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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Gleichgeschlechtliche Eltern: Studien über Kinder in Regenbogenfamilien

Internationale Studien belegen: Weder Kindeswohlgefährdung noch andere Nachteile für die Kinder

Viele internationale Studien belegen inzwischen: Weder Kindeswohlgefährdung noch andere Nachteile für Kinder in Regenbogenfamilien! In Deutschland kam bereits 2009 eine repräsentativen wissenschaftlichen Studie zu diesem Ergebnis

Regenbogenfamilien: Kindern mit lesbischen und schwulen Eltern

Kindern, die von gleichgeschlechtlichen Paaren aufgezogen werden, geht es mindestens genauso gut wie Kindern, die in gemischt geschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen. Laut zahlreicher internationaler Studien gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass das Kindeswohl unter der Obhut gleichgeschlechtlicher Eltern gefährdet ist bzw. dass die Kinder Nachteile in ihrer Entwicklung haben.

Viele internationale Studien belegen inzwischen: Weder Kindeswohlgefährdung noch andere Nachteile für Kinder in Regenbogenfamilien

So hat ein Team der Cornell University insgesamt 79 internationale Studien aus dem Forschungsportal der Columbia Law School analysiert. Danach kommen 75 der vorliegenden Studien zu dem Ergebnis, dass sich Kinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern auf emotionaler, sozialer und intellektueller Ebene gleich gut entwickeln wie Kinder mit anderen Familienstrukturen. Vier Studien kamen zu einem anderen Ergebnis. Allerdings betrachteten diese Studien gemischtgeschlechtliche Familien, in denen sich ein Elternteil im Laufe der Kindheit als lesbisch oder schwul outet. Das führte oftmals zu einer Scheidung und Auseinanderfallen der Familie. Es ist folglich mehr als fraglich, ob man diese Studien zu einem Aufwachsen von Kindern in Regenbogenfamilien heranziehen kann.

Eine italienische Studie von 2018 kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es Kindern mit gleichgeschlechtlichen Eltern sowohl in Bezug auf die psychologische Anpassung als auch auf das soziale Verhalten gut geht. Das gelte insbesondere für Kinder von schwulen Väter. Die Gründe sind, dass schwule Väter in der Studie oft älter gewesen seien, einen höheren Bildungsstand und eine bessere wirtschaftliche Situation hätten. Auch sei der Weg zum eigenen Kind für schwule Männer – zum Beispiel mittels Leihmutterschaft – steiniger, was später für noch mehr Engagement in der Kindererziehung sorge.

Laut einer im September 2020 veröffentlichten niederländischen Studie zeigen Kinder und Jugendliche, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, bessere schulische Leistungen als diejenigen, die in Haushalten mit Vater und Mutter leben. Dafür wurden offizielle Daten erhoben von rund 3.000 mit zwei Müttern oder zwei Vätern lebenden Kindern und Jugendlichen, die zwischen 1998 und 2007 geboren wurden. Gründe werden vor allem in einem höheren sozioökonomischen Status von Eltern in Regenbogenfamilien vermutet. Außerdem sind Kinder aus Regenbogenfamilien in der Regel Wunschkinder und gleichgeschlechtliche Paare seien zudem eher "hochmotivierte Eltern", da sie durchschnittlich mehr Hürden überwinden müssen, um sich ihren kinderwunsch zu erfüllen und eine Familie zu gründen.

Studie in Deutschland kam bereits 2009 zu dem Ergebnis: Kindern in Regenbogenfamilien geht es gut

2009 wurde die Ergebnisse der ersten repräsentativen wissenschaftlichen Studie in Deutschland über „Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften“ von der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Marina Rupp vom ifb vorgestellt. Die Studie erfolgte im Auftrag des Bundesjustizministerium und wurde vom Bayrischen Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifb) und vom Bayrischen Staatsinstitut für Frühpädagogik in München (ifp) durchgeführt.

Fazit: Die homosexuelle Orientierung von Eltern ist zwar kein Garant doch nachgewiesenermaßen auch in Deutschland kein Hinderungsgrund für gelingende Elternschaft und eine Familie, die dem Wohl des Kindes dienlich ist.

Wie wurde die deutsche Studie durchgeführt?

2007 und 2008 wurden 1.059 Eltern in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu vielfältigen Aspekten ihres Regenbogenfamilienalltags befragt. 866 dieser Eltern lebten in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft (ELP). Bei den Befragten handelt es sich mehrheitlich um Mütterpaare. Der Anteil der schwulen Väter mit 7% ist auf die derzeit geringe Zahl von Kindern zurückzuführen, die ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt ihres/ihrer schwulen Vaters/ Väter haben. Die meisten dieser Kinder wachsen bei ihren Müttern auf. 

Die lesbischen Mütter und schwulen Väter gaben Auskunft über die Genese ihrer Familien und die Entwicklung ihrer insgesamt 693 Kinder. Sie berichteten über ihr erzieherisches Engagement beider Elternteile und die alltägliche Aufgabenteilung in ihrer Partnerschaft, von der Außendarstellung des Regenbogens in der Familie und ihren Erfahrungen im Umgang mit Diskriminierungen. Sie beschrieben die Beziehungen zu etwaigen außerhalb der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebenden Elternteilen. Abschließend bewerteten sie die derzeitigen rechtlichen Regelungen sowie die rechtliche Stellung von Regenbogenfamilien und formierten den aus ihrer Sicht notwendigen Änderungsbedarf. 

Darüber hinaus wurden 95 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren telefonisch zu zentralen Aspekten ihrer Entwicklung befragt, wie z. B. die Bindung und Beziehung zu den Eltern, ihre psychische Anpassung und Befindlichkeit, mögliche Konflikte in der Familie und eigene Diskriminierungserfahrungen. Der Großteil (93%) auch dieser Kinder und Jugendlichen lebte zum Zeitpunkt der Interviews mit ihrer leiblichen Mutter und deren Partnerin zusammen. Anders als in der Elternbefragung stammten diese Kinder mehrheitlich aus einer früheren heterosexuellen Partnerschaft (78%).

Abschließend wurden 29 Expert(inn)en um eine Einschätzung gebeten zur rechtlichen und sozialen Situation von Eingetragenen Lebenspartnerschaften, in denen Kinder aufwachsen. Es kamen Jurist(inn)en, Familienberater/innen und -therapeut/innen, Jugendamtsmitarbeiter/innen und Lehrer/innen ebenso zu Wort wie Vertreter/innen von Verbänden, die mit Regenbogenfamilien vertraut sind.

Zusammenfassung der wichtigsten Studienergebnisse 

Wie viele Kinder haben in Deutschland lesbische Mütter oder schwule Väter?

Etwa 7.000 Kinder wachsen 2007/2008 in Deutschland in Regenbogenfamilien auf, davon etwa 2.200 Kinder in Eingetragenen Lebenspartnerschaften (ELP). Es gibt jedoch mehr Kinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern. Diese Kinder leben entweder nicht mit ihrem homosexuellen Elternteil zusammen oder die Väter und Mütter leben ihre homosexuelle Orientierung noch nicht offen. 

Woher stammen die Kinder in Eingetragenen Lebenspartnerschaften?

Etwa gleich viele Kinder wurden in eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft hineingeboren  (48%) oder stammten aus früheren heterosexuellen Beziehungen (44%) ihrer heute lesbisch oder schwul lebenden Eltern. Nur sehr wenige Kinder kamen als Adoptivkinder (1,9%) oder Pflegekinder (6%) in die Regenbogenfamilien.

Ein Viertel aller leiblichen Kinder wurden von dem/der Partner/in als Stiefkind adoptiert. Hierbei handelt es sich fast ausschließlich um Kinder, die als gemeinsames Wunschkind ihrer Mütter in der aktuellen Partnerschaft geboren wurden (94%).

Erziehen lesbische oder schwule Elternpaare anders?

Lesbische Mütter und schwule Väter stehen in ihrer elterlichen Kompetenz heterosexuellen  Eltern  in nichts nach. Alle feststellbaren Unterschiede im Erziehungsverhalten und Familienklima fördern ausnahmslos das Wohle der Kinder: Lesbische Mütter und schwule Väter haben durchweg eine gute Beziehung zu ihren Kindern, die sich durch Fürsorglichkeit und Zugewandtheit auszeichnet. Sie legen viel Wert auf die Beachtung von Grenzen und vermeiden harte Sanktionen.

Das Familienklima in Regenbogenfamilien ist durchweg sehr positiv: Man geht auf die Sorgen und Nöte des/der Anderen ein und kann offen über alles sprechen. Die Familien regen sich weniger über Kleinigkeiten auf, und es kommt nur sehr selten zu Reibereien.

Bei gleichgeschlechtlichen Elternpaaren ist sowohl der Umfang der individuellen Erwerbstätigkeit wie auch die Aufteilung häuslicher Versorgungs- oder Verwaltungsaufgaben deutlich gleichberechtigter, flexibler und demokratischer als in heterosexuellen Partnerschaften. Die Aufteilung gerade der Haushaltstätigkeiten erfolgt hierbei nicht nach festen Prinzipien oder Rollenmodellen, sondern eher nach Interessen, Können oder der aktuellen Einbindung in Berufstätigkeit. 

In der Kinderversorgung engagieren sich beide Mütter oder Väter in gleichem Maße. Hierbei werden z. B. die Versorgung und Beaufsichtigung der Kinder, die Hausaufgabenbetreuung, die Begleitung der Kinder zu Ärzt(inn)en, in die Schule und Fahrdienste als „Mama/Papa-Taxi“ mehrheitlich gemeinsam oder abwechselnd übernommen. Spezielle Interessen oder Bereiche teilen einige Kinder sich schwerpunktmäßig nur mit einem der beiden Elternteile wie z. B. spezielle Sport- und Freizeitaktivitäten oder künstlerische Betätigungen.  

Gleichgeschlechtlich lebende Eltern legen in hohem Maße Wert darauf, dass ihre Kinder Bezugspersonen des anderen Geschlechts im nahen Lebensumfeld haben, damit ihnen ausreichend weibliche bzw. männliche Rollenvorbilder zur Verfügung stehen.

Und die Beziehung zum außerhalb der Regenbogenfamilien lebenden Elternteil?

Kinder in Regenbogenfamilien, die in früheren heterosexuellen Bezügen geboren wurden oder deren Samenspender bekannt ist, haben deutlich häufiger und regelmäßiger Kontakte zum außerhalb der ELP lebenden leiblichen Elternteil als dies in heterosexuellen Trennungsfamilien zu finden ist. Auch die lesbischen Mütter und schwulen Väter pflegen hier intensivere Kontakte. 

Konflikte zwischen den  getrennt lebenden Eltern, Gefühle der Zerrissenheit oder Loyalitätskonflikte auf Seiten der Kinder gibt es äußerst selten. 

Wie entwickeln sich Kinder in Regenbogenfamilien? 

Die Persönlichkeitsentwicklung, schulische und berufliche Entwicklung sowie die Entwicklung einer sogenannten emotionalen und sozialen Kompetenz verläuft bei Kindern in Regenbogenfamilien gut. 

Es finden sich keine Anhaltspunkte für eine erhöhte Neigung zu Depressionen - ganz im Gegenteil: Die Kinder entwickeln sich partiell sogar besser als Kinder aus anderen Familienformen. Kinder und Jugendliche in Regenbogenfamilien zeigen ein nachweislich höheres Selbstwertgefühl und mehr Autonomie in der Beziehung zu beiden Elternteilen als Gleichaltrige in anderen Familienformen. 

In der Bewältigung altersspezifischer Entwicklungsaufgaben wie dem Umgang mit Freundschaften und intimen Beziehungen, in der Loslösung von den Eltern, der Einschätzung der eigenen Person, im Umgang mit körperlichen Veränderungen und in der Formulierung zukünftiger Ziele stehen sie hren Altersgenossen aus anderen Familienformen in nichts nach.

In der Planung von Ausbildung und Beruf sind Kinder aus Regenbogenfamilien anderen sogar voraus, und bei der schulischen Entwicklung lässt der überdurchschnittliche Anteil dieser Kinder auf weiterführenden Schulen darüber hinaus überdurchschnittliche Abschlüsse erwarten.

Auch wenn Kinder in Regenbogenfamilien in der Studie positiver abschneiden als Kinder anderer  Familienformen, nicht die sexuelle Orientierung der Eltern ist entscheidend für das Wohlergehen  und die Entwicklung der Kinder, sondern die Beziehungsqualität und das Klima in der Familie!

Und was sagen die Kinder dazu?

Kinder und Jugendliche, die in LP aufwachsen, bewerten ihre Familiensituation positiv und fühlen sich in ihrer Entwicklung nicht beeinträchtigt und das obwohl sie ihre Familiensituation in der Studie nachweislich weder bewusst noch unbewusst besonders positiv dazustellen versuchten.

Wenn von Kindern und Jugendlichen ein Einfluss auf die eigene Entwicklung durch ihr Aufwachsen in einer Regenbogenfamilie wahrgenommen wird, ist er positiver Natur: Die Kinder sehen durch ihre Familienform eine Entwicklung hin zu mehr Offenheit, Toleranz und Selbständigkeit begünstigt und beschreiben positive Reaktionen von Freunden und Partnern auf ihren Regenbogenfamilienhintergrund. Einen Nachteil sehen einige in einer Angst vor ablehnenden Reaktionen anderer oder dem möglichen Erleben von Diskriminierung durch das Umfeld.

Das tägliche Coming-out und soziale Diskriminierungen  

Die meisten gleichgeschlechtlichen Eltern und ihre Kinder gehen mit ihrem Regenbogenfamilienhintergrund offen um und das nicht nur im Freundes- und  Familienkreis (98%), auch am Arbeitsplatz (91%), in der Nachbarschaft (95%) oder bei Behörden (96%), sondern auch im kindlichen Lebensumfeld, wie der Schule, dem Kindergarten und den Freunden der Kinder (95%). 

Die Mehrheit der Kinder lesbischer Mütter oder schwuler Väter hat keine sozialen Diskriminierungen aufgrund der Familiensituation erfahren (63 % aus Sicht der Eltern und 53 % aus Sicht der Kinder). Wenn Diskriminierungserfahrungen vorliegen, handelt es sich überwiegend um Hänseleien oder Beschimpfungen durch Gleichaltrige. Fast alle Kinder lernen mit den Erlebnissen konstruktiv umzugehen, werden von den Eltern gut aufgefangen und in ihrer Entwicklung nachweislich nicht beeinträchtigt.  

Die meisten Regenbogenfamilien haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Mitmenschen umso offener reagieren, je offener sie selbst mit ihrer Familienkonstellation umgehen. Dennoch hat jede(r) zweite lesbische Mutter oder schwuler Vater in ihrem Leben schon mal irgendeine Form von Ablehnung gegenüber ihrer Lebensweise erleben müssen: Spitzenreiter sind hier leider die eigenen Eltern. Ca. jede(r) Zehnte hat entsprechend schlechte Erfahrungen im Umgang mit Behörden gemacht.

Obwohl die meisten Hänseleien in der Schule vorkommen, berichten die Eltern von mehrheitlich positiven Erfahrungen mit den pädagogischen Einrichtungen, sei es hinsichtlich ihrer Akzeptanz als Eltern oder der vorurteilsfreien Darstellung homosexueller Lebensweisen. Dennoch weiß jede dritte Regenbogenfamilien von Verhaltensunsicherheiten seitens des pädagogischen Personals zu berichten und in jeder sechsten Schule oder Kita sind gleichgeschlechtliche Lebensweisen oder Regenbogenfamilien schlicht kein Thema. 

Und was sagen die Expert(inn)en? 

Über zwei Drittel der Expert(inn)en sprechen sich für einen konkreten Änderungsbedarf der Rahmenbedingungen von Lebenspartnerschaften mit Kindern aus: Er reicht von einzelnen rechtlichen Regelungen, wie einem gemeinsamen Adoptionsrecht und der finanzrechtlichen Gleichstellung, bis zur Beseitigung sämtlicher bestehender  Ungleichheiten zwischen gleichgeschlechtlicher Paaren und Ehepaaren.

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