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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Starke Allianzen und aufklärerische Netzwerke gegen Rechtspopulismus

Bericht aus dem Forum „Gott, Familie, Abendland“ des Kongresses „Respekt statt Ressentiment“

Das Familienbild und der Antifeminismus der rechtspopulistischen AfD und religiös fundamentalistischen Gruppen bieten Anschlüsse für eine Mobilisierung von homo- und transphoben Einstellungen in der „Mitte der Gesellschaft“. Wie überschneiden sich Diskurse und welche unheimlichen Bündnisse formieren sich gegenwärtig?

andreas-kemper.jpgIn Forum 1 „Gott, Familie, Abendland“ lieferte der Soziologe Andreas Kemper eine klassenfraktionelle Analyse der AfD, hinter der privilegierte Schichten stehen: Das nichtmonopolistische Kapital (Familienunternehmen) mit einer dezidiert neoliberalen Einstellung, der „Adel“ als ultrakatholisches und klerikalaristokratisches Netzwerk sowie das nationalkonservative Kleinbürgertum.

In der AfD laufen drei Strömungen zusammen

Vor allem letzteres äußert sich immer wieder homo- und transphob, während die neoliberale Strömung gerne gegen „Frauenquote“ und „Rentnerdemokratie“ polemisiert und ein „Familienwahlrecht“ und eine „Kinderrente“ postuliert.

Die klerikalaristokratische Strömung hingegen setzt sich für die Neuevangelisierung Europas sowie den Schutz der traditionellen Familie und des Privateigentums ein, unterstützte Großdemonstrationen in Madrid und Paris gegen Abtreibung oder die Ehe für Alle.

Die nationalkonservative Strömung redet einer Drei-Kinder-Familie das Wort, um eine „demografische Katastrophe des deutschen Volkes“ abzuwenden, polemisiert gegen das Konzept des Gender Mainstreaming, welches als „dritter Totalitarismus“ nach Nationalsozialismus und Stalinismus bezeichnet wird.

Feindbild Gender als Kitt

Die Geschlechter- und Erziehungswissenschaftlerin Juliane Lang zeigte auf, dass Antifeminismus, Ablehnung des Gender Mainstreaming und Familienpopulismus der Kitt sind zwischen der extremen Rechten und der Mitte der Gesellschaft.

Die ersten Angriffe auf Gender-Konzepte setzten bereits vor zehn Jahren ein. Konservative Publizist_innen behaupteten, es gehe um die „Schaffung eines neuen Menschentypus“, die extreme Rechte definierte Gender als Feindbild, das sich gegen das deutsche Volk richte. Eine zweite Welle folgte im Winter 2013 durch Proteste der „besorgten Eltern“ gegen den baden-württembergischen Bildungsplan. AfD-Vertreter_innen besetzten Begriffe und sprachen von „Gender-Totalitarismus“, der eine „Frühsexualisierung der Kinder“ sei.

AfD: Von der Anti-Euro-Partei zur Anti-Gender-Partei

Juliane Lang machte deutlich, dass es der AfD nicht um eine seriöse Auseinandersetzung mit der feministischen Bewegung oder Gender-Konzepten, sondern um die Deutungsmacht in gesellschaftlich relevanten Diskursen geht. Wer die Begriffe beherrsche, beherrsche Denken und Politik. Die AfD wandelte sich von einer Anti-Euro-Partei zu einer Anti-Gender-Partei, da sie mit dieser Thematik erfolgreicher sei. Letztendlich geht es ihr allein um die Wahrung von Privilegien. Um dieser inhaltslosen Polemik entgegenzuwirken, ist es wichtig, starke Allianzen und aufklärerische Netzwerke zu bilden, so Lang.

Die Teilnehmenden des Forums diskutierten anschließend Strategien und neue Zielgruppen („raus aus der Nische“), die es zu erreichen gelte, um diese homo- und transphoben Erscheinungen zurückzuweisen. Schließlich gebe es eine schweigende Mehrheit für die Aufklärung an den Schulen, aber eine kleine Minderheit verschaffe sich Aufmerksamkeit und Gehör durch Demonstrationen. Das Thema sexuelle Vielfalt muss in die Breite getragen werden, es kann nicht allein der LGBTI-Community überlassen werden.

Dabei gelte es auch, neue Wege zu gehen, die sozialen Netzwerke und Youtube zu nutzen und für das Thema auch die Multiplikator_innen der Erwachsenenbildung und die Volkshochschulen zu interessieren. Das Thema muss strukturell in alle Bereiche der Berufsausbildung Eingang finden, es muss etwa in der Ausbildung von Erzieher_innen, in der Trainingsausbildung im Leistungssport oder in den Ausbildungsgängen der Bundeswehr verankert werden. Zudem muss eine klare Sprache gefunden werden, die geeignet ist, die Empathie der Menschen zu wecken.

Neue Verunsicherung durch lautstarke homo- und transphobe Diskurse

Auf den scheinbar positiven Umfrageergebnissen dürfen wir uns nicht ausruhen, denn sie spiegeln nicht immer die Wirklichkeit korrekt wider. Die Ängste und Verunsicherungen der Menschen, die auch darauf zurückzuführen sind, dass homo- und transphobe Diskurse von extremistischen Medien in die „Qualitätspresse“ überschwappten, müssen ernst genommen werden, ohne sie zu übertreiben. Ihnen muss die Sorge genommen werden, indem die Schulaufklärung und ihre positiven Aspekte hervorgehoben werden. Schließlich handelt es sich um eine Ressource fürs Leben, um ein Plus für die Kinder, die fürs Leben gewappnet werden.

Darüber hinaus müssen positive Entwicklungen, die etwa innerhalb der protestantischen (EKD) und katholischen Kirche (ZdK) festzustellen sind, begrüßt werden. Die Protagonist_innen dieser Veränderungen müssen ermutigt und unterstützt werden, um ihnen den Rücken gegen Gegner_innen aus den eigenen Reihen zu stärken. Zugleich muss darauf hingewiesen werden, dass manche Veränderungen aber noch nicht ausreichen.

Stärkung und Unterstützung als Aufgabe der Politik

Zudem braucht es mehr finanzielle und strukturelle Unterstützung für die LGBTI-Community, die oftmals nicht wirklich strategiefähig ist, da es ihr an Geld fehlt, während die Gegner_innen über große Mittel verfügen. Hier müsse der demokratische Staat gegensteuern, Strukturen stärken und in die Zukunft investieren. Darüber hinaus muss die Politik eine offenere Diskussion führen zu den Themen Ehe für Alle, Nichtdiskriminierung aufgrund der sexuellen Identität und Abbau von homo- und transphoben Einstellungen in der Gesellschaft. Sie darf sich nicht hinter Koalitionsverträgen verstecken, sondern muss Argumente liefern anstatt von dumpfen Bauchgefühlen zu sprechen.

Klaus Jetz
LSVD-Geschäftsführer

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