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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Trans* Elternschaft: Erfahrungsbericht eines Coming-outs und Transition in einer Familie

Erfahrungsbericht einer Transition von Mona Eulitz

Manches habe ich auf dem Weg der Transition gelernt und die Hindernisse und Feindseligkeiten die mir/ uns begegnet sind, haben mich etwas reifen lassen. Für alle in der Familie ist meine Transition eine Herausforderung und wichtige Erfahrung gewesen. Es ist gut, dass wir den Weg gegangen sind.

Herz aus Neonröhren - Symbolbild für Erfahrungsbericht eines Coming-outs als transsexuell und Transition in einer Familie

Ich habe lange gebraucht, zu kapieren, dass ich transsexuell bin. Als ich Kind war, kannte ich keine Vorbilder, das Internet war noch nicht erfunden. Mädchen durften schöne Kleider, Schuhe und Hosen anziehen, Freundinnencliquen bilden und sich so anders bewegen. Es war einfach unvorstellbar, dass ich selber ein Mädchen sein könnte. In der Pubertät hatte ich erste Träume, in denen ich mich in eine junge Frau verwandelte. Ich kaufte mir erste Frauensachen und zog sie heimlich an. Ich war kurz glücklich, aber schnell kam das schlechte Gewissen und alles wurde wieder weggeworfen.

Meine Gedanken waren: Das ist nicht möglich!

Auch später wusste ich noch nicht, dass ich transsexuell bin. Ich wusste nur, etwas stimmt nicht mit der Zuordnung ‚Mann’ bei mir. Mir fiel es immer leichter, mit Frauen befreundet zu sein, als mit Männern. Ich ahnte irgendetwas in mir, aber hatte keine Worte dafür und auch Angst vor der Wahrheit. Es gab keine Vorbilder, außer irgendwelchen exotischen Menschen im Fernsehen. Transsexualität ist leider sehr selten.

Meine Gedanken waren: Das ist nicht möglich! Es war aber schon mein ganzes Leben in mir, eine Art Sehnsucht ohne Worte. Man wird leider nicht mit einem Zettel in der Hand geboren, auf dem steht, dass Inhalt und Verpackung nicht übereinstimmen. Ich habe meine Zeit gebraucht und als ich es ahnte, hatte ich Angst vor den Konsequenzen.

Trans Coming-out gegenüber der Partnerin und den Kindern

Als ich dann meine heutige Partnerin kennenlernte, war es sehr seltsam. Sie hatte sich schon in andere Frauen verliebt und etwas schien auf wunderbare Art zu passen. Es gab viele, viele Gespräche mit meiner Partnerin und es hat viele kleine Schritte gebraucht. Ich war dann zu Hause nur noch ‚Frau’, aber ohne am Anfang Frau dazu zu sagen. Wir mussten beide lernen, dass die Männerrolle nicht zu mir passt. In Männerklamotten gab es mich eines Tages nur noch, wenn ich das Haus verließ.

Unsere beiden Töchter sind von Anfang an damit aufgewachsen, dass Papa irgendwie bunt ist, dass Papa wie eine Frau ist. Fast von Anfang an sind wir auf der CSD Demo in Berlin gewesen. Das war immer der einzige Moment, in dem ich auch draußen Frau war. Das erste Mal hatte ich wahnsinnige Angst, aber ganz schnell merkten wir, dass wir zum CSD dazugehören, dass das eine Art Heimat für uns ist.

Besuch einer Selbsthilfegruppe für trans* Menschen

Aber ich hatte immer noch Angst, es jemanden zu sagen und erst nach fast 10 Jahren hatten wir unser erstes Coming-out bei schwulen Freunden. Ihnen sagte ich damals, ich sei vermutlich ein Transvestit. Also ein Mensch, der sich gerne im anderen Geschlecht kleidet, aber auch immer wieder zurück kann, und dass ich im Alltag weiter als Mann leben könnte. Ich hatte lange Angst vor der Wahrheit und den Konsequenzen.

Als ich dann das erste Mal eine Selbsthilfegruppe von transsexuellen Menschen besuchte merkte ich endlich, dass es völlig normal ist, eine Frau zu sein, auch wenn der Körper männlich aussieht. Die Menschen dort haben mir auch gezeigt, dass es tatsächlich möglich ist, eine Transition zu machen, als Frau zu leben, als das, was ich wirklich bin.

Beginn der medizinischen Transition

Als ich den Spagat zwischen den Geschlechtern so nicht weiter leben konnte, bin ich mit psychologischer Begleitung in die äußere Transition gegangen. Natürlich gab es Angst vor den Konsequenzen. Werden die Kinder in der Schule gehänselt? Was ist mit der Arbeit, den Freunden und den Verwandten?

Aber es war der einzige Weg und es ist ein großes Geschenk, dass unsere Liebe und unsere Familie nicht daran zerbrach. Seit Sommer 2010 gibt es nur noch mich: Mona.

Reaktionen aus dem Umfeld, der Schule und der Familie auf das Coming-out als trans

Einiges war gerade in den ersten Monaten nicht so einfach. Manche Menschen haben viel besser als befürchtet reagiert, manche aber viel schlimmer.

In der Schule bei den Kindern ist alles gut gegangen. Ulrike hatte mit den Lehrkräften und auf Elternabenden mit den anderen Eltern geredet. Zusammen mit den Lehrkräften die Schülerinnen und Schüler informiert und für die Klassen war das (fast) gar kein Problem.

Bei unserer älteren Tochter (damals 12) fanden es viele Mitschülerinnen cool, dass sie sich Ohrringe, Schminksachen und Halstücher von mir ausleihen kann. Doofe Sprüche von Jungs wurden von den Mädchen der Klasse mit frechen Sprüchen gestoppt. Unsere jüngere Tochter (damals 8) malte nach dem Coming-out für eine Hausaufgabe eine wunderschöne Bäuerin in einem orangefarbenen Kleid, die auf dem Feld arbeitet. Alle anderen Kinder malten einen Bauern. Für uns war das ein Zeichen dafür, wie erleichtert sie war, dass Mona akzeptiert ist. Sie musste nicht mehr verstecken, dass Papa eine Frau ist.

Meine Eltern haben am Anfang extrem ablehnend reagiert, aber mittlerweile ist das Verhältnis besser als vorher. Von meinen beiden Brüdern brauchte einer ein ganzes Jahr, um sich an mich zu gewöhnen, aber jetzt geht es. Den zweiten Bruder habe ich seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen. Er will das nicht. Das tut mir immer noch sehr weh. Auch bei Ulrike hat eine Schwester sehr ablehnend reagiert und die Familiensituation ist sehr belastet. Viele wundern sich, dass wir immer noch zusammen sind.

Coming-out als Trans am Arbeitsplatz

Bei meiner Arbeitsstelle an einer großen Universität waren die Reaktionen sehr unterschiedlich. Für die allermeisten aber war es kein Problem. Mittlerweile sehe ich auch nicht mehr sehr männlich aus. Ich danke den Hormonen. Ich bin halt eine lange Frau, aber die allermeisten Menschen bekommen nicht mehr mit, dass ich nicht schon immer so war.

Einige wenige Idioten gibt es leider immer noch. Das tut mir immer noch sehr weh. Meine Vergangenheit als Mann ist kein Problem für mich, ich gehe damit offen um. Ich bin auch kein völlig anderer Mensch geworden, ich passe jetzt nur besser zu mir.

Manches habe ich auf dem Weg der Transition gelernt und die Hindernisse und Feindseligkeiten die mir/ uns begegnet sind, haben mich etwas reifen lassen. Für alle in der Familie ist meine Transition eine Herausforderung und wichtige Erfahrung gewesen. Es ist gut, dass wir den Weg gegangen sind.“

Auszug aus Jansen, E.; Bruns, M.; Greib, A. & Herbertz-Floßdorf, M. (2014). Regenbogenfamilien — Alltäglich und doch anders. Beratungsführer für lesbische Mütter, schwule Väter und familienbezogene Fachkräfte. S. 35–37.

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