Skandal: Bundestag verabschiedet Einstufung sicherer Herkunftsstaaten per Verordnung
LSVD⁺: Rechtsbruch mit Ansage!

Berlin, 05.12.2025. Nach dem Beschluss des Innenausschusses am 03.12. wurde der Gesetzesentwurf zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten heute in zweiter und dritter Lesung durch den Bundestag verabschiedet. Er sieht vor, unter anderem die geplante Einstufung Marokkos, Algeriens, Tunesiens und Indiens als sogenannte “sichere Herkunftsstaaten” zu erleichtern. Damit soll einerseits die bisher notwendige Zustimmung des Bundesrats wie auch andererseits die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umgangen werden. Alva Träbert kommentiert hierzu für den Bundesvorstand des LSVD⁺ - Verband Queere Vielfalt:
Wir verurteilen diese erneute Verschärfung der Asylpolitik. Schwerwiegende menschenrechtliche Bedenken gegen das Gesetz zur Einstufung von Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung wurden ignoriert. Der heutige Beschluss des Bundestags ist ein deutliches und fatales Zeichen, insbesondere für LSBTIQ*.
In Marokko, Algerien und Tunesien sind LSBTIQ* massiven Gefahren ausgesetzt: Es drohen mehrjährige Haftstrafen, Folter durch Zwangsanaluntersuchungen und Gewalt durch staatliche Akteure, aber auch von Seiten der Zivilgesellschaft. Eine Einstufung dieser Länder als “sichere Herkunftsstaaten” blendet diese Tatsachen aus. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft in einem regulären Gesetzgebungsverfahren wäre dringend notwendig gewesen, um zu verhindern, dass vulnerable Menschen zu Kollateralschäden werden. Das heute verabschiedete Verfahren ist als zutiefst undemokratisch einzuordnen.
Nicht ohne Grund hat sich der Bundesrat bislang wiederholt gegen die Aufnahme von Marokko, Algerien und Tunesien in die Liste sicherer Herkunftsstaaten gestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen nur solche Staaten als “sicher” eingestuft werden, in denen alle Personen- und Bevölkerungsgruppen landesweit vor Gewalt sicher sind. An diese verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen muss sich die Bundesregierung halten.
Die Einstufung hat weitreichende Konsequenzen für Asylsuchende aus den genannten Ländern: Unter anderem wird das Asylverfahren so stark beschleunigt, dass eine angemessene Beratung und Versorgung kaum möglich ist. Die Klagefrist gegen einen negativen Asylbescheid wird auf eine Woche verkürzt und oft werden Schutzsuchende sogar aus einem noch laufenden Asylverfahren heraus abgeschoben. Dies trifft LSBTIQ* Geflüchtete besonders hart, da sie sich bei der Anhörung aus begründeter Angst und Scham häufig nicht outen und ihren triftigen Asylgrund, nämlich die queerfeindliche Verfolgung, zunächst nicht vortragen. Um Vertrauen aufzubauen und sich Unterstützung durch Fachberatungsstellen zu suchen, fehlt ihnen die Zeit.
Queere Antragsteller*innen aus den als “sicher” eingestuften Ländern müssen aufgrund ihrer besonderen Vulnerabilität von den geplanten Schnellverfahren ausgenommen werden und ihre Schutzgesuche dürfen grundsätzlich niemals als “offensichtlich unbegründet” abgelehnt werden. Dazu ist eine systematische, flächendeckende Identifizierung besonderer Schutzbedarfe unter Beteiligung der Zivilgesellschaft notwendig. Andernfalls droht LSBTIQ* regelmäßig Abschiebung, Gewalt und Lebensgefahr, bevor Deutschland über ihren Schutzanspruch überhaupt entschieden hat.
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