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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

BAMF korrigiert Entscheidung: Geflüchteten-Status für schwulen Ghanaer Kay

Erfolgreiche Zusammenarbeit von LSVD und Rainbow Refugee Support der AIDS-Hilfe Frankfurt

Ghana kriminalisiert Homosexualität. Der schwule Ghanaer Kay erlebte schlimme physische und psychische Gewalt. Trotzdem lehnte Bundesamt für Migration Asylgesuch ab. Erst nach politischem Druck wurde Kay der Geflüchteten-Status gewährt.

Mehrere Regenbogenflaggen

Der Fall von Kay*, einem 27 Jahre alten schwulen Mann aus Ghana, dessen Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurde, beschäftigte den Rainbow Refugee Support der AIDS-Hilfe Frankfurt intensiv. Gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) wurde sich dem Thema auch politisch angenommen. Unerwartet kam vor wenigen Tagen, nach Monaten der Ungewissheit, die überraschende Wende: Das BAMF hat seine Entscheidung revidiert und Kay den Geflüchteten-Status zuerkannt.

Verfolgung von Kay in Ghana aufgrund seiner Homosexualität

Aufgrund seiner Homosexualität erlebte Kay in seinem Heimatland Ghana schlimme physische und psychische Gewalt, da LSBTI dort nicht gesetzlich geschützt sind. Die Diskriminierung ging nicht nur von seiner Familie aus, sondern auch von der allgemeinen Bevölkerung, Mitschüler*innen und Angehörigen staatlicher Institutionen. Aus Angst vor Selbstjustiz und Übergriffen durch Dritte musste er ein Doppelleben führen und offene Diskriminierung und Misshandlungen über sich ergehen lassen.

Aus Sorge seine Situation noch mehr zu verschlechtern, erstattet er nie Anzeige. Auch nicht, als ihm etwas ins Getränk gemischt wurde und er sexuell missbraucht wurde: Die Täter wollten seiner Familie damit beweisen, dass Kay schwul ist. Auch von seiner Familie wurde der junge Mann massiv unter Druck gesetzt und gezwungen, sich einer äußerst demütigenden, priesterlichen Konversionsbehandlung zu unterziehen.

Selbst die Polizei machte unter Zwang von ihm und seinem Partner Bilder und Videos und verlangte eine hohe Summe, damit sie diese nicht veröffentlichen – Sex zwischen Männern ist in dem westafrikanischen Land illegal und wird mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Verfolgung und Erpressung sind für viele Menschen aus der LSBTIQ+ Community trauriges Schicksal.

„Keinerlei Gründe“ für Geflüchteten-Status - BAMF lehnte Asylgesuch erst ab

Umso mehr schockte es Knud Wechterstein vom Rainbow Refugee Support, dass das BAMF offenbar gegenstandslos Kays Gesuch um Asyl ablehnte. „In der Ablehnung wurde seitens des BAMFs angeführt, es würden keinerlei Gründe vorliegen, um ihm einen Geflüchteten-Status zu gewähren. Ein Hohn, wenn man sich alleine die gesetzliche Situation in Ghana ansieht“, so Wechterstein.

Der Frankfurter Fachanwalt für Migrationsrecht Dr. Jonathan Leuschner verfasste die Klage gegen den Bescheid des BAMFs. Gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) wurde sich dem Thema auch politisch angenommen. Der LSVD hat einen ausführlichen Bericht zur Lage von LSBTI in Ghana zusammengestellt, zu ihrer Kriminalisierung, ihrer gesellschaftlichen Ächtung und Verfolgung sowie dem Zwang sich menschenrechtswidrigen Konversionsbehandlungen zu unterziehen.

An Minister Jens Spahn und Staatsminister Michael Roth wurden Aufrufe zur Unterstützung gesendet, da beide international die Konversionsbehandlungen, die auch Kay erlitten hatte, verurteilt haben. „Unsere Gesuche wurde jedoch stets nur weitergereicht und/oder gar nicht beantwortet“, sagt Wechterstein. Umso mehr hat uns gefreut, dass der queerpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Dr. Karl-Heinz Brunner sich persönlich beim BAMF-Präsidenten für Kay eingesetzt hat.

Erfolgreicher Einsatz für Kay: BAMF räumt Fehler ein

Nun hat die deutsche Bundesoberbehörde ihre eigene Entscheidung ohne Gerichtsbeschluss nach interner Überprüfung auf Intervention von des Bundestagsabgeordneten Brunner revidiert. Das BAMF hat somit einen Fehler eingeräumt und klargestellt, dass Kays Leben bei einer Rückkehr nach Ghana in Gefahr ist – vergangene Woche erhielt Kay den Geflüchteten-Status.

„Solch einen Vorgang habe ich in meinen fast fünf Jahren, in denen ich in der Geflüchteten-Arbeit tätig bin, noch nicht erlebt – Kays Status ist quasi von maximal abgelehnt zu maximal anerkannt gewechselt“, freut sich der Mitarbeiter vom Rainbow Refugee Support.

LSVD fordert Flüchtlings-Status für queere Geflüchtete aus Verfolgerstaaten

Immer wieder gibt es Berichte über eine sehr restriktive Vergabe von Asyl aufgrund der Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. Die Lage im Herkunftsland wird verharmlost. Das galt lange Zeit auch für die „Lageberichte“ des Auswärtigen Amtes. Es braucht fundierte, ungeschönte Länderberichte zur Situation von LSBTI, um die Glaubwürdigkeit von (drohender) Verfolgung einschätzen zu können.

Flüchtlingsstatus sollte gewährt werden, wenn die Antragstellenden aus Ländern kommen, in denen LSBTI mit Hilfe von strafrechtlichen Bestimmungen verfolgt werden. Zudem sollte selbstverständlich sein, dass nicht erwartet werden kann, dass bei nicht-staatlicher Verfolgung in diesen Ländern zuerst Schutz bei den dortigen staatlichen Behörden gesucht werden muss. 

Der LSVD setzt sich für kultursensibel geführte und faire qualifizierte Asylverfahren ein. Alle am Asylverfahren Beteiligten sollten um die Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität als anerkannten Asylgrund, den spezifischen Schwierigkeiten und der Rechtsprechung wissen. Dazu gehören Flüchtlinge, Mitarbeitende in den Behörden, Dolmetscher*innen, Beratungsstellen und Verwaltungsgerichte. Für faire und kultursensible Asylverfahren ist eine Sensibilisierung hinsichtlich der Beratungs- und Befragungspraxis sowie der Lagebeurteilung notwendig.

"Verfolgerstaat" Ghana kriminalisiert Homosexualität und gilt dennoch als "sicherer Herkunftsstaat"

Mit Ghana und Senegal gelten gegenwärtig zwei Länder gesetzlich als „sichere Herkunftsstaaten“, obwohl dort homosexuelle Handlungen strafbar sind.

Das Konzept der „sichere Herkunftsstaaten“ begegnet größten menschenrechtlichen Bedenken. Kraft Gesetzes wird vermutet, Geflüchteten drohe dort keine Verfolgung. Die damit verbundenen Schnellverfahren ohne Zugang zu fachkundiger Beratung und ausreichendem Rechtsschutz bedeuten gerade für Menschen aus dem LSBTI-Personenkreis, dass sie faktisch von einer fairen Prüfung ihrer Asylgründe ausgeschlossen werden. Zudem werden sie verpflichtend in besonderen Aufnahmeeinrichtungen mit Menschen aus ihren Herkunftsländern untergebracht, so dass sie Gefahr laufen, Unterdrückungs- und Ausgrenzungsmechanismen bis hin zur Gewalt wie in ihrer Heimat ausgesetzt zu sein.

Nach dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1996 (BVerfGE 94,115) dürfen Staaten nur zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmt werden, wenn dort landesweit für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen Sicherheit vor politischer Verfolgung besteht. Wenn Deutschland Staaten für „sicher“ erklärt, in denen homosexuelle Handlungen strafrechtlich verfolgt werden, ist das eklatant rechtswidrig. Deutschland macht sich zum Handlanger  von Regierungen, die die Menschenrechte von Lesben und Schwulen verleugnen und mit Füßen treten. Eine solche Politik schwächt den weltweiten Kampf zur Abschaffung der Kriminalisierung von Homosexualität empfindlich.

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