Das „Miteinander stärken“
Das LSVD-Projekt stellt sich vor
In jahrzehntelangen Kämpfen konnten wesentliche Fortschritte bei der rechtlichen Anerkennung und gesellschaftlichen Akzeptanz von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans* und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI*) erreicht werden. Aber auch nach der Öffnung der Ehe und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Dritten Geschlechtseintrag bleibt noch viel zu tun. Homophobie, Transfeindlichkeit und weitere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sind in vielen gesellschaftlichen Bereichen allgegenwärtig. Zusätzlich machen Gleichstellungsgegner*innen flankiert von religiös-fundamentalistischen Gruppen und völkischen Initiativen Stimmung gegen die Akzeptanz von LSBTI* in unserer Gesellschaft. Sie diffamieren Bildungspläne, greifen Projekte und Initiativen mit Unterlassungsverfügungen an, lähmen Verwaltungen mit irreführenden Anfragen oder versuchen LSBTI* gegen Geflüchtete oder andere Minderheiten zu instrumentalisieren. Dieser Entwicklung tritt das neue LSVD-Projekt „Miteinander stärken“ entgegen.
Ziel ist es, dass gesellschaftliche Miteinander zu stärken, dem Rechtspopulismus Paroli zu bieten und wirksame Strategien und Bündnisse zu entwickeln. Zusammen mit unseren Landesverbänden wollen wir die Akzeptanz von LSBTI* fördern und uns und unsere Bündnispartner*innen stärken. Um gegenseitige Lernprozesse zu initiieren haben wir dabei nicht nur die Community im Fokus, sondern auch Projekte aus der Rassimus- und Antisemitismusprävention, aus der Jugendarbeit, aus der Bildungsarbeit, aus der Demokratieförderung, von migrantischen Organisationen oder auch von Trägern aus Sport, Kultur und Wissenschaft,. Gemeinsam wollen wir uns gegen Rechtspopulismus und Anfeindungen stärken. Auf regionalen Vernetzungstreffen, Konferenzen und Regenbogenparlamenten bringen wir daher Ehrenamtler*innen und Fachkräfte aus der ganzen Republik zusammen.
Gemeinsam stärken – neue Wege gehen
Bereits 2017 starteten die regionalen Vernetzungstreffen in Leipzig, Mannheim, Dortmund und Magdeburg. Dort haben wir diskutiert, welche Ideologien hinter den Anfeindungen von Rechts stecken, was sich hinter den unheiligen Allianzen zwischen religiösen Fundamentalist*innen und Neue Rechte verbirgt und was man diesen Entwicklungen entgegensetzen kann. Neben dem Wunsch nach mehr Solidarität und Vernetzung wurde auch die Forderung geäußert, öffentliche Räume und die politische Agenda wieder selbst proaktiv zu besetzen. „Nicht spalten lassen, sondern zusammen stehen!“, das war allen Teilnehmenden wichtig.
Beim Thema antimuslimischer Rassimus wurde deutlich, dass Kritik an religiös legitimierter Homophobie notwendig ist. Ob der Koran den gleichgeschlechtlichen Geschlechtsakt verbietet ist umstritten. Die Liebe zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts klammert er jedenfalls aus. Der Nachweis der Verbotsübertretung ist willkürlich. Alle Muslim*innen pauschal als homophob und transfeindlich zu bezeichnen ist dennoch falsch und wird der Heterogenität nicht gerecht. Diese Vereinfachungen spielen nur den Rechtspopulist*innen in die Hände. Gleichfalls befeuern sie einen islamfeindlichen Rassismus.
Islamfeindlichen Einstellungen begegnet man am besten mit Fakten – das gilt übrigens auch für die meisten Agitationen von Rechts. Nachfragen, Gegenargumente bringen, klar Position beziehen und Grenzen der Diskussion aufzeigen. Beim Thema Islam muss deutlich gemacht werden, dass hier eine große Heterogenität unterschiedlichster Interpretationen existiert. Muslimische LSBTI und Beispiele wie der Liberal-islamische Bund oder die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee machen deutlich, dass Islam und Homosexualität sich nicht ausschließen müssen.
Die Teilnehmenden formulierten auch gesellschaftspolitische Forderungen, um Homophobie und Transfeindlichkeit den Nährboden zu entziehen. Umfassende Landesaktionspläne wurden ebenso genannt, wie eine effektive Gesetzgebung gegen Hassgewalt, eine LSBTI*-inklusive Bildungspolitik oder die Erweiterung des Gleichheitsartikels im Grundgesetz. Bei den Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Bildung und in Religionsgemeinschaften formulierten die Aktivist*innen Anforderungen, Strategien und Maßnahmen, um für gegenseitigen Respekt und einen wertschätzenden Umgang zu werben.
Besonders Religionsgemeinschaften sollten sich wieder stärker auf grundlegende Werte, wie Nächstenliebe, Gewaltfreiheit und ein solidarisches Denken und Handeln konzentrieren. Auch braucht es mehr offene Begegnungsformate, um für einen wertschätzenden Umgang zu werben. Beim Thema „Bildung“ ist es wichtig, Bildungs- und Lehrpläne LSBTI*-inklusiv auszugestalten. Die Vermittlung von „sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ müsse als Querschnittsaufgabe von Kitas, Schulen und Hochschulen verstanden werden. Diese haben den Auftrag, junge Menschen zu stärken und auf gesellschaftliche Vielfalt im Alltag vorzubereiten. Die entsprechende Ausgestaltung der Bildungs- und Lehrpläne, die Aufnahme der Thematik in die Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften waren ebenso zentrale Forderungen.
Die Ergebnisse der regionalen Vernetzungstreffen werden in einem zweiten Schritt aus wissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Im Oktober 2018 wird in Leipzig die erste von vier Regionalkonferenzen stattfinden. Wissenschaftler*innen, Vertretungen aus Stiftungen, aus der Politik und Fachkräfte aus den unterschiedlichsten Bereichen werden die Ideen und Strategien der Aktivist*innen auswerten und weiterdenken. Ziel ist die gemeinsame Entwicklung von Aktivist*innen-Kits und Empowerment-Packs, um den faktenfreien Kampagnen von Rechtspopulist*innen und Gleichstellungsgegner*innen mit kreativen Ideen und Mut entgegenzutreten und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu festigen. Eine Allianz der Vielfaltsverteidiger*innen aufbauen – das ist eines der großen Ziele des Projektes.
Regenbogenkompetenz fördern
Die Regenbogenparlamente bilden das dritte Veranstaltungsformat des Projektes. Mit insgesamt drei dieser Leuchtturmprojekte wollen wir in den wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Bereichen die Regenbogenkompetenz verbessern, d.h. den professionellen und diskriminierungsfreien Umgang mit Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt. Beim Auftakt in Berlin trafen sich über 100 Expert*innen und Aktivist*innen aus ganz Deutschland. Gemeinsam wurde diskutiert, wie Regenbogenkompetenz als Querschnittsaufgabe verankert werden kann.
In den Fachforen gab es einen regen Austausch darüber, was es beispielsweise braucht, um die Regenbogenkompetenz im Fußball zu verbessern. Aktiv auf Vereine und Verbände zugehen und das Thema anpacken, war einer der wichtigsten Impulse. Beim Thema „Lebenswelten von LSBTI* in den Medien“ wurde deutlich, dass es immer noch eine Diskrepanz zwischen dem gibt, was sich LSBTI* von Medien wünschen und der Realität der Berichterstattung. Sichtbarkeit braucht Sicherheit und eine wertschätzende Berichterstattung. Dazu gehört auch, dass die anhaltende Unsichtbarkeit von lesbischen Frauen beendet wird und sie von Medien gehört werden. Beim Thema Internationales waren sich die Expert*innen einig: Die Zivilgesellschaft muss wieder in die Offensive gehen und dem demokratiefeindlichen Mob Grenzen setzen. Der Blick nach Ungarn, Polen oder in die USA zeigt uns, wie schnell ein für sicher geglaubter gesellschaftlicher Konsens in Frage gestellt werden kann.
Unter dem Motto „Akzeptanz von LSBTI* weiter gestalten“ geht es am 22. September 2018 in die nächste Runde. Gemeinsam mit dem FORUM Volkshochschule und der Stadt Köln nehmen wir beim 2. Regenbogenparlament den Faden aus Berlin auf. 2019 sind wird dann das 3. Regenbogenparlament in Hamburg stattfinden. Alle Ergebnisse und Termine finden sich auf www.miteinander-staerken.de
Ansprechpersonen für das LSVD-Projekt „Miteinander stärken“ sind:
Jürgen Rausch (juergen.rausch@lsvd.de). Tel. 0221-92 59 61 13
René Mertens (rene.mertens@lsvd.de), Tel. 030-78 95 47 63