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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Unbunt ist unnormal

Warum die neue Hoffnung auf queerpolitischen Fortschritt begründet ist

Ein Gegenkommentar von Markus Apel aus dem Landesvorstand des LSVD Bayern zum Kommentar "Die Stimme der „Normalos“ von Florian Heider", veröffentlicht am 7. Dezember 2021 in der Nürnberger Zeitung

Update: Der hier kommentierte Artikel ist leider nicht mehr auf der ursprünglichen Seite der Nürnberger Zeitung zu finden. Das Portal queer.de hat aber folgenden Beitrag mit Zitaten verfasst

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP will mehr Fortschritt wagen – so ist zumindest ihr Koalitionsvertrag überschrieben. Für alle Menschen in Deutschland, die sich als schwul, lesbisch, bisexuell, trans- und intergeschlechtlich oder queer (LSBTIQ*) verstehen, ist das Versprechen des politischen Fortschritts nicht neu. Doch zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik haben Regierungsbeteiligte dieses Versprechen so umfassend vertraglich dokumentiert. Das ist eine Chance.

Seit dem vergangenen Mittwoch heißt der neue Bundeskanzler Olaf Scholz und die CDU/CSU findet sich nach mehr als 16 Jahren Regierungsverantwortung in der Opposition wieder. Der Weg zu dieser neuen Konstellation war steinig und von vielen Menschen, nicht nur queeren, lange herbeigesehnt. War es in den vergangenen Jahrzehnten doch vor allem die Union, die auf Bundesebene notwendiges politisches Handeln im Bereich der Queerpolitik verhinderte. Mit dem vorgelegten Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition besteht nun die Chance, wichtige queerpolitische Fortschritte in der deutschen Innenpolitik, Außenpolitik, Justizpolitik, Gesellschafts- und Sozialpolitik, sowie in anderen Politikfeldern, anzustoßen. Die damit verbundene Hoffnung auf echte lebensverändernde Verbesserungen ist aber nach wie vor an das künftige Regierungshandeln geknüpft, nicht an gedruckte Worte.

Wenn Minderheiten in Deutschland eines wissen dann, dass ihnen nichts geschenkt wird. Deutsche Gerichte und die Zivilgesellschaft mussten die Politik in der Vergangenheit wiederholt zum Handeln drängen. Nichts wurde aus einem selbstverständlichen Vielfaltsverständnis heraus beschlossen. Dass viele queerpolitische Forderungen im Vertrag der neuen Ampelkoalition ihren Platz gefunden haben, ist genau diesem zivilgesellschaftlichen Druck und entschlossenen queeren Politiker*innen der Regierungsparteien zu verdanken.

Es sollte im Interesse aller liegen, dass in diesem Land schwule Männer nicht mehr auf der Straße zusammengeschlagen werden (S. 107 des Koalitionsvertrags), dass im Gesundheitswesen nicht nur Männer der Maßstab aller Dinge sind (S. 86f), dass sich Menschen ohne staatliche Hürden ihren Familienwunsch erfüllen können (S. 116), Kinder besser abgesichert sind (S.101), Menschen sich besser gegen rassistische Anfeindungen wehren können (S. 120) und niemandem staatlich vorgeschrieben wird, mit welchem Geschlecht man sich identifizieren soll (S. 119).

All das liegt im Interesse der Allgemeinheit. Aller Familien, aller Arbeitenden, Steuerzahler*innen und Bürger*innen. Denn unsere Gesellschaft ist so bunt wie normal und es wird Zeit, dass die Politik dieses Landes dieser Realität gerecht wird.

Markus Apel
Landesvorstand des LSVD Bayern

Anmerkung des Verfassers:

Medien leisten einen wichtigen Beitrag dazu, wie LSBTIQ* und andere Minderheiten in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Sie tragen Verantwortung. Um der realen Vielfalt der Gesellschaft gerecht zu werden und keine Diskriminierung zu reproduzieren können folgende Informationen hilfreich sein:

Für den 14.12.2021 haben Organisationen der Nürnberger Community Demonstrationen auf dem Willy-Brandt-Platz, vor dem Pressehaus Nürnberg, angekündigt. Beginn ist 18 Uhr.

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