Worauf es allein ankomme, das sei die Liebe
Lebensrealität von Regenbogenfamilien
Bericht vom Podium "Lebensrealität von Regenbogenfamilien" auf der Fachtagung „Regenbogenfamilien bewegen! Beratung zukunftsträchtig gestalten.“ (Onlinedokumentation) vom Mai 2017.
Im Podium "Lebensrealität von Regenbogenfamilien" diskutieren junge Erwachsene um die 20 aus Regenbogenfamilien mit BMFSFJ-Staatssekretär Dr. Ralf Kleindiek. Der ist schon seit über zehn Jahren mit Regenbogenfamilien befasst. Als Büroleiter der damaligen Bundesjustizministerin Zypries war er am Zustandekommen der BMJ-Studie „Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften“ beteiligt. „Die war wichtig, um bestehenden Vorbehalten gegen Regenbogenfamilien wissenschaftliche Argumente entgegensetzen zu können“, so Kleindiek.
Zunächst äußert er sich zur Ehe für alle. Es handele sich um eine Frage der Gerechtigkeit. Niemandem darf das Recht auf Familienleben vorenthalten werden. Eine unterschiedliche Behandlung von Familien sei ein klarer Rechtsverstoß, der abgestellt werden müsse durch Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Er hoffe, dass die Bundeskanzlerin sich in dieser Frage bewege und Einsicht zeige. Innerhalb der Bundesregierung habe das Familienministerium (BMFSFJ) durch die Einrichtung des Referates für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität für mehr Sichtbarkeit von LSBTI gesorgt. Hier würden Aktivitäten ressortübergreifend gebündelt und koordiniert.
Dann diskutiert das Panel, ob und wenn ja worin sich Regenbogenfamilien von klassischen Familien unterscheiden. Für Malte Czarnetzki waren es nicht so sehr die rechtlichen Unterschiede, die ihn als Kind tangierten. Im Normalfall bekomme man die als Kind ja nicht mit, es sei denn, es passiere was Schlimmes. Man bekomme aber mit, was die Gesellschaft so alles auf einen projiziere, welche Vorstellungen und Vorurteile mit einer Regenbogenfamilie verbunden sind. Er frage sich schon, wie eine Regierung die Dinge einfach so weiterlaufen lassen könne, dass sie keinen Zwang verspüre, Missstände abzustellen.
Dr. Kleindiek erwidert, die Situation sei unbefriedigend und er könne nur raten, den Druck auf die Politik aufrechtzuerhalten. Zudem könne das BMFSFJ etwa die Rahmenbedingungen so gut wie möglich gestalten und Aktivitäten wie das Projekt Regenbogenfamilien und diese Veranstaltung unterstützen.
Felix Arfsten benennt einen weiteren Unterschied zu klassischen Familien. Man mache sich mehr Gedanken über seine Familie, diskutiere mehr, um eventuellen Vorurteilen besser begegnen zu können. Er habe nie Angst davor gehabt, blöd angemacht zu werden. Als er älter wurde, habe er zwar gemerkt, dass die Regierung nichts tue, die Bevölkerung aber sei offen gewesen und habe interessiert nachgefragt.
Lena Herrmann-Green unterstreicht, dass man von außen anders gesehen werde. Dass man sensibler sei als andere, werde auch schon mal darauf zurückgeführt, dass man in einer Regenbogenfamilie lebe.
Theresa Pastorek beklagt, dass man noch immer nicht überall als Familie angesehen werde oder auf Vorurteile stoße. So habe sie schon erlebt, dass ihre Mütter an der Kasse im Freibad wegen des Familienrabatts diskutieren mussten. Nachdem sie sich die Haare hatte kurzschneiden lassen, müsste sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie nun wegen der Eltern lesbisch werde.
Dann diskutierte die Runde über besondere Ressourcen von Regenbogenfamilien. Malte spricht von einer ganz anderen Selbstreflexion, einem wahren Kraftakt, der in vielen Regenbogenfamilien gepflegt werde. Man diskutiere ständig und entwickle eine Stärke und ein ganz anderes Bewusstsein. Er verstehe zwar, dass man allem, was man nicht kenne, skeptisch gegenüber stehe, doch es sei andererseits auch frustrierend, immer wieder rechtfertigen zu müssen, warum man auf gleichen Rechten bestehe.
Theresa meint, man solle nicht auf diejenigen hören, die antiquierte Vorstellungen haben und die Bibel zitieren, die Ehe als Mann und Frau definieren. Lena wirft ein, dass diejenigen, die Vorbehalte hätten, einige Stunden mit Regenbogenfamilien verbringen sollten, sie würden schnell lernen, wie unspektakulär es ist, in einer Regenbogenfamilie zu leben.
Die dritte Runde drehte sich um die Frage der Väterrolle. Bei Felix war es so geregelt, dass er seinen Vater jedes zweite Wochenende sah. An seiner Beziehung zu ihm habe sich dadurch nichts geändert. Wichtig sei es ihm gewesen, dass er mit seinen beiden Müttern aufwuchs und zwei Elternteile hatte, die sich lieben, was dafür sorgte, dass es zu Hause sehr viel entspannter zuging als vorher. Väter- und Mütterrolle seien eigentlich egal. Worauf es allein ankomme, das sei die Liebe, die Eltern ihren Kindern entgegenbringen, dann sei doch alles gut.
Lena, die von einem anonymen Spender abstammt, verspürt keinerlei Bedürfnis Kontakt zum biologischen Vater aufzunehmen. Sie habe zwei Elternteile, die sie lieben, sie vermisse keinen Vater. Malte weist darauf hin, dass jedes Kind viele Bezugspersonen zu beiden Geschlechtern habe. Wirklich wichtig sei die Vielfalt an Charakteren, mit denen man in Berührung komme.
Dr. Kleindiek bedankt sich für die engagierte Diskussion und die Ermunterung, weiter für Regenbogenfamilien zu wirken. Dem LSVD dankt er für die gute Zusammenarbeit und er bittet darum, auch weiterhin Druck zu machen, damit die Politik bald handele und bestehende Ungleichbehandlungen abstelle.
Klaus Jetz
LSVD-Geschäftsführung
Fotos: Caro Kadatz