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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Minderheitenstress und Ressourcen von LSBTIQ*

Perspektivwechsel für die Betrachtung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt

Keynote von Prof. Dr. Stefan Timmermanns im Rahmen des 4.Regenbogenparlaments - Selbst.verständlich Vielfalt. LSBTIQ* gehören dazu

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"Minderheitenstress und Ressourcen - Perspektivwechsel für die Betrachtung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt" - unter diesem Titel hielt Prof. Dr. Stefan Timmermanns die Keynote auf dem 4. LSVD-Regenbogenparlament. Die Broschüre mit den Ergebnissen und Handlungs-Empfehlungen ist hier als Download verfügbar oder kann kostenfrei unter rene.mertens@lsvd.de als gedruckte Broschüre bestellt werden.

Hauptaussagen der Keynote "Minderheitenstress und Ressourcen von LSBTIQ*"

  • Forschung zu LSBTIQ* Lebensweisen mit starker Defizitperspektive (Fokus auf Erfahrungen mit Gewalt und Diskriminierung)
  • Ressourcen von LSBTIQ* als Leerstelle
  • soziale Ressourcen von LSBTIQ*: Freund*innen, Community, Selbsthilfestrukturen
  • individuelle Ressourcen von LSBTIQ*: Resilienz nach Coming-out, Wissen und Methoden der Bewältigung von Ausgrenzung
  • Unterstützung von LSBTIQ* durch Erhöhung der Regenbogen-Kompetenz in den Regelstrukturen von Gesundheit, Bildung und Soziales
  • Ziel: Menschen bei der eigenen Lebensvorstellung bzw. bei der Entwicklung der eigenen Identität zu unterstützen und zu begleiten

Aufzeichnung der Keynote „Minderheitenstress & Ressourcen. Perspektivwechsel für die Betrachtung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt" mit Prof. Dr. Stefan Timmermanns (Professur für Sexualpädagogik und Diversität in der Sozialen Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences)

 

Minderheitenstress und Ressourcen von LSBTIQ*:  Perspektivwechsel für die Betrachtung sexueller und geschlechtlicher Vielfal2020_regenbogenparlament_keynote_minderheitenstress_1_bikablo.com_tobias_wieland.pngt"

Prof. Dr. Stefan Timmermanns stellte in seinem Vortrag fest, dass es derzeit in der Forschung zu LSBTIQ* Lebensweisen und Identitäten eine starke Defizitperspektive gibt. Wenn es um sexuelle und geschlechtliche Vielfalt geht, dann werden von Wissenschaftler*innen vor allem die Bereiche Diskriminierung oder LSBTIQ*-feindliche Gewalt thematisiert.

Zwar sind Minderheitenstress und Vulnerabilität wichtige Argumente im Kampf gegen LSBTIQ*-Feindlichkeit, jedoch besteht die Gefahr einer einseitig negativen Sicht (z. B. für die Eltern von LSBTIQ*). Zielführender ist es, den Minderheitenstress und die Vulnerabilität einerseits und die Ressourcen von LSBTIQ* andererseits in den Blick zu nehmen.

Ressourcen und Resilienz von LSBTIQ

Besonders auch die guten Beispiele, die einen gelungen Umgang mit Vielfalt zeigen oder von Coming-Out Erfahrungen berichten, aus denen Menschen gestärkt hervorgegangen sind, sollten stärker in Forschung und Gesellschaft wahrgenommen werden. Gleichfalls betonte Timmermanns, dass es dabei nicht darum geht, den Diskurs um Diskriminierungserfahrungen von LSBTIQ* einzuschränken, sondern diesem einen zweiten Diskurs von positiven Erfahrungen beizustellen, beispielsweise den von Ressourcen und Resilienz.

LSBTIQ* haben soziale und individuelle Ressourcen. Soziale Ressourcen auf der einen Seite sind beispielsweise Freund*innen, die sie unterstützen, aber auch die Community und Selbsthilfestrukturen, die Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ*) stärken. Verlässliche Informationen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, die Repräsentation und Darstellung queerer Lebenswelten in den (sozialen) Medien sind dabei ebenfalls zu nennen. Besonders die Darstellung hat eine doppelte Funktion: Zum einen für die Gesellschaft als solches, zum anderen zur Stärkung von LSBTIQ*.

2020_regenbogenparlament_keynote_minderheitenstress_3__bikablo.com_tobias_wieland.pngAuf der anderen Seite gibt es individuelle Ressourcen. Diese bezeichnen beispielsweise die Kompetenz, sich in den Medien zu queeren Lebensweisen zu informieren, das Wissen über Hilfsangebote oder Erklärungsmodelle zum Verständnis von LSBTIQ*-feindlichen Einstellungen als eine Methode der Bewältigung solcher Erfahrungen.

Diese Ressourcen können von LSBTIQ* in Kompetenzen gewandelt werden. Eine bessere Problemlösungskompetenz oder eine positivere Selbstwahrnehmung bzw. Selbststeuerung sind nur einige Beispiele für einen solchen Kompetenzaufbau. Auf diese Weise wird auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Entwicklungsrisiken (Resilienz) gestärkt.

Zur Ausdifferenzierung der Resilienzfaktoren verwies Timmermanns auf die Veröffentlichung von Göth und Kohn. Darin wird beschrieben, wie ein gelingendes Coming-out zu einem selbstbestimmten und selbstbewussten Leben führen kann.

Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Praxis mainstreamen

Zur Unterstützung von LSBTIQ* rief Timmermanns zur Erhöhung der Regenbogenkompetenz in den Regelstrukturen auf. Wenn diese in der Aus- und Fortbildung von Fachkräften beispielsweise in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Soziales Eingang findet, dann kann es gelingen, das Thema Vielfalt von sexuellen und geschlechtlichen Identitäten auch in den Mainstream dieser Strukturen zu verankern. Die Regenbogenkompetenz setzt sich aus den
folgenden Bereichen zusammen:

  • Sachkompetenz: Wissen über Lebenslagen von LSBTIQ*
  • Methodenkompetenz: Handlungs- und Verfahrenswissen für die Begleitung von LSBTIQ*
  • Sozialkompetenz: Kommunikationskompetenz im Bereich sexueller und geschlechtlicher Vielfalt
  • Selbstkompetenz: Reflexion eigener Gefühle, Vorurteile und Werte in Bezug auf sexuelle und geschlechtliche Vielfalt

Für ein gelungenes Mainstreaming bedarf es jedoch auch der Anerkennung von Individualität und Pluralität und daraus entspringender Lebensentwürfe ohne Hierarchisierung. Dabei sollten auch starre Identitätspolitiken kritisch hinterfragt werden. Letztendlich geht es darum, Menschen bei der eigenen Lebensvorstellung bzw. bei der Entwicklung der eigenen Identität zu unterstützen und zu begleiten. Im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit sind die Grenzen von Identitäten oft fließender als in der Arbeit mit Erwachsenen.

Für junge Menschen ist es deshalb wichtig zu erfahren, dass die Logiken von Norm und Abweichung durchbrochen werden können. Identitäten als widersprüchlich und wandelbar erfahrbar zu machen, ist dabei eine wichtige Erkenntnis und stärkt Jugendliche in ihrem Selbst. Das Hinterfragen von Normalitäts-Annahmen ist Grundlage einer heteronormativitäts-kritischen Jugendbildung.

Zukunftsvision für LSBTIQ*2020_regenbogenparlament_keynote_minderheitenstress_2_bikablo.com_tobias_wieland.jpeg

In Politik und Gesellschaft sollte nicht ausschließlich mit Minderheitenstress argumentiert werden, sondern auch mit der Notwendigkeit, die Ressourcen von LSBTIQ* zu fördern und zu nutzen.

Ebenso sollte auch Heterosexualität und Cis-Geschlechtlichkeit als Teil von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt mit kommuniziert werden.

Als eine Lehre der Corona-Pandemie sollten wir auch unsere gemeinsamen Werte weiterdenken: Die Fokussierung auf Solidarität und auch auf Verantwortung, die wir füreinander haben, sind dabei wichtig und müssen stärker in den Diskurs kommen.

In Bezug auf die Auseinandersetzung mit Gleichstellungs-Gegner*innen unterstrich Prof. Timmermanns, dass sich die Community nicht auseinanderdividieren lassen darf. Agitationen der Gegner*innen von LSBTIQ* sollten als Angriffe auf die gesamte gesellschaftliche Vielfalt entlarvt werden:

  • Wenn Rechte und religiöse Fundamentalist*innen von der „Förderung von Ehe und Familie“ sprechen, meinen sie nur die heterosexuelle Familie und diskriminieren damit queere Lebens- und Familienformen.
  • Die von Gleichstellungs-Gegner*innen propagierten „traditionellen Geschlechterrollen“ engen Menschen ein und zwingen sie dazu, einen Teil ihrer Persönlichkeit zu unterdrücken.

Das Regenbogenparlament ist Teil des LSVD-Projektteils im Kompetenznetzwerk „Selbst.verständlich Vielfalt“. Der Familien- und Sozialverein des LSVD als Projektträger wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert.

Ansprechpersonen für den LSVD-Projekteil des Kompetenznetzwerkes sind:

Jürgen Rausch / René Mertens - koordinierungsstelle@lsvd.de

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