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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

„Demo für Alle“ - Rechtskonservative Kampfbegriffe und Akteur*innen

Beatrix von Storch, Birgit Kelle und Hedwig Beverfoerde

Von Beatrix von Storch und Hedwig von Beverfoerde über die Elternaktion Bayern als Tarnorganisation der „Demo für alle“ zu Birgit Kelle und zurück. Und was die rechtspopulistischen Kampfbegriffe "Frühsexualisierung", "Genderwahn" und "Genderismus" wirklich meinen!

In ihrem Vortrag auf der LSVD-Fachtagung “Regenbogenfamilien bewegen” erläutert die Soziologin Dr. Imke Schminke von der LMU München in ihrem Vortrag, wie das Thema Regenbogenfamilien von fundamentalistischer Seite in deren rechtspopulistischen Diskurs instrumentalisiert wird, wer dahinter steckt, welche Kampfbegriffe sie nutzen, gegen welche konkreten Inhalte sie sich richten und welche Motivation dahinter steckt.

Kampfbegriffe wie „Genderismus“, „Genderideologie“ oder „Genderwahn“

Rechtskonservativen Kreisen und der Neuen Rechten sei es gelungen, Kampfbegriffe wie „Genderismus“, „Genderideologie“ oder „Genderwahn“ als Themen im gesellschaftspolitischen Diskurs zu verankern. Sie richten sich, so Imke Schminke, gegen gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare oder Regenbogenfamilien, gegen Gender Mainstreaming, die Thematisierung sexueller Vielfalt und eine Pädagogik der Vielfalt.

Ausgangspunkt war zunächst die sogenannte “manif pour tous” in Frankreich, die 2012/2013 Menschenmassen gegen die Einführung der Ehe für alle auf die Straße brachte. 2014 folgte eine Online-Petition gegen den Bildungsplan in Baden-Württemberg und bis 2016 mehrere Kundgebungen der sogenannten „Demo für alle“. In Deutschland fanden in mehreren Städten im Vergleich zu Frankreich eher kleinere Demos mit 2.000 bis 4.000 Teilnehmenden statt. 2016 fanden laut Schminke die Inhalte und Argumente der Rechtskonservativen Eingang ins AfD-Grundsatzprogramm.

Wer steht hinter den Protesten?

Zum einen ein Verein „Bündnis Familienschutz“ mit Aktionen wie „Rettet die Familie“. Organisiert wurden der Verein und die Proteste von der AfD-Politikerin Beatrix von Storch und Hedwig von Beverfoerde sowie von einer sog. „Elternaktion Bayern“ als Tarnorganisation der „Demo für alle“. Dort wirkte auch die Publizistin Birgit Kelle mit.

Entgegen ihres Namens war die „Elternaktion“ in mehreren Bundesländern aktiv. In Bayern sei es ihr gelungen dafür zu sorgen, dass der Bildungsplan umgeschrieben wurde. Akzeptanz wurde hier durch Toleranz ersetzt. Einige Teilnehmende berichten, dass Schulaufklärung mittlerweile bei Elternabenden erklärt und gerechtfertigt werden müsse, und bei Aufklärungsveranstaltungen von Schulprojekten müsse nunmehr immer eine Lehrkraft anwesend sein. Zudem sind laut Schminke die oben genannten Kampfbegriffe auch von der CSU aufgegriffen worden.

Akzeptanzförderung für LSBTI gilt als Angriff auf das Kindeswohl und "Frühsexualisierung"

Die Argumentationsmuster der Gegner*innen der Bildungspläne drehten sich immer um das durch angebliche Sexualisierung bedrohte Kind. Überhaupt werde Sexualität als eine Bedrohung von außen dargestellt. Und das Bild der Familie als Abstammungsgemeinschaft mache die rechtskonservativen Eiferer anschlussfähig an völkische Gruppierungen. Kinderrechte würden verengt auf das Recht auf Vater und Mutter und das Abstammungsrecht, die eigentlichen Kinderrechte aber würden ausgeblendet. Dennoch nehmen die Rechtspopulist*innen Bezug auf das Kindeswohl und instrumentalisieren dieses für ihre rhetorischen Strategien.

Worin liegt die Motivation?

Es gehe den rechtskonservativen Akteur*innen, so Schminke, um Interessen- und Klientelpolitik, den Erhalt sowohl von konservativen Werten als auch sozialer Ungleichheit. Das Agieren sei eine Reaktion auf die Angst vor sozialem Wandel. Ihr Eintreten gegen die sog. Genderideologie erfülle zudem eine Scharnierfunktion. Im Gegensatz zu zum Beispiel antisemitischen Positionen erhöhe dies die Anschlussfähigkeit in die Mitte der Gesellschaft. Es handele sich um ein letztes Aufbäumen all derer, die um ihre politische Hegemonie fürchteten.

Personen in der Familien- oder Jugendberatung sollten darauf hinweisen, dass es sich um unseriöse und antiaufklärerische Positionen und Inhalte handelt. Es empfehle sich, alternative Familienformen zu verteidigen und Kinderrechte zu thematisieren, in der Beratungsarbeit korrekt und realitätsnah aufzuklären und entsprechende Argumentationshilfen zu nutzen.

Klaus Jetz
LSVD-Geschäftsführung

Nachtrag zu Birgit Kelle

Birgit Kelle ist Mitinitiatorin der sogenannten „Märsche für das Leben“, die sich gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen richten. Sie organisierte die „Demo für alle“ gegen den Bildungsplan in Baden-Württemberg mit und veröffentlicht bis heute auf deren Blog. Kelle sucht die Nähe zu Institutionen der Neuen Rechten und ultrakatholischen Organisationen wie den Legionären Christi und veröffentlicht immer wieder in rechtspopulistischen und AfD-nahen Medien. 

Im November 2013 erhielt Kelle den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten, der von der Förderstiftung konservative Bildung und Forschung in Berlin in Zusammenarbeit mit der Wochenzeitschrift "Junge Freiheit" vergeben wird. Die Laudatio hielt Andreas Unterberger. Vorsitzender der Stiftung ist Dieter Stein, wichtiger Vertreter der Neuen Rechten. Preisträger*innen vor ihr waren u.a. 2008 Ellen Kositza (Ehefrau von Götz Kubitschek, dem zentralen Vertreter der Neuen Rechten / Rechtsextremismus mit Verbindungen zum AfD-Politiker Björn Hocke), 2009 Andrè F. Lichtschlag (Gründer und Herausgeber des Magazins eigentümlich frei) und 2011 Michael Paulwitz (Autor der Wochenzeitung Junge Freiheit und der Zeitschrift Sezession). Alle Preisträger haben in der Jungen Freiheit veröffentlicht.

2017 wurde sie mit dem ojcos-Stiftungspreis ausgezeichnet. Vorsitzender der Stiftung ist Konstantin Mascher, der seit 2004 bei der Offensive Junger Christen mitarbeitet und seit 2012 ihr 1. Vorsitzender ist. Die Offensive Junger Christen und ihr Institut für Jugend und Gesellschaft sind zentrale Akteure der deutschen Evangelikalen. Zusammen mit dem Weißen Kreuz sind beide Vereine immer wieder mit der Bewerbung und dem Angebot von sogenannten Konversionsbehandlungen für Lesben und Schwule aufgefallen. Seit 2020 ist die Werbung für diese gefährlichen "Therapien" sowie die Durchführung bei unter 18jährigen Menschen in Deutschland verboten.

Sogenannte „Umpolungs- und Konversionstherapien“ werden vor allem von religiös-fundamentalistischen Organisationen angeboten. Ausgehend von einer Abwertung von Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit und mit dem Vorwand, ratsuchenden Menschen zu helfen, zielen diese Angebote ab auf eine Änderung von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten sowie der lesbischen, schwulen, bisexuellen oder transgeschlechtlichen Identität. Diese Behandlungsangebote haben massive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Die Folgen sind oftmals soziale Isolation und Depressionen, die bis zum Suizid führen können. Der Weltärztebund kritisiert diese Therapien als „Verletzung von Menschenrechten“ und „unverantwortliche Verfahren“. Wissenschaftliche und medizinische Verbände auf nationaler und internationaler Ebene warnen seit Langem vor diesen Angeboten.

2015 wurde der Pädagoge Gabriel Stängle ausgezeichnet. Er war Initiator einer Petition gegen den geplanten Bildungsplan in Baden-Württemberg, der die Förderung von Akzeptanz für LSBTI als eines der Bildungsziele vorsah

Im Zuge einer Diskussion um Änderungen im Bildungsplan von Bayern wurde Birgit Kelle, Manfred Spieker zusammen mit Hedwig von Bevernfoerde, der Hauptorganisatorin der Demo für alle, im September 2016 vom bayerischen CSU-Politiker Ludwig Spaenle empfangen. Dort überreichten sie ein gemeinsames Forderungspapier der Elternaktion Bayern und der Demo für Alle gegen einen Richtlinienentwurf, der die Akzeptanz von LSBTI fördern sollte. Darin wurden zahlreiche Streichungen und Umformulierungen eingefordert. Sie störten sich u.a. daran, dass „Hetero-, Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität“ „vorurteilsfrei“ und mithin als gleichwertig dargestellt werden und die Schüler*innen unterschiedslos „Toleranz und Akzeptanz“ zeigen sollen. Sie forderten u.a. die Streichung der Wörter "vourteilsfrei" und "Akzeptanz". Außerdem bestanden sie, auf „den Begriff und das Thema „Sexuelle Identität“ in der Schule gänzlich zu verzichten und das gesamte Kapitel 2.3 – Geschlechterrollen und
Identitätssuche – aus dem Richtlinienentwurf zu streichen.“

Fotos: Caro Kadatz

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