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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Bundesrat muss Gesetz für neues Ausländerzentralregister stoppen

Bundestag beschließt gefährliche und datenschutzwidrige Speicherung von Asylbescheiden und Asylurteilen im Ausländerzentralregister

Pressemitteilung vom 10.06.2021

Gestern Abend hat der Bundestag das umstrittene Gesetz zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters (AZR) beschlossen. Danach sollen zukünftig über 600 lokale Ausländerbehörden, die Geflüchtetenunterkünfte der Bundesländer, die Bundesagentur für Arbeit, Sozialämter und Jobcenter, die Bundespolizei, alle »sonstigen« Polizeivollzugsbehörden, Zolldienststellen, Staatsanwaltschaften, das Bundeskriminalamt, die Landeskriminalämter sowie deutsche Auslandsvertretungen unter anderem Zugriff auf Asylbescheide und Asylurteile im Volltext haben. Dazu erklärt Patrick Dörr, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Für den Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist die geplante zentrale Speicherung von Asylbescheiden und Asylurteilen vollkommen unnötig, bringt queere Geflüchtete in Gefahr und widerspricht allen Grundsätzen des Datenschutzes. Die von der SPD-Fraktion durchgesetzte Schwärzung privatester Informationen wie beispielsweise der sexuellen Orientierung in den Begründungen der Bescheide und Urteile stellt immerhin eine gewisse Verbesserung zu den Vorstellungen der Union dar, wonach Informationen etwa zur sexuellen Orientierung allen genannten Stellen frei zugänglich gewesen wären. Diese Schwärzung bleibt jedoch extrem fehleranfällig. Sie schützt nur unzureichend davor, dass privateste und intimste Daten für Tausende Staatsbedienstete einsehbar werden. Der LSVD fordert daher die Landesregierungen auf, das Gesetzesvorhaben in dieser Form im Bundesrat zu stoppen.

In Asylbescheiden und entsprechenden Gerichtsurteilen finden sich die privatesten Informationen aus dem Leben nach Deutschland geflüchteter Menschen wieder. Dies gilt in besonderem Maße auch für lesbische, schwule bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Antragsteller*innen, die in ihren Verfahren in der Regel ja ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität offenlegen müssen, um einen Schutzstatus zu erhalten. Diese Schutzsuchenden müssen sich darauf verlassen können, dass diese Informationen nur mit denjenigen Stellen geteilt werden, die diese wirklich benötigen. Diskriminierungshandlungen durch staatliche Stellen, ein Missbrauch der Informationen und deren Weitergabe an Dritte – etwa im Herkunftsland – müssen so weit wie möglich ausgeschlossen werden. Daher gehören die Begründungen von Asylbescheiden und Asylurteilen nicht in ein Ausländerzentralregister, zumal überhaupt nicht klar ist, welchen Mehrwert deren Speicherung haben soll.

So können diese Dokumente bereits heute von den wenigen Personen angefordert werden, für die diese Informationen von Relevanz sind. Zudem zweifelt der LSVD daran, dass die Dokumente überhaupt ausreichend geschwärzt werden können, so dass keine Rückschlüsse mehr beispielsweise auf die sexuelle Orientierung einer Person möglich sind. Hierzu müssten in tatsächlich allen Bescheiden und Urteilen auch die Hinweise auf Heterosexualität geschwärzt werden, also auf verschiedengeschlechtliche Beziehungen, Ehen, Kinder und so weiter, da sonst die geschwärzten Passagen auf LSBTI-Geflüchtete schließen lassen. Diese Vorkehrung ist so fehleranfällig wie umständlich. Die Schwärzung aller Informationen zu Sexualität und Privatleben in allen Asylbescheiden und Asylurteilen ist eher eine massive Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die ohnehin ausgelasteten Asylstrukturen in Deutschland.

Zusammen mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten sowie zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen haben wir das Gesetzesvorhaben bereits im Vorfeld massiv kritisiert. Der LSVD fordert daher nun die Regierungen der Bundesländer dazu auf, das AZR-Gesetz in dieser Form nicht durch den Bundesrat zu bestätigen.

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