidrige Übergriffe auf ihre Person durch staatliche wie auch nichtstaatliche Akteure befürchten müssen (Leitsätze der Asyl.net-Redaktion)

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In Afghanistan sind einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen illegal und können nach dem afghanischen Strafgesetzbuch mit langjährigen Haftstrafen bestraft werden. Die Höchststrafe für gleichgeschlechtliche Beziehungen ist nach der Scharia, deren Anwendung in Betracht kommt, die Todesstrafe. Die gesellschaftliche Tabuisierung von Homosexuellen ist weiterhin in starkem Ausmaß vorhanden. Homosexuelle Männer und Jungen, auch nur als solche wahrgenommen, werden Opfer von Diskriminierung und Gewalt, hier durch Behörden, Familienangehörige und Angehörigen ihrer Gemeinschaften sowie durch regierungsfeindliche Kräfte; sie sind aufgrund ihrer tatsächlichen wie aber auch vermeintlichen sexuellen Orientierung Schikanen, Gewalt und Verhaftung durch die Polizei ausgesetzt, wobei sie angeblich auch von Bediensteten der Polizei ausgeraubt und vergewaltigt werden (Rn. 19).

Der Annahme einer rechtlich auch erheblichen Verfolgung ist jedenfalls nicht entgegenzuhalten, dass bei Abwägung der gegebenenfalls in Betracht zu ziehenden Bestrafung und der Wahrscheinlichkeit ihrer Verhängung das Vorliegen einer tatsächlichen Gefahr ("real risk") verneint werden könnte (Rn. 20). 

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1. Unter Berücksichtigung der Rspr. des EuGH kann angesichts des sensiblen Charakters der Fragen, die die persönliche Sphäre einer Person, insbesondere ihre Sexualität, betreffen, allein daraus, dass die schutzsuchende Person ihre Homosexualität aufgrund ihres Zögerns, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren, nicht bei der ersten Gelegenheit zur Darlegung der Verfolgungsgründe bei der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben hat, nicht auf ihre Unglaubwürdigkeit geschlossen werden. (Rn. 17 – 20)

2. Nach der vorliegenden Erkenntnismittellage droht Personen, die ihre Homosexualität offen in Afghanistan leben, eine flüchtlingsrelevante Verfolgung. (Rn. 22)

3. Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eine Verfolgung durch die afghanischen Behörden wegen der sexuellen Orientierung des Schutzsuchenden zu befürchten ist, ist der afghanische Staat unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnisse nicht in der Lage oder nicht willens, Schutz vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure zu bieten. (Rn. 23)

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Bisexuelle und homosexuelle Orientierung sowie transsexuelles Leben werden von der breiten Gesellschaft abgelehnt und können daher nicht in der Öffentlichkeit gelebt werden. Laut Art. 247 des afghanischen Strafgesetzbuchs werden neben außerehelichem Geschlechtsverkehr auch solche Sexualpraktiken, die üblicherweise mit männlicher Homosexualität in Verbindung gebracht werden, mit langjähriger Haftstrafe sanktioniert. Neben der sozialen Ächtung von Bisexuellen, Homosexuellen und Transsexuellen verstärken Bestimmungen und Auslegung des islamischen Rechts (der Scharia, die z. T. von noch konservativeren vorislamischen Stammestraditionen beeinflusst wird) mit Androhungen von Strafen bis hin zur Todesstrafe den Druck auf die Betroffenen. Organisationen, die sich für den Schutz der sexuellen Orientierung einsetzen, arbeiten im Untergrund. Eine systematische Verfolgung durch staatliche Organe ist nicht nachweisbar, was allerdings an der vollkommenen Tabuisierung des Themas liegt. Über die Durchführung von Strafverfahren gegen LGBTTI liegen dem Auswärtigen Amt deshalb keine Erkenntnisse vor. Es wird allerdings von gewalttätigen Übergriffen bis hin zu Vergewaltigungen homosexueller Männer durch die afghanische Polizei berichtet. Die Betroffenen haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem und müssen bei „Entdeckung“ den Verlust ihres Arbeitsplatzes und soziale Ausgrenzung fürchten, können aber auch Opfer von Gewalt werden (Rn. 21).

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Zwar drohe dem Kläger allein aufgrund der strafrechtlichen Vorschriften des Art 247 des afghanischen Strafgesetzbuchs, wonach neben außerehelischem Geschlechtsverkehr auch solche Sexualpraktiken, die üblicherweise mit männlicher Homosexualität in Verbindung gebracht werden, mit langjähriger Haftstrafe sanktioniert werden, keine relevante Bedrohung, da sich die erforderliche Durchsetzung dieser Strafnorm nicht nachweisen lasse (Rn. 23).

Jedoch ergebe sich aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amts, dass eine homosexuelle Orientierung in der breiten Gesellschaft abgelehnt werde und nicht in der Öffentlichkeit gelebt werden könne. Neben der sozialen Ächtung von Bisexuellen, Homosexuellen und Transsexuellen verstärkten Bestimmungen und Auslegung des islamischen Rechts mit Androhungen von Strafen bis hin zur Todesstrafe den Druck auf die Betroffenen. Er werde von gewalttätigen Übergriffen bis hin zu Vergewaltigungen homosexueller Männer durch die afghanische Polizei berichtet. Die Betroffenen hätten keinen Zugang zum Gesundheitssystem und müssten bei "Entdeckung" den Verlust ihres Arbeitsplatzes und soziale Ausgrenzung fürchten, könnten aber auch Opfer von Gewalt werden (Rn. 23).

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Flüchtlingsanerkennung für homosexuellen Mann aus Afghanistan: Homosexuellen Personen drohen in Afghanistan diskriminierende staatliche Maßnahmen sowie weitere flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung durch Private (Leitsätze der Asyl.net-Redaktion)

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für vorverfolgten Homosexuellen:

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Der Antragsteller sei vorverfolgt aus Afghanistan ausgereist. Bei Rückkehr drohe dem Antragsteller u.a. durch die Taliban als nichtstaatlicher Verfolgungsakteur mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung. Bei dem Antragsteller liege der Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vor, da u.a. die Taliban ihm aufgrund der Geschehnisse in der Vergangenheit Homosexualität zuschreiben. Zugunsten des Antragstellers als Vorverfolgten greife daher die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Es sei sowohl von einer Verfolgung durch die Taliban als durch staatliche Akteure sowie anderer privater Personen bei möglicher Rückkehr auszugehen. Die eklatante Situation von Homosexuellen sei äußerst bedrohlich, da die breite Gesellschaft Afghanistans Homosexualität ablehne. Auch dass der Antragsteller selbst nicht homosexuell sei, bleibe unerheblich, denn es werde ihm dieses Merkmal zumindest zugeschrieben. Eine interne Fluchtalternative – wie z.B. Kabul – bestehe nicht.

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Das Gericht ist zwar anders als das Bundesamt der Auffassung, dass der Kläger im Falle einer glaubhaft gemachten, identitätsprägenden Homosexualität in Afghanistan durchaus eine verfahrensrelevante Verfolgung zu befürchten hätte. Der Hinweis der eingesetzten Sonderbeauftragten für geschlechtsspezifische Verfolgung im Aktenvermerk des Bundesamtes vom 24. Februar 2021, der auf der Grundlage der ergänzenden Anhörung des Klägers am selben Tage gefertigt worden ist (Bl. 45 ff der Gerichtsakte), auf den aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes, wonach „stichhaltige Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verfolgung“ nicht erkennbar seien sowie „keine belastbaren Erkenntnisse, dass der afghanische Staat Homosexuelle systematisch verfolgt“, existieren würden, geht - derart aus dem Zusammenhang gerissen - fehl. So wird im aktuellen „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan“ (Stand Juni 2020) unter 1.8.1 „Situation für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI)“ vielmehr festgestellt:

„Laut Art. 247 des afghanischen Strafgesetzbuches werden neben außerehelichem Geschlechtsverkehr auch solche Sexualpraktiken, die üblicherweise mit männlicher Homosexualität in Verbindung gebracht werden, mit langjähriger Haftstrafe sanktioniert. Neben der sozialen Ächtung von Bisexuellen, Homosexuellen und Transsexuellen verstärken Bestimmungen und Auslegung des islamischen Rechts mit Androhungen bis hin zur Todesstrafe den Druck auf die Betroffenen. Organisationen, die sich für den Schutz der sexuellen Orientierung einsetzen, arbeiten im Untergrund.

Eine systematische Verfolgung durch staatliche Organe ist nicht nachweisbar, was allerdings an der vollkommenen Tabuisierung des Themas liegt. Über die Durchführung von Strafverfahren gegen LGBTTI liegen dem Auswärtigen Amt deshalb keine Erkenntnisse vor. Es wird allerdings von gewalttätigen Übergriffen bis hin zu Vergewaltigungen homosexueller Männer durch die afghanische Polizei berichtet. (…)“

Wenngleich die Tatsache, dass Homosexualität unter Strafe gestellt wird, allein möglicherweise nicht für eine verfahrensrelevante Verfolgung ausreicht, kann aufgrund der genannten Erkenntnisse für Afghanistan durchaus eine verfahrensrelevante und im Falle glaubhaft gemachter Homosexualität beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit angenommen werden.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Afghanistan.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Der Antragsteller ist vorverfolgt aus Afghanistan ausgereist. Bei Rückkehr droht dem Antragsteller u.a. durch die Taliban als nichtstaatlicher Verfolgungsakteur mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung. Bei dem Antragsteller liegt der Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vor, da u.a. die Taliban ihm aufgrund der Geschehnisse in der Vergangenheit Homosexualität zuschreiben. Zugunsten des Antragstellers als Vorverfolgten greift daher die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Es ist sowohl von einer Verfolgung durch die Taliban als durch staatliche Akteure sowie anderer privater Personen bei möglicher Rückkehr auszugehen. Die eklatante Situation von Homosexuellen ist äußerst bedrohlich, da die breite Gesellschaft Afghanistans Homosexualität ablehnt. Auch dass der Antragsteller selbst nicht homosexuell ist, bleibt unerheblich, denn es wird ihm dieses Merkmal zumindest zugeschrieben. Eine interne Fluchtalternative – wie z.B. Kabul – besteht nicht.

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Feststellung eines Abschiebungshindernisses im Folgeverfahren für homosexuellen Kläger aus Afghanistan.

Amtliche Leitsätze:

1. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG sind im Rahmen des Folgeverfahrens nur unter den Voraussetzungen des Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG oder § 51 Abs. 5 VwVfG in Verbindung mit §§ 48 oder 49 VwVfG zu prüfen.

2. In Afghanistan ist ein Ausleben der homosexuellen Orientierung weder in der Öffentlichkeit noch im Privaten oder anderen geschützten Bereichen möglich, ohne sich der tatsächlichen Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK auszusetzen.

3. Daher kann die Frage, ob ein Ausländer im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 8 EMRK darauf verwiesen werden kann, auf ein öffentliches Ausleben seiner Homosexualität zu verzichten und sich damit zu begnügen, seine sexuelle Identität in geschützten Bereichen außerhalb der Öffentlichkeit zu leben, wenn diese Lebensweise vom Staat und der Gesellschaft toleriert wird und es daher am tatsächlichen Risiko einer drohenden Beeinträchtigung fehlt, die von ihrer Schwere mit dem vergleichbar ist, was zu einem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK führt, offen bleiben.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen bzw. bisexuellen afghanischen Kläger.

Zur Überzeugung der Kammer läuft der Kläger als Teil der LGBTI-Gemeinschaft bei einer Rückkehr nach Afghanistan tatsächlich Gefahr ("real risk"), in Afghanistan beachtlich wahrscheinlich einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein.

Eine interne Fluchtalternative steht Personen wie dem Kläger angesichts der landesweit drohenden gesellschaftlichen Ächtung nicht zur Verfügung. Dies gilt erst recht, seit die Taliban die Macht im Land übernommen haben und dafür eintreten, die Justiz landesweit auf die Grundlage der Scharia zu stellen, nach der Homo- wie Bisexuelle (überall im Land) die Todesstrafe fürchten müssen.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für transgeschlechtliche Klägerin aus Afghanistan.

Es ist davon auszugehen, dass transsexuelle Personen in Afghanistan durch die Taliban, durch Behörden sowie private Personen Menschenrechtsverletzungen und/oder Diskriminierungen ausgesetzt sind, die jedenfalls in ihrer Kumulierug einer schwerwiegenden Verletzung der Menschenrechte gleichkommen. Bereits vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 waren transsexuelle Personen, wie die LGBTQ Gemeinschaft im Übrigen - in Afghanistan erheblicher Gewalt seitens des Staates und der Gesellschaft ausgesetzt. Nach der Machtübernahme der Taliban geht die Bundesregierung davon aus, dass sich die Lage für LGBTQ-Personen nochmals verschlechtert hat.

Ausgehend davon erscheint insbesondere die Befürchtung der Klägerin, in Afghanistan als ein - unmenschliches - "Wesen" ohne Recht auf Leben angesehen zu werden, als begründet. Eine interne Fluchtalternative steht angesichts der landesweit drohenden Repressalien und der gesellschaftlichen Ächtung sowie den Bekundungen der Taliban, Menschenrechte würden unter ihrem Scharia-Recht nicht für LGBTQ-Personen gelten, nicht zur Verfügung.

Sonstige Erkenntnisse

Albanien

Homosexuelle unterliegen in Albanien nicht der Gruppenverfolgung.

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1. Homosexuelle unterliegen in Albanien nicht der Gruppenverfolgung.

2. In Albanien ist es nicht möglich, die homosexuelle Orientierung auszuleben.

3. Liegen die Ursachen einer psychischen Erkrankung in der Diskriminierung, der die Betreffende aufgrund ihrer sexuellen Orientierung im Herkunftsland ausgesetzt war, besteht ein Abschiebungsverbot. 

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1. In Albanien als sicherem Herkunftsland gibt es weder relevante religiös motivierte Konflikte noch eine Verfolgung oder Bedrohung von Homosexuellen.

2. Die allgemeine wirtschaftliche, soziale und humanitäre Situation in Albanien führt zu keiner für Abschiebungsschutz relevante Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung.

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Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 7 AufenthG

Sonstige Erkenntnisse

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/10454 v. 24.11.2016, auf Seite 6, 7, 18/19 über Albanien u.a. Folgendes aus:

Eine strukturelle Repression oder Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe findet in Albanien nicht statt. Albanien ist jedoch eines der ärmsten Länder in Europa, weshalb hier die gesellschaftliche Teilhabe finanziell schlechter gestellter Schichten der Bevölkerung oft faktisch limitiert ist.

Im Mai 2016 hat die Regierung den Aktionsplan 2016 – 2020 für LSBTTI (Lesbisch, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle) verabschiedet, was Ombudsmann und Menschenrechtsorganisationen als einen wichtigen Schritt im Hinblick auf weitere Reformen zur Gleichstellung begrüßen. 2,2 Mio. Euro stehen für die Umsetzung des Aktionsplans zur Verfügung. Problematisch bleibt weiterhin das Ansehen von LSBTTI-Personen und insbesondere Homosexuellen in der Bevölkerung, die allgemein, aber auch in der eigenen Familie wenig Toleranz finden, wobei die Akzeptanz auf dem Land besonders gering ist. Bislang werden gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften rechtlich nicht akzeptiert. Versuche, dies im Rahmen der Justizrefom zu ändern, stießen auf Widerstand und wurden im Interesse der Verabschiedung des Reformpaketes zurückgestellt. Für Politiker bleibt es schwierig, sich für LSBTTI-Rechte zu engagieren, ein zivilgesellschaftlicher Prozess des Umdenkens ist jedoch in ersten Ansätzen wahrnehmbar.

LSBTTI-Veranstaltungen finden in Albanien relativ häufig statt. Neben einer jährlichen Aktionswoche im Mai gibt es eine jährliche, relativ kleine Pride-Parade, eine Fahrradtour durch die Innenstadt Tiranas, und ein Fundraising für das LSBTTI-Schutzhaus „Streha“ (Dach). Diese Veranstaltungen laufen nach Kenntnis der Bundesregierung ungestört ab.

Nach Angaben einer Studie des National Democratic Institute in Albanien aus dem Jahr 2015 gaben 76 Prozent der Befragten LSBTTI an, bereits Opfer verbaler Attacken geworden zu sein. 32 Prozent der Befragten gaben an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein. Weitere Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor.

Alle Medien können über LSBTTI-Themen berichten und tun dies anlassbezogen. Maßnahmen oder Gesetze, die geeignet sind, die Redaktion und den Vertrieb solcher Medien zu unterbinden, sind der Bundesregierung nicht bekannt.

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In dem "Ersten Bericht der Bundesregierung zu der Überprüfung der Voraussetzungen zur Einstufung der in Anlage II zum Asylgesetz bezeichneten sicheren Herkunftsstaaten", BT-Drs. 19/299 v. 15.12.2017, wird auf Seite 7 ausgeführt:

"Von Staats wegen werden Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle keinen Diskriminierungen ausgesetzt. Der Aktionsplan zur besseren Integration von LGBTTI aus dem Mai 2016 wird von Nichtregierungsorganisationen gelobt. Im gesellschaftlichen Alltag begegnen die Betroffenen aber weiterhin Unverständnis und Ausgrenzung und sehen sich häufig gezwungen, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen. In Tirana gibt es eine von Spendengeldern finanzierte Aufnahmestelle, wo Schutzbedürftige eine Unterkunft finden können."

Algerien

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für lesbische algerische Klägerin.

Homosexuellen droht in Algerien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch den Staat. Ein "real risk" sowohl der Strafverfolgung als auch insbesondere der Verhängung einer Freiheitsstrafe ist regelmäßig zu verneinen.

Die Klägerin hat aber Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG, da ihr Verfolgung durch ihre Familie droht, vor der der Staat Algerien ihr keinen hinreichenden Schutz zuteil werden lassen wird.

Eine interne Fluchtalternative steht der Klägerin nicht offen; denn es ist für eine alleinstehende Frau in Algerien mit erheblichen Schwierigkeiten versehen, sich eine Wohnung zu mieten und einer Arbeit nachzugehen

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen algerischen Kläger.

Dem Kläger droht von nichtstaatlichen Akteuren (§ 3c Abs. 1 Nr. 3 AsylG) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Die von ihm geschilderten Beleidigungen, verbalen Diskriminierungen sowie die allgemein feindselige Einstellung von Nachbarn erreichen zwar jeweils für sich genommen nicht das Gewicht einer Verfolgungshandlung, wohl aber in ihrer Kumulierung. Vor dieser Bedrohung hat der Kläger insbesondere vom algerischen Staat keinen Schutz zu erwarten.

Nach den Angaben des Klägers anlässlich seiner Anhörung durch das Bundesamt und seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht überzeugt, dass es für den Kläger wichtig ist, feste homosexuelle Beziehungen einzugehen und mit einem Partner in einer gemeinsamen Wohnung zusammen zu leben. Dies würde aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit öffentlich bemerkt werden, weshalb er mit flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wie z.B. islamistische Gruppierungen rechnen müsste. Ein interner Schutz (§ 3d AsylG) steht ihm nicht zur Verfügung. Insoweit gilt es zu beachten, dass Homosexuelle in Algerien allgemein starker sozialer und religiöser Diskriminierung ausgesetzt sind. 

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen algerischen Antragsteller.

Der Antragsteller trug im Wesentlichen vor, er sei im Sommer 2016 von drei Jugendlichen auf Grund seiner Homosexualität zusammengeschlagen worden. Anschließend sei er auf der Polizeiwache beleidigt worden und die Polizei habe ihn gehen lassen, jedoch nur, da der Polizist seinen Vater und seinen Onkel kenne. Ihm sei gedroht worden, dass er bei nochmaligem Aufgreifen ins Gefängnis gebracht werde. Er sei von seiner Familie mehr als zwei Monate eingesperrt gewesen. Erst als er durch einen Imam "geheilt" worden sei und in die Heirat mit der Tochter einer befreundeten Familie eingewilligt habe, habe er das Haus wieder verlassen dürfen. Am [...] habe er mit einem [...] Studienvisum sein Heimatland verlassen und sei über [...] geflogen. Dort habe er sich bis zum [...] aufgehalten und sei dann in die Bundesrepublik Deutschland geflogen. [...] Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft liegen vor. […] Aufgrund des ermittelten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass die Furcht des Antragstellers begründet ist.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen algerischen Antragsteller.

Der Fall wurde von Rainbow Refugees Support (Aidshilfe Hessen) betreut, das bestätigt hat, dass es in dem Asylverfahren um Verfolgung aufgrund von Homosexualität ging.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für bisexuellen algerischen Kläger.

Homosexuellen und auch Bisexuellen droht in Algerien nach den vorliegenden Informationen aus den Erkenntnisquellen flüchtlingsrelevante Verfolgung.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen algerischen Kläger.

Der Kläger hätte bei einer Rückkehr nach Algerien wegen seiner offen gelebten Homosexualität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Repressionen durch den Staat und nichtstaatliche Akteure zu befürchten, sofern er seine sexuelle Orientierung nicht aus Angst vor Verfolgung unterdrücken und verheimlichen würde, was ihm allerdings nicht zumutbar sei.

Gleichgeschlechtliche Beziehungen und homosexuelle Handlungen seien nach Art. 333 und 338 des algerischen Strafgesetzbuches (Code Pénal) strafbar und könnten mit Haftstrafen bis zu drei Jahren und Geldstrafe geahndet werden. Nach Angaben von LGBTI-Aktivisten in einem Bericht von 2019 erlaube die vage Begrifflichkeit der vom Gesetz unter Strafe gestellten „homosexuellen Akte“ (Art. 333) und der „Akte gegen die Natur“ (Art. 338) pauschale Beschuldigungen, die zu zahlreichen Verhaftungen wegen gleichgeschlechtlicher Beziehungen führten. Auch nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes fänden beide Strafbestimmungen in der Rechtspraxis „regelmäßig Anwendung“.

Zudem hätten LGBTI-Aktivisten in der Vergangenheit neben willkürlichen Verhaftungen auch von physischer und sexualisierter Gewalt durch Polizeibeamte an „verdächtig“ gewordenen Homosexuellen berichtet. Viele LGBTI-Personen lebten ihre Sexualität in Algerien nicht offen aus, um Belästigungen und Übergriffe, familiäre und gesellschaftliche Ausgrenzung und andere Nachteile (etwa auf dem Arbeitsmarkt und der Wohnungssuche) zu vermeiden.

Bei zusammenfassender Würdigung der Erkenntnislage und der individuellen Verhältnisse des Klägers ist das Gericht davon überzeugt, dass dieser bei einer Rückkehr nach Algerien wegen seiner offen gelebten Homosexualität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Repressionen durch den Staat und nichtstaatliche Akteure zu befürchten hätte, sofern er seine sexuelle Orientierung nicht aus Angst vor Verfolgung unterdrücken und verheimlichen würde, was ihm allerdings nicht zumutbar ist. Der Kläger hätte wegen seiner Homosexualität in Algerien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen gemäß 3a AsylG durch den Staat (§ 3c Nr. 1 AsylG) und durch nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3 AsylG) zu rechnen.

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Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Algerien.

Dem Kläger droht in Algerien wegen seiner Homosexualität von staatlicher Seite Verfolgung, insbesondere unverhältnismäßige und diskriminierende Strafverfolgung […]. Beachtlich wahrscheinlich ist eine Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr nach Algerien schließlich auch durch nichtstaatliche Akteure.

Aus der Erkenntnislage ergibt sich, dass homosexuelle Personen in Algerien regelmäßig Opfer von Diskriminierungen und tätlichen Übergriffen werden, wenn sie ihre sexuelle Orientierung offen ausleben, wovon beim Kläger auszugehen ist. Die Gesellschaft ist insgesamt homophob eingestellt. 

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen algerischen Kläger.

Homosexuellen droht in Algerien flüchtlingsrelevante Verfolgung. Gleichgeschlechtliche Beziehungen und homosexuelle Handlungen sind nach Art. 333 und 338 des algerischen Strafgesetzbuches strafbar und können mit Haftstrafen bis zu drei Jahren und Geldstrafen geahndet werden. Die vage Definition von homosexuellen Akten und Akten gegen die Natur im Gesetz erlaubt pauschale Beschuldigungen, welche in zahlreichen Inhaftierungen wegen gleichgeschlechtlicher Beziehungen resultieren, allerdings in keinen Verurteilungen. Daneben sieht Art. 333 eine qualifizierte Strafbarkeit für Erregung öffentlichen Ärgernisses mit Bezügen zur Homosexualität vor. In der Rechtspraxis finden beide Vorschriften regelmäßig Anwendung, insbesondere werden die Vorschriften von den Polizei- und Strafverfolgungsbehörden zur Verhinderung der Gründung von Schutzorganisationen homosexueller Personen herangezogen.

Es kann weiter nicht ausgeschlossen werden, dass Homosexuelle aufgrund ihrer als unislamisch empfundenen Lebensweise durch islamistische Gruppierungen gefährdet sind. Die Polizei duldet Diskriminierung oder gewalttätige Übergriffe auf Homosexuelle. Auch wenn nur wenige Fälle der Verurteilung wegen Homosexualität offiziell dokumentiert sind, ist festzuhalten, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. 

Der Umstand, dass im Privaten gelebte Homosexualität in der Regel nur auf Anzeige von Familien und Nachbarn verfolgt wird, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn Homosexuellen ist nicht zuzumuten, ihre sexuelle Orientierung nur im Verborgenen zu leben und damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Maßgeblich ist, dass in der Praxis Freiheitsstrafen wegen homosexueller Handlungen verhängt werden und damit die konkrete Gefahr einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung besteht. Diskriminierungen und Bedrohungen von privater Seite sind zudem flüchtlingsrelevant, weil Homosexuelle keinen Schutz vom algerischen Staat erwarten können.

Sofern andere Verwaltungsgerichte eine flüchtlingsrelevante Verfolgung verneint haben, weil sie dem Betreffenden ansinnen, in der Öffentlichkeit von sexuellen Handlungen abzusehen bzw. jedenfalls in Algerien eine Partnerschaft mit einer Frau zu führen, um eine homosexuelle Veranlagung nicht nach außen bekannt werden zu lassen, ist dies nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und auch des Bundesverfassungsgerichts rechtlich nicht hinnehmbar. Der Europäische Gerichtshof hat ausdrücklich ausgeführt, dass von einem Asylbewerber nicht erwartet werden kann, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

Umgekehrt kann einem Homosexuellen nicht als nachteilig entgegengehalten werden, wenn er aus Furcht vor Verfolgung auf eine homosexuelle Betätigung verzichtet. Ein so unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungener Verzicht auf die betreffende Betätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen und hindert nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

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GFK-Status: Das BAMF hat mit Bescheid mit Datum vom 5. November 2021 einem homosexuellen Mann aus Algerien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Az 8511576-221). Der Fall wurde von Rainbow Refugees Support (Aidshilfe Hessen) betreut, die bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht.

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GFK-Status: Das BAMF hat mit Bescheid mit Datum vom 25. Januar  2022 einem homosexuellen Mann aus Algerien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Az 7373090-221). Der Fall wurde von der Koordinationsstelle LSBTIQ+ des Amts für Chancengleichheit der Stadt Heidelberg betreut, die bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen algerischen Kläger.

Die vorstehend zusammengefasste Auskunftslage belegt zudem zur Überzeugung des Einzelrichters in ausreichendem Maße, dass offen gelebte Homosexualität im Falle des Klägers in Algerien strafrechtlich relevant und mit notwendiger Wahrscheinlichkeit verfolgt wird (vgl. so ausdrücklich: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der demokratischen Volksrepublik Algerien, 11.07.2020, S. 15; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien, S. 3).

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Einstweiliger Rechtsschutz im Asylfolgeverfahren für homosexuelle Person aus Algerien:

Leitsatz vom Informationsverbund Asyl & Migration:

2020 kam es in Algerien zu einer erheblichen Anzahl von Verhaftungen Homosexueller, und es liegen neue Erkenntnisse über deren Verfolgung vor, sodass von einer veränderten Sachlage gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG, § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG auszugehen und ein neues Asylverfahren durchzuführen ist.

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Asylfolgeverfahren für homosexuelle Person aus Algerien:

Leitsätze vom Informationsbund Asyl & Migration:

1. In Algerien kam es 2020 in bedeutendem Umfang zu gezielten Verhaftungen und Verurteilungen von Personen aufgrund ihrer öffentlich oder in sozialen Medien kommunizierten Homosexualität, sodass für eine homosexuelle Person von einer veränderten Sachlage auszugehen und ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist.

2. § 51 Abs. 3 VwVfG, wonach ein Antrag binnen drei Monaten gestellt werden muss, nachdem die betroffene Person vom Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat, widerspricht Art. 40 AsylVerf-RL (RL 2013/32/EU) und bleibt daher unangewendet.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen algerischen Kläger.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG für schwulen algerischen Kläger.

Leitsätze des Gerichts:

1. Homosexuellen Person droht in Algerien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch private Akteure.

2. Von einer nur unter Verfolgungsdruck geheim gehaltenen Sexualität kann nicht auf ein fehlendes oder geringes Bedürfnis zum offen ausleben geschlossen werden.

3. Prognosen hinsichtlich des zukünftigen Auslebens oder sexuellen Identität durch eine nach Überzeugung des Gerichts homosexuelle Person sind nicht zulässig.

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Sonstige Erkenntnisse

BAMF: Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage, Im Fokus: Vulnerable Personen, Stand: 6/2019

Schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen Reinhard Marx für die Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 25.04.2016:

1. Einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter erwachsenen Männern sind in Algerien verboten und werden strafrechtlich verfolgt. Nach Art. 333 und 338 des algerischen Strafgesetzbuches beträgt die Freiheitsstrafe für homosexuelle Handlungen zwischen Männern zwischen zwei Monaten und einem Jahr. Nach den entsprechenden Richtlinien des britischen Home Office werden Homosexuelle nicht nur gerichtlich verfolgt, vielmehr unterliegen sie darüberhinaus auch vielfältigen behördlichen Übergriffen.

2. Es handelt sich damit um flüchtlingsrelevante Verfolgungen. Dies trifft auch auf die Verfolgung von Homosexuellen, die in allen drei Staaten verfolgt werden, zu. Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits 1987 freilich von einem verengten Ansatz aus die Bestrafung und Verfolgung von Homosexuellen als „politische Verfolgung“ im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG 1949 gewertet. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der Rechtsprechung der Vertrags- und Mitgliedstaaten wie auch nach der deutschen Rechtsprechung handelt es sich insoweit um Verfolgungen im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU. Der Gerichtshof misst dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung einen derart hohen Rang bei, dass er es für unzumutbar erachtet, Homosexuellen anzusinnen, zur Abwendung der gegen sie gerichteten flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgefahr auf die öffentliche Ausübung dieses Rechts zu verzichten und ihre Homosexualität nach außen zu verbergen.

3. Dieser Gesichtspunkt wird in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Ersuchen des Bundesrates, bestehende Zweifel gegen die Einstufung der drei bezeichneten Länder als sicher wegen der Behandlung von Homosexuellen auszuräumen, vollständig übergangen. In ihrer Stellungnahme räumt die Bundesregierung stillschweigend ein, dass Homosexuelle in den drei Ländern verfolgt werden, wenn sie diese offen ausleben. Damit erkennt sie an, dass in diesen Staaten flüchtlingsrelevante Verfolgungen gegen Homosexuelle allgemein üblich sind. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt der Verfolgung von Homosexuellen damit in allen drei Staaten ein derart wichtige Bedeutung zu, dass bereits diese Praxis ihrer Bestimmung zu „sicheren Herkunftsstaaten“ entgegensteht.

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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/8694 v. 07.06.2016, auf Seite 8 über Algerien Folgendes aus:

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die menschenrechtliche Situation von LSBTTI in Algerien, und warum geht sie auf diese Situation in der Begründung ihres Gesetzentwurfs zur Bestimmung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten nicht ein?

a) Wie viele Menschen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen seit dem Jahr 2012 verurteilt?

Homosexuelle Handlungen werden durch Artikel 333 Absatz 2 und Artikel 338 des algerischen Strafgesetzbuchs erfasst. Statistische Angaben zu Verurteilungen werden generell nicht veröffentlicht. Von einer Anwendung der strafrechtlichen Bestimmungen ist auszugehen. Laut Aussagen von Nichtregierungsorganisationen ist eine förmliche Registrierung von Interessengruppen für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle (LSBTTI) nicht möglich.

b) Wie viele Übergriffe (Einschüchterungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe) gegen LSBTTI sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

Nach Aussagen einer in Algerien tätigen Nichtregierungsorganisation ist in Einzelfällen von gewaltsamen Übergriffen durch Teile der Bevölkerung auf LSBTTI auszugehen. Auf LSBTTI wird auch gesellschaftlicher Druck ausgeübt.

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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 18/11210 v. 16.02.2017, auf Seite 8 über Algerien Folgendes aus:

Homosexuelle Handlungen sind nach Artikel 338 des algerischen Strafgesetzbuches strafbar. Die Bestimmung wird gleichzeitig genutzt, um organisierte Interessenvertretungen von LSBTTI zu verhindern. Artikel 333 sieht eine qualifizierte Strafbarkeit für Erregung öffentlichen Ärgernisses mit Bezügen zur Homosexualität vor. In der Rechtspraxis finden beide Vorschriften regelmäßig Anwendung, wobei die Zahl anhängiger Verfahren nicht überprüfbar ist. Eine systematische Verfolgung (verdeckte Ermittlungen etc.) homosexueller Personen ist nach Erkenntnissen der Bundesregierung nicht gegeben; Homosexualität wird für die Behörden dann strafrechtlich relevant, wenn sie offen ausgelebt wird.

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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - BT-Drs. 19/2481 v. 01.06.2018 - auf Seite 9 unter Nr. 21 über Algerien Folgendes aus:

Gleichgeschlechtliche Handlungen sind nach Artikel 338 des Strafgesetzbuchs strafbar, nach Artikel 333 ist die „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ mit Bezügen zur Homosexualität strafbar. Es wird davon ausgegangen, dass beide Vorschriften regelmäßig Anwendung finden, wobei die Zahl anhängiger Verfahren nicht überprüfbar ist. Eine systematische Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Intersexuellen (LSBTI) findet nach Erkenntnissen der Bundesregierung nicht statt. Homosexualität wird für die Behörden dann strafrechtlich relevant, wenn sie öffentlich sichtbar gelebt wird. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 14 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/8694 verwiesen.

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Antwort des Staatssekretärs Dr. Helmut Teichmann vom 20. Juni 2018 auf die schriftlichen Fragen 36 bis 38 des Abgeordneten Sven Lehmann - BT-Drs. 19/2922 v. 22.06.2018, Seiten 28 bis 31:

"Die Fragen 36 bis 38 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Nach Kenntnis der Bundesregierung findet in Algerien, Marokko und Tunesien keine systematische Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen statt. Im Einzelnen liegen folgende Erkenntnisse vor:

In Algerien sind homosexuelle Handlungen nach Artikel 338 des Strafgesetzbuchs strafbar. Dies gilt auch für die Erregung öffentlichen Ärgernisses mit Bezügen zur Homosexualität (Artikel 333). Homosexualität wird für die Behörden dann strafrechtlich relevant, wenn sie öffentlich sichtbar gelebt wird. Die Bestimmungen werden durch die Behörden auch als gesetzliches Verbot der legalen Gründung entsprechender Interessengruppen interpretiert. Die Zahl anhängiger Verfahren ist der Bundesregierung nicht bekannt. 

( ... Auführungen zu Marokko und Tunesien ... )

Die Frage der Strafbarkeit und strafrechtlichen Ahndung von homosexuellen Handlungen wurde bei der vorgesehenen Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten berücksichtigt. Die Bundesregierung ist zu der Einschätzung gelangt, dass Homosexuelle in diesen Staaten nicht grundsätzlich und systematisch als Personen- oder Bevölkerungsgruppe verfolgt werden.

Gemäß dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 7. November 2013 (C-199/12 bis C-201/12) begründet der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung. Vielmehr muss insbesondere die Praxis der staatlichen Behörden und Gerichte, vor allem im Hinblick auf die Verhängung von Freiheitsstrafen, mit betrachtet werden.

Droht einem Staatsangehörigen aus den genannten drei Staaten, Opfer einer solchen Strafverfolgungspraxis zu werden, käme für ihn auch bei Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsstaaten eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung in Betracht; allerdings gilt dahingehend eine Beweislastumkehr im Asylverfahren, dass der Antragsteller im Heimatland weder politischer Verfolgung noch unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung ausgesetzt ist (vgl. Artikel 16a Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Einstufung eines Herkunftsstaats als sicherer Herkunftsstaat stehen solche Einzelfälle auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts indes nicht entgegen.

Bezugnehmend auf das genannte Urteil (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C 199/12) erkennt die Bundesregierung insofern an, dass es nicht hinnehmbar ist, dass einer Person das Recht auf Asyl mit der Begründung vorenthalten wird, dass sie in ihrem Heimatland ihre Homosexualität nicht ausleben solle und dadurch vor Strafverfolgung geschützt wäre."

Presseberichte

Armenien

1. Zur Allgemeinen Lage in Armenien.

2. Weitgehend alle Erkrankungen sind in Armenien behandelbar und können grundsätzlich das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs 7 Satz 1 AufenthG nicht begründen, soweit die Würdigung im Einzelfall nichts anderes ergibt (hier verneint).

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Der armenische Staat ist schutzfähig und -willig gegenüber Übergriffen privater Dritter. Armenien bietet insoweit zudem inländische Fluchtalternativen.

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Weitgehend alle psychische Erkrankungen, auch PTBS, sind in Armenien behandelbar und können grundsätzlich das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG nicht begründen.

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Abschiebeverbot nach § 60 Absatz 5 AufenthG

Aserbaidschan

Nach den, dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen, stellt sich die Lage der Homosexuellen in Aserbaidschan wie folgt dar: Homosexualität ist nicht strafbar (vgl. Lagebericht vom 12. März 2013, Abschnitt 11.1.5). Homosexualität ist in der traditionell muslimisch geprägten Gesellschaft sozial geächtet; Homosexuelle sehen sich im gesellschaftlichen Umfeld vielen Benachteiligungen ausgesetzt, die bis zum Verlust des Arbeitsplatzes führen können (vgl. Lagebericht vom 12. März 2013, Abschnitt H.1.8). Homosexuelle müssten im beruflichen Umfeld mit Mobbing seitens der Kollegen rechnen. Wer sich oute, müsse mit Schlägen von Verwandten rechnen. Es gibt durchaus islamische Gruppierungen, die in der Öffentlichkeit Stimmung gegen Homosexuelle machen (vgl. Silvia Stöber, tagesschau.de vom 22. Mai 2012, Homosexuelle in Aserbaidschan, Unter dem Deckmantel der Freundschaft). Es kommt immer wieder zu Übergriffen auf Homosexuelle, allerdings in den seltensten Fällen zu einer Anzeige der Täter, denn die Angst vor der korrupten Polizei sei größer als die vor den Schlägern (vgl. Annette Langer, Spiegelonline vom 25. Mai 2012, Homophobie in Baku, Bitte nicht stören). Es gibt Homosexuelle, die noch nie Schwierigkeiten mit der Polizei hatten und auf der Straße noch nicht beleidigt oder gar attackiert wurden. Ein homosexueller Sohn sei für die meisten Eltern eine Katastrophe, viele würden von der Familie verstoßen, andere in Ehen gezwungen. Die Situation gleiche der in Westeuropa vor zwanzig oder dreißig Jahren. Man könne sich aber übers Internet kennenlernen und organisieren. Die Polizei habe es nicht einmal auf Homosexuelle abgesehen, es sei eben ein korruptes Land (vgl. Jens Maier, stern.de vom 20. Mai 2012, Eurovision Song Contest in Baku, Hölle und Himmel für Schwule). Es gibt in Aserbaidschan Übergriffe auf Homosexuelle, insbesondere im familiären Umfeld. Homosexuelle würden am Arbeitsplatz diskriminiert (vgl. Deutschlandradio vom 2. Mai 2012, Sind schwule in Baku willkommen).

Presseberichte

Bangladesch

Es ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Bangladesch und offenem Zusammenleben mit einem Mann in einer homosexuellen Beziehung in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise verfolgt wird. Es gibt auch offensichtlich keine Landesteile von Bangladesch, in denen er vor dieser Verfolgung sicher wäre.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG für Homosexuellen:

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Presseberichte

Benin

1. Insgesamt sind die Erkenntnisse nicht geeignet, eine beachtliche Verfolgungsgefahr für tatsächlich Homosexuelle zu begründen. So ist zunächst davon auszugehen, dass eine strafrechtliche Verfolgung von Homosexualität in Benin nicht droht. Eine landesweite Gefahr von physischen Übergriffen wegen einer gezeigten homosexuellen Orientierung ist nicht anzunehmen. Zwar ist erkennbar, dass Homosexualität gesellschaftlich nicht akzeptiert ist, sondern weitgehend tabuisiert wird. Dass aber die allgemeine gesellschaftliche Ächtung in Benin so weit gehen würde, dass die von § 3a AsylVfG beschriebene Schwere erreicht wird, ist durch die vorliegenden Erkenntnisse nicht gedeckt (vgl. auch VG Halle, Gerichtsbescheid vom 28. September 2016, 2 A 145/16 HAL; VG Magdeburg, Beschluss vom 15. September 2015 - 2 B 270/15 MD -).

2. Differenzen wegen seiner sexuellen Orientierung kann der Kläger zudem durch eine andere inländische Wohnsitznahme entgehen; z. B. durch einen Umzug aus seinem Heimatdorf in die Hauptstadt, in der seine Homosexualität weniger auffällig ist. Eine staatliche Verfolgung wegen seiner Homosexualität behauptet der Kläger selbst nicht. Eine staatliche Verfolgung ist in Benin nicht zu befürchten, wenngleich staatlicher Schutz von Homosexuellen ausweislich der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 29. März 2012 (Benin: Situation von Homosexuellen) in der Regel wohl nicht zu erwarten ist. Die Diskriminierungen im familiären Bereich führen aber jedenfalls mit Blick auf die Möglichkeit der Gewährung internen Schutzes nach § 3 e AsylG im Ergebnis nicht zu der richterlichen Überzeugung, dass bei einer Rückkehr in den Benin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für politisch verfolgten homosexuellen Kläger aus Benin.

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Abschiebungsverbot nach §60 Abs. 5 wegen fehlender Lebensgrundlage durch Homosexualität und Taubstummheit:

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Zur Überzeugung des Gerichts liegt in seinem Fall ein Ausnahmefall vor, bei dem er im Falle einer Rückkehr nach Benin auf so schlechte humanitäre Bedingungen stoßen würde, dass eine Verletzung des Art. 3 ERMK droht. Es ist anzunehmen, dass der Kläger wegen seiner Homosexualität und der Einschränkung als Taubstummer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden wird. Er gehört in zweifacher Hinsicht einer vulnerablen Gruppe an und wäreim Fall einer Rückkehr erheblich stärker von der herrschenden Armut betroffen.

Bosnien und Herzegowina

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes wegen Homosexualität in Bosnien und Herzegowina.

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1. Männliche Homosexuelle sind in Bosnien und Herzegowina durchaus der Gefahr tätlicher Übergriffe ausgesetzt. Auch ist davon auszugehen, dass Drohungen und Gewalt gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung üblicherweise nur sehr lückenhaft erfasst werden, zumal die Betroffenen entsprechende Vorfälle teilweise aus Mangel an Vertrauen in die Gegenmaßnahmen der Behörden nicht melden oder um ihre sexuelle Orientierung nicht offenbaren zu müssen Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass jedem männlichen Homosexuellen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe drohen, die das Mindestmaß an Schwere erreichen, das für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung konstitutiv ist.

2. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass der bosnische Staat keine Anstrengungen unternimmt, um Homosexuelle zu schützen. Auch kann nicht angenommen werden, dass die bosnische Polizei und Justiz grundsätzlich nicht gegen Angriffe auf Homosexuelle einschreitet. Dies legt nahe, dass zumindest im Bereich der Hauptstadt die Problematik der Homophobie durchaus erkannt wird. Hinzu kommt die Anonymität der Großstadt, so dass jedenfalls in Sarajevo nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gerechnet werden kann, ohne dass die bosnischen Behörden grundsätzlich zur Gewährung von Schutz bereit und in der Lage sind. Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, dass dem Kläger ein Ausweichen nach Sarajevo nicht zumutbar sein könnte.
3.     Dass homophob motivierte Übergriffe nicht vollständig ausgeschlossen werden können, rechtfertigt nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Denn kein Staat der Welt vermag 100-prozentigen Schutz zu gewährleisten.

Presseberichte

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/9832 v. 28.09.2016, auf Seite 20/21 über Bosnien und Herzegowina u.a. Folgendes aus:

Statistische Daten zu Straftaten, Strafverfahren und Verurteilungen wegen gewalttätigen Übergriffen auf LSBTI-Personen liegen der Bundesregierung nicht vor.

Von Medien und Nichtregierungsorganisationen wird vereinzelt von tätlichen Angriffen auf homosexuelle Personen berichtet. Wiederholt kam es zu Übergriffen auf Versammlungen und Veranstaltungsorte von LSBTI-Personen.

Der letzte bekannt gewordene Übergriff betraf am 4. März 2016 das Art Cinema „Kriterion“. Das LSBTI Merlinka Festival verlief 2015 unter angemessenem Polizeischutz ohne Zwischenfälle, nachdem es 2014 zu Übergriffen gekommen war.

Nachdem es im September 2008 im Verlauf des „Sarajevo Queer Festival" zu gewalttätigen Ausschreitungen mit Skinheads und Wahabiten gekommen war, fanden eine Zeit lang keine Festivals mehr statt.

Im September 2015 entschied das bosnisch-herzegowinische Verfassungsgericht, dass die Teilnehmer des Sarajevo Queer Festivals im Oktober 2008 in ihrer Versammlungsfreiheit verletzt wurden, als ein Dutzend Menschen die Versammlung attackierte.

Im Juli 2014 verurteilte ein Gericht in Sarajewo zum ersten Mal in der Geschichte des Landes zwei Männer zu Haftstrafen wegen Straftaten, gegen LSBTI-Personen.

Nach Übergriffen während des Merlinka LSBTI Film Festivals 2014 leitete die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren ein, das zu einer Anklage der mutmaßlichen Täter führte.

Das im Juli 2016 verabschiedete Antidiskriminierungsgesetz verbessert unter anderem den Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transpersonen und Intersexuellen. Nach Auskunft des Sarajevo Open Centers ist Bosnien und Herzegowina damit das erste Land in Südosteuropa, das intersexuelle Personen in allen Lebensbereichen vor Diskriminierung schützt.

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Siehe auch den "Ersten Bericht der Bundesregierung zu der Überprüfung der Voraussetzungen zur Einstufung der in Anlage II zum Asylgesetz bezeichneten sicheren Herkunftsstaaten", BT-Drs. 19/299 v. 15.12.2017, Seite 9 bis 12. Dort wird ausgeführt, dass Diskriminierung und soziale Ausgrenzung zwar eine erhebliche Härte darstellen können, jedoch selten mit Verfolgung oder ernsthaftem Schaden im asylrechtlichen Sinn gleichzusetzen sind.

Bulgarien:

Der Abschiebung von Ausländern nach Bulgarien, denen dort internationaler Schutz zuerkannt worden ist, steht wegen einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG entgegen.

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1. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Bulgarien steht der Durchführung eines Asylverfahrens sowie der erneuten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Bundesgebiet derzeit nicht entgegen, da das Asylsystem in Bulgarien insbesondere hinsichtlich bereits anerkannter Flüchtlinge unter systemischen Mängeln leidet und betroffene Flüchtlinge daher nicht auf eine bereits in Bulgarien erfolgte Flüchtlingsanerkennung verwiesen werden können.

2. Eine in Bulgarien erfolgte Anerkennung als Flüchtling entfaltet keine Rechtswirkungen, insbesondere kann sie bei europarechtskonformer Auslegung von § 60 Abs. 1 AufenthG den Ausschluss der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens im Bundesgebiet nicht rechtfertigen.

3. Bulgarien verletzt in fundamentaler Weise seine Verpflichtungen aus den Art. 20 ff. der Qualifikationsrichtlinie. Es hat nach wie vor kein funktionierendes und ausreichend finanziertes Integrationsprogramm für anerkannte Schutzberechtigte aufgestellt und/oder praktiziert ein solches.

4. Kann ein Flüchtlinge nicht in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union zurückkehren, weil dort die Lebensbedingungen für Flüchtlinge gegen die Mindeststandards des gemeinsamen europäischen Asylsystems sowie von Art. 4 Grundrechtecharta verstoßen, muss ihm bei europarechtskonformer Auslegung von § 60 Abs. 1 AufenthG die erneute Durchführung eines Verfahrens auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Bundesgebiet ermöglicht werden. Nur so kann er - bei positiver Bescheidung seines Begehrens - die ihm zustehenden Aufenthalts- und Teilhaberechte erhalten. Anderenfalls würde er dauerhaft als lediglich geduldeter Ausländer auf einen Aufenthalt ohne Integrations- und Zukunftsperspektive im Bundesgebiet verwiesen werden, was mit den Grundsätzen internationalen Flüchtlingsschutzes nicht zu vereinbaren ist.

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Ein Ausländer, der in einem anderen EU-Mitgliedstaat als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt worden ist, unterfällt der Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Die Zuständigkeit des anderen EU-Mitgliedstaates entfällt nicht dadurch, dass der als schutzberechtigt Anerkannte in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland reist und einen weiteren Asylantrag stellt.

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Homosexualität wurde in Bulgarien seit Aufnahme der Verhandlungen zur EU-Erweiterung legalisiert und erhielt einen gewissen Schutz vor Diskriminierung. Diese Änderungen stellen eine Angleichung an die rechtliche Situation in der Europäischen Union dar. Seit 2003 besteht auf gesetzlicher Ebene ein Antidiskriminierungsgesetz, das eine Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Eigentum, Gesundheitswesen, sowie Zugang zu Waren und Dienstleistungen verbietet. Das Gesetz erging als Umsetzung der Antidiskriminierungsvorschriften der Europäischen Union. Während der Gay Pride Paraden 2009, 2010 und 2011 wurden keine Beanstandungen gemeldet. (vgl. Wikipedia, "Homosexualität in Bulgarien"). Im Übrigen hat der Antragsteller im Rahmen seiner Anhörung zwar hinsichtlich der Fluchtgründe aus dem Irak insbesondere auf seine sexuelle Orientierung hingewiesen, nicht jedoch geltend gemacht, in Bulgarien gerade deshalb schlecht behandelt worden zu sein.

Elfenbeinküste

1. Nach Erkenntnissen des Gerichts ist Homosexualität in Côte d'lvoire grundsätzlich nicht strafbar. Gleichwohl wird öffentliche " Unanständigkeit" mit einem gleichgeschlechtlichen Partner verfolgt. Es ist schwierig festzustellen, ob dieser Artikel schon Homosexuelle in der Elfenbeinküste diskriminiert. Rechtsprechung zu diesem Thema gibt es praktisch nicht, weil ein Verstoß gegen den öffentlichen Anstand nur dann verfolgt wird, wenn Zeugen derartige Taten anzeigen. In diesem Fall wissen die meisten Menschen jedoch nicht, dass die Möglichkeit gibt, derartige Vorfälle anzuzeigen. Aus dem Grunde sind Strafverfolgungen dieser Art sehr selten. Gleichwohl müssen Angehörige sexueller Minderheiten ihre sexuelle Orientierung verstecken um Ungerechtigkeiten, Diskriminierung und Gewalt zu vermeiden. Die Bekanntgabe der Homosexualität kann einen Verstoß durch die Familie und den Verlust der Unterstützung von Netzwerken zur Folge haben (vergleiche UNHCR, CO I Compilation Cote d'lvoire, Februar 2016, Seite 99 mit Nachweisen weiterer Quellen).

2. Auch der Kläger macht nicht gelten, staatliche Verfolgung erlitten zu haben. Vielmehr ist es so, dass er Nachstellungen bis hin zu Morddrohungen der Familienangehörigen seiner nach eigenen Angaben zahlreichen sexuellen Partner erlitten hat. Nach Einschätzung des Gerichts ist davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in die Elfenbeinküste erneut Verfolgungshandlungen und Diskriminierungen der jeweiligen Familienangehörigen seiner Partner ausgesetzt wäre, die die Homosexualität ihres Familienmitgliedes als ganz erheblich ehrenrührig empfinden und mit allen Mitteln versuchen, diese zu verhindern. Bei solchen Nachstellungen kann der Kläger auch keinen staatlichen Schutz in Anspruch nehmen, da die gleichen Vorurteile und Diskriminierungen auch seitens der staatlichen Stellen bestehen.

Eritrea

Sonstige Erkenntnisse

Rechtsprechungsübersicht des Informationsverbunds Asyl & Migration vom 21.06.2019: Welcher Schutzstatus ist bei Entziehung vom Nationaldienst in Eritrea zu gewähren?

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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINE – BT-Drs. 19/9806 v. 28.04.2019 – auf Seite 4/5 aus:

Frage 7: Wie beurteilt die Bundesregierung die allgemeine Menschenrechtslage in Eritrea?

„Die Menschenrechte sind in Eritrea stark eingeschränkt. Insbesondere die Ausübung der Grundrechte der Meinungs- und Religionsfreiheit, der Freizügigkeit und der freien Berufswahl ist nicht gewährleistet.“

Frage 8: Welche sind nach Auffassung der Bundesregierung die wesentlichen Probleme bei der Durchsetzung der Menschenrechte in Eritrea?

„Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind in Eritrea nicht gewährleistet, das politische System ist repressiv. Es existiert keine freie Presse, die Zivilgesellschaft ist marginalisiert. Die Regierung des autoritär geführten Staates Eritrea hat trotz des Friedensschlusses mit Äthiopien bisher nicht den entsprechenden Reformwillen erkennen lassen.“

Gambia:

Homosexuelle aus Gambia haben nach Art. 16a GG Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter und nach § 3 Abs. 1 AsylVfG auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

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Homosexuelle Handlungen sind in Gambia strafbar. Individuelle Freiheitsrechte werden eingeschränkt. In Gambia sind keine Orte bekannt, an denen von Toleranz gegenüber Homosexuellen ausgegangen werden kann.

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1. Das Gericht ist aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewonnenen persönlichen Eindrucks davon überzeugt, dass der Kläger in Gambia tatsächlich allein schon wegen seiner Bekanntschaft mit einem homosexuell veranlagten Touristen in das Blickfeld der Sicherheitskräfte gelangt ist und ihm unterstellt wurde, homosexuell orientiert zu sein.

2. Die Vermutung, dem Kläger drohten bei einer Rückkehr nach Gambia erneut Maßnahmen i.S.d. § 3a AsylG, ist im vorliegenden Fall nicht widerlegt. Zwar ist Gambia auf dem Papier ein nach demokratischen Gesichtspunkten aufgebauter Staat. Indessen geben zahlreiche Erkenntnisquellen ein anderes Bild wieder.

3. Vor diesem Hintergrund ist auch die Situation der Homosexuellen in Gambia zu bewerten. Homosexualität fällt nach allgemeiner gambischer (Rechts-) Auffassung unter widernatürliche Akte. Sie sind auch dann strafbar, wenn sie nicht in der Öffentlichkeit begangen werden. Homosexuelle werden häufig in flagranti erwischt, ansonsten dienen als Beweise Zeugenaussagen oder Aussagen der „Opfer", wenn ihnen z.B. von Homosexuellen angeblich „widernatürliche" Avancen gemacht werden. In der Praxis zeigen Homosexuelle ihre Neigungen nicht in der Öffentlichkeit. Polizeiaktionen gegen Homosexuelle sind nicht an der Tagesordnung, kommen aber immer wieder vor. Viele Fälle werden der Polizei von Privatpersonen angezeigt. Auch gibt es in Gambia keine Orte, an denen von Toleranz gegenüber Homosexuellen ausgegangen werden kann.

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1. Homosexuelle Handlungen sind in Gambia zwar strafbar und werden auch verfolgt. Die Anzahl der Verfolgungsfälle bewegt sich aber tendenziell allenfalls im mittleren zweistelligen Bereich.

2. Berücksichtigt man insoweit, dass in Gambia rund 12.000 homosexuell orientierte Menschen leben, ergibt sich daraus, dass sich die Verfolgungshandlungen nicht so wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden homosexuell Veranlagten nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Dies gilt auch, wenn man die Schwere der drohenden Gefahr einer Inhaftierung, die häufig mit weiteren schweren Menschenrechtverletzungen einhergeht, würdigt.

3. Wenn die Homosexualität durch die Betroffenen erfolgreich verheimlicht werden kann, ist kein Problem mit staatlichen Stellen oder in anderer Form zu erwarten.

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1. Reist der Asylantragsteller vorverfolgt aus, geht damit die widerlegliche Vermutung einher, dass sich die Verfolgung oder Schädigung bei seiner Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5/09 -, BVerwGE 136, 377 - 388 Leitsatz 1).

2. Zugleich verlagert sich die Beweislast, um diese Vermutung zu widerlegen, auf die Behörde. Der maßgebliche Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt derselbe. Die mit der Vorverfolgung einhergehende Vermutung ist erst durch den Beweis des Gegenteils erschüttert, § 173 VwGO i.V.m. § 292 ZPO. Der Beweis ist erbracht, wenn keine begründeten Zweifel mehr bestehen, also mit dem Wiederaufleben der ursprünglichen Verfolgung nicht zu rechnen ist und das erhöhte Risiko einer erstmaligen gleichartigen Verfolgung aus anderen Gründen nicht besteht (OVG Hamburg, Beschluss vom 27.11.2009 - 2 Bf 337/02.A -, juris).

3. Diese Verfolgungssicherheit vermögen die geänderten Umstände zwischen der Flucht des Klägers aus Gambia und dem Zeitpunkt der Entscheidung, insbesondere der zwischenzeitliche Wechsel der Präsidentschaft von Yahya Jammeh zu Adama Barrow, nicht mit hinreichender Sicherheit zu generieren.

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1. Zur Situation Homosexueller in Gambia unter Präsident Barrow nach dem Machtwechsel vom Dezember 2016.

2. Macht der Kläger allein seine Homosexualität geltend und trägt er keine staatliche oder nichtstaatliche Vorverfolgung vor, bleibt es beim Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der qualifizierenden Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung.

3. Kommt dem Kläger mangels geltend gemachter Vorverfolgung die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG - sog. Qualifikationsrichtlinie - nicht zu Gute, gibt es nach dem Machtwechsel im Dezember 2016 ausweislich der vorliegenden Erkenntnismittel keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger aufgrund seiner sexuellen Orientierung bei einer Rückkehr nach Gambia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (§ 3 Abs. 1 AsylG) oder ein ernsthafter Schaden (§ 4 Abs. 1 AsylG) drohen (Abgrenzung zu VG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2017 - A 1 K 8218/16).

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Im Laufe der letzten Jahre hat sich im Hinblick auf Homosexualität wohl eine gewisse Toleranz oder zumindest Gleichgültigkeit entwickelt. Hierfür spricht vor allem auch der in Gambia vollzogene Machtwechsel im Dezember 2016 und Januar 2017. Während der ehemalige Präsident auch persönlich gegen Homosexuelle gehetzt hat, hat der neue Präsident einen vollständig anderen Kurs eingeschlagen (siehe hierzu ausführlich: VG Freiburg, U.v. 10.11.2017 – A 1 K 4885/16). Mit dem Verwaltungsgericht Freiburg (Breisgau) ist davon auszugehen, dass nicht jede Form von vermeintlicher Homosexualität in Gambia damit verfolgungsrelevante Maßnahmen des Staates auslöst (a.A.: VG Stuttgart, U.v. 2.11.2017 – A 1 K 8218/16).

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In Zusammenschau der geschilderten staatlichen und gesellschaftlichen Übergriffe sowie der verbreiteten Diskriminierung seitens des Staates und der Gesellschaft bei entsprechender Schutzunfähigkeit bzw. -unwilligkeit des Staates kommt die Berichterstatterin zu dem Schluss, dass Homosexuellen, die ihre sexuelle Orientierung nicht verstecken wollen, in Gambia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG droht.

Es gebe weit verbreitete Diskriminierung Homosexueller in Gambia durch staatliche sowie nichtstaatliche Akteure, die die durch das jahrelange staatliche Vorgehen gegen Homosexuelle, die staatliche homophobe Rhetorik sowie die Strafandrohung gefördert wird.

Dazu kämen die weiteren Rechtsverletzungen seitens des Staats und die verbreiteten Übergriffe nichtstaatlicher Akteure gegen Menschen, deren Homosexualität bekannt wird, die über die beschriebene soziale Ächtung und Diskriminierung noch hinausgingen.

Wirksamer Schutz gegen die beschriebenen Diskriminierungen und Übergriffe nichtstaatlicher Akteure sei in Gambia nicht gegeben.

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Homosexuellen drohe in Gambia nach neuen Erkenntnismitteln eine strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung.

  • VG Chemnitz, Urt. v. 11.05.2021 - 4 K 623/18.A; Juris

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für einen homosexuellen Kläger aus Gambia.

Leitsätze

1. Homosexuellen, die ihre sexuelle orientierung nicht geheim halten können oder möchten, droht in Gambia zwar nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung durch den gambischen Staat, wohl aber von Seiten der Mehrheitsbevölkerung systematische Diskriminierung und Ausgrenzung, die bei kumulativer Betrachtung als flüchtlichsrechtlich relevante Verfolgung i.S.d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG anzusehen ist.

2. Der gambische Staat ist nicht willens oder in der Lage, Homosxuellen vor diesen Verfolgungshandlungen privater Dritter, Verfolgungsakteuren gem. § 3c Nr. 3 AsylG, wirksamen Schutz i.S.d. § 3d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AsylG zu bieten.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für einen homosexuellen Kläger aus Gambia.

Orientierungssatz

  1. Flüchtling ist, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. (Rn.19)
  2. Wer bereits Verfolgung erlitten hat, für den besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen oder Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. (Rn.24)
  3. Homosexualität steht in Gambia nach wie vor unter Strafe. (Rn.30)

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Es gibt Anzeichen, dass Homosexuellen zum Zeitpunkt der Entscheidung in Gambia nunmehr doch wieder eine staatliche Verfolgung und eine strafrechtliche Verurteilung drohen. (S. 9)

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen Gambier.

Leitsätze:

1. Männern, deren Homosexualität bedeutsamer Bestandteil ihrer sexuellen Identität ist, droht gegenwärtig in Gambia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit eine Verfolgung in Form einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, die so gravierend ist, dass sie in der Gesamtschau einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkommt.

2. Ein Asylbewerber, bei dem anzunehmen ist, dass er seine homosexuelle Identität bei einer hypothetischen Rückkehr nach Gambia nur wegen seiner Furcht vor Verfolgung nicht ausleben würde, darf nicht darauf verwiesen werden, dass er sich durch das Verheimlichen seiner sexuellen Identität der ansonsten beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung entziehen kann.

3. Homosexuelle Männer haben in Gambia nicht die Möglichkeit, internen Schutz gemäß § 3e AsylG vor Verfolgung wegen ihrer sexuellen Identität zu erhalten.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen Gambier.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Auch wenn der Antragstellende seine Erlebnisse nicht als Vorverfolgung hinsichtlich Gambias geltend machen kann, ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel, davon auszugehen, dass ihm im Falle einer Rückkehr staatliche Strafverfolgung, zivilgesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung drohen, falls er seine Sexualität im Heimatland offen zu leben gedenkt. [...]  Es droht ihm von Seiten der Mehrheitsbevölkerung landesweit eine systematische Diskriminierung und Ausgrenzung, bis hin zu Übergriffen. Diese ist bei kumulativer Betrachtung als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung einzustufen, zumal auch staatlicher Schutz nicht besteht. Im Gegenteil, sind gleichgeschlechtliche Handlungen in Gambia weiterhin strafrechtlich codiert [...]. Eine Strafverfolgung von LGBTIQI Personen bleibt also jederzeit möglich und ist in Einzelfällen, wie den vorliegenden Quellen zu entnehmen ist, auch nach dem Regierungswechsel erfolgt.

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Sonstige Quellen

Georgien

 

Homosexuelle / Transsexuelle werden in Georgien aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt. Die starke homophobe Grundhaltung der georgischen Bevölkerung führt in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens zu zum Teil schwerwiegenden Problemen, mit denen LGBTI-Personen umgehen müssen. Nach der Erkenntnislage ist der georgische Staat derzeit nicht willens und in der Lage, Homo- und Transsexuelle wirksam vor der geschilderten Verfolgung durch die georgische Gesellschaft zu schützen. Eine interne Fluchtalternative steht insoweit nicht zur Verfügung.

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Homosexuelle sind in Georgien einer erniedrigenden Behandlung durch nicht-staatliche Akteure ausgesetzt, gegen die zu schützen der georgische Staat nicht willens und in der Lage ist. Bei einer Abwägung der Probleme und Diskriminierungen, unter denen Homosexuelle in Georgien zu leiden haben, mit den Fortschritten, die jedenfalls auf institutioneller Ebene etwa durch den Erlass neuer Gesetze gemacht worden sind, reichen die drohenden Gefahren aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK und damit ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz zu begründen.

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Leitsatz: Flüchtlingsanerkennung für homosexuellen Mann aus Georgien: LGBTI-Personen sind in Georgien Verfolgungshandlungen durch die Bevölkerung ausgesetzt. Sie stellen eine bestimmte soziale Gruppe nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar. Der georgische Staat ist nicht willens und in der Lage, sie wirksam vor Verfolgung zu schützen. Vielmehr beteiligt er sich teilweise aktiv an der Vereitelung ihrer Rechte. Die Verfolgungsgefahr besteht in allen Landesteilen.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer dem Kläger in Georgien aufgrund seiner Homosexualität drohenden Verfolgung.

Nach der Überzeugung des Gerichts sei der Kläger als Teil der LGBTI-Gemeinschaft bei seiner Rückkehr nach Georgien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer zielgerichteten unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt.

Angesichts der bestehenden homophoben Grundhaltung der georgischen Bevölkerung werde diese in Georgien von der sie umgebenden und sie verfolgenden Gesellschaft als andersartig betrachtet, so dass ihre Gruppe eine abgegrenzte Identität besitze. 

Nach derzeitiger Erkenntnislage sei der georgische Staat weder Willens noch in der Lage, Homosexuelle wirksam vor der geschilderten Verfolgung durch die georgische Gesellschaft zu schützen. Die Stigmatisierungen und Diskriminierungen der LGBTI-Personen durch die georgische Öffentlichkeit hätten ein solches Maß erreicht, und eine Aufklärung und Verfolgung dieser Taten fände in einem nur derart geingen Umfang statt, dass nicht nur von einzelnen Übergriffen und vereinzelten Schutzlücken, sondern von einem systematischen Schutzproblem auszugehen sei.

Ältere Entscheidungen anderer Gerichte, die von einer ausreichenden Schutzbereitschaft des georgischen Staates ausgegangen seien, hätten ihre Hoffnung in einen gesellschaftlichen Umbruch gesetzt. Diese Hoffnungen hätten sich jedoch nicht erfüllt. erkenntnismittel bestätigten die noch immer unzureichende Schutzbereitschaft des georgischen Staates. Die Verfolgung beschränke sich nicht auf einzelne Teile Georgiens, sondern es fehle im gesamten Staatsgebiet am schutzbereiten Staat.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer dem Kläger in Georgien aufgrund seiner Homosexualität drohenden Verfolgung. Die Begründung folgt im Wesentlichen VG Berlin, Urt. v. 22.05.2020 38 K 114.19 A (siehe oben).

Der Kläger werde als Homosexueller sowohl durch die georgische Bevölkerung als auch durch seine Familienangehörigen verfolgt. Im Bericht des Auswärtigen Amtes vom November 2020 werde die Situation von sexuellen Minderheiten in Georgien als weiterhin sehr schwierig beschrieben. Es komme in nahezu allen Lebensbereichen zu Diskriminierungen von LGBTI-Personen. Der georgische Staat sei weder willens noch in der Lage, Homo- und Transsexuelle sowie LGBTI-Aktivisten wirksam vor der geschilderten Verfolgung durch die georgische Gesellschaft oder einzelne Personen - wie die Familienangehörigen des Klägers - zu schützen.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für intergeschlechtliche klagende Person georgischer Staatsangehörigkeit, der in Georgien homosexuelle Orientierung unterstellt wird.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Nach der Überzeugung der Kammer ist die klagende Person als Teil der LGBTI-Gemeinschaft bei einer Rückkehr nach Georgien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer zielgerichteten unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung durch die georgische Gesellschaft ausgesetzt.

Homo- und intersexuelle Menschen gehören in Georgien zu einer sozialen Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Die Intergeschlechtlichkeit einer Person stellt ein - nur in Grenzen veränderliches - Merkmal dar. Zudem ist die geschlechtliche Identität, die regelmäßig ein konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit ist, durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt. Angesichts der bestehenden Grundhaltung der georgischen Bevölkerung werden sämtliche LGBTI-Personen in Georgien von der sie umgebenden und sie verfolgenden Gesellschaft als andersartig betrachtet, so dass ihre Gruppe eine abgegrenzte Identität besitzt.

Nach der Erkenntnislage ist der georgische Staat derzeit nicht willens und in der Lage, Homo- und Intersexuelle wirksam vor der geschilderten Verfolgung durch die georgische Gesellschaft oder einzelne Personen zu schützen.

Die klagende Person ist schließlich nicht darauf zu verweisen, Schutz in einem anderen Landesteil Georgiens zu suchen. Nach den Erkenntnissen der Kammer ist die geschilderte Verfolgung durch die georgische Gesellschaft nicht auf einzelne Teile Georgiens beschränkt und fehlt es im gesamten Staatsgebiet am schutzbereiten Staat.

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Abschiebungsverbot nach Georgien für homosexuellen Georgier.

Die LGBTI+ Gemeinschaft in Georgien sieht sich insgesamt einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt. Der georgische Staat ist nicht willens und in der Lage, LGBTI+-Personen wirksam vor der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung durch die georgische Gesellschaft oder einzelne Personen zu schützen. Interne Fluchtalternativen bestehen nicht.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für lesbische georgische Klägerin.

Leitsätze:

1. Die Prüfung einer (drohenden) Verletzung von Art. 3 EMRK darf sich nicht auf die Ermittlung und quantitative Bezifferung gewalttätiger Übergriffe verengen. Der Schutzbereich des Art. 3 EMRK beschränkt sich nicht auf körperliche Misshandlungen, sondern erstreckt sich auch auf diskriminierende Verhaltensweisen, die psychische Leiden verursachen. Eine erniedrigende Behandlung im Sinne der Vorschrift kann auch dann vorliegen, wenn sie (ohne die physische Integrität zu berühren) in den betreffenden Personen in entwürdigender Weise Ängste, seelische Qualen oder das Gefühl von Minderwertigkeit auslöst

2. In der Gesamtschau und Abwägung aller Umstände ist davon auszugehen, dass sich die LGBTI+-Gemeinschaft in Georgien insgesamt weiterhin einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sieht. Gewalttätige Übergriffe bilden insoweit nur die schwerwiegendsten Manifestationen einer weit verbreiteten homophoben und transphoben Grundhaltung, die nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln für LGBTI+-Personen in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens zu teilweise massiven Problemen führt.

3. Nach Erkenntnislage des Gerichts ist der georgische Staat derzeit nicht willens und in der Lage, LGBTI+-Personen wirksam vor der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung durch die georgische Gesellschaft oder einzelne Personen zu schützen.

4. Eine interne Fluchtalternative innerhalb Georgiens steht LGBTI+-Personen nicht zur Verfügung. Nach den Erkenntnissen des Gerichts ist die unmenschliche und erniedrigende Behandlung von LGBTI+-Personen durch die georgische Gesellschaft nicht auf einzelne Landesteile Georgiens beschränkt. Der Umstand, dass sich in Tiflis inzwischen eine aktive LGBTI+-Szene herausgebildet hat, führt ebenfalls nicht dazu, dass sich LGBTI+-Personen dort im alltäglichen Leben nicht mehr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sehen.

Ghana

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für ghanaischen schwulen Kläger.

1. Homosexuelle unterliegen in Ghana der nichtstaatlichen (Gruppen-) Verfolgung.

2. Männliche Homosexualität ist in Ghana strafbar.

3. Der ghanaische Staat ist nicht schutzbereit hinsichtlich auf Homosexuelle seitens der Bevölkerung verübter Übergriffe.

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Erfolgreicher Eilantrag gegen ablehnende Entscheidung des BAMF, Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet.

1. Aus unterschiedlichen Berichten ergibt sich, dass homosexuelle Handlungen in Ghana so stark von Gesellschaft und Politik missbilligt werden, dass es immer wieder zu gewalttätigen Angriffen auf Homosexuelle durch die Bevölkerung kommt und die ghanaischen Sicherheitskräfte nicht schutzwillig und wegen der Strafbarkeit männlicher Homosexualität in Ghana auch nicht schutzbereit sind (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 08.03.2017 - 23 K 9157/16.A - juris Rn. 39 m.w.N.)

2. Es kann ohne weitere Anhörung des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht ausgeschlossen werden, dass seine Verfolgung in Ghana wegen seiner Bisexualität beachtlich wahrscheinlich ist und die für eine Verfolgung bi- oder homosexueller Männer in Ghana sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Tatsachen, zumal es zweifelhaft ist, ob es bi- oder homosexuellen Männern zugemutet werden kann, auf polizeiliche Hilfe verwiesen zu werden, wenn sie dadurch Gefahr laufen, sich aufgrund der Strafbarkeit homosexueller Handlungen selbst der Strafverfolgung auszusetzen.

3. Der Antragsteller kann in Ghana darüber hinaus auch keinen internen S chutz vor Verfolgung gemäß § 3e AsylG finden. Denn sichere Landesteile sind nicht ersichtlich, weil die oben dargestellte Problematik landesweit zu verzeichnen ist (vgl. auch VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 71).

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Da in Ghana homosexuelle Handlungen von Politik und Gesellschaft stark missbilligt werden, ist eine Verfolgung durch nichtstaatliche Dritte, gegen die von staatlicher Seite kein Schutz zur Verfügung steht, nach der aktuellen Erkenntnislage nicht ausgeschlossen.

  • VG Berlin, Beschl. v. 29.05.2018 - 32 L 32.18 A

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.

Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Als Homosexueller ist er in Ghana der Verfolgung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure ausgesetzt.

Der Kläger kann in Ghana auch keinen internen Schutz vor Verfolgung gemäß § 3e AsylG finden. Der Kläger hat in keinem Teil Ghanas Schutz vor Verfolgung. Nach den vorstehend genannten Erkenntnisquellen kann Homosexualität in Ghana in keinem Landesteil offen und ohne die Gefahr gewalttätiger Übergriffe seitens der Bevölkerung ausgelebt werden. Männliche Homosexualität ist landesweit strafbar; die Sicherheitsbehörden schützen Homosexuelle landeweit nicht wirksam. Vielmehr wird von Polizeischikanen gegen Homosexuelle landesweit berichtet.

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Das BAMF hat mit Bescheid mit Datum vom 12. November 2020 einem homosexuellen Mann aus Ghana die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Az 8007070 - 238) ohne das Hauptverfahren vor dem VG Gießen abzuwarten. Mit Datum vom 11. Mai 2020 hatte das BAMF den Asylantrag ursprünglich als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Mit Beschluss vom 2. Juli 2020 hatte das VG Gießen bereits der Eilklage gegen den „offensichtlich unbegründet“ Bescheid stattgegeben (Az: 1 L1802/20.GI.A). Der Fall wurde von Rainbow Refugees Support (Aidshilfe Hessen) betreut, die bestätigen dass es um das Thema Homosexualität geht.

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Erfolgreiches Eilverfahren gegen Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet. Die Befürchtung des Antragstellers, in Ghana wegen seiner Homosexualität durch nichtstaatliche Dritte verfolgt zu werden, ohne dass der Staat dazu bereit wäre, ihm Schutz zu gewähren, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

LSBTI-Personen sind in Ghana besonders häufig von Diskriminierung und Übergriffen durch die Bevölkerung betroffen. Weite Teile der Bevölkerung, auch führende Politiker, stehen der Einforderung von Grundrechten für sexuelle Minderheiten ablehnend gegenüber. Nach einer Studie aus dem Jahr 2013 sind 96 % der Ghanaer gegen eine gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität.

Problematisch sei insbesondere der fehlende staatliche Schutz vor Übergriffen durch Dritte. Sektion 104 des Strafgesetzbuches, wonach der Vollzug des Geschlechtsakts mit einer Person "in unnatürlicher Weise" mit Gefängnis bestraft werden kann, wird zwar in der Praxis nicht mehr angewandt. Gleichwohl lehnt die ghanaische Regierung die Entkriminalisierung gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehrs ab; laut LSBTI-Organisationen sind homophobe Tendenzen auch unter Richtern weit verbreitet. Homosexualität wurde bislang nicht legalisiert, weil dies mit ghanaischen Wertvorstellungen unvereinbar sei. Es wird berichtet, dass die Polizei zögert, Anzeigen wegen Übergriffen oder Gewalt gegen LSBTI-Personen nachzugehen. Die Mehrheit der Opfer wende sich aus Angst vor der Aufdeckung der sexuallen Orientierung oder vor Verhaftung nicht an die Polizei.

Homosexuelle Handlungen sind in Ghana nach wie vor so stark von Gesellschaft und Politik missbilligt, dass es immer wieder zu gewalttätigen Angriffen auf Homosexuelle durch die Bevölkerung kommt und die ghanaischen Sicherheitskräfte nicht schutzwillig und wegen der gesetzlichen Strafbarkeit männlicher Homosexualität auch nicht schutzbereit sind.

VG Berlin, Beschl. v. 24.03.2021 - 32 L 38/21 A

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Flüchtlingsanerkennung für homosexuellen Mann aus Ghana:

Leitsatz zitiert vom Informationsverbund Asyl & Migration:

"Homosexuellen droht in Ghana mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit staatliche und nichtstaatliche Verfolgung (Rn. 17).

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Sonstige Erkenntnisse

LSVD-Zusammenstellung internationaler Berichte zur Menschenrechtslage von LSBTI in Ghana

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/9429 v. 16.08.2016, über Ghana u.a. Folgendes aus:

Rechtsschutz und das Verbot der Diskriminierung haben in Ghana Verfassungsrang (Artikel 15, 17). Der Bundesregierung sind in Ghana weder unmittelbar noch mittelbar staatliche Repressionen gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder den anderen in Artikel 12 Absatz 2 der Verfassung genannten Eigenschaften oder Zugehörigkeiten bekannt. (…)

In Ghana steht der „Geschlechtsakt in unnatürlicher Manier“ (Artikel 104 „unnatural carnal knowledge“ des Strafgesetzbuches) unter Strafe. Hierzu zählen homosexuelle Handlungen zwischen Personen über 16 Jahren, aber auch beispielsweise heterosexueller Analverkehr oder Geschlechtsverkehr mit Tieren. Der Verstoß kann mit Gefängnis bis zu drei Jahren geahndet werden. Tatsächlich wird die Strafnorm wegen ihrer vagen Definition selten angewandt. Ein öffentliches Bekenntnis zur sexuellen Orientierung von LSBTI-Personen und deren Ausleben ist aufgrund großer Vorbehalte in der Bevölkerung nicht möglich. Die LSBTI-Gemeinde ist sich dessen bewusst und gestaltet ihre Aktivitäten entsprechend vorsichtig. Von Einschüchterungen und Erpressungen durch die Polizei wird berichtet. Auch sind laut LSBTI-Organisationen homophobe Tendenzen unter Richtern verbreitet. (…)

Übergriffe auf Angehörige sexueller Minderheiten kommen in Ghana vor. Sie sind in Ghana strafbar, werden aber nicht immer geahndet. (…)

Die einschlägige Strafnorm wird wegen ihrer Unbestimmtheit kaum angewandt. Die letzte der Bundesregierung bekannte Verurteilung erfolgte 2003.

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In dem "Ersten Bericht der Bundesregierung zu der Überprüfung der Voraussetzungen zur Einstufung der in Anlage II zum Asylgesetz bezeichneten sicheren Herkunftsstaaten“, BT-Drs. 19/299 v. 15.12.2017, wird auf Seite 14 ausgeführt:

"In Ghana steht der „Geschlechtsakt in unnatürlicher Manier“ (Artikel 104 des Strafgesetzbuches „unnatural carnal knowledge“) unter Strafe. Hierzu zählen homosexuelle Handlungen zwischen Personen über 16 Jahren, aber auch beispielsweise heterosexueller Analverkehr oder Geschlechtsverkehr mit Tieren. Im Rahmen des Staatenüberprüfungsverfahrens (Universal Periodic Review - UPR) des VNMenschenrechtsrats wurde angeregt, gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr zu entkriminalisieren. Dies wurde von der ghanaischen Regierung jedoch abgelehnt. Nach Kenntnis der Bundesregierung kam es zuletzt 2003 zu einer Strafverfolgung."

Guinea

Für einen Homosexuellen besteht in Guinea trotz der Strafandrohung in Art. 325 des guineischen Strafgesetzbuches nicht die tatsächliche Gefahr ("real risk") einer strafrechtlichen Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. 

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1. Homosexuelle bilden in Guinea eine soziale Gruppe mit deutlich abgrenzbarer Identität i.S. des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.

2. Für homosexuelle Personen besteht eine landesweite Verfolgungsgefahr in Guinea. Sie sind gezwungen, ihre Homosexualität zu verbergen, da sie andernfalls schwerwiegende Übergriffe und Diskriminierung durch staatliche wie nichtstaatliche Akteure zu befürchten haben.

3. Eine innerstaatliche Schutzalternative besteht nicht.

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1. In Guinea bestehen strafrechtliche Vorschriften, die spezifisch Homosexualität unter Strafe stellen, und in der Praxis neuerdings angewandt werden.

2. Außerdem ist der Kläger als Homosexueller in Guinea der Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt (§ 3c Nr. 3 AsylG), ohne dass der guineische Staat willens ist, Schutz vor dieser nichtstaatlichen Verfolgung zu bieten. Sowohl aus amtlichen Berichten wie auch aus Berichten von Hilfsorganisationen ergibt sich, dass homosexuelle Handlungen in Guinea so stark von der Gesellschaft und von der Politik missbilligt werden, dass es immer wieder zu gewalttätigen Angriffen auf Homosexuelle durch die Bevölkerung kommt und die guineischen Sicherheitskräfte nicht schutzwillig und aufgrund der Strafbarkeit männlicher Homosexualität in Ghana auch nicht schutzbereit sind.

3. Der Kläger kann auch nicht auf internen Schutz vor Verfolgung gemäß § 3e AsylG verwiesen werden. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen kann Homosexualität in Guinea in keinem Landesteil offen und ohne die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgelebt werden.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Mann aus Guinea:

Leitsatz vom Informationsverbund Asyl & Migration

Homosexuellen Männern droht in Guinea aktuell zumindest Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure. Der guineische Staat ist nicht schutzbereit oder -fähig.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Mann aus Guinea:

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] In Guinea stellen Homosexuelle eine bestimmte soziale Gruppe in diesem Sinne dar, denn es bestehen strafrechtliche Vorschriften, die spezifisch Homosexualität unter Strafe stellen. Nach herangezogener Erkenntnislage ist zudem zu beachten, dass diese mittlerweile in der Praxis angewandt werden. Der Kläger ist unmittelbar vor seiner Ausreise wegen seiner Homosexualität von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt worden, ohne dass der guineische Staat willens war, Schutz vor dieser nichtstaatlichen Verfolgung zu bieten. Die Wiederholungsvermutung ist nicht widerlegt. Vielmehr hat der Kläger eindrücklich geschildert, dass er das Bedürfnis verspürt, seine Homosexualität offen auszuleben, was unter Berücksichtigung der Verhältnisse in Guinea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass er landesweit Anfeindungen, Bedrohungen, Misshandlungen und massiver sozialer Ausgrenzung in einem Maße ausgesetzt wäre, dass die flüchtlingsrelevante Schwelle übersteigt.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Mann aus Guinea:

Amtliche Leitsätze:

1. Bildung und Entdeckung der eigenen sexuellen Identität sind ein komplexer Prozess, der nur begrenzt überindividuell feststellbaren, typisierten Mustern folgt; entscheidend ist nur, wie glaubhaft und nachvollziehbar der Weg zur eigenen sexuellen Identität unter Entdeckung der eigenen Homosexualität beschrieben wird (anknüpfend an Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 f.). Im Einzelfall ist in tatsächlicher Hinsicht für die festzustellende individuelle Entwicklung maßgebend, dass der Betroffene in der Schilderung seiner Lebensgeschichte einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Ereignissen herzustellen sucht.(Rn.32)

2. Rückkehrer nach Guinea sind einem Risiko ausgesetzt, im Einzelfall durch gesellschaftliche Kräfte wie die Großfamilie einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Verfolgungshandlungen wegen Homosexualität ausgesetzt zu sein (hinsichtlich der risikobegründenden Umstände anknüpfend an VG Berlin, Urt. v. 25.4.2022, 31 K 75.19 A, juris Rn. 31-34). Im Einzelfall ist eine anlassgeprägte Individualverfolgung durch gesellschaftliche Kräfte zu befürchten, wobei die Gefahrenprognose sich maßgeblich auf die erlittene Vorverfolgung stützt.(Rn.43)

Haiti

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und Anerkennung als Asylberechtigter für homosexuellen Kläger aus Haiti.

Honduras

Zuerkennung der Flüchtlinseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Honduras.

Dem Kläger droht im Falle seiner Rückkehr nach Honduras aufgrund seiner Homosexualität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung in Form einer systematischen Diskriminierung und Ausgrenzung von Seiten der Mehrheitsbevölkerung. Homosexuelle bilden aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer deutlichen abgegrenzten sexuellen Identität eine bestimmte soziale Gruppe. Nach der dargestellten Erkenntnislage ist der honduranische Staat derzeit nicht willens und in der Lage, Homosexuelle wirksam vor der geschilderten Verfolgung durch die honduranische Gesellschaft oder einzelne Personen zu schützen. Der Kläger ist schließlich auch nicht darauf zu verweisen, Schutz in einem anderen Landesteil von Honduras zu suchen. Mit Blick auf die obigen Ausführungen kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Kläger auch wegen seiner Aktivitäten für die Opposition die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.

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Presseberichte

Indien

Eine Anerkennung als in Indien wegen Homosexualität Verfolgter scheidet aufgrund bestehender inländischer Fluchtalternativen aus.

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Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG bei transgeschlechtlicher Klägerin aus Indien, u.a. wegen "endokrinologischer Behandlung im Rahmen der gegengeschlechtlichen Hormontherapie bei Mann-zu-Frau-Transsexualität".

Indonesien

Presseberichte

Irak:

Homosexuelle Personen werden im Irak durch staatliche und nichtstaatliche Akteure verfolgt.

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Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.02.2016, Abschnitt 1.7.2 (Homosexualität) sind im Irak im gegenseitigen Einvernehmen unter Erwachsenen durchgeführte homosexuelle Handlungen seit 2003 nicht mehr unter Strafe gestellt. Dennoch besteht für Homosexuelle nach den dortigen Ausführungen nach wie vor ein hohes Risiko sozialer Ächtung, wobei jedoch auch politische Initiativen zu verzeichnen sind, um das Thema zu enttabuisieren.

Das Risiko sozialer Ächtung, das der Kläger vor allem durch seine Familie befürchtet, stellt indes keine Verfolgungshandlung dar, welche die in § 3 a AsylG zum Ausdruck kommende asylrelevante Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Durch die eigene Familie aufgrund mangelnder Anpassung an gesellschaftliche Regeln und Traditionen verstoßen zu werden, ist ein Problem, das in allen Gesellschaften - mehr oder weniger häufig - auftritt. Auch die – erst seit einigen Jahrzehnten - liberalisierte Gesetzeslage in Deutschland kann dies hierzulande nicht gänzlich verhindern.

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Die Frage, ob Homosexuelle oder der Homosexualität verdächtige Personen im Irak mit Verfolgung durch staatliche oder nicht staatliche Akteure zu rechnen haben, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sich bereits aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.02.2016 ergibt, dass sich der genannte Personenkreis sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung ausgesetzt sieht und es bereits zu Bedrohungen und Verfolgung gekommen ist.

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Homosexuelle somd durch das Asylrecht nicht nur vor tatsächlichen, aktiven Repressalien geschützt, also wenn sie tatsächlich bereit sind, für die Neigung Verfolgung auf sich zu nehmen, sondern auch dann, wenn sie ihre Homosexualität im Herkunftsland geheim halten würden oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung üben, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

Angesichts der Auskunftslage, die von einer Strafbarkeit außerehelichen Verkehrs spricht, die die soziale Ächtung bis hin zu Ehrenmorden von Homosexuellen schildert, sowie die Bedrohung durch konfessionelle Milizen, sowie den Schutzunwillen des Staates und die Angst der Homosexuellen, die im Regelfall zu einer Geheimhaltung der sexuellen Neigung führt, ist nicht nur im Hinblick auf den individuellen Vortrag des Klägers, sondern auch ganz allgemein davon auszugehen, dass jeder vernünftig denkende, besonnene Homosexuelle ernsthaft Furcht vor im Rahmen des Asylrechts erheblichen Rechtsgutsverletzungen im Irak, insbesondere in der Heimatregion des Klägers haben muss und dass nur in Einzelfällen, etwa wenn der Kläger sich aus anderen Motiven aus der Verfolgungsfurcht zur Geheimhaltung entschließt oder auf besondere Unterstützung zurückgreifen kannn, eine beachtliche Verfolgungsfurcht nicht besteht.

Wegen der Schutzunfähigkeit und dem fehlenden Schutzwillen staatlicher Institutionen im gesamten Irak, wie es aus der eingeholten Auskunft hervorgeht, steht dem Kläger auch kein interner Schutz in einem anderen Teil seines Heimatlandes zur Verfügung.

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Aus der Auskunftslage ergibt sich, dass Homosexuelle im Irak mit asylerheblicher Verfolgung rechnen müssen.

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Homosexualität ist im Irak zwar nicht unmittelbar, jedoch effektiv illegal, da rechtlich ausschließlich heterosexuelle Ehen vorgesehen und außereheliche Beziehungen verboten sind.

Homosexuelle im Irak sind nichtstaatlicher Verfolgung in Form von Diskriminierung, sozialer Ausgrenzung und Ehrenmorden ausgesetzt.

Es gibt keinen hinreichenden staatlichen Schutz für Mitglieder sexueller Minderheiten.

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Homosexuelle im Irak sind eine soziale Gruppe i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Man kann von ihnen nicht verlangen, ihre Neigung zu unterdrücken bzw. geheim zu halten. Von einem Homosexuellen ist insoweit nicht mehr Zurückhaltung als von einem Heterosexuellen zu verlangen (vgl. EuGH, Urteil vom 07. November 2013 – C-199/12 bis C-201/12).

Im Irak sind Homosexuelle betroffen von Menschenrechtsverletzungen oder Diskriminierungen, die gem. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG in ihrer Kumulierung einer schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden Menschenrechte gleichkommen. Insbesondere droht ihnen physische oder psychische Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG). Dies ergibt sich aus den gerichtlichen Erkenntnissen.

Vor diesem Hintergrund geht die Verfolgung jedenfalls von nichtstaatlichen Akteuren i.S.v. § 3c Nr. 3 AsylG aus – wie etwa den schiitischen Milizen, den Sharia-Gerichten  oder den Stammesführern.

Die in § 3 Nr. 1 AsylG (Staat) und Nr. 2 AsylG (Parteien oder Organisationen) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen sind nicht willens oder in der Lage, Schutz iSd § 3d AsylG vor Verfolgung zu bieten. Die Polizei wird mitunter eher als Bedrohung denn als Schutzmacht empfunden. Staatliche Rückzugsorte für LGBTgibt es nicht. Die Anzahl privater Schutz-Initiativen ist sehr beschränkt. Darüber hinaus existiert im Irak weder ein Gesetz gegen Hassverbrechen noch gegen Diskriminierungen bzw. sonstige hilfreichen strafrechtlichen Mittel.

Für den Kläger besteht im Irak keine innerstaatliche Fluchtalternative. Es fehlt – wie aufgezeigt – an der nötigen Schutzfähigkeit und -willigkeit staatlicher Institutionen im gesamten Irak.

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Homosexuelle Männer im Irak sind eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.

Homosexuelle Männer, die ihre Homosexualität nicht aus verfolgungsfernen Gründen vollständig verbergen, unterliegen im Irak einer landesweiten Gruppenverfolgung, die an ihre Zugehörigkeit zu der bestimmten sozialen Gruppe der homosexuellen Männer anknüpft.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für irakischen Transmann.

Es ist nach Auffassung des Gerichts beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin bei Rückkehr in den Irak einer Verfolgung aufgrund ihrer Transsexualität ausgesetzt sein würde. 

Nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass bei den irakischen Behörden eine Änderung des Geschlechts nicht vorgenommen werden kann und eine Eheschließung mit einer anderen Frau ausgeschlossen ist. Vielmehr würde die Klägerin im Irak als homosexuell gelten.

Die im Irak bestehende soziale Ächtung von Homosexuellen, Transsexuellen und allen nicht der traditionellen Geschlechterrolle entsprechenden Personen bis hin zu Ehrenmorden übersteigt die asylrechtliche Erheblichkeitsschwelle des § 3 a AsylG und lassen eine ernsthafte Furcht vor Rechtsgutsverletzungen auch für einen besonnenen Menschen gerechtfertigt erscheinen.

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Homosexuelle bilden im Irak eine soziale Gruppe im Sinne von §§ 3 Abs 1 Nr 1, 3b Abs 1 Nr 4 AsylG. Homosexuellen droht im Irak grundsätzlich Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (im Anschluss an VG Berlin, Urteil vom 05.06.2018 – 25 K 327.17 A). Für Homosexuelle besteht im Irak keine innerstaatliche Fluchtalternative.

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Homosexuellen drohen im Irak Verfolgungsmaßnahmen durch nichtstaatliche Akteure , welche die flüchtlingsrelevante Erheblichkeits­schwelle des § 3a Abs. 1 AsylG deutlich übersteigen. Homosexuelle können im Irak weder beim Staat noch bei Organisationen im Sinne von § 3 d Abs. 1 Nr. 2 AsylG Schutz vor Verfolgung finden.

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Dem Kläger droht eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung bei einer Rückkehr in den Irak, gegenüber der der irakische Staat nicht schutzbereit und schutzfähig ist.

Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12.01.2019 leben Homosexuelle im Irak ihre Homosexualität nur heimlich aus, andernfalls sind sie von Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung bedroht. Es besteht ein hohes soziales Risiko der Ächtung bis hin zu Ehrenmorden. Gerade konfessionelle Milizen haben in den letzten Jahren wiederholt Homosexuelle bedroht und werden sogar mit der Ermordung homosexueller Männer in Verbindung gebracht. Polizeiliche Untersuchungen finden nur in den wenigsten Fällen statt, vielmehr wird die Polizei eher als Bedrohung empfunden.

Damit besteht jedenfalls für den Kläger des vorliegenden Verfahrens, der seine Homosexualität offen leben will und einen festen Freund hat und der wegen seiner Homosexualität im Irak bereits erhebliche Problem hatte, die konkrete Gefahr einer menschenrechtswidrigen und unmenschlichen Behandlung. Dem Kläger ist deshalb Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu gewähren.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an schwulen Iraker nach § 3 AsylG.

Es ist beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in den Irak einer Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität ausgesetzt sein würde. Im Irak sind Homosexuelle betroffen von Menschenrechtsverletzungen oder Diskriminierungen, die in ihrer Kumulierung einer schwerwiegenden Verletzung der grundegenden Menschenrechte gleichkommen. Insbesondere droht ihnen physische oder psychische Gewalt.

Homosexuelle werden durch das Asylrecht nicht nur vor tatsächlichen, aktiven Repressalien geschützt, sondern auch dann, wenn sie ihre Homosexualität in ihrem Herkunftsland geheim halten würden ode rZurückhaltung beim Ausleben ihrer sexuellen Ausrichtung üben, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

Es besteht für den Kläger im Irak keine innerstaatliche Fluchtalternative.

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1. Als Homosexueller hat der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG zu befürchten. Homosexuelle im Irak sind eine soziale Gruppe i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.

2. Homosexualität wird von großen Teilen der Bevölkerung als unvereinbar mit Religion und Kultur abgelehnt. Homosexuelle sehen sich Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung ausgesetzt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 12. Januar 2019, Tz. 1.7.2.; Dokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - BFA - der Republik Österreich vom 24. August 2017, Tz. 15.3).

3. Das irakische Strafgesetz verbietet gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten nicht, jedoch sind außereheliche sexuelle Beziehungen (indirekt) auf Grund des § 394 des irakischen Strafgesetzbuches illegal. Dadurch, dass das Gesetz gleichgeschlechtliche Ehen nicht vorsieht, verbietet es diese effektiv.

4. Die zunehmende Gewalt und das damit verbundene Erstarken nichtstaatlicher bewaffneter Akteure hat Berichten zufolge die Schutzbedürftigkeit von Personen, deren sexuelle Orientierung und/oder geschlechtliche Identität nicht den traditionellen Vorstellungen entsprechen, verstärkt. Diese Menschen, einschließlich Kinder, sind den Meldungen zufolge häufig zahlreichen Formen von Misshandlungen durch verschiedene staatliche und nichtstaatliche Akteure ausgesetzt, einschließlich durch ihre nahen und entfernten Familienangehörigen, das allgemeine gesellschaftliche Umfeld, staatliche Behörden sowie eine Vielzahl bewaffneter Gruppen (vgl. Dokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - BFA - "Irak" der Republik Österreich vom 24. August 2017, Tz. 15.3; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 12. Januar 2019, Tz. 1.7.2.; ACCORD, - Anfragebeantwortung zum Irak [a-10587] vom 30. Mai 2018).

5. Darüber hinaus existiert im Irak weder ein Gesetz gegen Hassverbrechen noch gegen Diskriminierungen, noch existieren sonstige hilfreiche strafrechtlichen Mittel (vgl. Accord, Lage von LGBTI-Personen, 9. Februar 2017, S. 3). Aus diesem Grunde besteht für den Kläger auch keine interne Schutzmöglichkeit gemäß § 3e AsylG. Es fehlt, wie dargestellt, an der nötigen Schutzfähigkeit und -Willigkeit staatlicher Institutionen.

6. Die vorstehenden Berichte decken sich mit den Erkenntnissen, die die gesichtete Rechtsprechung in anderen Verfahren zugrunde gelegt hat.

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1. Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zu der sozialen Grup­pe der Homosexuellen. Gegen diese Verfolgung kann der Kläger zur Überzeugung des Gerichts keinen wirksamen staatlichen Schutz i.S.d. § 3d AsylG erlangen; ihm steht insoweit auch keine innerstaatliche Fluchtalternative i.S.d. § 3e AsylG zur Verfügung.

2. Zur Überzeugung des Gerichts droht Homosexuellen jedenfalls dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung der vorstehend beschriebenen Art, wenn sie im Irak ihre homosexuelle Veranlagung nicht vollständig verbergen. Hierbei steht die vergleichsweise geringe Anzahl von bekannt gewordenen Misshandlungen und Tötungen von Homosexuellen im Irak der Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung nicht entgegen. Denn die Verfolgungsgefahr, die einer ihre Homosexualität offen lebenden Person im Irak droht, ist deutlich höher einzuschätzen, als eine reine Gegenüberstellung der berichteten Vorfälle mit der Zahl der Homosexuellen im Irak erwarten lässt (vgl. hierzu VG Hamburg, Urt. v. 24.09.2018 - 8 A 7823/16 -, zit. n. juris, Rn. 57).

3. Aufgrund der Ausführungen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass es dem Kläger grundsätzlich wichtig ist, offen entsprechend seiner sexuellen Orientierung leben zu können, und dass er bei einer hypothetischen Rückkehr in den Irak seine sexuelle Orientierung letztlich nur aus Angst vor Verfolgung verbergen würde.

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Flüchtlingsanerkennung für einen Iraker wegen erst im Klageverfahren vorgetragener Homosexualität. Homosexuelle Personen bilden im Irak eine soziale Gruppe, der staatliche Verfolgung droht. (Leitsätze der Asyl.Net Redaktion)

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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1. Es ist beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger als Homosexueller im Irak verfolgt werden würde. Im Irak sind Homosexuelle betroffen von Menschenrechtsverletzungen öder Diskriminierungen, die gem. §3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG in ihrer Kumulierung einer schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden Menschenrechte gleichkommen. Insbesondere droht ihnen physische oder psychische Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG).

2. Die in § 3 Nr. 1 AsylG (Staat) und Nr. 2 AsylG (Parteien oder Organisationen) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen sind nicht willens oder in der Lage, Schutz i. S. d. § 3d AsylG vor Verfolgung zu bieten. Die Polizei wird mitunter eher als Bedrohung denn als Schutzmacht, empfunden. Staatliche Rückzugsorte für LGBT gibt es nicht.

3. Für den Kläger besteht im Irak keine innerstaatliche Fluchtalternative. Es fehlt an der nötigen Schutzfähigkeit und -Willigkeit staatlicher Institutionen im gesamten Irak.*

4. Das Urteil enthält eine ausführliche Schilderung der zurzeit hoffnungslosen Lage von LGBTI im Irak samt der Quellen, auf die das VG diese Feststellungen stützt.

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1. Offen homosexuellen Männern droht im Irak aufgrund ihrer sexuellen Orientierung per se die schwerwiegende Verletzung ihrer grundlegenden Menschenrechte, insbesondere ihres Rechts auf Leben aus Art. 2 EMRK und ihres Rechts auf Verschonung vor Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe aus Art. 3 EMRK.

2. Homosexuelle bilden im Irak eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.

3. Für Homosexuelle besteht im gesamten Irak kein interner Schutz vor Verfolgung im Sinne des § 3e Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 AsylG oder im Sinne des § 3e Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 AsylG i.V.m. § 3d AsylG.

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1. Homosexuelle bilden im Irak eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.

2. Homosexuellen droht im Irak grundsätzlich Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wie durch staatliche Organe in Gestalt von PMF-Milizen.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Da der Kläger der sozialen Gruppe der Homosexuellen angehöre, drohe ihm im Irak Verfolgung durch konfessionelle Milizen oder das familiäre bzw. soziale Umfeld. Homosexuelle seien im Irak von Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung betroffen und ihnen drohe physische und psychische Gewalt. Nach Rechtsprechung des EuGH könne von einem Asylbewerber nicht erwartet werden, seine sexuelle Orientierung im Heimatland geheim zu halten oder das Ausleben zurückzuhalten, um eine Verfolgung zu vermeiden. Die dargestellte Verfolgungsgefahr bestehe für den Kläger landesweit. Folglich habe der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

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Es sei sehr wahrscheinlich, dass der Kläger schwerste Verfolgungshandlungen, bis hin zum Tod, zu erwarten habe, wenn er in den Irak zurückkehren und nur in den Verdacht geraten würde homosexuell zu sein. Diese Gefahr sei nicht auf einen bestimmten Landesteil beschränkt.

Zwar stellten homosexuelle Handlungen erwachsener Personen, die im gegenseitigen Einvernehmen geschehen, seit dem im Jahr 2003 in Kraft getretenen irakischen Strafgesetzbuch keinen Straftatbestand mehr dar. Jedoch gebe es Strafgesetze, welche in der Praxis dazu missbraucht würden, um gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten strafrechtlich zu verfolgen. So würden Anklagen auf die Tatbestände des Verstoßes gegen die Sittlichkeit oder der Prostitution gestützt. Geschlechtsunspezifisch sei nach Art. 394 des irakischen Strafgesetzbuches bereits das Eingehen einer außerehelichen sexuellen Beziehung strafbar. Hierunter ließen sich insbesondere auch alle gleichgeschlechtlichen Beziehungen fassen, nachdem eine gleichgeschlechtliche Ehe im Irak nicht existiere.

In der irakischen Gesellschaft sei Homosexualität, trotz eines zunehmenden Diskurses sensibler Themen in der Öffentlichkeit, weitgehend tabuisiert und wird von großen Teilen der Bevölkerung als unvereinbar mit Religion und Kultur abgelehnt. Homosexuelle lebten ihre Sexualität meist gar nicht oder nur heimlich aus und sähen sich Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung ausgesetzt. Es bestehe ein hohes Risiko sozialer Ächtung bis hin zu Ehrenmorden.

Mögliche Verfolgungsakteure seien sowohl der irakische Staat als auch im Irak agierende Milizen.

Für Homosexuelle bestehe kein Schutz im Sinne einer internen Fluchtalternative. Teile des Irak, in welchen Homosexuelle keine begründete Furcht vor Verfolgung haben müssten, seien nicht existent.

  • VG Dresden, Urteil vom 19.03.2021 - 13 K 2639/18.A, Juris

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Eilrechtsschutz gegen Abschiebung eines homosexuellen Mannes in den Irak:

Leitsatz vom Informationsverbund Asyl & Migration:

Homosexuellen Personen droht bei Rückkehr in den Irak grundsätzlich unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger.

Homosexuellen Irakern ist die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, da Homosexuelle im Irak einer Verfolgung ausgesetzt sind, die vom Staat toleriert wird.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen irakischen Kläger.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen irakischen Kläger.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger "mit Zügen einer transgender Identität".

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen irakischen Kläger.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Zwar geht die Verfolgung nicht systemisch vom irakischen Staat aus, da gemäß dem seit 2003 gültigen irakischen Strafgesetzbuch durchgeführte homosexuelle Handlungen erwachsener Personen keinen Straftatbestand mehr darstellen. Jedoch sind die Grundsätze zur Gruppenverfolgung prinzipiell auch auf Verfolgungshandlungen durch nichtstaatliche Akteure übertragbar. Auch biete der Staat keinen effektiven (Rechts) Schutz vor Übergriffen, so dass interner Schutz, selbst in der Region Kurdistan-Irak, nicht zur Verfügung steht. Menschen mit homosexueller Neigung leben diese aus Angst vor Übergriffen nicht offen, sondern allenfalls im Verborgenen aus. Gleichwohl kommt es gegenüber homosexuellen oder vermeintlich homosexuellen Männern zu einer nicht unerheblichen Anzahl schwerster Übergriffe bis hin zu Tötungen, sowohl durch staatliches Sicherheitspersonal, als auch durch Miliz- sowie Familienangehörige, Nachbarn oder sonstiger Privatpersonen.

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Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes für einen irakischen Künstler, der sich mit LGBTIQ-Themen auseinandersetzt.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Der Kläger trägt vor, im Rahmen seiner künstlerischen Tätigkeit von unbekannten Akteuren verfolgt und bedroht worden zu sein. [...] Der Kläger hat aber Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Mit Blick auf seine künstlerische Betätigung ist zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass diesem im Fall seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Er hat sich umfassend mit Themen wie Frauen, Homosexualität und Gewalt auseinandergesetzt und zum Gegenstand seiner künstlerischen Arbeiten gemacht und sei so weit als ein der "LGBTIQ-Gemeinschaft" nahestehender Künstler bekannt. Zwar ist Homosexualität im Irak nicht explizit verboten, gesellschaftlich aber weitestgehend geächtet, so dass LGBTIQ-Personen häufig diskriminiert, verletzt oder gefoltert würden, was im Irak aber regelmäßig straflos bleibt. Zudem erfährt diese Gruppe Diskriminierung und Gewalt zum Teil auch durch staatliche Sicherheitskräfte, so dass der Kläger keine erfolgversprechende Möglichkeit habe, sich schutzsuchend an die irakischen Behörden zu wenden. Durch seine dargestellte künstlerische Tätigkeit sei der Kläger in den Blickwinkel von gewaltbereiten Gruppen geraten und in seinem Heimatland aus Sicht der Kammer extrem gefährdet. Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass der IS offiziell als besiegt gilt. Die Beklagte war daher verpflichtet, dem Kläger Schutz entsprechend der Tenorierung des Urteils zuzuerkennen.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen irakischen Kläger.

Leitsatz vom Informationsverbund Asyl & Migration:

Homosexuelle Personen sind im Irak von Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen betroffen, die gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG in ihrer Kumulierung einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte gleichkommt. Es droht ihnen physische oder psychische Gewalt. Staatliche oder sonstige Organisationen sind nicht willens oder in der Lage, gemäß § 3d Abs. 2 AsylG Schutz zu bieten, und es gibt auch keine innerstaatliche Schutzalternative, da es im ganzen Land zu Übergriffen auf homosexuelle Personen kommt.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen irakischen Kläger.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Jedoch droht dem Kläger im Falle einer Rückkehr durch das iranische Regime eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität. [...] Es drohen Verfolgungshandlungen in Form von Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzlichen, administrativen, polizeilichen oder justiziellen Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, sowie unverhältnismäßiger oder diskriminierender Strafverfolgung oder Bestrafung. Eine Geheimhaltung seiner sexuellen Orientierung kann dem Kläger nicht zugemutet werden. Eine inländische Fluchtalternative besteht nicht. 

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Sonstige Erkenntnisse

Iran

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG liegen vor. Aufgrund seiner Homosexualität besteht für den Kläger bei Rückkehr konkret die Gefahr von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte, da seine Homosexualität den Behörden bekannt ist. Dadurch droht die Gefahr der Inhaftierung oder der Prügelstrafe bei jedem Kontakt mit den iranischen Sicherheitsbehörden auch ohne konkreten Nachweis homosexueller Handlungen.

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Das Gericht ist von der irreversiblen lesbischen Veranlagung der Klägerin überzeugt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch können lesbische Betätigungen mit der Todesstrafe oder mit Peitschenhieben bestraft werden. Der iranische Staat duldet Homosexualität nicht. Das Gericht hält es für glaubhaft, dass die Klägerin schon vor der Ausreise wegen ihrer lesbischen Neigung Probleme gehabt hat. Bei Rückkehr in den Iran ist die Klägerin vor Verfolgung nicht hinreichend sicher.

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Bei Rückkehr droht dem Kläger im Iran als Homosexueller wegen seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung i. S. d. § 60 Abs. 1 AufenthG. Der seit seiner Pubertät irreversibel homosexuelle Kläger, dessen sexuelle Neigung bereits aktenkundig geworden ist, da er auf einschlägigen Partys angetroffen wurde, läuft Gefahr bei jedem Kontakt mit iranischen Sicherheitsbehörden, selbst wenn ihm keine konkreten homosexuellen Handlungen nachgewiesen werden können, inhaftiert oder der Prügelstrafe unterzogen zu werden. Bei den geringsten Anzeichen oppositionellen oder abweichenden Verhaltens besteht für den Kläger die konkrete Gefahr als Homosexueller bestraft zu werden.

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Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger bereits vor Ausreise aus dem Iran homosexuelle Kontakte hatte und seine homosexuellen Neigungen auch bei Rückkehr in den Iran weiterhin ausleben wird. Er wäre damit einer beachtlichen Verfolgungsgefahr ausgesetzt. Es ist ihm grundsätzlich nicht zuzumuten, gefahrenträchtige Verhaltensweisen zu vermeiden, um einer Verfolgung zu entgehen, die ihm sonst aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung drohen würde. Er hat daher Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG i. V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG. 

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Einem homosexuellen Iraner droht bei Rückkehr in sein Herkunftsland zumindest erniedrigende Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG, wenn nicht sogar die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe.

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1. Transsexuelle bilden im Iran, ebenso wie Homosexuelle, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer deutlich abgegrenzten sexuellen Identität eine bestimmte soziale Gruppe.

2. Von einer Transsexuellen kann nicht erwartet werden, auf das Ausleben ihrer sexuellen Ausrichtung im Iran zu verzichten oder ihre Transsexualität zu verheimlichen, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

3. Die über die reine Anwendung von Strafvorschriften hinausgehende Verfolgung Transsexueller, insbesondere erlittene Vergewaltigungen von staatlicher Akteuren oder von Privatpersonen ohne Schutzgewährleistung durch den iranischen Staat, ist flüchtlingsschutzrelevant.

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Die Auskunftslage belegt, dass offen gelebte Homosexualität - insbesondere von Männern - im Iran ein erhebliches Gefährdungspotenzial für (vornehmlich auch) staatliche Verfolgung in sich birgt und sich dieses Potenzial im Einzelfall zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit asyl- bzw. flüchtlingsrelevanter Bedrohung verdichten kann.

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1. Das Gericht hat bei der gebotenen richterlichen Beweiswürdigung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger tatsächlich homosexuell veranlagt ist, diese homosexuelle Veranlagung im Iran ausgelebt hat und auch hier in der Bundesrepublik Deutschland auslebt.

2. Homosexuellen droht im Iran nach den Informationen aus den vorliegenden Erkenntnisquellen flüchtlingsrelevante Verfolgung bzw. eine ernsthafte Gefahr menschenrechtswidriger Übergriffe.

3. Deshalb war die Beklagte unter Aufhebung der Nummer 2 des streitgegenständlichen Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 und 8 EMRK besteht.

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Dem Kläger droht aufgrund seiner sexuellen Orientierung auch Verfolgung, denn für homosexuelle Handlungen zwischen Männern setzt Art. 233 ff. des iranischen Strafgesetzbuchs als Regelstrafe die Todesstrafe fest (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8. Dezember 2016, Stand Oktober 2016, S. 11).

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Offen gelebte Homosexualität - insbesondere von Männern - birgt im Iran ein erhebliches Gefährdungspotenzial für staatliche Verfolgung in sich. Dieses Potenzial kann sich im Einzelfall zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit asyl- bzw. flüchtlingsrelevanter Bedrohung verdichten (vgl. zur Verfolgung Homosexueller auch VG Würzburg, Urt. v. 23.12.2015— W 6 K 15.30648 -, Juris, Rn. 40).

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1. Das iranische Strafgesetzbuch sieht für sexuelle Handlungen zwischen Männern die Todesstrafe vor, allerdings bei sehr hohen Beweisanforderungen. Aussagen darüber, in welchem Umfang und mit welcher Intensität strafrechtliche Ermittlungen wegen Homosexualität betrieben werden, sind wegen mangelnder Transparenz des iranischen Gerichtswesens nicht möglich. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

2. Die Auskunftslage belegt, dass offen gelebte Homosexualität insbesondere von Männern im Iran ein erhebliches Gefährdungspotenzial birgt und dieses sich im Einzelfall zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit asyl- bzw. flüchtlingsrelevanter Bedrohung verdichten kann. 

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1. Die Klägerin hat wegen der ihr zugeschriebenen Homosexualität und ihrer tat­sächlichen Transsexualität bei Rückkehr in den Iran Verfolgung in Gestalt von physischer und psychischer Gewalt, von gesetzlichen, administrativen, polizeilichen oder justiziellen Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, sowie in Form von einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung, begründet zu befürchten.

2. Die Klägerin kann nicht darauf verwiesen werden, dass sie sich einer vollständigen geschlechtsangleichenden Operation (einschließlich Penoidaufbau) unterziehen, auf diese Weise eine rechtliche Anerkennung als Mann im Iran erhalten und so eine Verfolgung wegen ihrer vermeintlichen Homosexualität vermeiden könnte. Es ist ihr nicht zumutbar, gegen ihren erklärten Willen einen Penoidaufbau durchführen lassen zu müssen. Dieser Eingriff geht ausweislich des vorgelegten ärztlichen Attestes von .......... vom 21. Juni 2019 mit erheblichen Risiken einher.

3. Selbst wenn die Klägerin die operative Geschlechtsangleichung vollständig durchführen ließe und eine rechtliche Anerkennung des männlichen Geschlechts erreichte, hätte sie nach den referierten Erkenntnissen aufgrund ihrer - nach wie vor anhand der "roten Karte" ersichtlichen - Transsexualität mit einer erheblichen Diskriminierung durch staatliche Stellen, einschließlich möglicher Schikane und Misshandlung zu rechnen (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, a.a.O., Rn. 31 ff.).

4. Das Gericht geht überdies davon aus, dass die Klägerin weder für den Ausreisezeitpunkt noch jetzt auf eine inländische Schutzalternative verwiesen werden kann. Jedenfalls die erörterte Verfolgungsgefahr aufgrund der ihr zugeschriebenen Homosexualität bestünde im gesamten Land gleichermaßen.

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Keine Flüchtlingsanerkennung für Frau aus dem Iran wegen Ehe mit transsexuellem Mann

Eine iranische Frau, die erst nach dessen geschlechtsangleichender Operation einen transsexuellen Mann geheiratet hat, wird nicht wegen ihr zugeschriebener Homosexualität staatlich verfolgt, da Geschlechtsumwandlungen staatlich akzeptiert sind und zum Teil von Krankenversicherungen unterstützt werden. Insofern ist auch bei Verfolgung durch Familienangehörige, welche die Ehe ablehnen, auf den Schutz durch staatliche Behörden bzw. eine inländische Fluchtalternative zu verweisen.

(Leitsätze der Asyl.Net Redaktion)

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für einen transsexuellen Kläger und eine wegen Homosexualität verfolgte Klägerin.

Im Iran sei Transsexualität im Gegensatz zur Homosexualität legalisiert. Homose­xualität sei eine Todsünde, Transsexualität dagegen eine Krankheit. Jedoch sehe die Realität im Iran anders aus, zumal Transsexuelle oftmals auch — insbe­sondere vor der Operation — für Homosexuelle gehalten werden. Homosexualität sei aber im Iran pönalisiert und mit der Todesstrafe belegt. Diskriminierende Gesetze und entsprechendes politisches Vorgehen gegen Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten im Iran erhöhten das Risiko, Opfer von Belästigungen oder sogar von tödlicher Gewalt zu werden; sexuelle Minderheiten im Iran würden sowohl von staatlichen als auch von privaten Akteuren schikaniert. Die Gefahren drohten auch vermeintlichen Homosexuellen. Gerade Transsexuelle gerieten unter den Verdacht, homosexuell zu sein.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für einen trans* Mann

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für einen bisexuellen iranischen Kläger.

Eine Verfolgungsgefahr aufgrund der sexuellen Orientierung darf nicht allein deswegen abgelehnt werden, weil der Betroffene auch in Deutschland seine sexuellen Neigungen im Hinblick auf Männer lediglich diskret bzw. im Verborgenen auslebt (Tenor).

Dem Kläger drohten gerade wegen seiner Bisexualität Verfolgungshandlungen im Herkunftsland. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger auch in Deutschland seine sexuellen Vorlieben im Hinblick auf Männer lediglich im Verborgenen auslebe. Zum einen führe die diskrete Lebensweise des Klägers nicht dazu, dass die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung abzulehnen wäre, denn die Gefahr einer Verdächtigung oder Entdeckung der Bisexualität bestünde auch dann, wenn der Kläger sich im Iran nur heimlich mit anderen Männern treffe.

Zum anderen sei dem Kläger eine Rückkehr in den Iran wegen seiner diskreten Lebensweise nicht eher zuzumuten als jemandem, der an exponierter Stelle in der deutschen LGBTI-Community aktiv sei oder offen in Partnerschaft mit einem Mann lebe. Die sexuelle Betätigung betreffe die Intimsphäre eines Menschen. Aus einer zurückhaltend ausgelebten Sexualität dürfe daher nicht ohne weiteres auf ein fehlendes oder geringes Bedürfnis dazu geschlossen werden. Dies gelte umso mehr, wenn der Betreffende in einem gesellschaftlichen Umfeld wie im Iran aufgewachsen sei, in dem jedwede Sexualität ein tabuisiertes Thema sei und abweichende sexuelle Orientierungen als krankhaft und kriminell geächtet würden. Es sei zu erwarten, dass für die Betroffenen aufgrund der erlebten Stigmatisierung ihre sexuelle Orientierung auch nach der Flucht noch lange ein scham- oder gar schuldbesetztes Thema bleibe. Daher seien Prognosen hinsichtlich des zukünftigen Auslebens der sexuellen Neigungen grundsätzlich problematisch. Sie dürften jedenfalls nicht entscheidender Maßstab für die Frage der Zumutbarkeit einer Rückkehr ins Herkunftsland sein. Das entspreche der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil v. 07.11.2013, Rs. C-199/12 bis C-201/12). Wie sich aus der kürzlich erfolgten Korrektur zweier Übersetzungsfehler des Urteils ergebe, wollte der Gerichtshof mit diesem Urteil den Behörden auch untersagen, eine mögliche Diskretion des Klägers hinsichtlich seiner sexuellen Identität prognostisch zu vermuten – etwa aufgrund einer bisher sexuell zurückhaltenden Lebensweise –  und daraus Schlüsse zu ziehen.

Eine dauerhafte und erzwungene Unterdrückung seiner Neigungen im Iran sei für den Kläger unzumutbar. Die Entscheidung, wie jemand seine sexuelle Orientierung auslebe und insbesondere, ob er sich offen zu seiner sexuellen Orientierung bekennen wolle oder nicht, sei eine höchstpersönliche, deren Bewertung dem Gericht entzogen ist.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht gegeben, denn die oben dargestellte Situation für Homo- und Bisexuelle gelte im gesamten Iran.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für lesbische iranische Klägerin.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für lesbische iranische Klägerin.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für lesbische iranische Klägerin.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für bisexuellen Kläger aus dem Iran.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Iraner.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Das Gericht ist überzeugt, dass der Kläger tatsächlich homosexuell veranlagt ist und schon im Heimatland seine sexuelle Orientierung ausgelebt hat. Allerdings wird davon ausgegangen, dass er den Iran unverfolgt verlassen habe. [...] Er betont, dass er seine Homosexualität im Iran nicht frei ausleben könne und befürchte dort getötet zu werden. Den vorliegenden Erkenntnisquellen nach ist Homosexualität im Iran nicht legalisiert und stellt eine Todessünde dar. Offen gelebte Homosexualität birgt im Iran ein erhebliches Gefährdungspotenzial für (vornehmlich auch) staatliche Verfolgung. Dieses Potential kann sich im Einzelfall auch zu einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung verschärfen.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für lesbische iranische Klägerin.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Es ist "[...] der Klägerin nicht zumutbar, in den Iran zurückzukehren und ihre sexuelle Identität zu verleugnen, ihre Neigung zu unterdrücken oder das Risiko staatlicher Verfolgung auf sich zu nehmen. Homosexualität und homosexuelle Beziehungen sind im Iran strafbar. Aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung, bis hin zum Verhängen der Todesstrafe bei wiederholter Verurteilung wegen homosexueller Lebensweise sowie sozialer Ausgrenzung, ist ein öffentliches „Coming out" im Herkunftsland grundsätzlich nicht möglich.

Da die Klägerin seitens des Staates verfolgt zu werden droht, scheidet ein Rückgriff auf staatliche Schutzakteure aus. Ebenso wenig liegen stichhaltige Anhaltspunkte dafür vor, dass ihr von nichtstaatlichen Akteuren im Iran Schutz gewährt werden könnte. Deshalb komme die Inanspruchnahme internen Schutzes i. S. v. § 3e AsylG wegen der im ganzen Land drohenden staatlichen Verfolgung nicht in Betracht. [...]"

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Iraner.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Der Kläger hat sein Schicksal als Homosexueller glaubhaft geschildert, sodass das Gericht überzeugt ist, dass er tatsächlich homosexuell ist und seine Sexualität im Bundesgebiet auch auslebt. Im Iran stellt Homosexualität eine Todessünde dar und das iranische Strafgesetzbuch sieht für sexuelle Handlungen zwischen Männern die Todesstrafe vor. Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten haben ein erhöhtes Risiko Opfer von Belästigungen, verbalen, gewalttätigen oder sexuellen Übergriffen oder sogar tödlicher Gewalt zu werden. Man geht davon aus, dass dem Kläger bei Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht, sofern er seine Homosexualität und deren Ausleben nicht aus Angst vor Verfolgung unterdrücken und verheimlichen würde. Daher ist es dem Kläger aufgrund der im Iran herrschenden Verhältnisse nicht zuzumuten dorthin zurückzukehren.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für bisexuelle Iranerin.

Amtliche Leitsätze:

1. Angesichts des sensiblen Charakters von Informationen, die die persönliche Intimsphäre einer Person, insbesondere ihrer Sexualität, betreffen, kann nicht allein daraus, dass diese Person, weil sie etwa zögert, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren, geschlossen werden kann, dass sie deshalb unglaubwürdig ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Homosexuelle und bisexuelle Menschen stellen im Iran eine soziale Gruppe iSd § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Iraner.

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Sonstige Erkenntnisse

Queer.de v. 20.04.2017: Iran verhaftet mehr als 30 vermeintliche Homosexuelle - LGBTI-Aktivisten berichten von einer Massenverhaftung im Land der Mullahs. Volker Beck fordert ein Einschreiten der Bundesregierung.

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Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE - BT-Drs. 19/8169 v. 06.03.2019:

Frage 24. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Situation von Lesbischen, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen (LSBTI) im Iran, und wie hat sich diese Situation in den letzten fünf Jahren verändert?

"Die Lage von Lesbischen, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen im Iran ist schwierig. Homo-/Bisexualität ist ein Tabuthema und auf bi-/homosexuelle Handlungen steht in bestimmten Fällen die Todesstrafe. Aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und sozialer Ausgrenzung ist ein öffentliches "Coming out" grundsätzlich nicht möglich. Wegen der mangelnden Transparenz des iranischen Gerichtswesens ist keine eindeutige Aussage darüber möglich, in welchem Umfang und mit welcher Intensität strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen wegen Bi-/Homosexualität tatsächlich betrieben werden. Komplizierte Beweisregeln führen dazu, dass Verurteilungen auf Grundlage des Tatbestandes homosexueller Handlungen sehr selten sind. Die Stellung von Transsexuellen unterscheidet sich in Iran von der von Homosexuellen insofern, dass Geschlechtsumwandlungen möglich sind und auch regelmäßig vorgenommen werden. Die scheinbar progressive Haltung zu Transsexualität entpuppt sich zumindest teilweise als Festhalten an einer strikt binären Einteilung in Mann und Frau."

Jamaika

1. Eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind und die im Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, auch tatsächlich verhängt wird, stellt sich als eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung dar und fällt unter den Begriff der Verfolgungshandlung; nicht hingegen der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen überhaupt unter Strafe gestellt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-199/12-, juris Rn. 56 ff.). Den Erkenntnissen ist zu entnehmen, dass die tatsächliche Verhängung von Strafen durch den Staat gegen Homosexuelle nicht erfolgt.
2. Die allgemeine gesellschaftliche Ächtung der Homosexualität in Jamaika führt auch nicht zur Annahme einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure gemäß § 3c Nr. 3 AsylG, denn die Regierung hat einige Bemühungen unternommen, um für ein größeres Verständnis der Belange der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendergemeinschaft (LGBT) zu werben.
3. Ungeachtet dessen besteht für den Kläger jedenfalls eine inländische Fluchtalternative gemäß § 3e Abs. 1 AsylG. In Jamaika stehen der LGBT-Gemeinschaft Rückzugsorte, vornehmlich an der Nordküste bei touristischen Hotels, zur Verfügung.

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1. Dem Kläger, der nach seinem glaubhaften Vortrag bereits in Jamaika wegen seiner Homosexualität verfolgt wurde, droht wegen dieser Eigenschaft im Falle der Rückkehr nach Jamaika politische Verfolgung i.S.d. § 3c Nr.1 AsylG).
2. Eine unmittelbare Verfolgung durch den Staat gem. § 3c Nr. 1 AsylG hat der Kläger bis zu seiner Ausreise nicht erfahren. Ihm droht im Falle seiner Rückkehr auch keine tatsächliche Gefahr einer solchen Verfolgung. Eine solche könnte sich nur auf Grund der dort bestehenden Strafvorschriften ergeben. Nach Überzeugung des Gerichts reicht die bloße Strafandrohung im Gesetz nicht aus, um eine staatliche Verfolgung zu begründen. Entscheidend ist vielmehr, dass die entsprechenden Handlungen auch tatsächlich strafrechtlich verfolgt werden. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn keine der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Dokumente gibt irgendwelche Hinweise auf eine tatsächliche Anwendung der genannten Strafvorschriften gegenüber Homosexuellen.
3. Dem Kläger drohte und droht jedoch Verfolgung i. S. d. § 3c Nr. 3 AsylG in der Form einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure. Nach Überzeugung des Gerichts ist der jamaikanische Staat zwar grundsätzlich willens, Homosexuelle, Bisexuelle, Lesben und Transgender (LGBT), die sich dort offen zu ihrem Anderssein bekennen, vor Übergriffen Dritter zu schützen. Allerdings gibt es ernstzunehmende Berichte, dass die Polizei auch deshalb kaum Täter ermittelt, weil sie - jedenfalls in Teilen - ebenfalls homophob ist. Dies ist durchaus glaubhaft vor dem Hintergrund, dass die Abneigung gegen LGBT jedenfalls in der jamaikanischen Unterschicht tief verwurzelt ist. Im Übrigen ist das gesamte Justizsystem überlastet, schlecht ausgestattet und ineffektiv.
4. Zusammenfassend ist das Gericht auf Grund dessen der Überzeugung, dass ein homosexueller Kläger, der vorverfolgt ausgereist ist und dem es nicht zuzumuten ist, sich bei seiner Rückkehr nach Jamaika unauffällig zu verhalten, wegen des nur begrenzten Schutzes durch die Polizei der realen Gefahr von Übergriffen auf Grund seiner sexuellen Andersartigkeit ausgesetzt ist

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1. Eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind und die im Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, auch tatsächlich verhängt wird, stellt sich als eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung dar und fällt unter den Begriff der Verfolgungshandlung; nicht hingegen der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen überhaupt unter Strafe gestellt sind. Solchen Feststellungen können nicht getroffen werden.
2. Die allgemeine gesellschaftliche Ächtung der Homosexualität in Jamaika führt auch nicht zur Annahme einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure gemäß § 3c Nr. 3 AsylG. Dies wäre nur der Fall, wenn die in § 3c Nr. 1 und 2 AsylG genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Davon ist nicht auszugehen.
3. Auch aus individuellen Gründen drohte bzw. droht dem Kläger in Jamaika keine politische Verfolgung. Dabei kann offenbleiben, ob der Sachvortrag des Klägers den Tatsachen entspricht. Selbst wenn dies zutreffen sollte, muss er sich auf eine inländische Fluchtalternative gemäß § 3e Abs. 1 AsylG verweisen lassen.
4. Homosexuellen stand und steht in Jamaika gegenwärtig und in absehbarer Zukunft eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung, insbesondere an der Nordküste des Landes bei touristischen Hotels. Zudem hat der jamaikanische Staat in der Hauptstadt Kingston für obdachlose Homosexuelle ein Obdachlosenheim geschaffen.
5. Aufgrund der persönlichen Umstände ist dem Kläger eine Ansiedlung an der Nordküste Jamaikas auch zumutbar. So hat er dort die Möglichkeit, wie bisher in Hotels und in der Gastronomie zu arbeiten. Zudem ist nichts dafür ersichtlich, dass er in dieser Region als Homosexueller bekannt ist. Folgerichtig hat sich der Kläger vor seiner Ausreise auch in der jamaikanischen Touristenhochburg Montegobay aufgehalten

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1. Zwar ist Homosexualität als solche in Jamaika nicht illegal. Jedoch wird Homosexualität in Jamaika ausweislich der Erkenntnisquellen von der Gesellschaft stark geächtet, so dass Homosexuelle daher teilweise mit gewalttätigen Übergriffen zu rechnen haben.
2. Die jamaikanische Regierung hat zwar einige Bemühungen unternommen, um für ein größeres Verständnis der Belange der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendergemeinschaft (LGBT) zu werben. Im Falle der Klägerin führt dies jedoch nicht dazu, dass man davon ausgehen könnte, dass sie im Falle einer Rückkehr mit ihrer Lebensgefährtin einigermaßen sicher vor privater Verfolgung leben könnte. Dagegen spricht schon der Umstand, dass das Paar trotz mehrerer Umzüge immer wieder asylrelevanten Maßnahmen ausgesetzt war und damit eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.
3. Auch stand und steht der Klägerin keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die Kammer geht zwar in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 21. Juli 2016 - 1 K 7/16.KS.A - und Urteil vom 26. April 2018- 1 K 4813/17.KS.A -) davon aus, dass Homosexuellen in Jamaika gegenwärtig und in absehbarer Zukunft eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stand und steht, insbesondere an der Nordküste des Landes bei touristischen Hotels. Zudem hat der jamaikanische Staat in der Hauptstadt Kingston für obdachlose Homosexuelle ein Obdachlosenheim geschaffen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 9. Juni 2015). Dies gilt jedoch nicht für die Klägerin und ihre Lebensgefährtin, da sie, wie die Klägerin überzeugend geschildert hat, landesweit verfolgt wurden. Dass dies im Rückkehrfalle jetzt anders sein sollte, vermag das Gericht nicht festzustellen.

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1. Homosexualität als solche ist in Jamaika nicht illegal. Allerdings verbietet das sog. Buggery Law innerhalb des "Offences Against the Person Act" als Straftatbestand einvernehmlichen Analverkehr und bewehrt dies mit einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren. Dabei sind homo- und heterosexuelle Beziehungen gleichsam betroffen. Nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes kam es in den letzten Jahren aber zu keinen Verurteilungen (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. August 2018).
2. Dem Kläger drohte und droht jedoch Verfolgung in der Form einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, vor welcher der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu bieten. Gegen diese Verfolgung kann der Kläger mithin keine bzw. nur begrenzte staatliche Hilfe in Anspruch nehmen (vgl. VG Kassel, Urteil vom 15. August 2018 -1 K 6747/17.KS.A; VG Gießen, Urteil vom 2. März 2018 - 2 K 4928/17.GI.A).
3. Soweit die Beklagte die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Kassei heranzieht, wonach Homosexuellen in Jamaika gegenwärtig und in absehbarer Zukunft eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stand und steht, insbesondere an der Nordküste des Landes bei touristischen Hotels, vermag das Gericht dieser Einschätzung im Hinblick auf den Kläger nicht zu folgen. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Kläger den homophoben Angriffen seitens der jamaikanischen Gesellschaft landesweit ausgesetzt war bzw. sein wird. So schilderte der Kläger, von Kingston nach Montego Bay gegangen und dort aber aufgrund der Übergriffe auf ihn nur kurz geblieben zu sein. Daher geht das Gericht davon aus, dass auch in diesem Touristengebiet der Kläger keinen sicheren Ort finden konnte.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für HIV-positiven homosexuellen Mann aus Jamaika.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Der jamaikanische Staatsangehörige gibt an, dass er aufgrund seiner Homosexualität in seinem Herkunftsland gesellschaftlich nicht akzeptiert werde. Er habe Diskriminierung, Bedrohung und Gewalt wegen seiner sexuellen Orientierung erfahren. Bei einer Rückkehr nach Jamaika befürchtet er, erneut angegriffen zu werden. Zudem ist der Kläger HIV-positiv. Nachdem das BAMF seinen Asylantrag ablehnt, erhebt der Kläger Klage.

Es besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für den Kläger, da ihm in Jamaika mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht und er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb des Heimatlandes aufhält. [...] Das Gericht geht auch davon aus, dass die vom Kläger erlittenen Handlungen in ihrer Summe ausreichend schwer sind, um als Verfolgungshandlung qualifiziert zu werden. Man ist außerdem davon überzeugt, dass staatliche Stellen nicht willens oder in der Lage sind, ausreichend Schutz vor Verfolgung zu bieten, wie bereits in der Vergangenheit geschehen. Weil der Kläger vorverfolgt i.S.v. Art. 4 Abs. 4 QRL ausgereist ist, greift zu seinen Gunsten die Vermutung, dass er auch bei einer Rückkehr verfolgt werden wird. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in einer anderen Region Jamaikas steht dem Kläger auch nicht zur Verfügung

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Mann aus Jamaika.

Amtlicher Leitsatz:

Männern, deren Homosexualität bedeutsamer Bestandteil ihrer sexuellen Identität ist, droht gegenwärtig in Jamaika mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure. Homosexuelle Männer haben in Jamaika nicht die Möglichkeit, internen Schutz vor Verfolgung zu erhalten.

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Sonstige Erkenntnisse

1. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes müssen Menschen in Jamaika wegen ihrer sexuellen Orientierung, besonders Homosexuelle, immer wieder mit Belästigungen und Gewalttaten rechnen. Die tiefreligiöse Zivilgesellschaft ist gegenüber sexuellen Minderheiten (LGBT) negativ bis feindlich eingestellt.
2. Nicht-staatliche Gewalt gegen Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung ist leider regelmäßig festzustellen.Staatliche Kräfte verfolgen natürlich diese Straftaten als solche, unternehmen aber nichts zum Schutz der Betroffenen oder aktiv zur Aufklärung der Bevölkerung.

Kamerun

1. Die sexuelle Orientierung ist ein asylerhebliches Merkmal i.S.v. Art. 16a Abs 1 GG.
2. In Kamerun unterliegen gleichgeschlechtlich Orientierte staatlicher Verfolgung
3. Dabei dient Art. 347 KamStGB nicht allein zur Verteidigung der öffentlichen Moral, sondern in der Lebenswirklichkeit Kameruns geht es bei Maßnahmen der Strafverfolgung insofern im Allgemeinen um die vermutete oder unterstellte gleichgeschlechtliche Orientierung, die allein Anlass der staatlichen Maßnahmen ist.
4. Angesichts der katastrophalen Zustände in den kamerunischen Gefängnissen ist jede Haft mit Gefahr für Gesundheit, Leib oder Leben verbunden, weshalb die Strafverfolgung gemäß Art. 347 StGB auch bei einer Höchststrafe von 5 Jahren die "Asylschwelle" über-schreitet.
5. Ein Rückzug in das Leben als Homosexueller im Verdeckten (von manchen Gerichten als sog. forum internum bezeichnet) ist gleichgeschlechtlich Orientierten allgemein asylrechtlich nicht zumutbar.
6. Eine inländische Fluchtalternative für gleichgeschlechtlich Orientierte existiert in Kamerun nicht.
7. Einzelfall, in dem gleichgeschlechtliche Orientierung und vor der Flucht erfolgte hieran anknüpfende Verfolgung festgestellt werden konnte. Bei nachvollziehbarer Flugeinreise führte dies zur Asylanerkennung.

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1. Homosexuelle bilden in Kamerun eine "soziale Gruppe" im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2004/83/EG.
2. Auch öffentlich bemerkbare homosexuelle Verhaltensweisen sind nicht grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2004/83/EG ausgenommen.
3. Allerdings unterliegen Homosexuelle in Kamerun nach derzeitiger Erkenntnislage keiner Gruppenverfolgung. Deshalb bedarf es in jedem Einzelfall, in dem ein Antragsteller geltend macht, er werde wegen seiner sexuellen Ausrichtung verfolgt, einer Gesamtwürdigung seiner Person und seines gesellschaftlichen Lebens und darauf aufbauend einer individuellen Gefahrenprognose.
a) Zu prüfen ist dabei, wie sich der einzelne Schutzsuchende bei seiner Rückkehr im Hinblick auf seine sexuelle Ausrichtung verhalten wird und wie wichtig diese Verhaltensweise für seine Identität ist.
b) Nicht beachtlich ist, ob er mit Rücksicht auf drohende Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 RL 2004/83/EG auf das behauptete Verhalten verzichten würde. Erst recht darf nicht angenommen werden, dass ein Schutzsuchender nur dann tatsächlich von einer Verfolgung bedroht ist, wenn er sich trotz der drohenden Verfolgungshandlung in dieser Weise verhalten würde und praktisch bereit wäre, für seine sexuelle Orientierung Verfolgung auf sich zu nehmen. Würde er jedoch aus nicht unter Art. 9 RL 2004/83/EG fallenden Gründen - etwa aus persönlichen Motiven oder aufgrund familiären oder sozialen Drucks oder Rücksichtnahmen - ein bestimmtes Verhalten im Herkunftsland nicht ausüben, ist ein solcher Verhaltensverzicht zu berücksichtigen.
c) Je mehr ein Schutzsuchender mit seiner sexuellen Ausrichtung in die Öffentlichkeit tritt und je wichtiger dieses Verhalten für seine Identität ist, desto mehr erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass er verfolgt werden wird.

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1. Als homosexuell identifizierte Personen unterliegen in Kamerun gesellschaftlicher Stigmatisierung bis hin zu staatlicher Verfolgung auf der Grundlage einschlägiger Strafbestimmungen. Mitglieder von LGBT-Organisationen, die sich für die Anliegen u.a. homosexueller Männer einsetzen, sind bisweilen heftigen Repressalien ausgesetzt.
2. HIV-Infektionen sind in den großen Städten Kameruns inklusive Diagnose und Medikamentenausgabe kostenfrei behandelbar.

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In Kamerun werden Personen nicht wegen homosexueller Handlungen, sondern wegen der vermuteten gleichgeschlechtlichen Orientierung als solcher verhaftet und verurteilt. Dabei werden Beschuldigte regelmäßig allein aufgrund eines Verdachtes (oder einer Denunziation) und ohne Haftbefehl in Bars, Diskotheken oder in ihren Wohnungen verhaftet oder in Gewahrsam genommen, obwohl dies eigentlich nur bei einem Antreffen in flagrante delicto zulässig wäre.

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Das BAMF hat mit Bescheid mit Datum vom 22.03.2018 einer lesbischen Frau die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Gz. 7327324-262). Der Fall wurde von Rosalinde Leipzig e.V. (Queer Refugees Network) betreut, die bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht:

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Das BAMF hat mit Bescheid mit Datum vom 17. April 2018 einem schwulen Mann  die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Gz. 7212195-262). Der Fall wurde von  Rosalinde Leipzig e.V. (Queer Refugees Network) betreut, die bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht:

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Das BAMF hat mit Bescheid mit Datum vom 15. August 2018 einer lesbischen Frau  die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Gz. 7356014-262). Der Fall wurde von  Rosalinde Leipzig e.V. (Queer  Refugees Network) betreut, die bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht:

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1. Dem Kläger drohen im Falle seiner Rückkehr nach Kamerun mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrelevante Verfolgungsmaßnahmen in Anknüpfung an seine Homosexualität.

2. Bei Homosexuellen, die in Kamerun offen ihre Veranlagung leben und dort deshalb als solche öffentlich bemerkbar sind, kann nach Auswertung der vorhandenen Erkenntnismittel mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sie deswegen verfolgt werden. Zudem widersprechen die Haftbedingungen gerade für Personen, die als homosexuell angesehen werden, sehr häufig den Anforderungen aus Art. 3 EMRK. Außerdem ist es beachtlich wahrscheinlich, dass Homosexuelle, die in Kamerun offen ihre Veranlagung leben und dort deshalb öffentlich bemerkbar sind, auch von privater Seite Verfolgungshandlungen erleiden (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.03.2013 - A 9 S 1872/12 - Rdnr. 102, juris). 

3. Bei der Gefahrenprognose können nicht bestimmte Verhaltensweisen von vornherein für verzichtbar angesehen werden. Maßgebend ist allein das identitätsprägende Merkmal als solches. Verfolgung bleibt auch dann eine Verfolgung, wenn der Betroffene nach Rückkehr in sein Herkunftsland die Möglichkeit hat, sich bei der Ausübung seiner Rechte und Freiheiten diskret zu verhalten (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.03.2013 - A 9 S 1872/12 - Rdnr. 48, juris).

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Mann:

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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1. In Kamerun werden homosexuelle Handlungen gemäß Art. 347-1 des kamerunischen Strafgesetzbuches mit einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren sowie Geldstrafen zwischen 30 und 300 EUR bestraft und im Einzelfall auch verfolgt.
2. Wird Homosexualität in Kamerun nicht öffentlich bemerkbar oder gar heimlich gelebt, ist nicht ohne Weiteres mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer drohenden Verfolgung auszugehen. Zwar kann es auch in Fällen einer im Verborgenen gelebten homosexuellen Veranlagung vereinzelt zu Verfolgungshandlungen kommen. Insoweit besteht jedoch noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass jeder homosexuelle Veranlagte, der die Veranlagung im Verborgenen lebt, eine Verfolgungshandlung erleiden wird.
3. Bei Homosexuellen, die in Kamerun offen ihre Veranlagung leben und dort deshalb als solche öffentliche bemerkbar sind, kann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sie deswegen verfolgt werden. In diesem Fall ist von einem erheblichen Risiko auszugehen, dass sie durch den Staat strafrechtlich verfolgt und in Haft genommen sowie verurteilt werden, was eine Verfolgungsmaßnahme begründet. Zudem widersprechen die Haftbedingungen gerade für Personen, die als homosexuell angesehen werden, sehr häufig den Anforderungen aus Art. 3 EMRK. Außerdem ist es beachtlich wahrscheinlich, dass Homosexuelle, die in Kamerun offen ihre Veranlagung leben und dort deshalb öffentlich bemerkbar sind, auch von privater Seite Verfolgungshandlungen erleiden, wie etwa physische Gewalt, ohne dass staatliche Stellen in der Lage oder willens wären, hiervor Schutz zu bieten.
4. Es ist auf der Grundlage der Erkenntnismittel nicht ersichtlich, dass hinsichtlich der Situation Homosexueller in Kamerun regionale Unterschiede bestehen, mit der Folge, dass Homosexuelle in einem bestimmten Landesteil Kameruns Schutz vor Verfolgung erlangen bzw. unbehelligt einreisen könnte.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Mann:

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Mann:

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §3 AsylG für homosexuellen Kläger aus Kamerun.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Das Gericht ist zur vollen Überzeugung gelangt, dass die Angaben des Klägers über sein Verfolgungsschicksal als Homosexueller in Kamerun der Wahrheit entsprächen. Seine Erzählungen über die Aufdeckung seiner Homosexualität durch einen ehemaligen Partner sowie seine anschließende Inhaftierung und Flucht hieraus seien stringent und nachvollziehbar. Die unklaren Umstände der Ausreise an sich führten zu keinen Zweifeln an seiner generellen Glaubwürdigkeit.

Das öffentliche Ausleben von Homosexualität werde in Kamerun sowohl staatlich als auch gesellschaftlich verfolgt. Eine Verbergung seiner Sexualität könne vom Kläger nicht erwartet werden, weshalb dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine landesweite Verfolgung drohe. [...]

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Zuerkennung des Flüchtlingsstatus: Dem Kläger drohe in Kamerun sowohl eine strafrechtliche Verfolgung wegen tatsächlicher oder unterstellter homosexueller Handlungen als auch schwerwiegende Übergriffe gegen Leib und Leben durch die umgebende Mehrheitsbevölkerung. 

Homosexuelle Handlungen stünden in Kamerun für Frauen und Männer gleichermaßen unter einer Strafdrohung von sechs Monaten bis fünf Jahren Haft sowie einer Geldstrafe zwischen umgerechnet ca. 30 und 300 Euro. Daneben gebe es eine Strafbarkeit mit Freiheitsstrafe zwischen einem und zwei Jahren sowie mit  Geldstrafe für sexuelle Aufforderungen im Netz.

Hinzu trete die in Kamerun sehr weit verbreitete homophobe Einstellung der Gesellschaft, die von der Regierung nicht erkannt und bekämpft werde. Festnahmen aufgrund tatsächlicher oder unterstellter homosexueller Handlungen kämen vor. Es gebe Berichte über Belästigungen, Erpressungen und falsche Anschuldigungen durch Polizisten. Im familiären Umfeld erführen LSBTI Personen Ächtung und Misshandlung.

Es sei davon auszugehen, dass der kamerunische Staat zwar fähig, aber nicht willens sei, effektiven Schutz zu gewähren.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Kläger aus Kamerun.

Amtliche Leitsätze:

1. Nach wie vor keine Gruppenverfolgung Homosexueller in Kamerun (im Anschluss an VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.03.2013 – A 9 S 1872/12).

2. Bei Homosexuellen, die in Kamerun offen ihre Veranlagung leben und dort deshalb als solche öffentlich bemerkbar sind, kann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit da-von ausgegangen werden, dass sie deswegen verfolgt werden.

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Im Fall des Klägers liege die Gefahr einer Verfolgung zum einen durch staatliche Akteure gemäß § 3c Nr. 1 AsylG sowie - mangels Schutzbereitschaft des kamerunischen Staates - durch nichtstaatliche Akteure i.S.v. § 3c Nr. 3 AsylG vor. Bei Rückkehr nach Kamerun drohten dem Kläger sowohl eine strafrechtliche Verfolgung als auch eine Gefahr für Leib und Leben durch die Bevölkerung Kameruns.

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Homosexuellen aus Kamerun ist regelmäßig die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn eine entsprechende identitätsprägende sexuelle Orientierung glaubhaft gemacht ist.

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Das BAMF hat mit Bescheid mit Datum vom 24. Juni 2021 einem schwulen Mann  die Flüchtlingseigenschaft auf Grund eines Folgeantrages zuerkannt (Gz. 8421743-262). Der Fall wurde von Rosalinde Leipzig e.V. (Queer Refugees Network) betreut, die bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht:

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger aus Kamerun.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger aus Kamerun.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Kläger aus Kamerun.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Zur Überzeugung des Gerichts droht ihm im Falle einer Rückkehr nach Kamerun mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung in Anknüpfung an seine sexuelle Orientierung. Das Bestehen strafrechtlicher Bedingungen, die spezifisch Homosexuelle betreffen, erlauben die Feststellung, dass diese eine bestimmte soziale Gruppe darstellen. Zudem werden sie von der Gesellschaft als andersartig betrachtet und besitzen somit eine deutlich abgegrenzte Identität. Von einer Gruppenverfolgung kann jedoch mangels Gruppendichte nicht ausgegangen werden. Die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Delikte wurde weitgehend eingestellt. Unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Klägers ist jedoch davon auszugehen, dass ihm bei Rückkehr sowohl von staatlichen als auch nichtstaatlichen Akteuren flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlungen drohen. Der Vortrag des Klägers war von hinreichend Realkennzeichen geprägt und ist somit glaubwürdig. Im Rahmen der individuellen Gefahrenprognose ist das Gericht überzeugt, dass es dem Kläger identitätsprägend und unverzichtbar ist, seine sexuelle Orientierung offen auszuleben. Aus seinem Vortrag wird deutlich, dass er bereits eine entsprechende Vorverfolgung erlitten hat, weshalb davon auszugehen ist, dass seine Verfolgungsfurcht begründet ist. Stichhaltige Gründe gegen die Wiederholungsvermutung liegen nicht vor. Auf internen Schutz kann er nicht verwiesen werden, da diese Verfolgung landesweit droht. Auch am Schutzwillen der staatlichen Behörden fehlt es.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Kläger aus Kamerun.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Bei Homosexuellen, die in Kamerun offen ihre Veranlagung leben und dort deshalb als solche öffentlich bemerkbar sind, kann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sie deswegen verfolgt werden werden. Aus diesem Grund drohen dem Kläger bei einer Rückkehr nach Kamerun zur Überzeugung des Gerichts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit relevante Verfolgungshandlungen durch den Staat (§ 3 c Nr. 1 AsylG) und durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der Staat Kamerun ihm wirksamen Schutz hiervor bieten würde (§§ 3 c, 3 d AsylG). Da Homosexualität im Kamerun per Gesetz verboten und strafbewehrt ist, werden sich Opfer von aus diesem Grunde an ihnen ausgeübter Gewalt nicht an die Behörden wenden können. Der Kläger kann schließlich bei seiner Rückkehr nicht auf eine derzeit bestehende inländische Fluchtalternative nach § 3 e AsylG verwiesen werden. Wegen des fehlenden Schutzwillens staatlicher Institutionen kann der Kläger keinen internen Schutz vor der ihm drohenden Verfolgung in Kamerun erlangen. Das allein probate Mittel der Diskretion kann - wie dargelegt - nicht von ihm verlangt werden, da das öffentliche Bekenntnis zu seiner Homosexualität mittlerweile zu einem unverzichtbaren Bestandteil seines Lebens geworden ist.

 

Kenia

Zwar werden in den Artikeln 162, 163 und 165 des Strafgesetzbuchs von Kenia Tatbestände normiert, die in Anknüpfung an homosexuelle Handlungen Freiheitstrafen bis zu 14 Jahren vorsehen. Jedoch gibt es keine Erkenntnisse darüber, dass diese Strafen tatsächlich auch verhängt und exekutiert werden.

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1. Es ist nicht erkennbar, dass die Homosexualität des Klägers bei seiner Rückkehr nach Kenia außerhalb des bereits informierten Kreises, der ihn nicht verfolgt hat, für Dritte offenkundig wäre.

2. Dem Kläger droht auch keine staatliche Verfolgung, denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass über das Anstrengen von Ermittlungsverfahren hinaus, Freiheitsstrafen in Anknüpfung an die Strafvorschriften gegen homosexuelle Handlungen tatsächlich verhängt werden.

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Allein das Vorliegen von Strafvorschriften bezüglich bestimmter homosexueller Betätigungen begründet in Kenia keine begründete asylrelevante Verfolgungsgefahr.

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Die Klägerin wird keiner landesweiten Verfolgung ausgesetzt. Eine ernsthafte Schädigung oder eine Gefahrenlage sind unwahrscheinlich. Die Strafrechtliche Ahndung homosexueller Handlungen wird in Kenia nur sporadisch angewandt. Auch eine generelle Verfolgung durch die Polizei ist nicht ersichtlich. Homosexualität wird zwar aus kulturellen und religiösen Gründen kritisch betrachtet, dennoch sind Anzeichen für eine gesellschaftliche Trendwende zu sehen. Die Ablehnung, Ausgrenzung und Diskriminierung durch die Zivilgesellschaft erreicht nicht die erforderliche Verfolgungsdichte. Darüber hinaus gibt es regionale Unterschiede. So werden Homosexuelle in der Hauptstadt Nairobi weder einer systematischen Gewalt ausgesetzt, noch ist diese überhaupt verbreitet. Folglich sind innerstaatliche Fluchtalternativen gegeben. Eine Vorverfolgung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

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In Kenia drohe keine Gruppenverfolgung, dafür fehle es an der erforderlichen Gefahrendichte. Zwar stelle das kenianische Strafrecht homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe (§§ 162-165 Kenyan Penal Code). Jedoch würden die Strafvorschriften in der Praxis entweder gar nicht (Auswärtiges Amt, Kenia: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 4. Juli 2016) oder nur sporadisch (Human Rights Watch, World Report 2015, Kenya) angewandt. Im Ergebnis nichts anderes gelte für eine Verfolgung Homosexueller durch die kenianische Zivilgesellschaft. Zwar werde Homosexualität in Kenia aus kulturellen und religiösen Gründen kritisch betrachtet. Eine Mehrheit lehne jedoch eine Strafbarkeit von Homosexualität ab.

Der Kläger könne sich auch nicht erfolgreich auf eine Vorverfolgung berufen. Er könne auf Nairobi als Ort internen Schutzes verwiesen werden. Er habe nicht nachgewiesen, dass die Einschränkungen, denen er sich wegen seiner Homosexualität in Nairobi unterwerfen müsse, ein zentrales Element seiner homosexuellen Identität seien. Er habe lediglich abstrakt den Menschenrechtsverstoß behauptet.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Kläger aus Kenia.

Amtliche Leitsätze:

1. Homosexuelle Personen in Kenia bilden eine bestimmte soziale Gruppe i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.

2. Der kenianische Staat ist nicht willens, homosexuellen Personen wirksamen Schutz vor Verfolgung i.S.d. § 3d AsylG zu bieten. Die Familie des Asylbewerbers ist daher nach § 3c Nr. 3 AsylG ein Akteur, von dem flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung ausgehen kann.

3. Dem Asylbewerber steht landesweit keine interner Schutz nach § 3e AsylG zur Verfügung. Es kann nicht vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Nairobi oder anderen Landesteilen Kenias niederlässt, weil ihm dort wegen seiner Homosexualität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gesellschaftliche Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt drohen, die kumuliert eine Verfolgung i.S.d. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG begründen.

Presseberichte

Kirgisistan

Das BAMF hat einer lesbischen Frau aus Kirgisistan die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Az 7972932 – 450), ohne die Entscheidung im Verfahren vor dem VG Münster abzuwarten (2 K 2919/20.A). Aus dem Schreiben des VG Münster vom 05.02.2021 geht hervor, dass es um den Themenbereich LSBT geht und dass das Gericht von Misshandlungen, Erpressungen und Diskriminierung durch staatliche und nicht staatliche Akteure in Kirgisistan ausgeht:

"Nach den der Kammer zur Verfügung stehenden Erkenntnissen — zuletzt BAFA (Österreich) v. 22.01.2021 — erleben Personen der LGBT-Gemeinde in Kirgisistan Misshandlungen, Erpressungen und Diskriminierung durch staatliche und nicht staatliche Akteure."

Kolumbien

Es bestehen keine Strafgesetze gegen homosexuelle Handlungen in Kolumbien. So wurde das kolumbianische Parlament durch Urteil des Verfassungsgerichts vom Juli 2011 verpflichtet, ein Gesetz zur Eheöffnung zu verabschieden, wodurch gleichgeschlechtliche Paare automatisch das Recht auf Ehe erhielten. Die noch immer auszumachende gesellschaftliche Diskriminierung erreicht nicht das für die Annahme einer flüchtlingsrechtlich relevanten politischen Verfolgung erforderliche Gewicht. Dem Kläger drohen auch kein ernsthafter Schaden oder erhebliche konkrete Gefahren bei Rückkehr nach Kolumbien, sodass weder Anspruch auf subsidiären Schutz noch die Feststellung von Abschiebungsverboten besteht.

Kosovo:

Es ist nicht ersichtlich, dass offen homosexuelle Frauen im Kosovo einer für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs 1 AufenthG relevanten Verfolgung ausgesetzt sind.

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Auch wenn die Homosexualität in der kosovarischen Gesellschaft weiterhin ein Tabuthema ist und Homosexuelle mit sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung zu rechnen haben, begründet dies noch nicht die Gefahr einer Verfolgung, die die Schwelle asylerheblicher Relevanz überschreitet.

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Es ist nicht ersichtlich, dass offen homosexuelle Frauen im Kosovo einer für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG relevanten Verfolgung ausgesetzt sind.

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Ein mit der Furcht, als Homosexueller im Kosovo ver­folgt zu werden, begründeter Asylantrag kann nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. 

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Es bestehen ernsthafte Zweifel, dass im Kosovo eine antiretrovirale Therapie erhältlich ist.

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Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides, durch den der Asylantrag einer Person, die aufgrund ihrer Homosexualität bei Rückkehr in das Kosovo mit psychischer und physischer Gewalt rechnet, als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird. Dies gilt auch dann, wenn die glaubhaften Gründe erstmals im Rechtsschutzverfahren vorgetragen werden.

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1. Homosexuelle und transsexuelle Menschen gehören im Kosovo zu einer sozialen Gruppe i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Sie sind im Kosovo Stigmatisierung, Diskriminierung und gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt.

2. Soweit diese Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren droht, ist der kosovarische Staat nicht in der Lage, ausreichenden Schutz zu bieten.

Sonstige Erkenntnisse

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/8820 v. 17.06.2016, auf Seite 6 u. 8 über Kosovo u.a. Folgendes aus:

In Kosovo wenden staatliche Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung keine physische oder psychische Gewalt gegenüber Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an.

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass von staatlicher beziehungsweise behördlicher Seite Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung Diskriminierung droht. Die Teilnahme von Staatspräsident Hashim Thaçi an dem seit 2014 jährlich am 17. Mai stattfindenden Demonstrationsmarsch für die Rechte sexueller Minderheiten in der Hauptstadt Pristina ist ein Zeichen der Unterstützung. Die Demonstration wurde durch die Kosovo Police abgesichert und verlief ohne Störungen.

Zu allen anderen Fragen nach Behinderungen und Benachteiligungen von LGBTI hat die Bundesregierung erklärt, dass ihr dazu keine Erkenntnisse vorliegen.

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In dem "Ersten Bericht der Bundesregierung zu der Überprüfung der Voraussetzungen zur Einstufung der in Anlage II zum Asylgesetz bezeichneten sicheren Herkunftsstaaten", BT-Drs. 19/299 v. 15.12.2017, wird auf Seite 19 ausgeführt:

"In Kosovo wenden staatliche Stellen nach Kenntnis der Bundesregierung keine physische oder psychische Gewalt gegenüber Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung an. Die Teilnahme von Staatspräsident Thaci an dem, seit 2014 jährlich am 17. Mai stattfindenden Demonstrationsmarsch für die Rechte sexueller Minderheiten in Pristina im Jahr 2016 und 2017 sowie die Eröffnung der 2017 erstmals stattfindenen Pride Week 2017 durch Ministerpräsident Haradinaj stimmt positiv angesichts weiterhin zutiefst verwurzelter Gefühle der Abneigung gegen Homosexuelle in großen Teilen der Bevölkerung. (…)

Aus der zitierten vergleichenden Untersuchung des EASO geht hervor, dass die überwiegende Zahl der EU-Mitgliedstaaten und die Schweiz die Lage in Kosovo ähnlich einschätzen, was sich in dem sehr hohen Anteil der negativen Entscheidungen über gestellte Asylanträge niederschlägt. Es herrscht Konsens darüber, dass Diskriminierung und soziale Ausgrenzung zwar eine erhebliche Härte darstellen können, jedoch selten mit Verfolgung oder ernsthaftem Schaden im asylrelevanten Sinne gleichzusetzen sind."

Kuba

1. Die bloße Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland hat keine politische Verfolgung unverfolgt und legal aus Kuba ausgereister kubanischer Staatsangehöriger zur Folge.

2. In Kuba können Versorgungsengpässe bei Medikamenten zur Behandlung von HIV auftreten.

Kuwait

Das BAMF hat mit Bescheid mit Datum vom 5. Dezember 2019 einem homosexuellen Mann aus Kuwait die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Az 7655560 - 997 ). Der Fall wurde von Rainbow Refugees Support (Aidshilfe Hessen) betreut, die bestätigen dass es um das Thema Homosexualität geht.

Libanon

Jedenfalls für Fälle, in denen eine homosexuelle Veranlagung nach außen nicht erkennbar in Erscheinung tritt, kann von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung wegen Homosexualität im Libanon nicht ausgegangen werden.

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1. Die fehlende rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paarbeziehungen stellt keine schwerwiegende Verletzung von grundlegenden Menschenrechten i.S.d. § 3a Abs 1 AsylG dar.

2. Homosexuelle Männer müssen im Libanon weiterhin mit staatlicher Verfolgung rechnen, insbesondere, wenn sie ihre Homosexualität als Paarbeziehung ( Familie ) offen ausleben wollen.

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1. Im Libanon sind homosexuelle Handlungen strafbar und werden bei Strafanzeige auch staatlich verfolgt. Es kommt auch gelegentlich zur Verurteilungen und Haft, Schikanen und gewalttätigen Übergriffen durch Sicherheitsorgane sowie zu Razzien, Folter und erzwungenen rektalen Untersuchungen.

2. Der libanesische Staat gewährt auch bei Verfolgung homosexueller Personen durch Dritte keinen Schutz.

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Besteht bereits für Homosexuelle möglicherweise eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Libanon, so gilt dies erst recht für Transsexuelle, die wie der Kläger als solche zu erkennen sind. Die libanesische Gesellschaft unterscheidet nicht zwischen Homo- und Transsexualität. Geschlechtsverkehr unter Beteiligung einer transsexuellen Person wird häufig als gleichgeschlechtlicher Geschlechtsverkehr angesehen. Der libanesische Staat ist nicht willens, den Kläger vor Verfolgung durch Dritte zu schützen. Ihm droht daher im Libanon aufgrund seiner Transsexualität flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung 

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer dem Kläger in Libanon aufgrund seiner Homosexualität drohenden Verfolgung.

Die homosexuelle Orientierung des Klägers führe zur Gefahr einer Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Libanon. 

Ob die Rechtslage und die Verfolgungspraxis der Strafverfolgungsorgane im Libanon für sich genommen ausreichten, um eine hinreichend schwerwiegende staatliche Verfolgung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu begründen, könne dahinstehen, weil der libanesische Staat nicht willens sei, dem Kläger Schutz vor Verfolgung durch Dritte, die ihm im Libanon nach der Überzeugung des Gerichts drohe, zu bieten.

Der Kläger habe vonseiten seiner Familie massive Gewalt und Freiheitsberaubungen erfahren müssen. Teile seiner Familie trachteten ihm bei einer Rückkehr in den Libanon wegen seiner sexuellen Orientierung nach dem Leben.

Der Kläger könne vor solchen Übergriffen keinen staatlichen Schutz erhalten. Er müsste gegenüber den Behörden seine Homosexualität offenbaren und sich damit der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen. Auch wenn Personen, die der Homosexualität verdächtigt werden, im Libanon nicht "generell" verfolgt würden, sei es dem Kläger angesichts der nach wie vor verhängten Freiheitsstrafen für homosexuelle Menschen im Libanon nicht zumutbar, sich gegenüber den Strafverfolgungsorganen als homosexuell zu offenbaren.

Dem Kläger stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Von ihm dürfe auch nicht erwartet werden, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim halte oder dass er Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übe, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger aus dem Libanon.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger aus dem Libanon.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und Anerkennung der Asylberechtigung für schwulen Kläger aus dem Libanon.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Kläger aus dem Libanon.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

In seiner Bundesamtsanhörung gab der Kläger zwar zaghaft an homosexuell zu sein, aber in der mündlichen Verhandlung konnte sich das Gericht vollumfänglich von seiner sexuellen Orientierung überzeugen. Der Kläger trug glaubhaft vor, in einer Beziehung zu einem Mann gestanden zu haben und schilderte einprägsam welche negativen Folgen diese Beziehung für beide im Libanon nach sich gezogen habe.

Im Libanon stehen spezifisch homosexuelle Handlungen unter Strafe und werden auch geahndet, wenn es zu einer Anzeige kommt. Im Fall einer Verurteilung wegen „widernatürlichen Geschlechtsverkehrs" unter volljährigen Männern ist mit einer Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr zu rechnen. Teilweise kommt es außerdem zu gewaltsamen Übergriffen auf homosexuelle Personen und diese erhalten regelmäßig keinen staatlichen Schutz, da ihnen neben der Gefahr der Strafverfolgung auch Schikanen durch Sicherheitskräfte drohen. Die Kammer ist überdies davon überzeugt, dass die Großfamilie des Klägers dessen Homosexualität nicht akzeptiert, was der Kläger glaubwürdig vorgetragen habe, indem er von Todesdrohungen seines Onkels berichtete.

Die Kammer geht im Übrigen davon aus, dass es dem Kläger nicht gelingen dürfte, von seiner Familie unbemerkt in den Libanon zurückzukehren, um sich etwa im gegenüber Homosexuellen toleranteren Beirut niederzulassen, da dort auch bereits Verwandte leben, so dass für ihn eine interne Fluchtalternative ausscheidet. Bei einer Rückkehr des Klägers kann auch nicht erwartet werden, wie dies der EuGH in seiner Rechtsprechung zur sexuellen Identität dargelegt habe, dass er seine sexuelle Orientierung geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben dieser übt, um künftig der Gefahr einer Verfolgung zu entgehen (vgl. EuGH, Urt. v. 7.11.2013 - C 199/12 -, juris).

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Kläger aus dem Libanon.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung stellt eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind, dann dar, wenn sie im Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird und als eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung zu betrachten ist. Nach der im Zeitpunkt der Verhandlung vorliegenden Erkenntnislage bestehen im Libanon strafrechtliche Vorschriften, die spezifisch homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen und die in der Praxis angewandt werden. Ermittlungen werden zwar von der Polizei üblicherweise nicht von Amts wegen, sondern nur im Einzelfall auf Antrag von Familienangehörigen oder Nachbarn aufgenommen. Gleichwohl kommt es gelegentlich zur Verurteilung und Haft. Ferner besteht die Gefahr von Schikanen. Zum Teil kommt es auch zu gewalttätigen Übergriffen durch Sicherheitsorgane, oder auch durch religiöse Gruppen. [...]

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Kläger aus dem Libanon.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Im Falle der Rückkehr in sein Heimatland müsste er deshalb damit rechnen, dass seine Familie ihn weiter bedroht, ohne dass er vor dieser Bedrohung Schutz durch die Behörden in Anspruch nehmen könnte, oder dass seine Familie eine strafrechtliche Verfolgung des Klägers durch Anzeigenerstattung in Gang setzt. Vom Kläger darf auch nicht erwartet werden, dass er sich in einem anderen Landesteil des Libanon niederlässt und dort seine Homosexualität geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um in Zukunft die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

Libyen

Ausweislich des Berichts des Auswertigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen (Stand: Januar 2018) sind homosexuelle Handlungen gesellschaftlich tabuisiert, sie werden unter das gesetzliche Verbot des außerehelichen Geschlechtsverkehr subsumiert und unter Strafe gestellt. Vor diesem Hintergrund sind Umstände festzustellen, die den Kläger unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls, insbesondere aufgrund seiner markanten Persönlichkeit sowie des fehlenden Rückhaltes bzw. der Ausgrenzung und Ächtung durch seine Familie bei Bekanntwerden seiner Orientierung, als besonders gefährdet darstellen.

Malaysia

Keine staatliche Verfolgung von LSBTI in Malaysia

1. Homo- und Transsexuellen droht in Malaysia trotz offener Ablehnung durch die Mehrheitsgesellschaft und die Politik keine staatliche Verfolgung. Soweit homosexuelle Personen in Malaysia durch den Staat diskriminiert werden, erreichen diese Diskriminierungen nicht das Gewicht einer asylrelevanten Verfolgungshandlung. Soweit vereinzelt staatliche Maßnahmen gegen Homo- und Transsexuelle in Malaysia erfolgen, die das Gewicht einer Verfolgungshandlung erreichen, begründet die Annahme einer einer Gruppenverfolgung zum Nachteil aller Homo- und Transsexueller. (Rn. 39)(Rn. 40)

2. Homo- und Transsexuellen droht in Malaysia jedenfalls dann keine nichtstaatliche Verfolgung, wenn sie weder Muslime noch Transfrauen sind. (Rn. 44)

3. Der malaysische Staat ist fähig und willens, Homo- und Transsexuelle vor Verfolgungshandlungen durch nichtstaatliche Akteure zu schützen. (Rn. 56)

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft für muslimische Homosexuelle

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu, da ihr eine Verfolgung wegen ihrer Homosexualität drohe.

Die Akzeptanz von Homosexualität sei in der malayischen Bevölkerung äußerst gering bzw. nicht vorhanden. Lesben sowie Homosexuelle allgemein sähen sich staatlichen Diskriminierungen und Verfolgungshandlungen insbesondere nach den Scharia-Gesetzen ebenso wie Diskriminierungen von nichtstaatlichen Akteuren eingeschlossen der eigenen Familie aus. Berichten zufolge würden Lesben getadelt, ignoriert und diskriminiert, was dazu führe, dass sie sich verstecken, distanzieren und ihre homosexuelle Identität verbergen.

Es werde weiter berichtet, dass die 13 Bundesstaaten Malaysias über einen eigenen Scharia-Strafvollzug verfügten, der in fast allen Staaten gleichgeschlechtliche Beziehungen verbiete. Berichten zufolge drohten gleichgeschlechtlichen Beziehungen nach den Scharia-Gesetzen der malayischen Bundesstaaten Prügelstrafen, teilweise in Verbindung mit Haftstrafen.

Insgesamt sei die Gefahrendichte für die Klägerin als homosexuelle Muslimin gegenüber nichtmuslimischen Homosexuellen deutlich erhöht.

Der Klägerin drohe als Muslimin mit einem streng-konservativen Familienhintergrund mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Bestrafung nach dem Recht der Scharia, da davon auszugehen ist, dass sie auch in Malaysia ihre Sexualität offen ausleben wird.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für transgeschlechtliche Klägerin aus Malaysia.

Presseberichte

  • Queer.de v. 14.08.2018: Malaysia lässt mutmaßliche Lesben auspeitschen - Im südostasiatischen Land sind zwei Frauen zu Peitschenhieben verurteilt worden, weil sie Sex angebahnt haben sollen. Unterdessen macht die Regierung in Kuala Lumpur Stimmung gegen Homo- und Transsexuelle.
  • Frankfurter Allgemeine v. 03.09.2018: Malaysia lässt lesbisches Paar auspeitschen - In Malaysia sind homosexuelle Handlungen per Gesetz verboten. Weil zwei Frauen im Auto Sex hatten, wurden sie zu jeweils sechs Schlägen mit Bambusstöcken verurteilt, die Strafe wurde schon vollzogen.

Mali

1. Nach der Erkenntnislage des Gerichts ist Mali eines der wenigen afrikanischen Länder, in denen Homosexualität nicht strafbar ist. Zwar scheint eine Strafvorschrift zu existieren, die öffentliche Handlungen, die den Anstand und moralische Gefühle von Personen verletzt, sanktioniert. Es fehlen aber beweiskräftige Anhaltspunkte, dass diese Vorschrift gezielt zur Sanktionierung Homosexueller angewandt wird.

2. Der Umstand, dass sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit strafrechtlich sanktioniert werden können, begründet für sich allein noch keine flüchtlingsrelevante Verfolgung.

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Der Antragsteller muss sich auf Basis aktueller Lageberichte sowohl überstaatlicher (vgl. nur http://www.refworld.org/pdfid/59d388b84.pdf) als auch staatlicher (vgl. nur https://www.state.gov/documents/organization/265488.pdf) und nichtstaatlicher Stellen (vgl. nur https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/mali) jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen.

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Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufhG

Unter Zu­grundelegung des klägerischen Vorbringens sowie unter Berücksichtigung der vorlie­genden Erkenntnisquellen stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Mali relevante Gefahren ernsthaft drohen und sich diese Gefahren auch alsbald nach der Rückkehr in sein Heimatland realisieren. Denn das Ge­richt hat auf Grund seines Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung und seinen glaubhaften Angaben über seine Homosexualität keine Zweifel, dass bei ihm im Falle der Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschli­che oder erniedrigende Behandlung droht.

In Mali ist Homosexualität zwar legal. Es gibt jedoch keine Gesetze, die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität verbieten. Die Ausübung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit für LGBTI-Personen wird durch ein Gesetz einge­schränkt, das Vereinigungen „für einen unmoralischen Zweck" verbietet. Es gibt daher auch keine öffentlich sichtbaren LGBTI-Organisationen im Land, obwohl einige Nichtre-gierungsorganisationen medizinische Unterstützungsprogramme anbieten, die speziell auf die Bedürfnisse homosexueller Männer ausgerichtet sind. Homosexuelle Frauen und Männer dürfen keine Kinder adoptieren. Nichtregierungsorganisationen berichten, dass LGBTI-Individuen physischer, psychologischer und sexueller Gewalt ausgesetzt sind, die von der Bevölkerung als „korrigierende" Bestrafung wahrgenommen wird. Familien­mitglieder, Nachbarn sowie Gruppen von Unbekannten begehen den Großteil dieser Ta­ten an öffentlichen Plätzen, wobei die Polizei häufig nicht eingreift. Die meisten LGBTI-Personen leben im Verborgenen und halten ihre sexuelle Orientierung geheim. Tatsächlich existieren inso­weit staatliche Schutzmöglichkeiten nicht. 

Vor diesem Hintergrund war das Gericht davon überzeugt, dass es dem Kläger angesichts seiner Homosexualität nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gelingen wird, in nicht von Kriegshandlungen bedrohten Gebieten seine elementaren Bedürfnisse wie Nah­rung, Hygiene und Unterhalt zu befriedigen. Angesichts der beschriebenen Ablehnung von LSBTI-Personen in Mali ist es nämlich nicht als wahrscheinlich anzusehen, dass der Kläger als Homosexueller bei einer Rückkehr in sein Heimatland zeitnah einen Arbeits­platz finden wird, der ihm ein Überieben sichert, zumal angesichts der dort bestehenden Armut - von der zunehmenden Armut seien 78,1 % der Bevölkerung betroffen - und der kontinuierlichen Verschlechterung der Lebensgrundlagen in Mali aufgrund der kumulati­ven Auswirkungen von Dürren, bewaffneter Gewalt und Unsicherheit von einem beschränkten Angebot von Arbeitsplätzen sowie einer großen Anzahl von Interessenten, einer Erwerbsmöglichkeit nachzugehen, auszugehen ist. Das Gericht ist deswegen davon überzeugt, dass Personen, die homosexuell sind, bei der Verteilung der Arbeitsplätze wenig Aussicht auf Erfolg haben.

Marokko

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

Es ist davon auszugehen, dass Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt sind.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

Es ist davon auszugehen, dass Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt sind.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, sind mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt. Ob diese Gefahr dadurch verringert werden könnte, dass die Homosexualität nicht offen ausgelebt wird, ist unbeachtlich. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann nicht verlangt werden, dass die sexuelle Identität geheim gehalten oder besondere Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung geübt wird.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

1. In Marokko bestehen strafrechtliche Vorschriften, die spezifisch Homosexualität unter Strafe stellen und in der Praxis angewandt werden. Nach Art. 489 des marokkanischen Strafgesetzbuchs wird jede Person, die mit einem Individuum desselben Geschlechts "un­züchtige oder widernatürliche" Handlungen begeht ("acte impudique ou contre nature avec un individu de son sexe") zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren und einer Geldstrafe bestraft. Nach den vorliegenden aktuellen und insoweit übereinstim­menden Erkenntnisquellen wird der Straftatbestand in der Praxis angewandt.
2. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen kann Homosexualität in Marokko in keinem Landesteil offen und ohne die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgelebt werden.
3. Entsprechend ist davon auszugehen, dass Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Ver· folgung und Bestrafung ausgesetzt sind. Ob diese Gefahr dadurch verringert werden könnte, dass die Homosexualität nicht offen ausgelebt wird, ist hingegen unbeachtlich.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

In Marokko bestehen strafrechtliche Vorschriften, die spezifisch Homosexualität unter Strafe stellen und nach aktuellen Erkenntnissen in der Praxis angewandt werden. Daher droht Homosexuellen in Marokko die Gefahr der unverhältnismäßigen und diskriminierenden Bestrafung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

Es sei davon auszugehen, dass Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt sind. Ob diese Gefahr dadurch verringert werden könne, dass die Homosexualität nicht offen ausgelebt wird, sei hingegen unbeachtlich. Denn nach der genannten Rechtsprechung könne gerade nicht verlangt werden, dass die sexuelle Identität geheim gehalten oder besondere Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung geübt werde.

  • VG Köln, Urteil vom 14.07.2017 — 3 K 10801/16.A, juris

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

1. In Marokko bestehen strafrechtliche Vorschriften, die spezifisch homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen und die In der Praxis angewandt werden.
2. Der Annahme einer Verfolgung im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG steht nicht entgegen, dass die Fälle strafrechtlicher Verfolgung homosexueller Handlungen vom Auswärtigen Amt und von der Bundesregierung als "vereinzelt" bewertet werden (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom März 2017; ebenso Bundesregierung, BT-Drs, 18/11210, S 2 - ohne ausdrückliche Berücksichtigung sämtlicher oben aufgeführter Fälle), Angesichts der zahlreich dokumentierten Verurteilungen ist diese Bewertung bereits fraglich.
3. Hinzu kommt, dass für die Beurteilung der beachtlichen Verfolgungsgefahr nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 07.11.2013, C-199/12 u.a., Rn. 58 f.) allein maßgeblich ist, dass in der Praxis Freiheitsstrafen wegen homosexueller Handlungen verhängt werden und damit die (konkrete) Gefahr einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung besteht. Anzeigen erfolgen - wie oben dargestellt - nicht allein aus dem Kreis der Familie, sondern auch aus Teilen der Öffentlichkeit Vor diesem Hintergrund hat ein Homosexueller wie der Kläger, wenn er seine Homosexualität in der Öffentlichkeit nicht geheim hält, mit Denunziation und einem harten Durchgreifen der Behörden zu rechnen.
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Kläger nicht auf internen Schutz vor Verfolgung gemäß § 3e AsylG verwiesen werden. Er hat in keinem Teil seines Herkunftslandes Schutz vor Verfolgung. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen kann Homosexualität in Marokko in keinem Landesteil offen und ohne die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgelebt werden.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

Der homosexuelle Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG. Im Falle seiner Rückkehr nach Marokko, muss der Kläger mit einer Verfolgung rechnen. In Marokko werden homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt und auch in der Praxis angewendet. Darüber hinaus sind Denunziationen und ein hartes Durchgreifen der staatlichen Behörden wahrscheinlich.

  • VG  Dresden, Urteil vom 01.03.2018 - 7 K 1327/17.A

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Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, weil ihm aufgrund seiner Homosexualität in Marokko sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Verfolgung droht. Nach marokkanischem Recht stehen spezifisch homosexuelle Handlungen unter Strafe und werden in der Praxis auch angewendet. Homosexuelle, die ihre sexuelle Orientierung offen ausleben, werden vom Staat kriminalisiert und gesellschaftlich nicht toleriert. Der Kläger wurde bereits aufgrund seiner Homosexualität diskriminiert, wodurch im Falle seiner Rückkehr nach Marokko mit einer erneuten Verfolgung zu rechnen ist. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 3e Abs. 1 AsylG ist nicht ersichtlich.

  • VG Aachen, Urteil vom 13.03.2019 - 8 K 4456/17.A

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Erfolgreicher Eilantrag gegen ablehnende BAMF-Entscheidung, Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags.

1. Homosexuellen droht In Marokko Verfolgung (vgl. ausführlich und mit weiteren Nachweisen VG Hamburg, Urteil vom 10. August 2017 - 2 A 7784/16 juris, Rn. 26 ff. m.w.Nachw.; so auch VG Dresden, Urteil vom 1, März 2018 - 7 K 1327/17 A juris, Entsch-Abdr. S. 5 ff.; VG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2018- 7 A 119/18 juris, Rn. 216 ff. m.w.Nachw.; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. September 2016 - 23 K 4809/18. A juris, Rn. 25). Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes, heißt es hierzu: „Jeder außereheliche hetero- und homosexuelle Geschlechtsverkehr ist strafbewehrt. Homosexualität ist mit Strafe bedroht und wird bei öffentlichem Ausleben auch verfolgt“ (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: November 2018), S, 4). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es Homosexuellen nicht zuzumuten ist, ihre sexuelle Identität im Geheimen zu leben.

2. Da Homosexualität in Marokko landesweit verfolgt wird, kommt auch - anders als das Bundesamt annimmt - ein interner Schutz nicht in Betracht.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

Aufgrund seiner Homosexualität hat der Kläger in Marokko Verfolgung zu fürchten. Dabei kann dahinstehen, ob sich der Kläger auch 18 Jahre nach seiner Ausreise noch auf die Beweiserleichterung der Vorverfolgung durch seine Familie berufen kann. Denn es droht ihm aufgrund seiner Homosexualität Verfolgung von staatlicher Seite.

[…] Dem steht nicht entgegen, dass nach Erkenntnis des Auswärtigen Amtes Homosexualität, die im Privaten gelebt wird, in der Regel nur auf Anzeige von Familien und Nachbarn verfolgt wird (Auswärtiges Amt, ebd.). Denn zum einen ist Homosexuellen nicht zuzumuten, ihre sexuelle Orientierung nur im Verborgenen zu leben und damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 46). Zum anderen droht Homosexuellen aufgrund des feindlichen gesellschaftlichen Klimas jederzeit die Anzeige aus ihrem privaten Umfeld heraus. Somit besteht auch kein interner Schutz in anderen Landesteilen (vgl. § 3e Abs. 1 AsylG).

Vor dem Hintergrund der drohenden staatlichen Verfolgung kann offen bleiben, ob der Kläger zudem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner sexuellen Orientierung schwerwiegenden homophoben Attacken von Mitgliedern der Zivilgesellschaft ausgesetzt wäre.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

1. Es ist davon auszugehen, dass Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt sind. Ob diese Gefahr dadurch verringert werden könnte, dass die Homosexualität nicht offen ausgelebt wird, ist hingegen unbeachtlich. Denn nach der genannten Rechtsprechung kann gerade nicht verlangt werden, dass die sexuelle Identität geheim gehalten oder besondere Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung geübt wird.

2. In Marokko besteht aufgrund der Gesetzeslage und der tatsächlichen Verfolgungspraxis landesweit die Gefahr, dass Personen, die ihre Homosexualität offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit strafrechtlichen verfolgt und bestraft werden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 3e Abs. 1 AsylG ist daher nicht ersichtlich.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für lesbische marokkanische Klägerin.

Offen gelebte Homosexualität birgt in Marokko ein erhebliches Gefährdungspotenzial für - vornehmlich auch, aber nicht nur - staatliche Verfolgung in sich und dieses Potenzial kann sich im Einzelfall zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit asyl- bzw. flüchtlingsrelevanter Bedrohung verdichten. (Rn. 35)

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

1. Homosexuelle Handlungen sind sowohl für Männer als auch für Frauen strafbar. Homosexualität wird von den Behörden geahndet, wenn es zu Anzeigen kommt.
2. Die Auskunftslage belegt, dass offen gelebte Homosexualität in Marokko ein erhebliches Gefährdungspotenzial für - vornehmlich auch, aber nicht nur - staatliche Verfolgung in sich birgt und sich dieses Potenzial im Einzelfall zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit asyl- bzw. flüchtlingsrelevanter Bedrohung verdichten kann.
3.  Dem Kläger kann nicht zugemutet werden, auf das Ausleben seiner Homosexualität zu verzichten bzw. entgegen seiner sexuellen Identität eine Ehe mit einer Frau einzugehen. Ein Schutz durch den marokkanischen Staat ist nicht gegeben. Dies gilt landesweit, so dass es auch keine interne Schutzmöglichkeit gibt. Eine Rückkehr nach Marokko ist dem Kläger unter diesem Vorzeichen nicht zumutbar.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

Es ist daher davon auszugehen, dass Personen, die ihre Homosexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt sind. Ob diese Gefahr dadurch verringert werden könnte, dass die Homosexualität nicht offen ausgelebt wird, ist hingegen unbeachtlich. Denn nach der genannten Rechtsprechung kann gerade nicht verlangt werden, dass die sexuelle Identität geheim gehalten oder besondere Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung geübt wird.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

Dem Kläger drohe in Marokko aufgrund seiner Homosexualität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung. Es sei davon auszugehen, dass Personen, die ihre Ho­mosexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlich der Gefahr einer Strafverfolgung oder Bestrafung drohe. Obwohl Homosexualität, die im Verborgenen gelebt werde, nur in Ausnahmefäl­len strafrechtlich und in der Regel auf Anzeige von Familien oder Nachbarn ver­folgt werde, müsse der Schutzsuchende seine homosexuelle Neigung weder in dem Herkunftsland geheim halten noch Zurückhaltung beim Ausleben übenn, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden. Dies könne von ihm nicht erwartet werden.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für bisexuellen marokkanischen Kläger.

Es ist daher davon auszugehen, dass Personen, die ihre Homo- oder (Bi-)sexualität in Marokko offen ausleben, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt sind. Ob diese Gefahr dadurch verringert werden könnte, dass die Homosexualität nicht offen ausgelebt wird, ist hingegen unbeachtlich.

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Das BAMF hat mit dem Abhilfebescheid mit Datum vom 29. Oktober 2020 einem homosexuellen Mann aus Marokko die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Az 8018831 - 252) ohne das Verfahren vor dem VG Trier abzuwarten (1 K 2614/20.TR). Der Fall wurde vom LSVD betreut und können bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigentschaft für homosexuellen Kläger aus Marokko.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger bei offenem Ausleben seiner Homosexualität in Marokko mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt ist.

Der Kläger kann nicht auf internen Schutz vor Verfolgung gemäß § 3e AsylG verwiesen werden. Der Kläger hat in keinem Teil seines Herkunftslandes Schutz vor Verfolgung. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen kann Homosexualität in Marokko in keinem Landesteil offen und ohne die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgelebt werden.

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Zuerkennung der Flüchtlinseigenschaft für schwulen marokkanischen Kläger.

Offen gelebte Homosexualität wird in Marokko nach aktueller Erkenntnislage auch tatsächlich strafrechtlich verfolgt. Dem Kläger ist nicht zumutbar, seine sexuelle Orientierung im Verborgenen zu leben. Zudem droht aufgrund des feindlichen gesellschaftlichen Klimas jederzeit eine Anzeige aus dem privaten Umfeld heraus. Eine interne Fluchtalternative besteht demnach nicht.

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Zuerkennung der Flüchtlinseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Marokko.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Gleichermaßen besteht für den Antragsteller eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr nach Marokko. Der Antragsteller hat sein Schicksal als Homosexueller glaubhaft geschildert. Das Gericht hat nicht den Eindruck, dass der Antragsteller die Homosexualität nur aus asyltaktischen Gründen vorgibt. Der Antragsteller hätte bei einer Rückkehr nach Marokko mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Repressionen von Vertretern des Staates bzw. von Privatpersonen zu rechnen, sofern er seine Homosexualität und deren Ausleben nicht aus Angst vor Verfolgung unterdrücken und verheimlichen würde.

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Zuerkennung der Flüchtlinseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Marokko.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] So werden den Erkenntnismitteln nach Homosexuelle in Marokko von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet und offen gelebte Homosexualität nicht toleriert. Auch greifen Anti-Diskriminierungsgesetze nicht für Angehörige sexueller Minderheiten. Es kommt für Betroffene zur Stigmatisierung und es wird auch über offensichtliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in diversen Lebensbereichen berichtet. Das Strafgesetzbuch sieht für homosexuelle Handlungen Haft- oder eine Geldstrafe vor, Anzeigen werden oft vom näheren Umfeld getätigt. Folglich droht dem Kläger in Marokko mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung. [...] Der marokkanische Staat ist in solchen Fällen nicht schutzbereit und eine interne Schutzmöglichkeit besteht ebenfalls nicht.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für lesbische Frau aus Marokko:

Leitsatz vom Informationsverbund Asyl & Migration:

Einer lesbischen Frau droht flüchtlingsrelevante Verfolgung in Marokko, weil dort strafrechtliche Vorschriften bestehen, die Homosexualität unter Strafe stellen und auch angewandt werden.

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Sonstige Erkenntnisse

BAMF: Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage, Im Fokus: Vulnerable Personen, Stand: 6/2019 

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Schriftliche Stellungnahme des Sachverstandigen Reinhard Marx für die Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 25.04.2016:

1. Darüber hinaus ist in Marokko Homosexualität unter Männern strafbar und wird nach Art. 489 des marokkanischen Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und drei Jahren und einer Geldstrafe von 120 bis 1.000 Dinar verfolgt. Von dieser Vorschrift wird in der Praxis Gebrauch gemacht. So berichtet amnesty international u.a. über den Fall zweier junger Männer, die im Dezember 2014 nach einem unfairen Prozess wegen „sexuell abweichenden Verhaltens mit gleichgeschlechtlichen Partnern“ zu drei Jahren Freiheitsstrafe und zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt worden waren. Die Organisation berichtet in diesem Zusammenhang über eine Vielzahl von Fällen in den Jahren 2013 und 2014, in denen männliche Personen aus diesem Grund zu Freiheitsstrafen von drei Jahren verurteilt wurden.
2. Gegen Mob-Gewalt gegenüber homosexuellen Männern schützen staatliche Institutionen nur unzureichend.
3.  Es handelt sich damit um flüchtlingsrelevante Verfolgungen. Dies trifft auch auf die Verfolgung von Homosexuellen, die in allen drei Staaten verfolgt werden, zu. Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits 1987 freilich von einem verengten Ansatz aus die Bestrafung und Verfolgung von Homosexuellen als „politische Verfolgung“ im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG 1949 gewertet. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der Rechtsprechung der Vertrags- und Mitgliedstaaten wie auch nach der deutschen Rechtsprechung handelt es sich insoweit um Verfolgungen im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU. Der Gerichtshof misst dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung einen derart hohen Rang bei, dass er es für unzumutbar erachtet, Homosexuellen anzusinnen, zur Abwendung der gegen sie gerichteten flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgefahr auf die öffentliche Ausübung dieses Rechts zu verzichten und ihre Homosexualität nach außen zu verbergen.
4. Dieser Gesichtspunkt wird in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Ersuchen des Bundesrates, bestehende Zweifel gegen die Einstufung der drei bezeichneten Länder als sicher wegen der Behandlung von Homosexuellen auszuräumen, vollständig übergangen. In ihrer Stellungnahme räumt die Bundesregierung stillschweigend ein, dass Homosexuelle in den drei Ländern verfolgt werden, wenn sie diese offen ausleben. Damit erkennt sie an, dass in diesen Staaten flüchtlingsrelevante Verfolgungen gegen Homosexuelle allgemein üblich sind. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt der Verfolgung von Homosexuellen damit in allen drei Staaten eine derart wichtige Bedeutung zu, dass bereits diese Praxis ihrer Bestimmung zu „sicheren Herkunftsstaaten“ entgegensteht.

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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, BT-Drs. 18/8693 v. 07.06.2016, auf Seite 9/10 Folgendes aus:

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die menschenrechtliche Situation von LSBTTI in Marokko?

Nach dem marokkanischen Strafgesetzbuch ist jeder außereheliche Geschlechtsverkehr strafbar. Artikel 489 stellt homosexuelle Handlungen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe, die Höchststrafe liegt bei drei Jahren Haft. Homosexualität wird in der Regel toleriert, solange sie im Verborgenen gelebt wird.

LSBTTI-Orientierung oder -Identität wird vom marokkanischen Staat nicht anerkannt, entsprechend bestehen in diesem Bereich keine Gesetze. Das Strafgesetzbuch sieht keine ausdrücklichen Strafen für strafbare Handlungen gegen diese Gruppe vor, und sie wird auch nicht von Antidiskriminierungsgesetzen geschützt. Ein öffentliches Ausleben einer LSBTTI-Orientierung ist mit einem sozialen Stigma verbunden.

a)  Wie viele Menschen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen seit 2012 verurteilt?     

Im April 2016 wurden in der Provinzstadt Beni Mellal zwei Männer wegen homosexueller Akte gemäß Artikel 489 des marokkanischen Strafgesetzbuches zu drei- und viermonatigen Haftstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt.

Die Bundesregierung hat Kenntnis von folgenden Einzelfällen: Im Mai 2015 wurden drei Männer zu je drei Jahren Haft, dem Maximalstrafmaß, verurteilt. Zwei der drei Männer wurde der Vollzug homosexueller Handlungen vorgeworfen, während der Dritte sich wegen Prostitution vor Gericht verantworten musste, da er den Kontakt zwischen den beiden anderen Männern hergestellt hatte. In einem anderen Fall wurden zwei Männer im Jahr 2015 zu einer dreimonatigen Haftstrafe und einer Geldstrafe von 500 marokkanischen Dirham verurteilt (etwa 50 Euro). Die Männer waren festgenommen worden, weil sie sich öffentlich geküsst haben sollen. Im Juli 2014 wurden sechs Männer in Beni Mellal wegen „homosexueller Akte“ verurteilt, zwei davon zu Haftstrafen, die vier anderen zu Bewährungsstrafen. Im Mai 2013 wurden drei Männer in Souk el-Arbaa wegen homosexueller Akte zu Haftstrafen verurteilt. Zu möglichen anderen Fällen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.

b) Wie viele Übergriffe (Einschüchterungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe) gegen LSBTTI sind der Bundesregierung seit 2012 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

In der Presse wird häufig von Übergriffen auf heterosexuelle unverheiratete Paare berichtet, auch Verurteilungen wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, Förderung der Prostitution und Ehebruchs erfolgen. Gelegentlich kommt es zu Übergriffen gegen LSBTTI. Im März 2016 griff eine Gruppe von vier jungen Männern zwei Männer in ihrer Wohnung an (siehe auch die Antwort zu Frage 13). Zwei der Angreifer wurden im April 2016 zu je vier und sechs Monaten Haft wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruchs und Tragens von Stichwaffen verurteilt, zwei weitere Personen wurden freigesprochen.

Während des Fastenmonats Ramadan griffen im Juni 2015 in Fes mehrere Menschen einen Mann an, den sie für homosexuell hielten. Mehrere der an dem Angriff beteiligten Männer wurden festgenommen. Das marokkanische Innenministerium forderte in einer Pressemitteilung von seinen Bürgern, keine Selbstjustiz auszuüben.

Im September 2015 wurden in Casablanca zwei Männer festgenommen, die einen anderen Mann, den sie für homosexuell hielten, angegriffen hatten.

Zu möglichen anderen Fällen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.

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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 18/11210 v. 16.02.2017, auf Seite 2 über Marokko Folgendes aus:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die menschenrechtliche Situation von LSBTTI in Marokko?

Die sexuelle Orientierung oder Identität von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Transsexuellen und Intersexuellen (LSBTTI) werden vom marokkanischen Staat nicht anerkannt. Homosexualität wird hingenommen, solange sie im Verborgenen gelebt wird. Offen gelebte Homosexualität wird gesellschaftlich nicht toleriert und ist strafbewehrt. Der Artikel 489 des marokkanischen Strafgesetzbuches stellt homosexuelle Handlungen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe (Haftstrafen von 6 Monate bis 3 Jahren, Geldstrafen von 200 bis 1 000 Dirhams, ca. 20 bis 100 Euro). Strafverfolgung und Verurteilungen sind selten und erfolgen in der Regel auf Anzeige, die meist aus dem direkten persönlichen Umfeld der Betroffenen stammt. Auch in dem in der Vorbemerkung erwähnten Fall der beiden Mädchen in Marrakesch erfolgte die Anzeige durch Familienmitglieder. Im Rahmen der Strafrechtsreform wurde im letzten Jahr diskutiert, die Strafbarkeit homosexueller Handlungen abzuschaffen, dies wird jedoch von der Regierungspartei abgelehnt.

2. Wie viele Menschen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen seit 2013 verurteilt?

Marokko führt keine öffentlichen Statistiken über erfolgte Verurteilungen. Der Bundesregierung sind nur wenige Fälle von Verurteilungen wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen bekannt. Nur selten werden Einzelfälle in den Medien thematisiert.

3. Wie viele Übergriffe gegen LSBTTI sind der Bundesregierung seit 2013 bekannt geworden, und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen?

Der Bundesregierung sind nur vereinzelt Übergriffe bekannt. Die Ablehnung von LSBTTI ist gesellschaftlich weit verbreitet und zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Der marokkanische Staat wehrt sich jedoch gegen jegliche Form der Selbstjustiz durch selbsternannte „Tugendwächter“ und setzt sein Gewaltmonopol konsequent durch.

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Siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90 /Die Grünen: Auswirkungen der Bestimmung Marokkos zum sicheren Herkunftsstaat auf das Territorium der Westsahara und die sahrauischen Volkszugehörigen - BT-Drs. 18/7928 v. 18.03.2016

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Antwort des Staatssekretärs Dr. Helmut Teichmann vom 20. Juni 2018 auf die schriftlichen Fragen 36 bis 38 des Abgeordneten Sven Lehmann - BT-Drs. 19/2922 v. 22.06.2018, Seiten 28 bis 31:

"Die Fragen 36 bis 38 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Nach Kenntnis der Bundesregierung findet in Algerien, Marokko und Tunesien keine systematische Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen statt. Im Einzelnen liegen folgende Erkenntnisse vor:

( ... Ausführungen zu Algerien ... )

In Marokko werden homosexuelle Handlungen gemäß Artikel 489 des Strafgesetzbuchs unter Strafe gestellt (Haftstrafen von sechs Monaten bis zu drei Jahren, Geldstrafen von 200 bis 1 000 Dirhams, ca. 20 bis 100 Euro). Strafverfolgung und Verurteilungen sind selten und erfolgen in der Regel nur auf Anzeige, die meist aus dem direkten persönlichen Umfeld der Betroffenen stammt. Im Rahmen der Strafrechtsreform wurde im Jahr 2016 diskutiert, die Strafbarkeit homosexueller Handlungen abzuschaffen. Dies wird von der größten Regierungspartei und weiten Teilen der Bevölkerung jedoch abgelehnt.

( ... Ausführungen zu Algerien ... )

Die Frage der Strafbarkeit und strafrechtlichen Ahndung von homosexuellen Handlungen wurde bei der vorgesehenen Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten berücksichtigt. Die Bundesregierung ist zu der Einschätzung gelangt, dass Homosexuelle in diesen Staaten nicht grundsätzlich und systematisch als Personen- oder Bevölkerungsgruppe verfolgt werden.

Gemäß dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 7. November 2013 (C-199/12 bis C-201/12) begründet der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung. Vielmehr muss insbesondere die Praxis der staatlichen Behörden und Gerichte, vor allem im Hinblick auf die Verhängung von Freiheitsstrafen, mit betrachtet werden.

Droht einem Staatsangehörigen aus den genannten drei Staaten, Opfer einer solchen Strafverfolgungspraxis zu werden, käme für ihn auch bei Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsstaaten eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung in Betracht; allerdings gilt dahingehend eine Beweislastumkehr im Asylverfahren, dass der Antragsteller im Heimatland weder politischer Verfolgung noch unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung ausgesetzt ist (vgl. Artikel 16a Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Einstufung eines Herkunftsstaats als sicherer Herkunftsstaat stehen solche Einzelfälle auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts indes nicht entgegen.

Bezugnehmend auf das genannte Urteil (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C 199/12) erkennt die Bundesregierung insofern an, dass es nicht hinnehmbar ist, dass einer Person das Recht auf Asyl mit der Begründung vorenthalten wird, dass sie in ihrem Heimatland ihre Homosexualität nicht ausleben solle und dadurch vor Strafverfolgung geschützt wäre."

Presseberichte

Mauretanien

Homosexuellen droht in Mauretanien nach den Informationen aus den vorliegenden Erkenntnisquellen flüchtlingsrelevante Verfolgung. Denn nach den Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes wird Homosexualität mit harten Strafen bedroht. In Mauretanien steht auf homosexuelle Handlungen die Todesstrafe durch öffentliche Steinigung (siehe auch: Wikipedia). Mauretanien gehört damit zu den wenigen Staaten weltweit, die homosexuelle Handlungen mit dem Tode bedrohen, auch wenn in den letzten 15 Jahren keine Fälle der Strafvollstreckung öffentlich bekannt geworden sind.

Montenegro

Sonstige Erkenntnisse

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/10436 v. 23.11.2016, Seite 7, 12-14, über Montenegro u.a. Folgendes aus:

Physische und verbale Übergriffe auf LSBTTI-Personen durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure sind der Bundesregierung nicht bekannt. Eine strukturelle Repression und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung findet nicht statt.

Gleichwohl sind traditionelle Wertvorstellungen in allen Bevölkerungsschichten Montenegros noch weit verbreitet; entsprechend ist das gesellschaftliche Verständnis für sexuelle Minderheiten wenig ausgeprägt. Der Metropolit der serbisch-orthodoxen Kirche in Montenegro, Amfilohije, äußert sich zudem in Predigten häufig abfällig über sexuelle Minderheiten.

47. Wie viele öffentliche Versammlungen von bzw. zur Unterstützung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transpersonen und Intersexuellen (LSBTI) haben nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2011 in Montenegro stattgefunden, und wie viele wurden verboten bzw. durch die staatlichen Behörden aufgelöst?

In der Hauptstadt Podgorica fanden bislang drei Pride-Paraden statt. Nachdem es 2013 und 2014 noch zu Auseinandersetzungen protestierender Bürgerinnen und Bürger und randalierender Hooligans mit der Polizei gekommen war (2014 mit erheblich stärkerer Polizeipräsenz als im Jahr davor), gab es 2015 weder Proteste noch Ausschreitungen. Bei allen drei Pride-Paraden zeigte die Regierung Präsenz durch den Minister für Menschen- und Minderheitenrechte. Die nächste Pride-Parade in Podgorica wird am 17. Dezember 2016 stattfinden.

Die 2015 in der Stadt Niksic geplante Pride-Parade wurde von den Behörden aus Sicherheitsgründen abgesagt.

48. Inwiefern sind die Angehörigen dieser Gruppe nach Kenntnis der Bundesregierung gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt, und inwiefern sind die montenegrinischen Behörden willens und in der Lage, Schutz vor solchen Übergriffen zu bieten?

a) Wie viele Übergriffe sind der Bundesregierung seit 2011 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

b) In wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

Die Fragen 48 bis 48b werden zusammengefasst beantwortet.

Übergriffe durch Privatpersonen hat es in der Vergangenheit gegeben. Statistische Daten sind allerdings nicht vorhanden, auch nicht bei den beiden LSBTTI-Nichtregierungsorganisationen des Landes.

Es ist wiederholt zu physischen und verbalen Angriffen gegen Personen gekommen, die sich öffentlich als Homosexuelle zu erkennen gegeben haben, so auch im Fall von Zdravko Cimbaljevic, Gründer der ersten LSBTTI-Nichtregierungsorganisation. Übergriffe gegen LSBTTI-Personen fanden zudem statt, nachdem neugegründete LSBTTI-Verbände ihre Absicht bekannt gemacht hatten, die erste PrideParade in Montenegro zu veranstalten (siehe Antwort zu Frage 47). Der letzte der Bundesregierung bekannte physische Übergriff ereignete sich im Januar 2016, als der Leiter einer der beiden LSBTTI-Nichtregierungsorganisation angegriffen wurde.

49. Welche Medien sind in Montenegro nach Kenntnis der Bundesregierung öffentlich verfügbar, die LSBTI-Themen ansprechen?

Im September 2015 erschien die bislang einzige Zeitschrift, die LSBTTI-Themen anspricht. Es handelt sich um die montenegrinische Ausgabe des serbischen Magazins „Optimist“. Sie ist derzeit nur online erhältlich; aus Kostengründen wurde die Print-Version eingestellt.

50. Inwiefern sind der Bundesregierung Maßnahmen bzw. Gesetze bekannt, die geeignet und/oder bestimmt sind, die Redaktion bzw. den Vertrieb solcher Medien zu unterbinden?

Der Bundesregierung sind keine Maßnahmen oder Gesetze bekannt, die die Publikation und den Vertrieb solcher Medien verbieten oder einschränken.

51. Sind der Bundesregierung legislative Vorschläge bekannt, die darauf abzielen, die Rechte von LSBTI einzuschränken, und wie beurteilt sie diese gegebenenfalls?

Derartige Vorschläge sind der Bundesregierung nicht bekannt.

Gleichgeschlechtliche Ehen sind in Montenegro nicht gesetzlich anerkannt. Es gibt allerdings Pläne für ein Gesetz zur Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften.

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In dem „Ersten Bericht der Bundesregierung zu der Überprüfung der Voraussetzungen zur Einstufung der in Anlage II zum Asylgesetz bezeichneten sicheren Herkunftsstaaten“, BT-Drs. 19/299 v. 15.12.2017, wird auf Seite 28 ausgeführt:

Die Verfassung verbietet zwar die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, Vorbehalte gegen Homosexuelle sind in der montenegrinischen Gesellschaft aber weiterhin tief verankert. Bei Übergriffen gegen Homosexuelle verläuft die strafrechtliche Verfolgung zum Teil schleppend. Seit 2013 finden unter (mittlerweile weniger starkem) Polizeischutz jährliche Gay-Pride-Paraden in der Hauptstadt statt.

Myanmar

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger.

Namibia

Flüchtlingsanerkennung für vorverfolgten, homosexuellen Mann aus Namibia.

Leitsätze von Informationsverbund Asyl & Migration:

1. Einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen Männern sind durch das sog. Sodomie-Verbot unter Strafe gestellt und stehen in der Strafprozessordnung Namibias auf derselben Stufe wie Mord, Vergewaltigung und Landesverrat, so dass vorläufige Festnahmen auch ohne Gerichtsbeschluss möglich sind.

2. Es hat seit der Unabhängigkeit 1990 kein Gerichtsverfahren wegen Sodomie zwischen zwei männlichen erwachsenen Personen gegeben. In den letzten Jahren fand eine breite gesellschaftliche Diskussion hinsichtlich der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungen und dem Überwinden kolonialer Gesetze statt.

3. Der namibische Staat verfolgt homosexuelle Männer nicht gezielt, wenn es auch vereinzelt zu Verfolgungshandlungen durch die Polizei kommt. Eine Gruppenverfolgung homosexueller Männer aufgrund polizeilicher Übergriffe ist angesichts der vorliegenden Berichte nicht anzunehmen.

4. Der Kläger ist aufgrund eines polizeilichen Übergriffs jedoch vorverfolgt ausgereist, so dass gemäß Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) ein ernsthafter Hinweis darauf besteht, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist. Stichhaltige Gründe, die gegen diese Annahme sprechen, sind nicht ersichtlich.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuelle Klägerin aus Namibia.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin in Namibia schutzlos ihrem Onkel ausgeliefert wäre, der sie zwangsverheiraten und zwangsbeschneiden lassen würde, um die Klägerin für ihre Homosexualität zu bestrafen. Die Klägerin muss sich nicht auf internen Schutz in einer der größeren Städte in Namibia verweisen lassen. Denn jedenfalls kann sich die Klägerin auch dort nicht dem Einfluss ihres Onkels entziehen. Andere größere Ballungszentren, deren Anonymität die Klägerin nutzen könnte, um sich dem Einfluss ihres Onkels zu entziehen, gibt es in Namibia nicht; es gilt zu berücksichtigen, dass Namibia zu den am wenigsten besiedelten Ländern der Welt zählt. Das erkennende ist aufgrund der aktuellsten Erkenntnismittellage der Auffassung, dass die Klägerin durch die Polizei nicht geschützt würde. Denn die Polizei in Namibia nimmt Anzeigen von homosexuellen Menschen grundsätzlich nicht zum Anlass, tätig zu werden.

Nepal

Kein Abschiebungsverbot für einen nepalesischen Staatsangehörigen wegen HIV-Infektion

1. Eine HIV-Infektion im Stadium A 2 rechtfertigt nicht die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots gern. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für Nepal. (Rn. 27)

2. Antiretrovirale Medikamente werden in Nepal kostenfrei ausgegeben. (Rn. 28)

3. Auch homosexuellen Menschen kann das Aufsuchen der staatlichen Ausgabestellen zugemutet werden; auch wenn Homosexualität in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht vollständig akzeptiert ist und HIV-Infektionen in der öffentlichen Wahrnehmung häufig automatisch mit Homosexualität in Verbindung gebracht werden, hat zumindest der nepalesische Staat Schritte in Richtung einer Beendigung der Ausgrenzung und Diskriminierung homosexueller Menschen unternommen. (Rn. 31)

Nigeria

1. Homosexuelle bilden in Nigeria eine "soziale Gruppe" im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2004/83/EG.
2. Auch öffentlich bemerkbare homosexuelle Verhaltensweisen sind nicht grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2004/83/EG ausgenommen.
3. Allerdings unterliegen Homosexuelle in Nigeria nach derzeitiger Erkenntnislage keiner Gruppenverfolgung. Deshalb bedarf es in jedem Einzelfall, in dem ein Antragsteller geltend macht, er werde wegen seiner sexuellen Ausrichtung verfolgt, einer Gesamtwürdigung seiner Person und seines gesellschaftlichen Lebens und darauf aufbauend einer individuellen Gefahrenprognose.
a) Zu prüfen ist dabei, wie sich der einzelne Schutzsuchende bei seiner Rückkehr im Hinblick auf seine sexuelle Ausrichtung verhalten wird und wie wichtig diese Verhaltensweise für seine Identität ist.
b) Nicht beachtlich ist, ob er mit Rücksicht auf drohende Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 RL 2004/83/EG auf das behauptete Verhalten verzichten würde. Erst recht darf nicht angenommen werden, dass ein Schutzsuchender nur dann tatsächlich von einer Verfolgung bedroht ist, wenn er sich trotz der drohenden Verfolgungshandlung in dieser Weise verhalten würde und praktisch bereit wäre, für seine sexuelle Orientierung Verfolgung auf sich zu nehmen. Würde er jedoch aus nicht unter Art. 9 RL 2004/83/EG fallenden Gründen - etwa aus persönlichen Motiven oder aufgrund familiären oder sozialen Drucks oder Rücksichtnahmen - ein bestimmtes Verhalten im Herkunftsland nicht ausüben, ist ein solcher Verhaltensverzicht zu berücksichtigen.
c) Je mehr ein Schutzsuchender mit seiner sexuellen Ausrichtung in die Öffentlichkeit tritt und je wichtiger dieses Verhalten für seine Identität ist, desto mehr erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass er verfolgt werden wird.

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1. Homosexuelle, deren Veranlagung öffentlich bekannt wird, müssen in Nigeria damit rechnen, dass gegen sie eine Freiheitsstrafe verhängt wird.
2. Aufgrund der "Same Sex Marriage (Prohibition) Bill" steht auch das Zusammenleben homosexueller Paare unter Strafe und Personen, die davon erfahren, dass Homosexuelle zusammenleben und dies nicht den Behörden mitteilen, müssen künftig ebenfalls mit einer bis zu fünfjährigen Haftstrafe rechnen. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass das Zusammenleben homosexueller Paare den Behörden vermehrt angezeigt wird, um nicht selbst bestraft zu werden. Bei diesem gesetzlichen Rahmen und der bereits bisherigen gerichtlichen Praxis handelt es sich bei der Verfolgung einer homosexuellen Ausrichtung um eine unverhältnismäßige, diskriminierende Bestrafung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG (vgl. auch VG Aachen, Urt. v. 12.12.2014 - 2 K 1477/13.A -, juris).

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Homosexuelle sind in Nigeria sowohl nichtstaatlicher als auch staatlicher Verfolgung ausgesetzt. Schon das gemeinsame Auftreten als gleichgeschlechtliches Paar in der Öffentlichkeit steht unter Strafe.

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Die Klägerin hat Anspruch auf Asylanerkennung gemäß Art. 16a GG und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Sie ist aufgrund ihrer sexuellen Orientierung einer sozialen Gruppe i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG zugehörig und hat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei ihrer Rückkehr nach Nigeria mit politischer Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG zu rechnen. Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind in Nigeria sowohl nach staatlichem als auch nach Scharia-Recht strafbar.

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1. Homosexuelle bilden in Nigeria eine soziale Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.
2. Maßgebend ist allein das identitätsprägende Merkmal der sexuellen Ausrichtung als solches. Eine Verfolgung bleibt nämlich auch dann eine Verfolgung, wenn der Betroffene nach Rückkehr in sein Herkunftsland die Möglichkeit hat, sich bei der Ausübung seiner Rechte und Freiheiten diskret zu verhalten, indem er seine Sexualität verheimlicht oder davon Abstand nimmt, nach seiner sexuellen Ausrichtung zu leben.
3. Selbst wenn unterstellt wird, dass der Kläger nicht in seinen Heimatort zurückkehren kann, weil ihm dort Homosexualität zugeschrieben würde, steht dem Kläger schon deshalb kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu, weil für ihn eine interne Schutzmöglichkeit i.S. des § 3e AsylG existiert. Es ist dem Kläger möglich, sich einer etwaigen Bedrohung in seiner Heimatregion dadurch zu entziehen, dass er seinen Aufenthalt an einen anderen, ausreichend weit von seiner Heimatstadt entfernten Ort – sei es Lagos, Abuja oder Ibadan – verlagert. 

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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1. Homosexuelle bilden in Nigeria eine soziale Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Zwar versuchen Homosexuelle aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der weit verbreiteten Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen. Deshalb werden strafrechtliche Verfolgungen einvernehmlicher homosexueller Handlungen selten bekannt. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass solche Handlungen angeklagt und verfolgt werden und beschuldigte Personen bei einer Verhaftung zur Zahlung von Bestechungsgeldern oder "Kaution" erpresst werden und weiteren schweren Menschenrechtsverletzungen, insbesondere der Anwendung von Gewalt, und Folter ausgesetzt sein können.
2. Der Kläger wäre bei einer Rückkehr nach Nigeria gezwungen, seine sexuelle Orientierung zu verheimlichen. Dies kann aber zum einen nach der oben zitierten Entscheidung des EuGH vom Kläger nicht erwartet werden, zum anderen hat der Kläger seine Verbundenheit mit der sozialen Gruppe der Homosexuellen durch seine Teilnahme an der Demonstration bereits öffentlich gezeigt. Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass er sich auch in Zukunft für Homosexuelle einsetzt bzw. seine eigene Homosexualität mehr oder weniger offen lebt und sich zu dieser bekennt und daher (erneut) der konkreten Gefahr von Verfolgungshandlungen nach § 3a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2und 3 AsylG ausgesetzt wäre.
3. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass derzeit für den Kläger eine interne Schutzmöglichkeit i.S. von § 3 e AsylG besteht. Nach der derzeitigen Erkenntnislage ist nicht ersichtlich, dass in größeren Städten oder urbanen Zentren Homosexualität toleriert wird. 

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Kläger aus Nigeria.

Amtlicher Leitsatz:

Die in Nigeria spezifisch Homosexuelle betreffenden strafrechtlichen Bestimmungen stellen von staatlicher Seite eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung dar.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Abschiebeverbot nach Nigeria für homosexuellen Antragsteller.

Leitsatz

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG können sich im Einzelfall gegenüber einer Abschiebungsandrohung nach Nigeria ergeben, wenn bei summarischer Prüfung hinreichend gewichtige Umstände dafür vorliegen, dass der Antragsteller homosexuell ist.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft für lesbische Klägerin aus Nigeria.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen Antragsteller aus Nigeria.

LGBTI Personen in Nigeria könnten ihre sexuelle Orientierung nicht öffentlich ausleben und seien massiven Diskriminierungen und Anfeindungen ausgesetzt. Dem Kläger drohe im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität.

Hierfür sei unerheblich, inwiefern der Kläger seine Homosexualität in Deutschland auslebe. Im Gegensatz zur politischen oder religiösen Überzeugung betreffe die sexuelle Betätigung die Intimsphäre eines Meschen. Somit dürfe von einer nur zurückhaltend ausgelebten Sexualität nicht ohne weiteres auf ein fehlendes oder geringes Bedürfnis dazu geschlossen werden. Das gelte umso mehr, wenn der Betreffende in einem gesellschaftlichen Umfeld wie Nigeria aufgewachsen sei und geprägt wurde, in dem jedwede Sexualität ein tabuisiertes Thema sei und in dem abweichende sexuelle Orientierungen als krankhaft und kriminell geächtet würden. Auch wenn sich die Betroffenen diesen Einflüssen durch ihre Flucht entzogen hätten, sei zu erwarten, dass ihre sexuelle Orientierung für sie aufgrund der erlebten Stigmatisierung noch lange ein scham- oder gar schuldbesetztes Thema bleibe.

Angesichts dessen seien Prognosen hinsichtlich des zukünftigen Auslebens der sexuellen Neigungen durch eine homo- oder bisexuelle Person grundsätzlich problematisch. Sie dürften jedenfalls nicht entscheidender Maßstab für die Frage der Zumutbarkeit einer Rückkehr ins Herkunftsland sein. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei anerkannt, dass "bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die zuständigen Behörden von dem Asylbewerber nicht erwarten [können], dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden". Dies sei von der deutschen Rechtsprechung bisher weitgehend dahingehend ausgelegt worden, dass diskretes Verhalten bei der Prüfung eines Asylantrages nicht vom Anntragsteller "verlangt" werden dürfe. Dennoch werde in der Regel eine Prognose dahingehend angestellt, in welchem Umfang der Betroffene voraussichtlich seine Neigungen im Herkunftsland ausleben werde. 

Der Europäische Gerichtshof habe in der Originalfassung des Urteils aber tatsächlich ausgeführt, "bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft können die zuständigen Behörden vernünftigerweise nicht erwarten, dass der Asylbewerber seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden." Der Einschub "von dem Asylbewerber" anstatt "vernünftigerweise" sei eine Veränderung des Urteilstextes in der deutschen Übersetzung, die den Sinn der Aussage verändert. Es müsse angenommen werden, dass der Gerichtshof nicht nur ausschließen wollte, dass die Behörden ein solches Verhalten vom Betroffenen verlangen, sondern klarstellen, dass sie eine solche Diskretion auch nicht - etwa aufgrund einer bisher sexuell zurückhaltenden Lebensweise - unterstellen oder prognostisch vermuten dürfen.

Die sexuelle Orientierung sei zwingend bedeutsamer Bestandteil der Identität eines Menschen. Dies würde man auch einer heterosexuellen Person nicht absprechen, selbst wenn diese seit Jahren ohne Partner oder sexuelle Kontakte lebe. Wie viel Platz Sexualität und Partnerschaft im Leben eines Menschen einnähmen, sei individuell und könne sich jederzeit massiv verändern. Unter dieser Prämisse dürfe ein Geflüchteter nicht in ein Land zurückgeschickt werden, in dem ihm das offene Zusammenleben mit einem frei gewählten Partner der Gefahr staatlicher Verfolgung aussetzen würde. Die Entscheidung, wie jemand seine sexuelle Orientierung auslebe, sei eine höchstpersönliche, deren Bewertung dem Gericht entzogen sei.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Nigerianer.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für bisexuellen Mann aus Nigeria.

Leitsätze vom Informationsverbund Asyl & Migration:

1. LSBTIQ-Personen sind massiver Diskriminierung und Anfeindungen ausgesetzt und können ihre sexuelle Orientierung daher in Nigeria nicht öffentlich ausleben.

2. Wie die sexuelle Orientierung gelebt wird, ist individuell unterschiedlich. Dies ändert nichts daran, dass sie ein bedeutsamer Bestandteil der Individualität eines Menschen ist.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Kläger aus Nigeria.

Presseberichte

Nordmazedonien / Mazedonien

Homosexuelle haben in Mazedonien weder eine individuelle noch eine Gruppenverfolgung von staatlicher oder privater Seite zu erwarten.

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1. Ausweislich öffentlich zugänglicher Quellen ist Homosexualität in Mazedonien zwar in Teilen der Gesellschaft verpönt, gesetzlich jedoch nicht verboten oder pönalisiert. In Skopje gibt es eine homosexuelle Gemeinschaft und es gibt mehrere Vereinigungen, die sich für die Rechte der Homo- und Bisexuellen einsetzen. Dass es vereinzelt zu Übergriffen kommen mag, führt nicht zur Annahme einer Gruppenverfolgung, da es an einer hinreichenden Verfolgungsdichte fehlt.

2. Es liegen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der mazedonische Staat gegenüber Homosexuellen generell nicht schutzbereit wäre.

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1. Transsexuellen droht in Mazedonien keine Gruppenverfolgung.

2. Der mazedonische Staat ist willens und in der Lage, Transsexuellen Schutz vor Verfolgung zu bieten.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für transsexuelle Frau

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Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihm - auch bei unterstellter Bisexualität - in Nordmazedonien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gruppenverfolgung oder eine individuelle Verfolgung aufgrund der Bedrohungen durch seinen Bruder und die Bewohner seines Heimatdorfes drohten.

Für eine von dem Antragsteller behauptete Gruppenverfolgung bisexueller Menschen in Nordmazedonien durch staatliche Stellen oder private Akteure gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Übergriffe auf LGBTI erreichten nicht die erforderliche Verfolgungsdichte. Insbesondere habe sich die Lage von LGBTI in den letzten Jahren deutlich verbessert.

Der Antragsteller konnte auch eine individuell drohende Verfolgung nicht glaubhaft machen. Es sei nicht erkennbar, dass von seinem zwischenzeitlich verstorbenen Bruder derzeit noch Bedrohungen ausgehen könnten. Es fehle zudem an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass ihn die Bewohner seines Heimatdorfes, die ihn nicht einmal persönlich kennen würden, bei seiner Rückkehr erkennen und wegen seiner sexuellen Orientierung bedrohen und verfolgen würden. Zudem könne der Antragsteller angemessenen staatlichen Schutz bei den nordmazedonischen Polizei- und Justizbehörden suchen.

Sonstige Erkenntnisse

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/10199 v. 04.11.2016, über Mazedonien u.a. Folgendes aus:

29. Inwiefern droht Menschen in Mazedonien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer sexuellen Orientierung (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Qualifikationsrichtlinie) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, durch den Staat bzw. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt.

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über entsprechende Vorfälle vor. (…) Im Jahr 2010 wurde ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet, das allerdings nicht ausdrücklich vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung schützt.

Die mazedonische Gesellschaft ist von konservativen Moralvorstellungen geprägt, in denen LSBTI-Rechte wenig Raum haben und stattdessen eher homophobe Einstellungen anzutreffen sind. Menschen mit homosexueller Orientierung treten im öffentlichen Leben kaum als solche in Erscheinung, da sie gesellschaftliche Konsequenzen wie Ausgrenzung oder Arbeitsplatzverlust fürchten.

62. Wie viele öffentliche Versammlungen von bzw. zur Unterstützung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transpersonen und Intersexuellen (LSBTI) haben nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2011 in Mazedonien stattgefunden, und wie viele wurden verboten bzw. durch die staatlichen Behörden aufgelöst?

Seit 2011 wurden etwa 25 öffentliche Veranstaltungen zur Unterstützung von LSBTI organisiert, darunter ein Toleranzmarsch im November 2013 unter dem Motto „Mazedonien hat Liebe für Alle“. Außerdem fanden ab Oktober 2014 Proteste vor der Staatsanwaltschaft gegen Übergriffe auf LSBTI statt und 2015 ein „Pride Weekend“. 2015 wurde von Polizeikräften in ziviler Kleidung versucht, die Proteste aufzulösen, wobei teilweise auch Gewalt angewandt wurde.

63. Inwiefern sind die Angehörigen dieser Gruppe nach Kenntnis der Bundesregierung gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt, und inwiefern sind die mazedonischen Behörden willens und in der Lage, Schutz vor solchen Übergriffen zu bieten?

Nach Kenntnis der Bundesregierung gab es bislang sechs gewaltsame Übergriffe auf das Büro einer LSBTI-Organisation, bei denen es zu materiellen Schäden kam. Nur bei einem der sechs Angriffe wurden Täter gefasst und verurteilt, obwohl davon ausgegangen werden kann, dass zu allen Angriffen für eine Strafverfolgung ausreichendes Videomaterial vorliegt.

In einem weiteren Fall wurde das LSBTI-Büro beschädigt, jedoch im Zusammenhang mit einem anderen Protest, der nicht dem Büro direkt galt.

a) Wie viele Übergriffe sind der Bundesregierung seit 2011 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

Bekannte Übergriffe nach Jahren aufgeschlüsselt:

  • 2012 – drei Übergriffe
  • 2013 – drei Übergriffe
  • 2014 – ein Übergriffe
  • 2015 – ein Übergriff.

b) In wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?      

Bekannte Übergriffe nach Jahren aufgeschlüsselt:       

  • 2012 – drei Strafanzeigen – für zwei wurde noch kein Gerichtsverfahren eingeleitet, da die polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Ein Fall ist noch vor Gericht anhängig.
  • 2013 – drei Strafanzeigen – für zwei wurde noch kein Gerichtsverfahren eingeleitet, da die polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Ein Fall ist noch vor Gericht anhängig.
  • 2014 – eine Strafanzeige – es liegt keine Information über Polizeiermittlungen vor. Es wurde (noch) kein Gerichtsverfahren eingeleitet.

64. Welche Medien sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Mazedonien öffentlich verfügbar, die LSBTI-Themen ansprechen

Zwei private unabhängige Fernsehsender, „24 Vesti“ und „Telma“ sprechen die LSBTI-Themen regelmäßig an und decken auch LSBTI-Veranstaltungen ab. Bei den neuen Medien und Webportalen sind es ebenfalls unabhängige Portale wie „Libertas“, „Plusinfo“, Radio MOF“ und „NovaTV“.

65. Inwiefern sind der Bundesregierung Maßnahmen bzw. Gesetze bekannt, die geeignet und/oder bestimmt sind, die Redaktion bzw. den Vertrieb solcher Medien zu unterbinden?

Der Bundesregierung sind keine entsprechenden Gesetze oder Maßnahmen bekannt.

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In dem „Ersten Bericht der Bundesregierung zu der Überprüfung der Voraussetzungen zur Einstufung der in Anlage II zum Asylgesetz bezeichneten sicheren Herkunftsstaaten“, BT-Drs. 19/299 v. 15.12.2017, wird auf Seite 24 ausgeführt:

"Im April 2010 wurde ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet, das allerdings nicht ausdrücklich vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung schützt und insofern die Anforderungen der EU-Grundrechtecharta nicht voll erfüllt. Die frühere Regierung war trotz entsprechender Hinweise der EU und der Venedig-Kommission des Europarats nicht gewillt, sich den konservativen Moralvorstellungen der Gesellschaft entgegenzustellen.

Sexuelle Minderheiten treten im öffentlichen Leben kaum in Erscheinung aus Sorge vor der Reaktion ihres Umfelds und den mit einem „Outing“ möglicherweise verbundenen Konsequenzen wie Arbeitsplatzverlust und Ausgrenzung, sogar in der eigenen Familie.

In MKD gab es in der Vergangenheit sechs Überfälle auf ein Büro einer LGBTTI-Organisation mit materiellem Schaden. Einen Polizeischutz für das Büro gibt es nicht. Nur bei einem der sechs Angriffe wurden Täter gefasst und verurteilt, obwohl zu allen Angriffen Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras vorliegen."

Oman

Anerkennung eines homosexuellen Flüchtlings aus Oman als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Pakistan

Leitsatz: Mögliche Verfolgung wegen Homosexualität in Pakistan ist im Folgeverfahren zu prüfen:

  1. Für die Zulässigkeit eines Asylfolgeantrags genügt der glaubhafte und substantiierte Vortrag hinsichtlich der Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland oder der das persönliche Schicksal bestimmenden Umstände. Keine Rolle spielt es, ob der neue Vortrag tatsächlich zutrifft, denn dies muss in einem neuen, mit den Verfahrensgarantien des AsylG ausgestatteten Asylverfahren beurteilt werden.
  2. Die Frage, ob Männern in Pakistan wegen ihrer Homosexualität staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung droht, ist weder höchstrichterlich geklärt noch in der Rechtsprechung einheitlich beurteilt. Eine dahingehende Klärung muss im Asylfolgeverfahren erfolgen und darf nicht in die Entscheidung über die Zulässigkeit des Folgeantrags verlagert werden.

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1. In Pakistan müssen Homosexuelle mit Verfolgungshandlungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG in Form einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung i.S.v. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 lit. c QRL rechnen (vgl. allg. VG Potsdam, Urt. v. 13.5.2014 – 6 K 3802/13.A – juris Rn. 26). 

2. Es ist auch nicht ersichtlich, dass hinsichtlich der Situation Homosexueller in Pakistan regionale Unterschiede bestehen, so dass ein interner Schutz nach § 3e AsylVfG ausscheidet.

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Praktizierende Homosexuelle sind in Pakistan Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 AsylG ausgesetzt. Die Auskunftslage spricht insgesamt dafür, dass die in Art. 377 PPC für homosexuelle Handlungen enthaltenden Androhung einer Haftstrafe jedenfalls in Einzelfällen auch tatsächlich vollzogen wird. Homosexuelle müssen zudem mit Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure rechnen, gegen die staatlichen Stellen keinen Schutz zu bieten.

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1. Homosexualität ist gemäß § 377 Pakistan Penal Code (- PPC -) als „gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr" zwar verboten; für eine Verurteilung ist jedoch der Beweis des Geschlechtsaktes zwingend erforderlich. Verurteilungen in Fällen gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehrs im beiderseitigen Einvernehmen sind mangels entsprechender Aussagen der Beteiligten oder wegen des Fehlens einer ärztlichen Untersuchung zur Beweissicherung daher selten.

2. Obwohl gemäß dem 1990 eingeführten Scharia-Gesetz homosexuelle Handlungen mit Peitschenhieben, Haft oder mit dem Tod bestraft werden können, sind dem Auswärtigem Amt auch derartige Fälle unbekannt. Auch Amnesty International hat seit Oktober 2012 selbst keine Fälle der Anwendung von § 377 PPC oder des Scharia-Rechts dokumentiert.

3. Homosexualität ist in Pakistan gesellschaftlich nicht akzeptiert, wird aber im privaten Bereich toleriert.

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1. Homosexualität ist nach § 377 des pakistanischen Strafgesetzbuchs (PPC) als "gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr" verboten. Das Strafmaß beträgt im Regelfall zwei bis zehn Jahre Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Allerdings muss der Geschlechtsakt für eine Verurteilung nachgewiesen werden. Neben dem Verbot von Homosexualität nach Art. 377 PPC sind homosexuelle Handlungen nach dem 1990 eingeführten Scharia-Gesetz mit Peitschenhieben oder mit Tod durch Steinigung strafbar.

2. Praktizierende Homosexuelle sind in Pakistan im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 AsylG relevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt. Die Auskunftslage spricht insgesamt dafür, dass die in Art. 377 PPC für homosexuelle Handlungen enthaltene Androhung einer Haftstrafe jedenfalls in Einzelfällen auch tatsächlich vollzogen wird.

3. Hinzu kommt, dass Homosexuelle, wenn sie sich outen, auch mit Verfolgungsmaßnahmen durch nichtstaatliche Akteure rechnen müssen, gegen die staatliche Stellen keinen Schutz bieten. Eine Person, deren Homosexualität entdeckt wird, wird in Pakistan zum Opfer von Drohungen, Schlägen und Ausgrenzung. Die betroffenen Personen sind häufig Einschüchterungen oder gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt, gegen die sie sich nicht wehren können, weil die Polizei nicht hilft. Homosexuelle, die Beziehungen auf einvernehmlicher Basis unterhalten, werden darüber hinaus leicht Opfer von Nötigungen seitens der Polizeibehörden selbst, die die Homosexuelle um Geld und Geschlechtsverkehr erpressen, damit sie diese nicht anzeigen.

4. Sind Homosexuelle demnach in Pakistan einer im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG relevanten Verfolgung ausgesetzt, muss auch der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit gegen ihn gerichteten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen, wenn er seine Homosexualität öffentlich leben würde. Darüber hinaus wird der Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in Pakistan keinen staatlichen Schutz vor der Verfolgung durch seine eigene Familie, seine Verwandten und Nachbarn erhalten.

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Dem Kläger droht infolge seiner Homosexualität eine Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

Homosexuelle sind in Pakistan häufig Einschüchterungen, Bedrohungen oder gewalttätigen Übergriffen - vor allem auch innerhalb der Familie - ausgesetzt. Darüber hinaus werden Homosexuelle häufig Opfer von Nötigungen und Erpressungen durch Polizeiangestellte.

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Der nicht vorverfolgt aus Pakistan ausgereiste Kläger hat wegen seiner Homosexualität bei Rückkehr nach Pakistan Verfolgung in Gestalt unverhältnismäßiger oder diskriminierender Strafverfolgung oder Bestrafung begründet zu befürchten (§ 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 AsylG). Diese Verfolgung droht ihm durch den Staat sowie ferner, ohne dass der pakistanische Staat wirksamen Schutz hiervor bieten würde, durch nichtstaatliche Akteure (§§ 3c, 3d AsylG). Interner Schutz hiervor (§ 3e AsylG) steht dem Kläger nicht zur Verfügung.

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1. Praktizierende Homosexuelle sind in Pakistan im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 AsylG relevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt. Die Auskunftslage spricht insgesamt dafür, dass die in Art. 377 PPC für homosexuelle Handlungen enthaltene Androhung einer Haftstrafe jedenfalls in Einzelfällen auch tatsächlich vollzogen wird.

2. Der Umstand, dass allgemein in Pakistan selten Strafverfahren und Verurteilungen gegen Homosexuelle wegen einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs bekannt werden, dürfte im Kern darin begründet sein, dass Homosexuelle in Pakistan aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der weit verbreiteten Vorbehalte in der Bevölkerung ihre sexuelle Orientierung verbergen, und beispielsweise ein Doppelleben in einer erzwungenen Ehe führen.

3. Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass hinsichtlich der Situation Homosexueller in Pakistan regionale Unterschiede bestehen, so dass ein interner Schutz nach § 3e AsylG ausscheidet.

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Homosexuelle Handlung werden in Pakistan nur solange toleriert, wie die sexuelle Orientierung geheim bzw. unsichtbar bleibt. Homosexuelle werden strafrechtlich verfolgt und Haftstrafen in Einzelfällen tatsächlich auch verhängt (unter Bezug auf VG Augsburg, Urteil vom 31.10.2014 - Au 3 K 14.30222 - asyl.net: M22406, Asylmagazin 1-2/2015).

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Homosexuelle in Pakistan sind einer im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG relevanten staatlichen Verfolgung ausgesetzt, wenn sie ihre Homosexualität öffentlich ausleben.

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1. Berücksichtigt man, dass es in der Provinz Punjab in Pakistan pro Jahr zu rund zehn Strafverfahren gegen Homosexuelle kommen soll, obwohl dort etwa 5-10 Millionen homosexuell orientierte Menschen leben, dann ergibt sich daraus, dass sich die Verfolgungshandlungen nicht so wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden homosexuell Veranlagten nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Dies gilt auch, wenn man die Schwere der drohenden Gefahr einer Inhaftierung, die häufig mit weiteren schweren Menschenrechtverletzungen einhergeht, würdigt.

2. Dass keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung oder privater Übergriffe besteht, wird bezüglich des Antragstellers zudem auch durch die Tatsache gestützt, dass er nach seinem eigenen Vortrag nachdem seine Eltern von seiner Homosexualität erfahren haben, noch zehn Jahre unbehelligt in Pakistan leben konnte, obwohl selbst Teile seiner Umgebung (Nachbarn etc.) von seiner Homosexualität wussten und er Geschlechtsverkehr mit männlichen Prostituierten ausgeübt hat.

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Aufgrund seiner Homosexualität und seinem ausdrücklich geäußerten Wunsch, seine sexuelle Orientierung auszuleben, droht dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner sexuellen Ausrichtung und deren Betätigung im Fall der Entdeckung eine in Pakistan auch tatsächlich praktizierte Strafverfolgung, die sich als politische Verfolgung darstellt.

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1. Der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen in Pakistan unter Strafe gestellt sind, stellt als solcher noch keine Verfolgungshandlung in Gestalt einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung dar.

2. Angesichts der geringfügigen Zahl von Fällen strafrechtlicher Verfolgung bzw. Verurteilungen von homosexuellen Männern ist die Wahrscheinlichkeit einer strafrechtlich Verfolgung und Verurteilung als sehr gering einzuschätzen, auch wenn man berücksichtigt, dass von dem Asylbewerber eine Geheimhaltung seiner Homosexualität im Herkunftsland oder Zurückhaltung nicht erwartet werden darf.

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Homosexuelle stellen in Pakistan eine soziale Gruppe dar. Ihnen droht staatliche Verfolgung durch Strafverfahren sowie Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure.

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1. Zu der Frage, ob einem Homosexuellen, der seine sexuelle Orientierung auszuleben wünscht, im Fall einer Rückkehr nach Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner sexuellen Ausrichtung und deren Ausleben im Fall der Entdeckung in Pakistan auch tatsächlich in Form einer praktizierten Strafverfolgung eine Verfolgung droht, haben das VG Gelsenkirchen und andere im einzelnen angeführte Verwaltungsgerichte ausführlich Stellung genommen.

2. Gemäß den aktuellen, nach Erlass des Urteils des VG Gelsenkirchen veröffentlichten Erkenntnisquellen, die dem Gericht zur Verfügung stehen, hat sich die Situation Homosexueller in Pakistan zwischenzeitlich nicht verändert.

3. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger homosexuell ist und dies auch offen lebt. Deshalb droht ihm im Fall der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner sexuellen Orientierung.

4. Die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative nach § 3e Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 8 RL 2011/95/EU scheidet bereits wegen der landesweiten Gültigkeit der Strafvorschriften betreffend homosexuelle Handlungen aus.

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Dem Kläger drohen in seinem Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, die an seine sexuelle Orientierung anknüpfen. Im Falle der Entdeckung der Homosexualität bzw. deren Auslebung droht dem Kläger in Pakistan eine - tatsächlich praktizierte - staatliche Strafverfolgung und damit eine unverhältnismäßige und diskriminierende Bestrafung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG, die sich als Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3 AsylG darstellt.

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Homosexuelle Handlungen können in Pakistan mit Haft- und Körperstrafen geahndet werden. Diese Vorschriften werden auch tatsächlich angewandt; wenn nur relativ wenige Fälle bekannt werden, so liegt das auch daran, dass die betroffenen Personen ihre sexuelle Orientierung aus Angst vor Repressalien verbergen. Vor Verfolgung durch Dritte bieten die staatlichen Behörden keinen Schutz. (Leitsatz des Einsenders bei Asyl.Net )

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Abhilfebescheid: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagte einem Kläger aus Pakistan in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2019 vor dem VG Gießen  (Az: 5 K 553/17.GL) zu, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Richter  hatte erklärt, dass er kein Zweifel hatte, dass der Kläger homosexuell sei und seine Homosexualität in der Öffentlichkeit in Deutschland zeige und lebe. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit für beendet erklärt. Im Abhilfebescheid nimmt das BAMF ausdrücklich auf die Rechtsprechungen Bezug, die feststellt, dass „praktizierende“  Homosexuelle in Pakistan im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG relevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt seien.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Droht homosexuellen Flüchtlingen in ihrem Heimatland Verfolgung, dürfen Behörden und Gerichte einen Asylfolgeantrag nicht ohne nähere Prüfung ablehnen. Sie müssen einer möglichen Verfolgung genauer auf den Grund gehen, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Montag veröffentlichten Beschluss. Im konkreten Fall ging es um einen jungen Mann aus Pakistan, der 2015 als Jugendlicher mit seinem Vater nach Deutschland kam. Nachdem der Asylantrag des Vaters abgelehnt wurde, stellte er nach Eintritt der Volljährigkeit einen Asylfolgeantrag und verwies darauf, dass ihm in Pakistan wegen seiner Homosexualität Verfolgung drohe. Gleichgeschlechtliche Menschen würden dort teilweise sogar umgebracht. (Badische Zeitung vom 28.01.2020)

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Homosexuellen Männern, die ihre Wesensprägung nicht verdeckt leben, droht in Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

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Keine Flüchtlingsanerkennung für einen homosexuellen Mann aus Pakistan, der seine sexuelle Orientierung nicht "öffentlich auslebt"

1. Homosexuellen Männern droht in Pakistan keine Gruppenverfolgung durch staatliche oder private Akteure.

2. Männer, die "selbst in Deutschland" ihre sexuelle Orientierung nicht "öffentlich ausleben" und auch keinen Kontakt zu Organisationen halten, die sich für die Belange von LSBTIQ einsetzen, kann zugemutet werden, dass sie dieses Verhalten auch nach ihrer Rückkehr nach Pakistan fortsetzen. In diesem Fall droht ihnen keine Gefahr.

3. Jedenfalls vor nichtstaatlicher Verfolgung ist interner Schutz in der Anonymität der Großstädte verfügbar.

(Leitsätze der Asyl.Net Redaktion)

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Homosexuelle sind in Pakistan einer im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG relevanten Verfolgung ausgesetzt. Der Kläger muss im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan mit gegen ihn gerichteten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen, wenn er seine Homosexualität öffentlich ausleben würde.

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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagt einem Kläger aus Pakistan in der mündlichen Verhandlung zu, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit für beendet erklärt. Der Kläger hatte erklärt, in Deutschland offen schwul zu leben und seine Homosexualität nicht verstecken zu wollen.

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Flüchtlingsanerkennung für homosexuellen Mann aus Pakistan; Verweis auf "diskreten Lebensstil" rechtsfehlerhaft

1. Homosexuelle Männer bilden in Pakistan eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Homosexuelle Handlungen sind in Pakistan unter Strafe gestellt, und die Strafandrohung wird in Einzelfällen auch vollzogen. Zudem existieren zahlreiche Übergriffe nichtstaatlicher Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG gegen Personen, die ihre Homosexualität offen leben.

2. Es besteht kein interner Schutz. Selbst wenn es Personen aus der oberen pakistanischen Mittelschicht möglich sein sollte, in Großstädten wie Lahore, Karachi oder Islamabad "diskret und unter dem Radar zu leben", kann von Betroffenen nicht verlangt werden, ihre sexuelle Orientierung lediglich in Kreisen auszuleben, die ihre sexuelle Orientierung teilen oder tolerieren.

3. Die Argumentation, bei einer "diskreten Lebensweise" seien homosexuelle Personen in Pakistan nicht bedroht, ist rechtsfehlerhaft und verstößt gegen Entscheidungen des BVerfG und des EuGH (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.01.2020 - 2 BvR 1807/19 - Asylmagazin 3/2020, S. 80 f. - asyl.net: M28078 und EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-199/12; C-200/12; C-201/12 X,Y,Z gegen Niederlande (Asylmagazin 12/2013) - asyl.net: M21260).

(Leitsätze der Asyl.Net Redaktion)

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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagt einem Kläger aus Pakistan in der mündlichen Verhandlung zu, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit für beendet erklärt. Der Kläger hatte erklärt, in Deutschland offen schwul zu leben und seine Homosexualität nicht verstecken zu wollen.

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Eine gesellschaftliche Verfolgung liegt insbesondere in Fällen nahe, in denen eine Person ihre Homosexualität besonders offensichtlich und exponiert auslebt, auch und gerade in der Öffentlichkeit und für jeden erkennbar und bemerkbar und damit in besonderem Maße anstößig im Sinne der pakistanischen Gesellschaftsordnung. Auch legt die strafrechtliche Situation nahe, dass Personen, die ihre homosexuelle Orientierung für sich als identitätsbestimmend bindend ansehen, durchaus hierdurch zu einem Verzicht gezwungen werden, ihre innere Überzeugung entgegen ihrer eigentlichen Identität zurückzuhalten. 

Nach der Rechtsprechung des EuGHs darf von einem Asylbewerber aber nicht erwratet werden, dass er seine Homosexualität im Heimatland geheimhält oder sich beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung zurückhält, um eine Verfolgung zu vermeiden.

Für Personen, die ihre sexuelle Orientierung in dieser Weise als identitätsbestimmend ansehen, ist die Gefahr, angeklagt und verurteilt zu werden, erhöht, ebenso die Gefahr durch nichtstaatliche, gesellschaftliche Akteure verfolgt zu werden.

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Nach Art. 377 des pakistanischen Strafgesetzbuchs ist homosexueller Geschlechtsverkehr zwischen Männern als „gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr" strafbar, wobei nach Art. 511 des pakistanischen Strafgesetzbuches auch bereits der Versuch strafbar ist. Das Strafmaß beträgt im Regelfall zwei bis zehn Jahre Freiheitsstrafe, in schweren Fällen bis zu lebenslange Freiheitsstrafe. Strafverfahren gegen Homosexuelle werden daneben mitunter auch auf zwei weitere Vorschriften ge­stützt, die „obszöne Tänze und Lieder" (Art. 294) sowie „Blasphemie" (Art. 295) unter Strafe stellen. Schließlich können homosexuelle Handlungen nach der über eine Ver­ordnung anwendbaren Scharia („Hudood Ordinances") wegen außerehelichen Ge­schlechtsverkehrs („zina") oder wegen Sodomie mit Peitschenhieben, Haft oder Tod bestraft werden.

Die Kriminalisierung von Homosexualität führt über die Strafverfolgung hinaus auch zu weiteren Übergriffen durch den Staat. In den Erkenntnismitteln wird berichtet, Polizei­beamte benutzten mitunter die geltenden Strafnormen, um Homosexuelle zu belästi­gen, zu erpressen, einzuschüchtern, festzunehmen oder sexuell zu misshandeln.

Die Erkenntnismittel belegen zudem vielfältige und häufige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG gegen Persönen, die ihre Homosexualität offen leben. Homosexuelle sind wegen ihrer sexuellen Orientierung auch Gewalt ausgesetzt, ins­besondere in der eigenen Familie, wobei es selbst zu Tötungen durch die eigenen Angehörigen kommt. In Pakistan steht gegen diese Übergriffe kein wirksamer Schutz zur Verfügung.

Vor dem Hintergrund dieser Maßgaben war dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen in Pakistan stattfindender Verfolgung durch den Staat und private Akteure für einen homosexuellen Mann, der seine sexuelle Orientierung öffentlichkeitswirksam lebt.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Trans- und Homosexuelle, die ihre Sexualität in einer verfolgungsrelevanten Weise offen leben, unterliegen einem realen Verfolgungsrisiko. Ein offen trans- und homosexuell lebener Mann ist in Pakistan ohne interne Schutzmöglichkeiten homophoben Übergriffen durch staatliche wie insbesondere durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt. 

Von dem Asylbewerber darf eine Geheimhaltung seiner Homosexualität im Herkunftsland oder Zurückhaltung nicht erwartet werden. Insbesondere kann der Kläger auch nicht auf eine geschlechtsumwandelnde Operation verwiesen werden.

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Homosexueller Männer, denen es ein inneres Bedürfnis ist, ihre Homosexualität auch öffentlich auszuleben unterliegen in ihrem Heimatland einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung.

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Vor dem Hintergrund des vom Kläger vorgetragenen individuellen Schicksals besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Ein offen homosexuell lebender Mann ist in Pakistan ohne interne Schutzmöglichkeiten homophoben Übergriffen durch staatliche wie insbesondere durch nichtstaatliche Akteu­re ausgesetzt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass von dem Asylbewerber eine Ge­heimhaltung seiner Homosexualität im Herkunftsland oder Zurückhaltung nicht erwartet werden darf. Es wäre vor dem Hinter­grund dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfas­sungsgerichts schlechthin unvertretbar und würde die Willkürschwelle überschreiten, wenn einem homosexuellen Asylsuchenden gemäß § 3e AsylG asylrechtlicher Schutz unter Verweis auf die Möglichkeit, seine homosexuelle Orientierung im Herkunftsstaat geheimzuhalten, versagt werden würde.

Nach dem Vortrag des Klägers und dessen Eindruck in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass es für ihn ein inneres Bedürfnis ist, seine Homosexualität auch öffentlich auszuleben. Dem Kläger ist daher die Flüchtlingseigentschaft zuzuerkennen.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Pakistan.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger glaubhaft darlegen können, dass er homosexuell sei und habe das Gericht auch davon überzeugt, dass er zu seiner Homosexualität stehe, sodass davon ausgegangen werde, dass er im Falle einer Rückkehr nach Pakistan von Verfolgung bedroht wäre, unverhältnismäßige Strafen und Handlungen Dritter zu befürchten hätte und keinen staatlichen Schutz erwarten könne. Folglich habe der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

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Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, da er als bekennender Trans- und Homosexueller in Pakistan einer Verfolgung jedenfalls durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt wäre, welche an einen Verfolgungsgrund i.S.v. § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG anknüpft und gegen welche zu schützen der pakistanische Staat nicht hinreichend willens oder in der Lage ist, wobei für den Kläger keine interne Fluchtalternative besteht.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Abhilfebescheid: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagte einem Kläger aus Pakistan in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2021 vor dem VG Trier (Az: 10 K 3371/20.TR) zu, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit für beendet erklärt. Der Kläger hatte erklärt, in Deutschland offen schwul zu leben und seine Homosexualität nicht verstecken zu wollen.

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Abhilfebescheid: Das BAMF sagt einem Kläger aus Pakistan in der mündlichen Verhandlung vor dem OVG Koblenz zu, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Parteien haben daraufhin der Rechtsstreit für erledigt erklärt. Der Kläger hatte erklärt, in Deutschland offen schwul zu leben und seine Homosexualität nicht verstecken zu wollen.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Pakistan.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Dabei bedarf es keiner abschließenden Bewertung, ob dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Pakistan allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der homosexuellen Männer eine Verfolgung droht. Homosexualität selbst steht im Herkunftsland des Klägers nicht explizit unter Strafe, jedoch sind sexuelle Handlungen strafbar und werden in Einzelfällen auch subsumiert. Da es sich dabei um Einzelfälle handelt wird mangels Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung homosexueller Männer durch staatliche und nicht-staatliche Akteure in Pakistan überwiegend abgelehnt. In der Person des Klägers sieht das Gericht jedoch besondere Umstände, die seine Verfolgungsfurcht begründen und eine inländische Fluchtalternative ausschließen. So musste der Kläger wegen homosexueller Handlungen unmittelbar vor seiner Flucht mit Verfolgung durch die Familie seines Geliebten und durch die Strafverfolgungsbehörden rechnen. Es lag eine konkrete Strafanzeige vor und ein erkennbares Verfolgungsinteresse durch Dritte. Die Wiederholungsvermutung im Falle einer Rückkehr ist nicht entkräftet. Für den Kläger steht keine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Die gesundheitliche Situation des Klägers spricht zur Überzeugung des Gerichts dagegen, dass er sich in einem anderen Landesteil eine neue Lebensgrundlage aufbauen könnte.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Pakistan.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht ist überzeugt, dass der Kläger homosexuell ist und dass es unverzichtbar identitätsprägend für ihn ist, seine Homosexualität nach außen erkennbar zu leben. Zudem hat er in Anknüpfung an seine sexuelle Orientierung im Rahmen einer Freiheitsstrafe und Misshandlungen durch Dritte bereits Verfolgung erlitten. In Pakistan bestehen strafrechtliche Bestimmungen die spezifisch Homosexuelle betreffen, wodurch diese als soziale Gruppe anzusehen sind. Die Erkenntnislage zeigt, dass diese in Einzelfällen angewandt wird. Zudem ist belegt, dass es gegen Personen die ihre Homosexualität offen leben zu vielfältigen und häufigen Übergriffen nichtstaatlicher Akteure kommt, insbesondere auch aus dem eigenen sozialen Umfeld. Wirksamer staatlicher Schutz steht im Hinblick auf das geltende Strafrecht nicht zur Verfügung. In Pakistan drohen dem Kläger landesweit schwere Verletzungen seiner grundlegenden Menschenrechte, insbesondere in Form von sexueller Gewalt sowie diskriminierender polizeilicher Maßnahmen und Strafverfolgung. Dem könnte er allenfalls entgehen, wenn er seine Homosexualität in Pakistan geheim hielte oder nur verborgen ausübte. Dies ist ihm jedoch flüchtlingsrechtlich nicht zuzumuten, weil es mit seiner Identität unvereinbar wäre.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Pakistan.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[..] Zwar unterliegen Homosexuelle in Pakistan keiner Gruppenverfolgung es gibt jedoch mehrere Berichte darüber, dass vielfältige und häufige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure gegen Personen, die ihre Homosexualität offen ausleben, stattfinden. Der pakistanische Staat ist außerdem nicht hinreichend willens oder in der Lage den Kläger zu schützen, sodass keine interne Fluchtalternative zur Verfügung steht. Die Verfolgungsgefahr von Homosexuellen besteht in allen Teilen Pakistans gleichermaßen, regionale Unterschiede sind dabei nicht erkennbar. Von einem Asylantragsteller darf nach dem EuGH auch nicht erwartet werden, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Orientierung übt, um die Verfolgungsgefahr zu vermeiden. Für den Kläger ist seine Homosexualität zentraler Bestandteil seiner Identität, sodass eine Verfolgung bei seiner Rückkehr nach Pakistan beachtlich wahrscheinlich ist.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Kläger.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Pakistan.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Dem Kläger drohen zwar bei einer Rückkehr nach Pakistan keine Verfolgungsmaßnahmen von staatlicher Seite und/oder von Seiten nichtstaatlicher Akteure allein wegen seiner Zugehörigkeit zu der Gruppe der homosexuellen Männer. Jedoch unterliegen homosexuelle Männer, denen es ein inneres Bedürfnis ist, ihre Gleichgeschlechtlichkeit auch öffentlich auszuleben, in Pakistan einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung, wobei der Kläger ein solches Bedürfnis glaubhaft dargelegt habe. Die Berichterstatterin ist zur vollen Überzeugung gelangt, dass es dem Kläger wichtig sei, zu sich selbst stehen zu können und seine Sexualität nach außen zu zeigen. Der Kläger schilderte glaubhaft, dass er sich in Deutschland sicher fühle und er seine Sexualität aufgrund der nunmehr erlebten Freiheit nicht mehr verstecken möchte, da die sexuelle Ausrichtung einen unverzichtbaren Bestandteil seiner Identität darstellt.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Kläger seine Homosexualität erst spät in das Verfahren eingebracht habe und dies in der Anhörung vor dem Bundesamt keine Erwähnung fand. Jedoch ist bei Homosexuellen aus islamischen Ländern wegen der dort vorherrschenden Einstellung zu berücksichtigen, dass es für Betroffene mit Scham und Überwindung verbunden sein kann, über ihre sexuelle Orientierung offen zu sprechen. Insoweit gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft an, dass er zunächst Angst hatte, weil dies in seinem Heimatland nicht akzeptiert würde. [...]

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Kläger aus Pakistan.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Durch den glaubhaften und schlüssigen Sachvortrag ist die Kammer von der Homosexualität des Klägers überzeugt. Es erscheint für Ihn unverzichtbar und identitätsprägend seine Homosexualität nach außen erkennbar zu leben. Zudem hat er in Anknüpfung an seine sexuelle Orientierung durch seine Familie bereits Verfolgung erlitten. In Pakistan bestehen strafrechtliche Bestimmungen für homosexuelle Handlungen, die der Staat auch im Einzelfall ahndet, wodurch LGBTI-Zugehörige als soziale Gruppe anzusehen sind. Zudem ist anhand der aktuellen gerichtlichen Erkenntnismittel belegt, dass es gegen Personen die ihre Homosexualität offen leben zu vielfältigen und häufigen Übergriffen nichtstaatlicher Akteure kommt, insbesondere auch aus dem eigenen sozialen Umfeld, wie dies der Kläger auch glaubhaft geschildert habe.

Wirksamer staatlicher Schutz steht im Hinblick auf das geltende Strafrecht nicht zur Verfügung. In Pakistan drohen dem Kläger landesweit schwere Verletzungen seiner grundlegenden Menschenrechte, insbesondere in Form von sexueller Gewalt sowie diskriminierender polizeilicher Maßnahmen und Strafverfolgung. Diskriminierung erfolgt in nahezu allen Lebensbereichen, die zum Verlust des Arbeitsplatzes, zur Obdachlosigkeit und damit zur Verelendung führen kann. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist für sexuelle Minderheiten aufgrund der sozialen Stigmatisierung ebenfalls eingeschränkt. Dem könnte der Kläger allenfalls durch Verbergen seiner sexuellen Orientierung entgehen. Dies ist ihm jedoch flüchtlingsrechtlich nicht zumutbar, weil es mit seiner ihn prägenden sexuellen Identität unvereinbar wäre. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse ist eine Verfolgung des Klägers wegen seiner Homosexualität im Falle einer Rückkehr beachtlich wahrscheinlich. In der individuellen Verfolgungsprognose berücksichtigt die Kammer, dass der Kläger seine sexuelle Identität bereits in Pakistan nach außen erkennbar gelebt habe und deswegen erheblichen Übergriffen ausgesetzt war.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Mann aus Pakistan im Zuge der Prüfung eines Asylfolgeantrags.

Peru

Abschiebungsverbot für lesbische Klägerin aus Peru

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Es besteht für die Klägerin jedoch Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG durch die Beklagte. Unter Berücksichtigung ihrer sexuellen Orientierung und der den Erkenntnismitteln zufolge prekären wirtschaftlichen Verhältnisse in Peru, sieht die Kammer entsprechende individuell gefahrerhöhende Umstände verwirklicht, die eine relevante existenzbedrohende Armut der Klägerin i. S. v. Art. 3 EMRK annehmen lassen. Dies zeigt sich insbesondere durch glaubhaft geschilderte Diskriminierungen bei der Suche nach einem Arbeitsplatz, sofern die Homosexualität der Klägerin bekannt würde und gleichzeitig dem fehlenden Zugriff auf familiäre oder sonstige Unterstützung. Von der Klägerin kann auch im Rahmen der Prüfung von nationalen Abschiebungsverboten nicht erwartet werden, dass sie von ihrer sexuellen Identität nach außen hin Abstand nimmt und sich davon insoweit lossagt, um (wirtschaftlichen) Benachteiligungen im Heimatland entgehen.

 

Polen

1. Das Bundesamt ordnet die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

2. Das Vorliegen systemischer Mängel in einem Mitgliedstaat setzt voraus, dass dort die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

3. Dem Gericht liegen keine Erkenntnisse vor, dass Homosexuelle in Polen im Falle einer Überstellung eine besondere - erniedrigende - Behandlung erfahren. Selbst wenn es zu einem Übergriff der Antragstellerin in Polen wegen ihrer Homosexualität kommen sollte, sieht das Gericht vorliegend keine Anhaltspunkte, dass sich der Antragstellerin nicht jederzeit mithilfe der polnischen Sicherheitsbehörden oder Gerichte zur Wehr setzen könnte.

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1. Die behördliche Aussetzung der Vollziehung einer Dublin-Überstellung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-Verordnung (juris: EUV 604/2013) aufgrund der sog. Corona-Pandemie ist zulässig und unterbricht die Überstellungsfrist. (Rn.45)

2. Die Überstellungsfrist beginnt (hier: in Bezug auf Polen) mit der Aufhebung der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes sowie der gegenseitigen Einreisebeschränkungen vom 15. Juni 2020 ab diesem Zeitpunkt von Neuem zu laufen. (Rn.61)

3. Auch in Zeiten der sog. Corona-Pandemie weisen das polnische Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen keine systemischen Mängel auf. (Rn.36)

4. Homo-, bi- und transsexuellen Personen sowie Transgender-Personen (sog. LGBT-Personen) droht in Polen keine unmenschliche Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK (juris: MRK). (Rn.65)

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In der polnischen Gesellschaft gebe es zwar LGBTI-feindliche Strömungen. Dies genüge jedoch nicht für die Annahme eines Abschiebungsverbots. Es sei weder ersichtlich, dass die gesellschaftlichen Ressentiments gegenüber Homosexuellen in Polen die Schwelle zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK überschritten noch, dass sich aus diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Antragstellers ergäben. Darüber hinaus sei der polnische Staat schutzbereit. Denn er habe Schritte eingeleitet, um insofern auftretende Rechtsverletzungen zu untersuchen, zu verfolgen und zu bestrafen.

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Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage eines schwulen Irakers gegen seine Abschiebung nach Polen im Rahmen des "Dublin-Verfahrens". 

Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asyl­bewerber in Polen weisen derzeit systemische Mängel auf, die — jedenfalls nach summarischer Prüfung - so defizitär sind, dass sie im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlich­keit die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCharta bzw. Art. 3 EMRK bergen. 

Das gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf der Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem ein­zelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Einer Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens ste­hen deshalb nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen. Die Anforderun­gen an die Feststellung systemischer Mängel sind hoch.

Diesen strengen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt, ergeben sich für das Gericht nach sum­marischer Prüfung der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zur Lage in Polen konkrete Anhaltspunkte für derartige systemische Mängel. Dem Antragsteller droht aufgrund seiner se­xuellen Orientierung im laufenden Asylverfahren in Polen eine unmenschliche oder erniedri­gende Behandlung.

Sofern in den vergangen Jahren bis Sommer 2020 die herrschende Rechtsprechung festgestellt hat, dass das polnische Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen mit Blick auf die Situation von Dublin-Rückkehrern keine systemischen Mängel aufweisen, teilt das Gericht diese Auffassung in Anbetracht der jüngsten politischen Ereignissen vorerst nicht mehr. Durch die Entwick­lung der letzten Monate wird ersichtlich, dass die gesellschaftlichen Ressentiments gegenüber Ho­mosexuellen in Polen die Schwelle zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK überschritten hat. 

Dem Antragsteller kann als vulnerable Person nicht zugemutet werden, das Hauptsacheverfahren aus Polen zu betreiben.

Russische Förderation

Die vorliegenden Quellen zur Situation von Homosexuellen in der Russischen Föderation belegen zwar, dass das gesellschaftliche Klima für sexuell Andersorientierte rauh und diskriminierend ist. Allerdings bleiben diese Vorkommnisse punktuell und belegen nicht in der erforderlichen Dichte eine tatsächliche Verfolgung Homosexueller im ganzen Land, die den Schluss auf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung zulassen würde.

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1. Homosexuelle - wie auch transsexuelle - Menschen gehören in der Russischen Föderation zu einer sozialen Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.
2.  Die russischen Strafvorschriften gegen „Verbreitung homosexueller Propaganda gegenüber Minderjährigen“ bringen durchaus eine Gleichgültigkeit des russischen Staates gegenüber der gesellschaftlichen Homophobie zum Ausdruck, was auch durch vergleichsweise milde Strafen bei Übergriffen gegenüber LGBT-Menschen zum Ausdruck kommt.
3. Transsexuelle haben wegen ihrer sexuellen Ausrichtung bei Rückkehr in die Russische Föderation Verfolgung in Gestalt physischer und psychischer Gewalt begründet zu befürchten (§ 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 AsylG). Diese Verfolgung droht ihnen durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der russische Staat wirksamen Schutz hier­vor bietet (§§ 3c, 3d AsylG), und ohne dass ihnen interner Schutz zur Verfügung steht (§ 3e AsylG).

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1. Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, da er aufgrund seiner homosexuellen Orientierung einer sozialen Gruppe zugehörig ist und in der Russischen Föderation menschenrechtswidrigen Bedrohungen ausgesetzt war/ist.
2. Homosexualität ist in Russland zwar nicht strafbar, jedoch ist die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der Gesellschaft gering. Bei einer Rückkehr nach Russland hätte der homosexuelle Kläger mit physischer und psychischer Gewalt durch nichtstaatliche Akteure zu rechnen, ohne dass die russischen Behörden einen wirksamen Schutz bieten (§§ 3c, 3d AsylG) und ohne der Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative (§ 3e AsylG).
3. Der Kläger kann sich nicht auf Art. 16a GG berufen, da eine zielgerichtete staatliche oder dem Staat zurechenbare Verfolgungsmaßnahmen nicht vorliegt. Die Gleichgültigkeit staatlicher Strafverfolgungsorgane gegenüber homophoben Übergriffen erfüllt hierfür nicht die Voraussetzungen.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft 

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Die Personengruppe der LGBT-Menschen besitzt in der Russischen Föderation ausweislich der eingeführten Erkenntnisse eine deutlich abgegrenzte Identität im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 lit. b AsylG, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Homosexualität wie auch sonst die Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten ist in der russischen Gesellschaft ein Tabuthema. Personen, die sich offen zu ihrer Homosexualität bekennen, müssen im gesamten Staatsgebiet der Russischen Föderation mit sozialer Ausgrenzung und Diskriminierungen im Alltag, im beruflichen Kontext, in der medizinischen Versorgung sowie mit Anfeindungen und zum Teil mit gewaltsamen Übergriffen rechnen. In der Bevölkerung nehmen starke Vorbehalte zu, seitdem sie durch die orthodoxe Kirche und islamische Prediger, zunehmend auch durch staatliche Medien und durch in den sozialen Netzen aktive homophobe russische Bürger gefördert werden. Homosexualität ist in Russland zwar nicht strafbar, jedoch gibt es auch kein ausdrückliches gesetzliches Diskriminierungsverbot aufgrund sexueller Orientierung. Durch das 2013 verabschiedete Gesetz zum „Verbot nicht-traditioneller sexueller Beziehungen von Homosexuellen gegenüber Minderjährigen" ist zudem praktisch jede öffentliche Darstellung von Homosexualität strafbar. Auch das Auswärtige Amt warnt bei Reisen in die Russische Föderation vor Übergriffen in Folge der Zurschaustellung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und weist darauf hin, dass das genannte Gesetz auch für Ausländer gilt.

Staatlicher Schutz ist nicht i. S. d. § 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG gewährleistet. Zwar führen einzelne Übergriffe gegen Homosexuelle nicht grundsätzlich zu der Annahme der fehlenden Schutzfähigkeit bzw. —willigkeit des Staates, ebenso wenig schließt das Bestehen gewisser Schutzlücken die Wirksamkeit staatlichen Schutzes grundsätzlich aus, allerdings hat die — mitunter gewaltbereite — Diskriminierung, Stigmatisierung und Kriminalisierung Homosexueller in der russischen Gesellschaft ein deutlich darüber hin-ausgehendes Ausmaß erreicht. Zudem verweigert die Polizei häufig die Aufnahme einer Anzeige, sobald der homophobe Hintergrund der Tat zutage tritt, weshalb Betroffene vielfach von einer Anzeige absehen. Auch innerhalb der Polizei ist eine homophobe Einstellung weit verbreitet und es kommt zum Teil zu Übergriffen durch Polizisten. 

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für Transperson aus der Russischen Föderation.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG sowie Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG, § 2 AsylG für politisch verfolgte Transperson aus der Russischen Föderation.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Der Antragsteller gab an, er sei mit dem äußeren Erscheinungsbild einer Frau geboren, habe sich jedoch bereits seit seiner Jugend dem männlichen Geschlecht zugehörig gefühlt. Nach Überwindung zahlreicher Hürden habe er selbst im April 2010 die erste Testosteronspritze erhalten; im Januar 2012 sei dann der chirurgische Eingriff vollzogen worden. Da in ein neues Arbeitsbuch nicht die früheren Arbeitsverhältnisse übertragen würden, habe er nur die Wahl, entweder seine Geschlechtsumwandlung gegenüber einem neuen Arbeitgeber zu offenbaren oder auf eine Dokumentation seiner Arbeitsverhältnisse vor dem operativen Eingriff zu verzichten.

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB oder eine vergleichbare Sicherheitsbehörde wollte dem Antragsteller im Dezember 2019 aufgrund seiner Tätigkeiten als Dokumentarfilmer und aufgrund seiner dortigen Vernetzung als Spitzel innerhalb der LGBT-Bewegung rekrutieren und sich hierzu vorhandener Erkenntnisse über die frühere geschlechtliche Identität des Antragstellers als Druckmittel bediente. Der Antragsteller könnte im Falle seiner hypothetischen Rückkehr in die Russische Föderation unmittelbar durch die oben genannten Akteure im gesamten Föderationsgebiet wieder aufgespürt werden wird und sich dafür verantworten müsste, dass er entgegen der getroffenen Anordnung und unter Verwendung eines angeblich verlorenen Reisepasses unerlaubt ausgereist ist. Zudem steht bei lebensnaher Betrachtung zu erwarten, dass die betroffenen Amtsträger zur Stärkung ihrer eigenen Position innerhalb der Sicherheitsstrukturen und zur Abschreckung anderer Personen mit einer dem Antragsteller vergleichbaren Vergangenheit ein Exempel an diesem statuieren werden, um einem (weiteren) zukünftigen Ungehorsam vorzubeugen.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für gehörlosen Homosexuellen aus der Russischen Föderation.

Leitsatz vom Informationsverbund Asyl & Migration:

1. Einer homosexuellen Person, die in Russland wegen vermeintlicher Verletzungen gegen das "Propagandaverbotsgesetz" verhört und misshandelt wurde, ist vorverfolgt ausgereist, und ihr droht bei einer Rückkehr staatliche Verfolgung.

2. Homosexuelle Personen bilden in Russland eine soziale Gruppe nach § 3b Abs.1 Nr. 4 AsylG. Zudem knüpfen im vorliegenden Fall die Verfolgungshandlungen auch an das Merkmal der politischen Überzeugung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 AsylG an, da der Kläger sich zusammen mit seinem Ehemann für LSBTI-Themen in Russland politisch engagiert hat.

3. Das "Propagandaverbotsgesetz" aus dem Jahr 2013, welches das öffentliche Ausleben homosexueller Handlungen implizit unter Strafe stellt, gilt fort. Aufgrund neuer Gesetze, die im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg beschlossen wurden, dürfte staatliche Überwachung und Unterdrückung abweichender Meinungen sogar noch zunehmen.

4. Bei Übergriffen durch die Polizei handelt es sich nicht um extralegale Handlungen einzelner Personen. Vielmehr bauen diese auf einem staatlich geschaffenen homophoben Nährboden auf und sind somit dem russischen Staat zurechenbar.

5. Eine legale Ausreise spricht nicht gegen eine hinreichende Verfolgungswahrscheinlichkeit, da die Ausreise missbilligter Personen teilweise staatlich auch erwünscht ist.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Mann aus der Russischen Föderation.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Mann aus der Russischen Föderation.

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Sonstige Erkenntnisse

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur "WM 2018 und die politische Situation Russlands unter Wladimir Putin" über die Russische Förderation Folgendes aus (BT-Drs. 19/3108 v. 02.07.2018, Seite 9):

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Menschenrechtslage von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transpersonen und Intersexuellen LGBTI in der Russischen Föderation?

Die Menschenrechtslage von LGBTI stellt sich aus Sicht der Bundesregierung in der Russischen Föderation als besorgniserregend dar. Homosexualität ist in der Russischen Föderation zwar kein Straftatbestand. Der Bundesregierung ist jedoch bekannt, dass LGBTI regelmäßig Opfer von Diskriminierung und auch homophober Gewalt werden. Insbesondere mit Verweis auf vermeintliche „Jugendschutzbelange“ wird das „Verbot über Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen“ häufig dazu genutzt, beantragte öffentliche Veranstaltungen nicht zu genehmigen, Druck auf Medien auszuüben, oder LGBTI-Aktivisten beispielsweise für das Schwenken einer Regenbogenfahne kurzzeitig festzusetzen.

a) Welche praktischen Folgen hat das „Gesetz zum Verbot der Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen unter Minderjährigen“ vom 30. Juni 2013 auf Organisationen und Einzelpersonen? Was ist der Bundesregierung über die Anzahl von Verurteilten und Inhaftierten bekannt?

Nach Erkenntnissen der Bundesregierung wurden bisher in zehn Fällen Geldstrafen verhängt. Das Gesetz sieht keine Haftstrafen vor. Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen.

b) …..

c) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Umgang der zuständigen Behörden mit Fällen von Gewalt gegen LGBTI?

Der Bundesregierung sind Berichte darüber bekannt, dass gewalttätige Straftaten gegen LGBTI nicht mit ausreichender Konsequenz verfolgt und in vielen Fällen nicht umfassend aufgeklärt und bestraft werden.

Sambia

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG sowie auf politisches Asyl nach Art. 16a Abs. 1 GG für homosexuellen Kläger aus Sambia.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Der Kläger hat Sambia zwar unverfolgt verlassen, da ihm vor seiner Ausreise nach Südafrika 2015 in Sambia aufgrund seiner Homosexualität nichts wiederfahren ist. Jedoch konnte sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung vollumfänglich von seiner sexuellen Orientierung überzeugen. Der Kläger trug glaubhaft und schlüssig vor, in einer Beziehung zu einem Mann gestanden zu haben und schilderte einprägsam wie sich seine homosexuelle Neigung seit dem Jugendalter entwickelt habe.

Nach gerichtlicher Erkenntnislage droht dem Kläger wegen seiner Homosexualität in Sambia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit staatliche Verfolgung in Form einer unverhältnismäßigen und diskriminierenden Strafverfolgung im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG. Einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Männern sind in Sambia als „Handlungen gegen die Ordnung der Natur" mit Haftstrafen von 15 Jahren bis lebenslänglich belegt. Dieses Strafgesetz kommt auch zur Anwendung, da die sambischen Behörden durchaus willens sind, gleichgeschlechtlichen Verkehr strafrechtlich zu ahnden. Sollte der Kläger in Sambia bei derartigen sexuellen Handlungen beobachtet werden, würde ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine entsprechende Strafverfolgung und Verurteilung drohen. Bei einer Rückkehr des Klägers kann auch nicht erwartet werden, wie dies der EuGH in seiner Rechtsprechung zur sexuellen Identität dargelegt habe, dass er seine sexuelle Orientierung geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben dieser übt, um künftig der Gefahr einer Verfolgung zu entgehen (vgl. EuGH, Urteile vom 07.11.2013 - C 199/12 bis C-201/12-, juris).

Der im Luftverkehr via Südafrika nach Deutschland eingereiste Kläger hat darüber hinaus Anspruch auf politisches Asyl gemäß Art. 16a Abs. 1 GG, da Sambia kein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG ist. Da sich die Voraussetzungen des Asylgrundrechts insoweit weitgehend mit denen nach § 3 AsylG decken, ist auf die Ausführung zum Flüchtlingsschutz zu verweisen.

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Presseberichte

Sansibar

Presseberichte

Saudi-Arabien

Homosexuellen droht in Saudi-Arabien bei Auslebung ihrer sexuellen Orientierung eine flüchtlingsrelevante Verfolgung

Sonstige Erkenntnisse

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen über die "Menschenrechtslage in Saudi-Arabien" Folgendes aus (BT-Drs. 19/6210 v. 30.11.2018):

18. Inwiefern kriminalisiert Saudi-Arabien nach Einschätzung der Bundesregierung LSBTTI?

Nach Kenntnis der Bundesregierung sind einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen in Saudi-Arabien gesetzlich verboten und werden strafrechtlich verfolgt. Die Verhängung der Todesstrafe oder körperliche Strafen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Saudi-Arabien für einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen möglich. 

Senegal

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen senegalesischen Kläger.

1. Homosexuelle, die in Senegal offen ihre Veranlagung leben und dort deshalb öffentlich bemerkbar sind, werden strafrechtlich verfolgt und erleiden von privater Seite Verfolgungshandlungen wie etwa physische Gewalt i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. a Rl 2011/95/EU, ohne dass staatliche Stellen in der Lage oder willens wären, hiervor Schutz i.S.v. Art. 7 Abs. 2 Rl 2011/95/EU zu bieten.

2. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die zuständigen Behörden von dem Asylbewerber nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (EuGH, Urt. v. 07.11.2013, C-199/12, juris Rn. 76).

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Homosexuelle haben im Senegal unter bestimmten Voraussetzungen - insofern abweichend von der allgemeinen Lage im sicheren Herkunftsstaat (§ 29a Abs. 1 AsylG) - eine Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG zu befürchten.

  • VG München, Beschluss vom 04.08.2016 – M 11 S 16.30613

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Erfolgreicher Eilantrag gegen BAMF-Bescheid, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet.

Homosexuelle haben im Senegal unter bestimmten Voraussetzungen - insofern abweichend von der allgemeinen Lage im sicheren Herkunftsstaat (§ 29a Abs. 1 AsylG) - eine Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG zu befürchten.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen senegalesischen Kläger.

Homosexuelle haben im Senegal Verfolgung i.S.d. §§ 3 ff. AsylG zu befürchten, wenn dort bekannt ist, dass sie homosexuell sind.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen senegalesischen Antragsteller.

Homosexuelle haben im Senegal Verfolgung i.S.d. §§ 3 ff. AsylG zu befürchten, wenn dort bekannt ist, dass sie homosexuell sind.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen senegalesischen Antragsteller.

Homosexuelle haben im Senegal Verfolgung i.S.d. §§ 3 ff. AsylG zu befürchten, wenn dort bekannt ist, dass sie homosexuell sind.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen senegalesischen Kläger.

1. Offen lebende Homosexuelle werden in Senegal strafrechtlich verfolgt und gesellschaftlich diskriminiert.

2. Das Auswärtige Amt weist in seinen Länderhinweisen ausdrücklich darauf hin, dass das Strafgesetz in letzter Zeit mehrfach angewendet wurde und auch Ausländer hiervon nicht ausgenommen werden. In einem Bericht vom August 2015 beklagt Human Rights Watch eine breite Diskriminierung von Homosexuellen durch die senegalesische Regierung. Auch wurden politische Kampagnen gegen Homosexuelle durch Boulevard-Magazine verzeichnet.

3. Aufgrund der Auskunftslage muss zudem davon ausgegangen werden, dass Homosexuelle, die in Senegal offen ihre Veranlagung leben und dort deshalb öffentlich bemerkbar sind, auch von privater Seite Verfolgungshandlungen erleiden, wie etwa physische Gewalt i.S.v. § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG, ohne dass staatliche Stellen in der Lage oder willens wären, hiervor Schutz i.S.v. § 3 d Abs. 2 AsylG zu bieten.

4. Es ist auch nicht ersichtlich, dass hinsichtlich der Situation Homosexueller in Senegal regionale Unterschiede bestehen, so dass ein interner Schutz nach § 3e AsylG ausscheidet.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen senegalesischen Kläger.

1. Es kann letztlich dahinstehen, ob die senegalesische Regierung tatsächlich die Sicherheitsbehörden angewiesen hat, keine Strafverfolgung allein aufgrund von Art. 319 des Strafgesetzbuchs durchzuführen und falls ja, ob diese Weisung tatsächlich befolgt wird, ob mithin eine staatliche Verfolgung Homosexueller im Senegal nicht mehr stattfindet, wie es das VG Bayreuth in seinem Urteil vom 22. März 2017 annimmt.

2. Das Gericht ist nämlich davon überzeugt, dass selbst falls all dies zu bejahen wäre, dem Kläger dennoch Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG droht und die in § 3c Nr. 1 und 2 AsylG genannten Akteure, insbesondere der Staat nach § 3c Nr. 1 AsylG, weder in Lage noch willens ist, Schutz vor dieser Verfolgung zu bieten.

3. Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der weit verbreiteten Vorbehalte in der Bevölkerung seine sexuelle Orientierung verbergen, um Verfolgungshandlungen seitens des Staates oder der Gesellschaft zu entgehen. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die zuständigen Behörden von dem Asylbewerber nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (EuGH, U. v. 7.11.2013 – Rs. C-199/12).

4. Es ist auch nicht ersichtlich, dass hinsichtlich der Situation Homosexueller in Senegal regionale Unterschiede bestehen, so dass ein interner Schutz nach § 3e AsylG ausscheidet.

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Zuerkennung von subsidiärem Schutz für schwulen senegalesischen Kläger.

1. Homosexualität begründet die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG (wie VG Augsburg BeckRS 2016, 46485).

2. Es bestehen stichhaltige Gründe für die Annahme, dass Homosexuellen im Senegal ein ernsthafter Schaden, nämlich eine von nichtstaatlichen Akteuren ausgehende unmenschliche Behandlung droht, der Staat keinen wirksamen Schutz i.S.v. § 4 Abs. 3, § 3d AsylG bietet und interner Schutz in anderen Teilen Senegals nicht erlangt werden kann. Homosexuelle werden im Senegal durch nichtstaatliche Akteure diskriminiert und Fortschritte auf diesem Gebiet von religiösen Führern blockiert.

3. Nach aktuellen Erkenntnismitteln nimmt der senegalesische Staat die Diskriminierung von LGBTI Personen und Gewalt gegen Frauen und Kinder durch Dritte billigend in Kauf.

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Eilrechtsschutz gegen Asylantragsablehnung als "offensichtlich unbegründet" für homosexuellen Mann aus dem Senegal.

Leitsätze vom Informationsverbund Asyl & Migration:

1. Homosexuelle bilden gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG im Senegal eine soziale Gruppe, weil sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werden.

2. LSBTI-Personen sind im Senegal in der Öffentlichkeit und im familiären Rahmen Diskriminierungen ausgesetzt, die von verbalen Anfeindungen und Drohungen bis hin zu körperlicher Gewalt reichen. Zudem sind gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen strafbar und kommt es zu Strafverfolgung.

3. Dem Antragsteller droht deshalb aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung, so dass die durch § 29a Abs. 1, Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung im Senegal als "sicheren Herkunftsstaat" erschüttert ist.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen senegalesischen Kläger.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Das Gericht ist überzeugt, dass der Kläger in Senegal wegen seiner Homosexualität und deshalb wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von Dritten verfolgt worden ist. Diese Verfolgung ist dem senegalesischen Staat zuzurechnen, weil es für Homosexuelle keinen staatlichen Schutz gibt. Den vorliegenden Erkenntnissen nach sind gleichgeschlechtliche Aktivitäten im Senegal strafbar und werden verfolgt. LGBTI-Personen werden oft Opfer von Drohung, Angriffen, von Mobs, Raubüberfällen, Erpressung und Vergewaltigung. Solche Gewalttaten würden von Polizei und auch Politikern geduldet und toleriert werden. Gesetze, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verbieten gibt es nicht.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuelle Klägerin aus Senegal.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da sie bereits vorverfolgt ausreiste und ihr im Falle einer Rückkehr erneut eine entsprechende Verfolgung droht. [...] Aufgrund ihrer, auch durch vorgelegte Dokumente, glaubhaft gemachten sexuellen Orientierung gehört sie im Senegal einer bestimmten sozialen Gruppe an. Im Senegal bestehen strafrechtliche Bestimmungen zu gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen, welche auch angewandt werden. Bei einer wie von der Klägerin geschilderten Vergewaltigung, die dazu dient, ihre von einer schon gesetzlich als „unnatürlich" eingestuften Sexualität zu „heilen", handelt es sich fraglos um eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 AsylG, die letztlich auch kausal für die Ausreise aus dem Senegal gewesen ist. Der Klägerin droht ferner im Falle ihrer Rückkehr in den Senegal aufgrund ihrer sexuellen Orientierung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung in Form einer diskriminierenden Strafverfolgung durch den Staat sowie in Form einer systematischen Diskriminierung und Ausgrenzung von Seiten der Mehrheitsbevölkerung bis hin zur Anwendung körperlicher Gewalt. Dabei befinden sich zur Überzeugung der Einzelrichterin Homosexuelle und andere LGBTIQ-Personen im Senegal in einer derartigen, einer schwerwiegenden Verletzung der Menschenrechte gleichstehenden Lage. Wirksamer Schutz ist landesweit angesichts der gesetzlichen, politischen und gesellschaftlichen Lage nicht gegeben.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft: Verfolgung wegen Homosexualität im Senegal

Amtlicher Leitsatz:

1. Homosexuelle bilden im Senegal eine „bestimmte soziale Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, 5. Var. AsylG. (Rn.29)

2. Männer, die offen homosexuell leben wollen, haben nach der aktuellen Erkenntnislage im Senegal mit einer flüchtlingsrechtlich relevanten tatsächlichen Durchsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften zur Pönalisierung von Homosexualität zu rechnen. (Rn.33)

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Sonstige Erkenntnisse

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/8819 v. 17.06.2016, Seite 8/9, über Senegal Folgendes aus:

29. Inwiefern droht Menschen in Senegal nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer sexuellen Orientierung (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Qualifikationsrichtlinie) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, durch den Staat bzw. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

Nach Artikel 319 des senegalesischen Strafgesetzbuches wird derjenige, der einen „unzüchtigen oder widernatürlichen Akt“ mit einer Person seines Geschlechts begeht, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft. Hinzu kommt eine Geldstrafe von umgerechnet zwischen 150 Euro und 2 300 Euro. Ist einer der Partner dabei 21 Jahre oder jünger, wird stets die Höchststrafe verhängt. Der Artikel wird in Einzelfällen angewandt, so gab es aufgrund dieses Artikels seit 2005 bis heute sieben Verurteilungen. Insbesondere die EU und ihre Mitgliedstaaten wirken im Dialog mit der senegalesischen Regierung darauf hin, dieses Gesetz und damit Homosexualität als Straftatbestand abzuschaffen. Erreicht wurde, dass die Regierung der Republik Senegal die Polizei- und Ermittlungsbehörden angewiesen hat, keine Strafverfolgung oder Anklage nur mehr wegen des Artikels 319 zu betreiben.

30. Inwiefern droht Menschen in Senegal nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer sexuellen Orientierung (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Qualifikationsrichtlinie) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der Staat oder andere Akteure in der Lage oder willens wären, Schutz davor zu bieten, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

Der Bundesregierung sind Berichte bekannt, wonach Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Opfer physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, geworden sind und der Staat nicht in der Lage oder willens war, Schutz davor zu bieten. Dies betrifft vor allem zu Haftstrafen verurteilte Personen, die auf Grund der Überfüllung der Haftanstalten in Gemeinschaftszellen untergebracht werden und dort Opfer sexueller Gewalt werden.

31. Inwiefern drohen Menschen in Senegal nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer sexuellen Orientierung (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Qualifikationsrichtlinie) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewendet werden, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?
32. Inwiefern droht Menschen in Senegal nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer sexuellen Orientierung (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Qualifikationsrichtlinie) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung bzw. Bestrafung, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?
33. Inwiefern droht Menschen in Senegal nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer sexuellen Orientierung (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Qualifikationsrichtlinie) die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?
34. Inwiefern drohen Menschen in Senegal nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer sexuellen Orientierung (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Qualifikationsrichtlinie) Verletzungen anderer Menschenrechte, einschließlich wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, durch den Staat bzw. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

Die Fragen 31 bis 34 werden zusammengefasst beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage 29 verwiesen.

35. Inwiefern drohen Menschen in Senegal nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer sexuellen Orientierung (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Qualifikationsrichtlinie) Verletzungen anderer Menschenrechte, einschließlich wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der Staat oder andere Akteure in der Lage oder willens wären, Schutz davor zu bieten, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

Personen, die ihre Zugehörigkeit zu einer sexuellen Minderheit in Senegal öffentlich machen, kann die Verletzung anderer Menschenrechte, einschließlich wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, durch nichtstaatliche Akteure drohen. Derartige Menschenrechtsverletzungen betreffen vor allem Personen, die sich aktiv für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzen. Der Schutz der Angehörigen von Minderheiten durch staatliche Stellen erfolgt nicht immer mit der gebotenen Entschlossenheit und angemessenen Durchsetzungskraft. Die Situation bleibt unverändert kritisch.

In dem „Ersten Bericht der Bundesregierung zu der Überprüfung der Voraussetzungen zur Einstufung der in Anlage II zum Asylgesetz bezeichneten sicheren Herkunftsstaaten“, BT-Drs. 19/299 v. 15.12.2017, wird auf Seite 29 ausgeführt:

Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen sowie die Demonstration von Homosexualität in der Öffentlichkeit stehen unter Strafe (Artikel 319 Strafgesetzbuch). Diskriminierung von LGBTTI-Personen findet in der Öffentlichkeit sowie im familiären Rahmen statt.

Presseberichte

Serbien

Herkunftsland Serbien Beschimpfungen und Schmähungen sowie die Vermittlung eines Gefühls des Unerwünschtseins, sind zwar unangenehm und geeignet, den Betroffenen vom Ausleben seiner sexuellen Orientierung in der Öffentlichkeit abzuhalten; diese Handlungen sind aber nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere Art. 3, 4, 7 EMRK darstellen. Auch unsubstantiierte Drohungen sind noch unterhalb dieser Schwelle anzusiedeln. 

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1. Gegen die Einstufung von Serbien als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken.
2. Tatsachen, die die Annahme begründen könnten, dass dem Antragsteller abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht, hat er nicht angegeben. 

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Eine Gruppenverfolgung von Roma in Serbien ist auch mit Blick auf Beschränkungen der Ausreisefreiheit nicht gegeben.

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1. Serbien ist sicher für alle. Dort ist inzwischen eine lesbische Frau Regierungschefin.
2. Der serbische Staat ist schutzfähig und -willig gegen Übergriffe privater Dritter; dies gilt auch für Roma.
3. Alle Erkrankungen und Störungen psychischer Art sind in Serbien (auch für Roma) behandelbar und können grundsätzlich das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht begründen, soweit die Würdigung im Einzelfall nichts anderes ergibt (hier verneint).

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1. Transsexuelle gehören zu der Personengruppe der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT-Menschen), die in Serbien eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst, b AsylG).
2. Gewalt und Diskriminierungen gegen Mitglieder der LGBT-Gemeinschaft sind in Serbien ein schwerwiegendes Problem. Mitglieder der LGBT-Gemeinschaft sind häufig Bedrohungen und Hasstiraden („hate speeches“) ausgesetzt.
3. Die erhebliche physische und psychische Gewalt serbischer Familien gegen transsexuelle Familienmitglieder sind als Verfolgungshandlungen gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG zu qualifizieren.
4. Der serbische Staat kann insbesondere Transgendern keinen wirksamen Schutz vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure bieten, weil er hierzu nicht in der Lage oder nicht willens ist (§ 3c Nr. 3 AsylG)

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1. Serbien ist sicher. Der Staat ist willens und in der Lage, vor Übergriffen privater Dritter Schutz zu bieten, hinsichtlich derer zudem inländische Fluchtalternativen vorhanden sind.
2. Grundsätzlich alle Erkrankungen und Störungen psychischer Art (auch PTBS) sind in Serbien behandelbar.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für Transperson aus Serbien.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Aufgrund ihrer Transsexualität erlitt die klagende Person (Volkszugehörigkeit: Roma) Übergriffe und Misshandlungen durch ihre Familie und reiste somit vorverfolgt aus Serbien aus. Die Personengruppe der LGBT besitzt in Serbien eine deutlich abgegrenzte Identität. Homophobie und Transphobie sind in der serbischen Gesellschaft tief verankert, weshalb es immer wieder zu Angriffen und Bedrohungen gegenüber Mitgliedern der LGBT-Gemeinschaft kommt. Darüber hinaus kommen die serbischen Sicherheitsbehörden ihrer Schutzpflicht gegenüber LGBT-Mitgliedern und ethnischen Minderheit der Roma nur unzureichend nach. Aus diesem Grund hat die klagende Person Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG. Eine innerstaatliche Fluchtalternative nach § 3e AsylG kommt für sie ebenfalls nicht in Frage, da die klagende Person auf keinen unterstützenden Familienverbund zurückgreifen kann und die Ressentiments gegen Roma und Transsexuellen in ganz Serbien auftreten. Des Weiteren wäre ihr grundlegender Identitätswandel durch eine Rückkehr nach Serbien massiv gefährdet.

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Sonstige Erkenntnisse

Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/9929 v. 06.10.2016, auf Seite 7-9 über Serbien Folgendes aus:

24. Inwiefern drohen Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer „bestimmten sozialen Gruppe“ (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewendet werden, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

Die serbische Verfassung garantiert in Artikel 15 die Gleichheit der Geschlechter. Seit 2012 gibt es in Serbien eine Gleichstellungsbeauftragte. Im Februar 2016 verabschiedete die Regierung eine neue „Nationale Strategie für Geschlechtergleichberechtigung“ für den Zeitraum 2016 bis 2020. Ziel ist der Abbau von Geschlechterklischees sowie ein besserer Zugang für Frauen zu Wirtschaft und Politik. Ebenfalls im Februar führte Serbien den „EU Index für Geschlechtergerechtigkeit“ ein. Auf der Skala von 0 (komplette Ungleichheit) bis 100 (komplette Gleichheit) liegt Serbien bei 40,6. Serbien hat für Parlamentslisten eine Geschlechterquote von 30 Prozent gesetzlich verankert. Dennoch bleiben Frauen de facto in Wirtschaft und Politik noch immer deutlich unterrepräsentiert. Wenngleich Diskriminierung von Menschen mit Behinderung verboten ist, erfahren Betroffene faktische Benachteiligungen. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist schwierig. Barrierefreiheit ist häufig nicht gegeben. Das Bildungssystem ist auf Menschen mit Behinderungen nicht ausgerichtet. Zu weiteren Personenkreisen, die unter das Merkmal der „sozialen Gruppe“ fallen und nicht durch andere Fragen bereits erfasst sind, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.

25. Inwiefern droht Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer „bestimmten sozialen Gruppe“ (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung bzw. Bestrafung, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis vor.

26. Inwiefern droht Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer „bestimmten sozialen Gruppe“ (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über entsprechende Vorfälle vor.

27. Inwiefern drohen Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer „bestimmten sozialen Gruppe“ (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) Verletzungen anderer Menschenrechte, einschließlich wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, durch den Staat bzw. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Diese Antwort lautet: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über entsprechende Vorfälle vor.

28. Inwiefern drohen Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer „bestimmten sozialen Gruppe“ (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) Verletzungen anderer Menschenrechte, einschließlich wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der Staat oder andere Akteure in der Lage oder willens wären, Schutz davor zu bieten, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

 Es wird auf die Antwort zu Frage 24 verwiesen.

29. Inwiefern droht Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer „sexuellen Orientierung“ (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, durch den Staat bzw. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

In Serbien wenden staatliche Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung keine physische oder psychische Gewalt gegenüber Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung an.

30. Inwiefern droht Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer „sexuellen Orientierung“ (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der Staat oder andere Akteure in der Lage oder willens wären, Schutz davor zu bieten, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?
31. Inwiefern drohen Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer „sexuellen Orientierung“ (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewendet werden, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?
32. Inwiefern droht Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer „sexuellen Orientierung“ (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung bzw. Bestrafung, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?
33. Inwiefern droht Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer "sexuellen Orientierung (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?
34. Inwiefern drohen Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer „sexuellen Orientierung“ (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) Verletzungen anderer Menschenrechte, einschließlich wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, durch den Staat bzw. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?
35.  Inwiefern drohen Menschen in Serbien nach Kenntnis der Bundesregierung wegen ihrer "sexuellen Orientierung" (vgl. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie) Verletzungen anderer Menschenrechte, einschließlich wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der Staat oder andere Akteure in der Lage oder willens wären, Schutz davor zu bieten, und wie hat sich diese Situation innerhalb des letzten Jahres entwickelt?

Die Fragen 30 bis 35 werden zusammengefasst beantwortet. Der Bundesregierung sind weder eine systematische Anwendung physischer oder psychischer Gewalt noch sonstige systematische Benachteiligungen gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bekannt.

Jedoch ist Homophobie in der serbischen Gesellschaft weit verbreitet. Die einflussreiche serbisch-orthodoxe Kirche steht Homosexualität strikt ablehnend gegenüber. Auch in einigen serbischen Schulbüchern findet sich diese ablehnende Haltung wieder. Die Homophobie rechtsnationaler Gruppierungen führt mitunter zu Gewalt. So gibt es vereinzelt physische Angriffe auf homosexuelle Personen. Am 22. August 2016 wurde Boban Stojanovic angegriffen, der sich im Rahmen der Organisation der Belgrader Pride Parade engagiert. Gegen die bis dato unbekannten Täter wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die serbische Regierung ist im Allgemeinen verstärkt um eine Verbesserung der Schutzmöglichkeiten von LSBTI-Personen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transpersonen und Intersexuelle) bemüht. So wird im Rahmen des EU-Annäherungsprozesses nunmehr auch das im Jahr 2009 erlassene Antidiskriminierungsgesetz auch in diese Richtung sorgfältiger implementiert. Zudem bildet seit Dezember 2012 die in diesem Kontext relevante Qualifikation einer Straftat als „Hassverbrechen“ nach Artikel 54a des serbischen Strafgesetzbuches einen strafmaßerhöhenden Faktor. Die im August 2016 neu gebildete Regierung umfasst erstmals auch ein offen homosexuelles Regierungsmitglied.

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In dem "Ersten Bericht der Bundesregierung zu der Überprüfung der Voraussetzungen zur Einstufung der in Anlage II zum Asylgesetz bezeichneten sicheren Herkunftsstaaten", BT-Drs. 19/299 v. 15.12.2017, wird auf Seite 32 f. ausgeführt:

"Serbien hat das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats ratifiziert. Die serbische Verfassung enthält ausführliche Bestimmungen zum Schutz nationaler Minderheiten. Die Minderheitengesetzgebung entspricht internationalem Standard. Zudem stärkt ein am 26. März 2009 verabschiedetes allgemeines Antidiskriminierungsgesetz auch die Rechte nationaler Minderheiten. All diese Gesetze werden jedoch bisher nicht vollständig und landesweit umgesetzt. Seit März 2017 gibt es einen speziellen Aktionsplan für die Verwirklichung von Minderheitenrechten – als Teil des EU-Beitrittskapitels 23. In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten (Roma, LGBTTI, Albaner, Bosniaken) unverändert weit verbreitet. Allerdings sind in bestimmten Bereichen Fortschritte zu verzeichnen. So hat Serbien auch auf EU-Druck (Minderheitenrechte sind Teil des EU-Verhandlungskapitels 23) eine Strategie zur Roma-Inklusion erarbeitet. Zudem wurde auf Vorschlag von Präsident Vu?i? im Juni 2017 mit Ana Brnabi? eine bekennende Homosexuelle als Premierministerin vom serbischen Parlament gewählt. Zu den Aufgaben des Mitte 2007 erstmals gewählten Ombudsmannes gehört ausdrücklich auch das Eintreten für Minderheitenrechte. Seit 2003 bestehen nationale Minderheitenräte, die die Interessen ihrer Volksgruppen vertreten."

Auf Seite 35 wird gesagt:

"Homosexuelle Handlungen sind nicht strafbar. In der Bevölkerung und in der serbisch-orthodoxen Kirche sind Vorurteile und Vorbehalte gegenüber Homosexuellen weit verbreitet. Es kommt vereinzelt zu physischen Angriffen auf offen gelebte Homosexualität. So wurde etwa am 22. August 2016 der Co- Organisator der Belgrader Pride Parade, Boban Stojanovic, von zwei Unbekannten angegriffen und beleidigt. Boban Stojanovic und sein Partner haben mittlerweile Serbien verlassen und in Kanada Asyl beantragt. Im September 2017 fand in Belgrad die LGBTTI-Demonstration „Pride Parade“ statt, an der auch die serbische Premierministerin sowie Minister teilnahmen."

Presseberichte

Sierra Leone

Wegen Homosexualität droht in Sierra Leone keine Verfolgung i.S.v § 3a AsylG oder ein ernsthafter Schaden i.S.v § 4 AsylG. Aus einem Gesetz, welches Homosexualität zwischen Männern in Sierra Leone untersagt und mit Freiheitsstrafe bedroht, aber in der Praxis nicht angewandt wird, kann sich noch keine relevante Bedrohung ergeben. Zudem bestehen zumutbare Fluchtalternativen.

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1. Eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung oder beachtliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung Homosexueller in Sierra Leone ist nicht beachtlich wahrscheinlich.

2. Dem Kläger droht auch keine Verfolgung durch die Poro Society. Es ist bereits fraglich, ob dieser Geheimbund den Kläger in Sierra Leone überhaupt ausfindig machen könnte, da es dort kein ausreichendes Zivilregister gibt. Jedenfalls ist es in Großstädten möglich, von der Poro Society unbehelligt zu leben.

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1. Da das Gesetz aus dem Jahre 1861 in Sierra Leone nicht angewendet und demnach auch keine Freiheitsstrafe bei homosexuellen Handlungen verhängt wird, kann aus dem Bestehen der Strafvorschrift keine Verfolgung als Mitglied einer sozialen Gruppe abgeleitet werden. Handlungen von Privatpersonen, wie der Kläger sie als geschehen behauptet, gegenüber Homosexuellen stellen sich - je nach Art der Handlung - als kriminelles Unrecht oder als nicht strafbare Beschimpfung oder Belästigung dar. Dem Gericht liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass staatliche Behörden in Sierra Leone gegen derartige Handlungen keinen Schutz gewähren würden.

2. Unabhängig von der fehlenden Glaubhaftigkeit des Vorbringens, wäre der Kläger auch auf die Möglichkeit landesinternen Schutzes nach § 3e Abs. 1 AsylG zu verweisen. Die Lebensumstände in Sierra Leone sind zwar äußerst schwierig, jedoch ist davon auszugehen, dass ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann in Sierra Leone - wenn auch nur durch Gelegenheitsarbeiten - ein Existenzminimum erwirtschaften kann.

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Im Übrigen lässt sich dem erstinstanzlichen Urteil entnehmen, dass das Verwaltungsgericht schon deshalb nicht die Überzeugung von der drohenden Verfolgung des Klägers in Sierra Leone wegen Homosexualität gewinnen konnte, weil Homosexualität nach der Auskunftslage in Sierra Leone „nicht unter Strafe gestellt" bzw. hinsichtlich eines formal noch bestehenden Gesetzes aus der britischen Kolonialzeit („Offences against the Person Act", Abschnitt 61) davon auszugehen ist, dass dieses nicht angewendet wird. Es kann aufgrund der Quellen auch nicht angenommen werden, dass der Staat nicht schutzfähig und schutzwillig in Bezug auf nichtstaatliche Akteure ist.

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1. Nach derzeitiger Erkenntnislage scheidet die Annahme politischer Verfolgung von Homosexuellen in Sierra-Leone wegen der strafrechtlichen Gesetzeslage regelmäßig aus. Zwar verbietet ein formal nicht außer Kraft gesetztes Gesetz aus der Kolonialzeit männliche Homosexualität; dieses wird jedoch in der Praxis nicht angewandt (vgl. EuGH BeckRS 2013, 82115). (Rn. 21) (red. LS Clemens Kurzidem)

2. Das bloße Bestehen von Rechtsvorschriften, nach denen homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, kann nicht als Maßnahme betrachtet werden, die einen Asylbewerber in so erheblicher Weise beeinträchtigt, dass der Grad an Schwere erreicht wird, der erforderlich ist, um die Strafbarkeit als Verfolgung ansehen zu können. Erst die tatsächliche Verhängung einer Freiheitsstrafe stellt eine Verfolgungshandlung dar (EuGH BeckRS 2013, 82115). (Rn. 21) (red. LS Clemens Kurzidem)

3. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass staatliche Stellen in Sierra-Leone gegen Handlungen Privater, die sich gegen Homosexuelle richten, keinen Schutz gewähren würden (vgl. VGH München BeckRS 2018, 6898). (Rn. 22) (red. LS Clemens Kurzidem)

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Feststellung eines Abschiebungsverbots für homosexuellen Kläger aus Sierra Leone

Redaktionelle Leitsätze der bayerischen Staatskanzlei:

1. Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei zusammenfassender Würdigung des zur Prüfung stehenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. (Rn. 14)
2. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann das bloße Bestehen von Rechtsvorschriften, nach denen homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, allein nicht als Verfolgungsmaßnahme qualifiziert werden. (Rn. 21)
3. Die sich aus der Homosexualität eines Asylsuchenden ergebenden erschwerten Zugangsmöglichkeiten zum Arbeits- und Wohnungsmarkt können aufgrund der derzeit bestehenden wirtschaftlichen und humanitären Verhältnisse in Sierra Leone im Einzelfall bei Vorliegen einer nicht lediglich unerheblichen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen.

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Simbabwe

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Gefahr der Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung (Homosexualität) in Simbabwe.

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Vor dem Hintergrund aktueller Erkenntnismittel ist davon auszugehen, dass lesbische Frauen in Simbabwe der Gefahr einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt sind.

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Es bestehen keine Zweifel daran, dass Homosexuelle in Simbabwe verfolgt werden. Insbesondere ist aufgrund der aktuellen Entwicklungen nach der Wahl davon auszugehen, dass die ZANU-PF ihre Politik der Verfolgung von Homosexualität fortsetzt.

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Nach dem Regierungswechsel in Simbabwe werden Homosexuelle dort nicht mehr verfolgt. Ihre Lage hat sich stark verbessert. Es kommt nur noch vereinzelt zu Verhaftungen von LGBT-Personen. Daher ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass auch dem Kläger bei seiner Rückkehr eine Verhaftung droht. Vor innerfamiliären Auseinandersetzungen aufgrund seiner Homosexualität, kann der Kläger in anderen Landesteilen Simbabwes Schutz finden.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Simbabwe.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Ausgehend von der Erkenntnislage droht dem Kläger wegen seiner Homosexualität in Simbabwe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne von § 3c Nr. 3 AsylG, ohne dass ihm vom simbabwischen Staat Schutz im Sinne von § 3d AsylG geboten wird. Es kann dahinstehen, ob in Simbabwe bereits von einer staatlichen Verfolgung Homosexueller auszugehen ist, denn zumindest ist eine Verfolgung Homosexueller durch nichtstaatliche Akteure im Sinne von § 3c Nr. 3 AsylG beachtlich wahrscheinlich, ohne dass ihnen vom simbabwischen Staat Schutz im Sinne von § 3d AsylG geboten wird. Das Bundesamt geht im streitgegenständlichen Bescheid im Anschluss an das Verwaltungsgericht Hannover davon aus, dass nach dem Wechsel des Präsidenten 2017 Homosexuelle in Simbabwe nicht (mehr) verfolgt werden. Dieser Annahme vermag sich die erkennende Einzelrichterin nicht anzuschließen.

Somalia

1. Gleichgeschlechtlicher Verkehr wird nach § 409 des somalischen Strafgesetzbuchs mit Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren bestraft, die Schari’a und das Gewohnheitsrecht sehen hierfür sogar die Todesstrafe vor. Da das staatliche Rechtssystem nicht funktioniert, viele strafrechtliche Fragen durch Clan-Entscheidungen geregelt werden und die sexuelle Orientierung in Somalia als Tabu erachtet wird, liegen den Auskunft gebenden Stellen keine Erkenntnisse über die tatsächliche Verfolgungspraxis vor. Medienberichten zufolge sind Homosexuelle oder Männer, die dessen auch nur verdächtig sind, gesellschaftlicher Gewalt oder Diskriminierung bis hin zu Tötungen ausgesetzt sind.
2. Dem Kläger kann nicht entgegen gehalten werden, er könne die Gefahr dadurch ver­meiden, dass er seine sexuelle Orientierung in seinem Heimatland geheim hält. Dies würde der Anerkennung eines für die Identität so bedeutsamen Merkmals widerspre­chen (vgl. EuGH, Urt. v. 07.11.2013 - C-199/12 bis ,C-201, Juris, Rn. 46). Dies gilt umso mehr, als der Kläger glaubhaft gemacht, dass ihn die bisher gelebte Angst und das Unterdrücken seiner Neigung seelisch belastet haben.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Homosexuellen drohe in Somalia nach den überzeugenden Angaben des Klägers, die mit den Informationen aus den vorliegenden Erkenntnisquellen übereinstimmten, flüchtlingsrelevante Verfolgung.

Homosexualität sei ein Tabuthema, das damit einhergehende soziale Stigma hindere Angehörige sexueller Minderheiten, ihre sexuelle Identität öffentlich zu machen. Homosexuelle lebten unter ständiger Angst, im Falle der Entdeckung geächtet, ausgepeitscht oder sogar getötet zu werden.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Mann aus Somalia im Zuge der Prüfung eines Asylfolgeantrags.

Leitsatz vom Informationsverbund Asyl & Migration:

1. Es bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger homosexuell sein könnte und daher mit Verfolgung und Diskriminierung in Somalia rechnen müsste. Damit liegt eine veränderte Sachlage vor, so dass ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist.

2. Die Bestimmungen des § 51 Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG, wonach veränderte Umstände nur zu beachten sind, wenn sie nicht in einem vorherigen Verfahren hätten vorgebracht werden können und innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis vorgetragen werden müssen, stehen dem nicht entgegen. Die Regelungen setzen die Vorgaben der Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) nicht hinreichend um bzw. widersprechen dieser.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Mann aus Somalia.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Internen Schutz kann er nicht in Anspruch nehmen, da er der sozialen Gruppe der Homosexuellen zugerechnet wird und Verfolgungsmaßnahmen sowohl durch staatliche als auch nichtstaatliche Akteure befürchten muss. Dabei ist unerheblich, dass er der Gruppe nicht angehört, da ihm die Zugehörigkeit zugeschrieben wird. Auf eine inländische Fluchtalternative in Mogadischu kann er nicht verwiesen werden. [...]

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Somalia.

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Sudan

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für schwulen Sudaner.

Syrien

Zwar stellt das syrische Strafgesetzbuch (§ 520 SyrStGB) „widernatürlichen Geschlechtsverkehr“ in seiner von den dortigen Gerichten vorgenommenen Auslegung auch als „gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr“ unter Strafe. Dem Auswärtigen Amt ist jedoch kein Fall bekannt, in dem es aufgrund dieser Vorschrift tatsächlich zu einer Verurteilung eines Homosexuellen kam. Das gilt erst recht, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die sexuelle Neigung des Asylsuchenden dem Regime bekannt ist.

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1. Nach dem Wortlaut von Artikel 520 des syrischen Strafgesetzbuches von 1949 (das Strafgesetzbuch ist im Internet abrufbar unter http://www.wipo.int/wipolex/en/text.jsp?file_id=24323) wird „jede wider(un-)natürliche sexuelle Tätigkeit mit bis zu die Jahren Gefängnis bestraft“. Die syrische Rechtsprechung definiert widernatürlichen Geschlechtsverkehr“ als gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 27.09.2010).
2. Nach Auswertung der Erkenntnismittel für Syrien kann der Einzelrichter nicht die sichere Überzeugung gewinnen, dass in Syrien Haftstrafen für homosexuelle Handlungen tatsächlich verhängt werden.

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Die Zugehörigkeit zur Bevölkerungsgruppe der Homosexuellen in Syrien stellt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar.

Art. 520 des Syrischen Strafgesetzbuches stellt sexuelle Handlungen "wider die Natur" mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren unter Strafe. Die Verhängung von Freiheitsstrafen gegen Personen wegen ihrer Homosexuealität kommt in Syrien häufig vor.

Homosexuellen drohen in Syrien in allen Landesteilen Verfolgungen, Übergriffe und Bedrohungen sowohl von staatlicher als auch von nichtstaatlicher Seite, weshalb Homosexualität nicht offen ausgelebt werden kann. Neben den staatlichen Verurteilungen drohen selbst bei Verdacht auf homosexuelle Vorlieben oder Praktiken willkürliche Verhaftungen sowie Haftbedingungen, bei denen Misshandlungen bis hin zu Folter und sonstige Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen werden kann.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Mann aus Syrien.

Leitsatz vom Informationsverbund Asyl & Migration:

1. Der "temporäre Schutzstatus", den syrische Staatsangehörige in der Türkei erhalten, schützt nicht hinreichend sicher vor zwangsweiser Abschiebung nach Syrien. Die Türkei ist deshalb kein sicherer Drittstaat gemäß § 27 AsylG und ein Asylantrag syrischer Staatsangehöriger, die dort einen solchen Schutzstatus erhalten haben, nicht unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG.

2. Homosexuellen und transgeschlechtlichen Personen drohen in Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erhebliche Verfolgungshandlungen, insbesondere Folter

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG für homosexuellen Mann aus Syrien.

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Bürgerkrieg

  • Hier finden Sie die Rechtsprechung zu der Frage, ob Flüchtlingen, die unverfolgt aus Syrien ausgereist sind, bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG aufgeführten Gründe droht: https://www.asyl.net/laender/ Geben Sie dort "Syrien" und "Rechtsprechung" ein.
  • Siehe außerdem den unter Afghanistan aufgeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.04.2018

Sonstige Erkenntnisse

Die Bundesregierung führt in den BT-Drs. 19/4893 v. 10.10.2018 und 19/5393 v. 30.10.2018 über Syrien Folgendes aus:

Der Rückgang militärischer Gewalt in Teilen Syriens ist keinesfalls mit einem Ende des Konfliktes gleichzusetzen. Die humanitäre Situation ist in Teilen des Landes nach wie vor verheerend, große Teile der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Insbesondere für Oppositionelle und Regimekritiker beziehungsweise für diejenigen, die das Regime als solche ansieht, gibt es keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Immer wieder sind Rückkehrer, vor allem solche, die als oppositionsnah oder regimekritisch erachtet werden, erneuter Vertreibung, Sanktionen sowie Repressionen, bis hin zu Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt.

Die Bundesregierung teilt die Einschätzung von internationalen Organisationen wie dem Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM), dass die Bedingungen für eine Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien in Sicherheit und Würde derzeit nicht gegeben sind.

Tansania

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer der Klägerin in Tansania aufgrund ihrer Homosexualität drohenden Verfolgung. 

Für Homosexuelle bestehe in Tansania eine begründete Furch vor Verfolgung. Offen gelebte Homosexualität berge in Tansania ein erhebliches Gefährdungspotenzial für staatliche Verfolgung. In Tansania seien gleichgeschlechtliche Handlungen strafbar, es drohten langjährige Haftstrafen, teilweise lebenslänglich, und auch Körperstrafen. Die Behörden gingen scharf gegen LGBTI Personen vor und drohten unterstützenden Organisationen die Schließung. Die Regierung fahre Hetzkampagnen gegen Homosexuelle und andere Minderheiten. Homosexualität werde auch von der Bevölkerung nicht allgemein toleriert. Auch Übergriffe auf Personen, die sich lediglich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, kämen vor.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht zur Verfügung. Die Situation für Homosexuelle gelte landesweit.

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Presseberichte

Togo

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund seiner Homosexualität. Homosexualität wird in Togo mit Strafe bedroht. Das Gesetz wird jedoch nicht angewendet. Entsprechende Strafverfahren und Verurteilungen sind nicht bekannt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass gesellschaftliche Diskriminierungen von Homosexuellen das Ausmaß von Verfolgungshandlungen i.S.v. § 3a AsylG erreichen. Vor Verfolgungshandlungen durch seine Familie könnte der Kläger angesichts der Strafbarkeit homosexueller Handlungen wohl keinen staatlichen Schutz erlangen. Er könnte aber in anderen Landesteilen Schutz finden.

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Homosexualität sei in Togo zwar mit Strafe bedroht. Das Gesetz werde jedoch nicht umgesetzt. Entsprechende Verfahren bzw. Verurteilungen seien nicht bekannt.

Homosexuelle seien in Togo auch einer gesellschaftlichen Ächtung und Stigmatisierung ausgesetzt, die die Personen zwinge, ihre sexuelle Orientierung geheim zu halten. Auch wenn nach der Rechtsprechung des EuGH von einem Asylbewerber nicht erwartet werden könne, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim halte oder größere Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung als eine heterosexuelle Person übe, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden, sei jedoch nicht ersichtlich, dass die bestehenden Diskriminierungen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten in Togo einen solchen Schweregrad erreichten, dass von einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG ausgegangen werden könne.

Soweit der Kläger die Verfolgung durch seine Familie fürchte, sei ihm zumutbar, sich in einem anderen Teil von Togo niederzulassen, sodass interner Schutz nach § 3e AsylG bestehe. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger von seiner Familie an einem anderen Ort in Togo gesucht und gefunden werde.

Trinidad und Tobago

Transgender drohe in Trinidad und Tobago Verfolgung i. S. d. § 3c Nr. 3 AsylG durch nichtstaatiiche Akteure.

Die Regierung in Trinidad und Tobago sei zwar - ebenso wie der jamaikanische Staat - grundsätzlich willens, Homosexuelle, Bisexuelle, Lesben und Transgender (LGBT), die sich dort offen zu ihrem Anderssein bekennen, vor Übergriffen Dritter zu schützen.

In Extremfällen wie dem vorliegenden halte das Gericht die Polizei allerdings ausnahmsweise für überfordert, angesichts der weit verbreiteten Homophobie auch in Trinidad und Tobago Mann-zu-Frau-Transsexuelle ausreichend zu schützen wie die vom Kläger gegenüber dem Bundesamt glaubhaft geschilderten Vorfälle zeigen.

Tschetschenien

Sonstige Erkenntnisse

Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 26.04.2017:

"Die Berichte über Verfolgung von Homosexuellen in der autonomen russischen Republik Tschetschenien, auf die der Abgeordnete Beck rekurriert, sind einfach nur schrecklich, abstoßend und in höchstem Maße besorgniserregend. Sie erscheinen uns glaubwürdig."BT-PlPr. 18/230 v. 26.04.2017, S. 23153A - 23154A

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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur „WM 2018 und die politische Situation Russlands unter Wladimir Putin“ über Tschetschenien Folgendes aus (BT-Drs. 19/3108 v. 02.07.2018, Seite 8):

„Die Bundesregierung ist besorgt über die Menschenrechtslage in einzelnen Regionen des Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien, wo die Versammlungsfreiheit, die Meinungs- und Informationsfreiheit und die Rechtsstaatlichkeit besonders stark beeinträchtigt sind und die Situation von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern besonders gefährdet ist. Mit Sorge sieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Untersuchungshaft des Leiters des Büros des Menschenrechtszentrums „Memorial“ in Tschetschenien, Herrn Ojub Titijew. Die von regionalen Behörden angeordnete gezielte Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transpersonen und Intersexuellen (LGBTI) in Tschetschenien hat die Bundesregierung mehrfach verurteilt. In vier Fällen wurden Visa zur humanitären Aufnahme erteilt. Die wegen Verfolgungsmaßnahmen gegen LGBTI angestrengten Ermittlungen seitens der russischen Behörden haben nach Kenntnis der Bundesregierung zu keinen Ergebnissen geführt, sie wurden inzwischen eingestellt. Der russische Justizminister Alexander Konowalow äußerte im Rahmen des Universellen Staatenüberprüfungsverfahrens des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen (VN) am 14. Mai 2018, dass Diskriminierungen aufgrund sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Religion oder politischer Ansichten nicht belegt seien. Die russischen Behörden hätten keine diesbezüglichen Informationen. Die Berichte über Verletzungen von LGBTI-Rechten in Tschetschenien hätten sich nach jetzigen Untersuchungen als falsch herausgestellt.“

Presseberichte

Türkei

1. Abschiebungsschutz bei Nachstellung durch die eigene Familie und Angst vor Hassgewalt gegenüber LGBTI.
2. Die Situation der LGBTI-Personen in der Türkei hat sich in den letzten Jahren nicht zum besseren, sondern deutlich zum schlechteren entwickelt. Die türkische Regierung erscheint weder willens noch in der Lage, Schutz vor Angriffen auf Homosexuelle zu bieten.

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1. Auch die Verfolgung eines Asylsuchenden wegen Homosexualität kann einen Verfolgungsgrund darstellen. Insoweit werden Homosexuelle durch das Asylrecht nicht nur vor tatsächlichen, aktiven Repressalien geschützt, sondern auch davor, dass sie ihre Homosexualität im Herkunftsland geheim halten oder Zurückhaltung beim Ausleben ihrer sexuellen Ausrichtung üben müssen, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden. Es ist dabei die Aufgabe des Asylsuchenden, die Verfolgung wegen der Homosexualität schlüssig darzustellen.
2. Eine Gefahr der Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung ist in der Türkei gegeben, da sexuell Andersorientierte in der Türkei gesellschaftlich überwiegend nicht akzeptiert werden. Jedoch besteht für diese regelmäßig eine inländische Fluchtalternative in die Metropolen Istanbul, Izmir und Ankara.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Mann aus der Türkei mit kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischem Glauben.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für bisexuellen Kläger aus der Türkei.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für lesbische Klägerin aus der Türkei.

Leitsätze vom Informationsverbund Asyl & Migration

1. Der Klägerin droht nichtstaatliche Verfolgung durch ihre Familie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Aufgrund der in der Türkei herrschenden Homophobie kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin als homosexuelle Person ohne familiäre Unterstützung ihre Existenz sichern könnte, sodass sie bei einer Rückkehr auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen und deshalb deren Zugriff ausgesetzt wäre.

2. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 3e Abs. 1 AsylG ist nicht verfügbar, da es keinen Landesteil gibt, in dem die Klägerin keine begründete Furcht vor Verfolgung haben müsste. Einerseits muss die Klägerin davon ausgehen, dass ihre Eltern über die Großfamilie ihren Aufenthalt in Erfahrung bringen könnten. Andererseits ist es ihr nicht zumutbar, in einer der Großstädte (Ankara, Istanbul, Izmir) oder der Südküste, wo es in Teilbereichen möglich sein soll, Homosexualität zu zeigen, ihr Leben auf diese Teilbereiche zu beschränken und ihre Homosexualität im Übrigen zu verbergen.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Mann aus der Türkei.

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Feststellung eines Abschiebungsverbots für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen aus der Türkei.

Amtlicher Orientierungssatz:

Bei einer Gesamtbetrachtung der Lage für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI) in der Türkei und unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der antragstellenden Person im Einzelfall können ernstliche Zweifel an der Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bestehen, dass eine Abschiebung in die Türkei keinen Verstoß gegen § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK begründet. (Rn.6)

Sonstige Erkenntnisse

Siehe die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt in der Türkei - BT-Drs. 18/10380 v. 21.11.2016

Tunesien

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen tunesischen Kläger.

Homosexuelle Handlungen werden nach Art. 230 tun. StGB mit Haftstrafe von bis zu 3 Jahren geahndet und führen auch in jüngster Zeit zu Verurteilungen. Homosexuellen droht daher in Tunesien die Gefahr politischer Verfolgung.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen tunesischen Kläger.

1. Die Darstellung der Entwicklungsgeschichte - des Bewusstwerdens des eigenen Homosexuell-Seins ("coming out to self") und das Offenbaren dieser Tatsache gegenüber Freunden und der Familie ("coming out to others") - unterliegt intrapersonalen, kulturellen und historischen Einflüssen und kann daher äußerst unterschiedlich ausfallen.
2. Homosexuelle Handlungen werden nach Art. 230 tun. StGB mit Haftstrafe von bis zu 3 Jahren geahndet und führen auch in jüngster Zeit zu Verurteilungen. Homosexuellen droht daher in Tunesien die Gefahr politischer Verfolgung (so bereits VG Stuttgart, Urt. v. 07.10.2016 - A 5 K 3322/16 -, juris).

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für lesbische tunesische Klägerin.

Es ist davon auszugehen, dass der Klägerin aufgrund ihrer Homosexualität in Tunesien Verfolgung droht. In diesem Staat bestehen strafrechtliche Vorschriften, die spezifische Homosexualität unter Strafe stellen und in der Praxis nicht nur vereinzelt angewendet werden.

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Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG für schwulen tunesischen Kläger.

Wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass die homosexuelle Orientierung eines Mannes in Tunesien bekannt wird, muss dieser mit Verfolgungshandlungen rechnen. 

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und Asylberechtigung im Sinne von Art. 16a GG für schwulen Mann.

Das BAMF hat einem schwulen Mann aus Tunesien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Der Fall wurde vom LSVD betreut. Wir bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen tunesischen Kläger.

1. Hilfe nach Gewaltanwendung durch seine Familie wegen seiner Homosexualität hat die Polizei dem Kläger in Tunesien nicht geleistet. Homosexuelle haben in Tunesien keine Gewähr, hinreichenden staatlichen Schutz zu erlangen, wie der Kläger selbst erleben musste. Im Gegenteil, der Kläger müsste damit rechnen, dass der tunesische Staat ihn als Homosexuellen bei einem Bekanntwerden vielmehr selbst verfolgt.

2. Der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf ein völlig offenes Ausleben der Homosexualität bzw. die Unterdrückung und Verheimlichung der eigenen Homosexualität kann dem Kläger nicht zu seinem Nachteil angelastet werden. Ein unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungener Verzicht auf die betreffende Betätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen und hindert nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl, so zur religiösen Betätigung BVerwG, B. v. 25.8,2015 - 1 B 14.15 - NVwZ 2015,1678; U. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146,67; Berlit, jurisPR - BVerwG 22/2015, Anm, 6 und 11/2013, Anm. 1; Marx, Anmerkung, InfAusIR 2 013,308).

3. Dem Kläger kann darüber hinaus nicht zugemutet werden, bei einer Rückkehr weiter seine sexuelle Identität zu verheimlichen oder Zurückhaltung zu üben. Der Kläger hat wiederholt Beziehungen zu anderen Männern unterhalten und lebt auch hier in Deutschland seine Neigungen aus, so dass davon auszugehen ist, dass er dies auch im Fall einer Rückkehr nach Tunesien tun wollte und würde. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Tunesien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit repressiven Maßnahmen von Vertretern des tunesischen Staates bzw. von Privatpersonen zu rechnen hätte, sofern er seine Homosexualität ausleben würde (so bereits VG Stuttgart, U.v. 07.10.2016 - A 5 K 3222/16 juris; U.v. 21,03.2017 - A 5 K 3670/16 juris Rn. 26).. Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger nicht zuzumuten angesichts der in Tunesien herrschenden Verhältnisse in sein Heimatland zurückzukehren.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen tunesischen Kläger.

Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG, weil diesem bei einer Rückkehr nach Tunesien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner (ausgelebten) Homosexualität flüchtlingsrelevante Verfolgungsmaßnahmen drohen. 

1. Homosexuelle bilden in Tunesien eine soziale Gruppe i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 lit. a) AsylG, zu der der Kläger zugehörig ist, weshalb er im Falle einer Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hat. Homosexuelle Handlungen können in Tunesien mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren sanktioniert werden. Diese tatsächlich verhängten Sanktionen stellen eine unverhältnismäßige und diskriminierende Bestrafung dar, wodurch sie als relevante Verfolgungshandlung anzusehen sind.

2. Eine innerstaatliche Fluchtalternative i.S.v. § 3e Abs. 1 AsylG besteht nicht, da in keinem Landesteil Tunesiens Homosexualität offen und ohne Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgelebt werden kann.

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und Asylberechtigung im Sinne von Art. 16a GG für schwulen Mann.

Das BAMF hat einem schwulen Mann aus Tunesien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Der Fall wurde vom LSVD betreut. Wir bestätigen, dass es um das Thema Homosexualität geht.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für bisexuellen tunesischen Kläger.

Homosexuellen droht in Tunesien flüchtlingsrelevante Verfolgung.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für schwulen tunesischen Kläger.

Homosexuellen droht in Tunesien flüchtlingsrelevante Verfolgung.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger aus Tunesien.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Dem Kläger droht in Anknüpfung an seine glaubhaft vorgetragene Homosexualität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser sozialen Gruppe. Die Glaubwürdigkeit des Klägers erschließt sich für das Gericht aus seiner strukturgleichen Schilderung verschiedener Aspekte. Zudem war sein Vortrag detailreich, nachvollziehbar und authentisch. In Tunesien kommt es regelmäßig zu Verurteilungen von LGTBI Personen, nicht nur wegen homosexuellen Handlungen, sondern auch wegen Delikten wie Verstößen gegen die guten Sitten. Dies stellt als unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung eine Verfolgungshandlung dar.

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Sonstige Erkenntnisse

BAMF: Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage, Im Fokus: Vulnerable Personen, Stand: 6/2019

Schriftliche Stellungnahme des Sachverstandigen Reinhard Marx für die Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 25.04.2016

1. Art. 230 des tunesischen Strafgesetzbuches bestraft freiwillige homosexuelle Betätigung unter Erwachsenen mit zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Am 2. Dezember 2015 wurden in Kairouan sechs Männer wegen homosexueller Handlungen festgenommen. Sie wurden erstinstanzlich jeweils zu drei Jahren Freiheitsstrafe bzw. drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Eine Nichtregierungsorganisation, welche die Recht von homosexuellen Personen verteidigt, wurde aufgelöst.
2. Es handelt sich damit um flüchtlingsrelevante Verfolgungen. Dies trifft auch auf die Verfolgung von Homosexuellen, die in allen drei Staaten verfolgt werden, zu. Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits 1987 freilich von einem verengten Ansatz aus die Bestrafung und Verfolgung von Homosexuellen als „politische Verfolgung“ im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG 1949 gewertet. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der Rechtsprechung der Vertrags- und Mitgliedstaaten wie auch nach der deutschen Rechtsprechung handelt es sich insoweit um Verfolgungen im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU. Der Gerichtshof misst dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung einen derart hohen Rang bei, dass er es für unzumutbar erachtet, Homosexuellen anzusinnen, zur Abwendung der gegen sie gerichteten flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgefahr auf die öffentliche Ausübung dieses Rechts zu verzichten und ihre Homosexualität nach außen zu verbergen.
3. Dieser Gesichtspunkt wird in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Ersuchen des Bundesrates, bestehende Zweifel gegen die Einstufung der drei bezeichneten Länder als sicher wegen der Behandlung von Homosexuellen auszuräumen, vollständig übergangen. In ihrer Stellungnahme räumt die Bundesregierung stillschweigend ein, dass Homosexuelle in den drei Ländern verfolgt werden, wenn sie diese offen ausleben. Damit erkennt sie an, dass in diesen Staaten flüchtlingsrelevante Verfolgungen gegen Homosexuelle allgemein üblich sind. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt der Verfolgung von Homosexuellen damit in allen drei Staaten eine derart wichtige Bedeutung zu, dass bereits diese Praxis ihrer Bestimmung zu „sicheren Herkunftsstaaten“ entgegensteht.

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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/8692 v. 07.06.2016, auf Seite 7-9 über Tunesien Folgendes aus:

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die menschenrechtliche Situation von LSBTTI in Tunesien?
a) Wie viele Menschen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen seit dem Jahr 2012 verurteilt?          

Die Fragen 12 und 12a werden gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung sind keine amtlichen Statistiken dazu bekannt, wie viele Menschen in Tunesien seit 2012 wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen auf der Grundlage des Artikels 230 des tunesischen Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. Sie geht von einer mindestens zweistelligen Ziffer aus. Von den Medien sowie Menschenrechtsorganisationen aufgegriffen wurden jüngst der Fall „Marwan“ (September 2015) sowie der Fall von sechs Studierenden aus Kairouan (Dezember 2015). In beiden Fällen reduzierte das Berufungsgericht die verhängten Haftstrafen jeweils auf die Zeit der Untersuchungshaft. Die EU-Delegation in Tunis nahm diese Fälle in Abstimmung mit den Botschaften der örtlichen vertretenen EU-Mitgliedstaaten zum Anlass für Demarchen im tunesischen Außenministerium. Auf Einladung des Auswärtigen Amts fand am 3. November 2015 eine Konferenz mit 16 Aktivistinnen und Aktivisten für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen (LSBTTI) aus Ägypten, Algerien, Bahrain, Libanon, Libyen, Marokko, Oman, Tunesien und Syrien statt. Auf der Konferenz berichteten sie über ihre persönlichen Erfahrungen und ihre Arbeit. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Reise waren jeweils zwei LSBTTI-Aktivisten aus Marokko, Algerien und Tunesien.

b) Wie viele Übergriffe (Einschüchterungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe) gegen LSBTTI sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
c) Inwiefern werden LSBTTI beim Zugang zu öffentlichen Ämtern rechtlich oder tatsächlich benachteiligt?
d) Inwiefern werden LSBTTI beim Zugang zu öffentlichen Leistungen rechtlich oder tatsächlich benachteiligt?
e) Inwiefern haben LSBTTI tatsächlich Zugang zu gesundheitlicher Versorgung bei akutem Behandlungsbedarf einerseits und chronischen Leiden andererseits, inwiefern ist die gesundheitliche Versorgung der Angehörigen dieser Gruppe kostenlos, und inwiefern wird bei der gesundheitlichen Versorgung der Angehörigen dieser Gruppe die ärztliche Schweigepflicht gewahrt?
f) Inwiefern werden LSBTTI beim Zugang zu Arbeit, Bildung, Wohnraum und im sonstigen privatrechtlichen Rechtsverkehr rechtlich oder tatsächlich benachteiligt, und welchen Schutz bieten die Behörden vor solcher Benachteiligung?       

Die Fragen 12b bis 12f werden zusammengefasst beantwortet.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die in diesen Fragen angesprochenen Benachteiligungen und Diskriminierungen von LSBTTI in Tunesien häufig vorkommen. Angaben zu Einzelfällen oder Statistiken liegen der Bundesregierung hierzu nicht vor. Gezielte Maßnahmen der tunesischen Regierung zur Beseitigung dieser gruppenspezifischen Nachteile sind nicht bekannt. Der Themenbereich ist mit starken gesellschaftlichen Tabus belegt.

g) Welche Medien sind in Tunesien öffentlich verfügbar, die LSBTTI-Themen ansprechen, und inwiefern sind der Bundesregierung Maßnahmen bzw. Gesetze bekannt, die geeignet bzw. bestimmt sind, die Redaktion bzw. den Vertrieb solcher Medien zu unterbinden?

Die in der Antwort zu Frage 12a genannten Fälle von Verurteilungen junger Tunesier zu Haft- und Geldstrafen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen, die Kritik von Nichtregierungsorganisationen an der Diskriminierung von LSBTTI und die dadurch ausgelöste, begrenzte öffentliche Debatte werden vor allem von tunesischen Onlinemedien, aber auch in den sozialen Netzwerken relativ ausführlich dargestellt. Spezifische Maßnahmen oder Gesetze, die die Redaktion oder den Vertrieb von Medien, die LSBTTI-Themen ansprechen, in Tunesien einschränken würden, sind der Bundesregierung nicht bekannt.

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Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 18/11210 v. 16.02.2017, auf Seite 8 über Tunesien Folgendes aus:

Homosexuelle Handlungen stehen in Tunesien gemäß § 230 des tunesischen Strafgesetzbuchs unter Strafe (3 Jahre Gefängnis). Zivilgesellschaftliche Bestrebungen zur Entkriminalisierung fanden bisher keine Mehrheit in den politischen Parteien.

Dahinter stehen stark traditionell bestimmte Moralvorstellungen in der Bevölkerung. Fahndung gibt es anlassbezogen, homosexuelle Interessenvertretungen werden von den Behörden mit Einschränkungen toleriert.

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Das Auswärtige Amt schreibt in seiner Antwort vom 03.03.2017 auf die "Schriftliche Frage für den Monat Februar 2017, Nr. 2-218" des Abgeordneten Volker Beck:

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Bestimmung der Staaten des Maghreb als sichere Herkunftsstaaten hat die Bundesregierung die Lage in Tunesien umfassend ge­würdigt. Dazu gehört neben der Berichterstattung aufgrund von Gesprächen mit Nicht­regierungsorganisationen und Betroffenen vor Ort auch die Auswertung der Pressebe­richterstattung in Tunesien.

Der Bundesregierung ist die Rechtsprechung der tunesischen Gerichtsbarkeit bekannt, wonach es wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen in Einzelfällen zu Verurteilungen kommt.

Im Asylverfahren des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben schutzsuchende Personen aus Tunesien - auch nach einer Einstufung von Tunesien als sicheren Herkunftsstaat - jederzeit die Möglichkeit, auf eine mögliche Schutzbedürftig­keit aufgrund sexueller Orientierung hinzuweisen und somit die mit einer solchen Ein­stufung verbundene Vermutung der Verfolgungsfreiheit zu widerlegen.

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Antwort des Staatssekretärs Dr. Helmut Teichmann vom 20. Juni 2018 auf die schriftlichen Fragen 36 bis 38 des Abgeordneten Sven Lehmann - BT-Drs. 19/2922 v. 22.06.2018, Seiten 28 bis 31:

"Die Fragen 36 bis 38 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Nach Kenntnis der Bundesregierung findet in Algerien, Marokko und Tunesien keine systematische Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen statt. Im Einzelnen liegen folgende Erkenntnisse vor:

( ... Ausführungen zu Algerien und  Marokko ... )

In Tunesien werden gemäß Artikel 230 des tunesischen Strafgesetzbuchs (auch einvernehmliche) homosexuelle Handlungen mit Haftstrafen von drei Jahren belegt. Tunesische Nichtregierungsorganisationen gehen von mindestens 70 Festnahmen bzw. Verurteilungen im Jahr 2017 aus; amtliche Statistiken sind hierzu nicht verfügbar. Am 12. Juni 2018 hat die tunesische Kommission für Individuelle Rechte und Freiheiten die Abschaffung der Strafbarkeit von Homosexualität empfohlen. Die Reform des Artikels 230 steht noch aus. Im Jahr 2015 hatte sich Staatspräsident Beji Caid Essebsi gegen eine Entkriminalisierung ausgesprochen. 

Die Frage der Strafbarkeit und strafrechtlichen Ahndung von homosexuellen Handlungen wurde bei der vorgesehenen Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten berücksichtigt. Die Bundesregierung ist zu der Einschätzung gelangt, dass Homosexuelle in diesen Staaten nicht grundsätzlich und systematisch als Personen- oder Bevölkerungsgruppe verfolgt werden. 

Gemäß dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 7. November 2013 (C-199/12 bis C-201/12) begründet der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung. Vielmehr muss insbesondere die Praxis der staatlichen Behörden und Gerichte, vor allem im Hinblick auf die Verhängung von Freiheitsstrafen, mit betrachtet werden. 

Droht einem Staatsangehörigen aus den genannten drei Staaten, Opfer einer solchen Strafverfolgungspraxis zu werden, käme für ihn auch bei Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsstaaten eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung in Betracht; allerdings gilt dahingehend eine Beweislastumkehr im Asylverfahren, dass der Antragsteller im Heimatland weder politischer Verfolgung noch unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung ausgesetzt ist (vgl. Artikel 16a Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Einstufung eines Herkunftsstaats als sicherer Herkunftsstaat stehen solche Einzelfälle auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts indes nicht entgegen.

Bezugnehmend auf das genannte Urteil (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C 199/12) erkennt die Bundesregierung insofern an, dass es nicht hinnehmbar ist, dass einer Person das Recht auf Asyl mit der Begründung vorenthalten wird, dass sie in ihrem Heimatland ihre Homosexualität nicht ausleben solle und dadurch vor Strafverfolgung geschützt wäre."

Human Rights Watch v. 08.11.2018: Tunisia: Privacy Threatened by ‘Homosexuality’ Arrests. Government Using Personal Data, Anal "Tests" for Prosecutions

Presseberichte

Ukraine

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Kläger.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Das Gericht entscheidet über die zugelassene Berufung der Kläger, ein Vater mit seinen beiden Kindern sowie seinem Ehemann.

Die Kläger zu 1 und zu 4 haben einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Sie befinden sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der homosexuellen Menschen außerhalb ihres Herkunftslandes. Ihr Vortrag war schlüssig, glaubhaft und deckt sich mit der aktuellen Erkenntnislage sowie vorgelegten Unterlagen. Die beiden Kläger waren wiederholt Übergriffen ausgesetzt, die sich durch ihre Intensität als Verfolgungshandlung qualifizieren. Staatlicher Schutz vor den nicht-staatlichen Akteuren haben sie trotz ihres Ersuchens nicht erhalten. Die Verfolgungshandlungen und die Schutzversagung knüpften auch an einen entsprechenden Verfolgungsgrund, in Form der sexuellen Orientierung der Kläger, an. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Verfolgung im Falle einer Rückkehr nicht wiederholen würde. Durch die Beziehungen der Verfolger zur Polizei und den damit verbundenen Zugriff auf das Melderegister, steht den Klägern auch keine sichere inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Dementsprechend kann auch die Frage offenbleiben, ob der ukrainische Staat generell in der Lage und Willens ist Schutz zu gewähren. In den konkreten Umständen des Einzelfalls steht ihnen kein Zugang zu diesem Schutz offen.

Uganda

1. Sofern Homosexuelle in Uganda gegenwärtig keiner Gruppenverfolgung unterliegen, bedarf es in jedem Einzelfall, in dem ein Antragsteller geltend macht, er werde wegen seiner sexuellen Ausrichtung verfolgt, einer Gesamtwürdigung seiner Person und seines gesellschaftlichen Lebens und darauf aufbauend einer individuellen Gefahrenprognose.
2. Die Situation homosexueller Menschen in Uganda bedarf weiterer Sachaufklärung.

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Auch nach Inkrafttreten der verschärten Strafbestimmungen am 10. März 2014 ist es in Uganda nicht zu strafgerichtlichen Verurteilungen wegen homosexueller Handllungen gekommen. Staatliche Stellen tolerieren keine Übergriffe nichtstaatlicher Akteure gegen Homosexuelle.

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Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, wegen ihrer homosexuellen Neigung in Uganda Übergriffen ausgesetzt gewesen zu sein. Homosexualität wird in Uganda mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft und wer Homosexuelle nicht den Behörden meldet kann ebenso inhaftiert werden. Betroffene erfahren vor Übergriffen durch Private wegen ihrer Homosexualität keinen staatlichen Schutz.

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Ein Homosexueller hat bei seiner Rückkehr nach Uganda aufgrund seiner Homosexualität, die seine Identität erkennbar prägt, flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgungsmaßnahmen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

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Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Uganda private oder staatliche Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Homosexuellen in Uganda (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Die unverhältnismäßige und diskriminierende Strafverfolgung, ausgeübt durch den Staat Uganda, stellt eine hinreichende Verfolgungsdichte im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG dar. Die strafrechtlichen Bestimmungen über Homosexuelle sind bereits seit der Kolonialzeit in Kraft. Auch in der Gesellschaft wird Homosexualität geächtet, ohne dass der Staat hinreichenden Schutz bietet.

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1. Nach dem Inkrafttreten der verschärften Strafbestimmungen hinsichtlich homosexueller Handlungen am 10. März 2014 ist es in Uganda nicht zu strafgerichtlichen Verurteilungen wegen homosexueller Betätigung gekommen.
2. Zwar wird Homosexualität quer durch alle gesellschaftlichen Schichten in Uganda stark abgelehnt. Bei offen gelebter Homosexualität sind Übergriffe nichtstaatlicher Akteure deshalb nicht auszuschließen. Staatliche Stellen tolerieren jedoch keine Übergriffe nichtstaatlicher Akteure gegen Homosexuelle. Wie sich aus der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das VG Augsburg vom 5. Mai 2014 ergibt, sind staatliche Stellen zum Schutz Homosexueller vor solchen Übergriffen grundsätzlich in gleichen Umfang in der Lage, wie sie in der Lage sind, Schutz gegenüber Kriminalität im Allgemeinen zu gewähren.
3. Soweit andere Verwaltungsgerichte in Bezug auf Homosexuelle in Uganda die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG annehmen, kann dies von vornherein nur gelten, wenn – anders als hier – entsprechend den genannten Anforderungen eine schlüssige, stimmige Verfolgungsgeschichte vorgetragen wird (vgl. auch BayVGH, B.v. 27.04.2012 – 9 ZB 12.30134).

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Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für homosexuellen Mann aus Uganda.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in Uganda aufgrund seiner Homosexualität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht. Diese Verfolgung droht ihm zumindest durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der ugandische Staat wirksamen Schutz hiervor bietet (§§ 3c, 3d AsylG), und ohne dass ihm interner Schutz zur Verfügung steht (§ 3e AsylG). Zur Überzeugung des Gerichts ist der Kläger bereits vor seiner Ausreise wegen seiner Homosexualität Opfer von Gewalt durch nichtstaatliche Akteure, insbesondere durch seinen Stiefvater, geworden. Homophobie ist in der ugandischen Gesellschaft weit verbreitet. Der Anti-Homosexuality Act von 2014 befeuerte über die rechtlichen Auswirkungen hinaus eine homosexualitätsfeindliche gesellschaftliche Stimmung und legitimierte Übergriffe und Gewalt gegen LGBTI-Personen durch nichtstaatliche Akteur(innen), die für ihre Taten meist nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.

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Usbekistan

Presseberichte

Venezuela

Abschiebeverbot nach § 60 (7) AufenthG für eine transsexuelle Frau

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Abschiebeverbot nach § 60 (5) und (7) AufenthG für eine transsexuelle Frau

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1. Eine Gefahr der politischen Verfolgung nur auf Grund der Homosexualität eines aus Venezuela stammenden Asylbewerbers liegt nicht vor, da davon auszugehen ist, dass Homosexuelle in Venezuela von staatlicher Seite keine gezielte Rechtsverfolgung zu befürchten haben. Dem steht nicht entgegen, dass es vereinzelt zu Übergriffen und Misshandlungen durch Polizeibeamte und sonstige Sicherheitskräfte kommt.

2. Exzessive Übergriffe Einzelner in einem abgrenzbaren Bereich eröffnen regelmäßig eine inländische Fluchtalternative.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft von Transsexuellen in Venezuela nach irreversibler Geschlechtsumwandlung unter amtlicher und psychologischer Betreuung (hier bejaht). (Rn. 37)

1. Eine Geschlechtsangleichung von dem äußerlich angeborenen zu dem gefühlten Geschlecht setzt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht voraus, dass zwingend eine operative Veränderung vorgenommen wird. Auch durch eine psychologisch begleitete Veränderung des äußerlichen geschlechtsbezogenen Auftretens und eine jahrelange Hormonbehandlung kann bereits die sexuelle Identität des anderen Geschlechts erlangt werden (vgl. BVerfG, 11. Januar 2011, 1 BvR 3295/07). (Rn. 40)

2. Bei einer transgeschlechtlichen Person, deren Geschlechtsangleichung weit fortgeschrittenen bzw. abgeschlossenen ist, fuhren die bei einer Rückkehr nach Venezuela drohenden Übergriffe, Gewalttätigkeiten, Diskriminierungen und Einschränkungen durch verbliebene Familienmitglieder, die Gesellschaft im Allgemeinen sowie durch Sicherheitskräfte bei Polizeikontrollen angesichts der fehlenden staatlichen Schutzbereitschaft zu der in § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG vorausgesetzten Intensität des Eingriffs. (Rn. 42)

3. Eine Fluchtalternative besteht innerhalb Venezuelas nicht, da die gesellschaftliche Ächtung Transsexueller landesweit vorliegt. (Rn. 42)

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Abschiebungsverbot für homosexuellen Kläger aus Venezuela.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

[...] Allerdings erachtet es das Gericht in diesem Einzelfall für hinreichend wahrscheinlich, dass er sich aufgrund seiner Homosexualität auf dem angespannten venezolanischen Arbeitsmarkt nicht durchsetzen wird und angesichts der hohen Inflationsrate und der stark gestiegenen Lebensmittelpreise kein Einkommen erzielen kann, welches für die Sicherung seiner Existenz ausreichend ist.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG für transgeschlechtliche Klägerin.

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Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG für transgeschlechtliche Klägerin.

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Abschiebungsverbot für einen jungen, bisexuellen Kläger aus Venezuela wegen kumulativer Verfolgung.

Auszug aus dem Kurzreferat des BAMF:

"[...] Zwar nimmt die Kammer in seinem Urteil vom 23. Januar 2023 - 4 K 2019/22.A – juris, hinsichtlich Venezuela grundsätzlich an, dass eine gesunde und arbeitsfähige Person, insbesondere ohne faktische Unterhaltsverpflichtungen - auch ohne ein familiäres oder weitergehendes soziales Netzwerk - ihren eigenen Lebensunterhalt, wenn auch mit Schwierigkeiten, noch selbständig sichern kann. Vorliegend sieht jedoch die Kammer Anhaltspunkte, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr, aufgrund seiner persönlichen individuellen Umstände, der beachtlich wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Insofern sind nach Auffassung des Gerichts aufgrund der bisexuellen Identität und Orientierung des Klägers entsprechende gefahrerhöhende Umstände verwirklicht.

Homosexualität ist in Venezuela nicht unter Strafe gestellt und wird nicht von staatlicher Seite verfolgt, so dass die Qualifikation einer Gruppenverfolgung nicht erfüllt wird. Bisexualität leidet aber weiterhin, wie auch andere nicht heteronormative sexuelle und geschlechtliche Identitäten, unter einer sehr geringen sozialen Akzeptanz. Dies hat zur Folge, dass Angehörige dieser Personengruppen Diskriminierung und gelegentlich Gewalt, teilweise auch im eigenen Familienumfeld ausgesetzt sind. Dabei kann in Venezuela gegenwärtig, insbesondere auch im Zusammenhang mit der desolaten wirtschaftlichen und humanitären Lage, anhand der mangelnden Akzeptanz auf sozialer und politischer Ebene, eine offensive staatliche Unterstützung bei Übergriffen gegen Angehörige der LGBTIQ*-Gemeinschaft nicht erwartet werden.

Auch wenn dem Kläger wegen seiner bisexuellen Orientierung im Herkunftsland keine unmittelbare Verfolgung drohen mag, so kann von ihm, auch im Rahmen der Prüfung von nationalen Abschiebungsverboten, nicht erwartet werden, dass er von seiner sexuellen Identität nach außen hin Abstand nimmt und sich davon insoweit lossagt, um (wirtschaftlichen) Benachteiligungen zu entgehen. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Kläger - unter Berücksichtigung seiner persönlichen Situation sowie den aktuell vorliegenden sehr schwierigen Umständen in Venezuela - seinen Lebensunterhalt nicht längerfristig sichern kann, auch nicht mit Unterstützung seines im Heimatland verbliebenen Familienverbandes."

Westjordanland

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für einen schwulen Kläger aus dem Westjordanland. 

Leitsätze

1. Offen homosexuell lebenden Männern droht im Westjordanland eine flüchtlingsrelevante Verfolgung (Rn. 25 ff.)

2. Es besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative im Gaza-Streifen oder in Israel (Rn. 41)

  • VG Chemnitz, Urtril vom 18.05.2021 – 4 K 2610/17.A –, juris

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Das BAMF hat mit Bescheid mit Datum vom 19. November 2021 einer Frau aus den Palästinensischen Gebieten (Westbank bzw. Ostjerusalem) die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und die Asylberechtigung nach Art. 16a Grundgesetz anerkannt (Az: 8139605 - 459). Der Fall wurde von RA Plischke betreut, der bestätigt, dass es um das Thema Homo- bzw. Bisexualität geht.