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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Diskriminierung von lesbischen Familien würde sich durch Adoptionshilfe-Gesetz verschärfen

Reform des Abstammungsrechts unabdingbar

Wir waren erfolgreich: Die befürchtete Verschärfung lesbischer Elternpaare durch das Adoptionshilfe-Gesetz ist endgültig vom Tisch. Für sie entfällt die für das Verfahren der Stiefkindadoption neu eingeführte verpflichtende Beratung durch die Adoptionsvermittlungsstellen. 

Update

Wir waren erfolgreich! Im Juli hat der Bundesrat das Adoptionshilfe-Gesetz gestoppt. Der Grund: Die darin von der Bundesregierung geplante Verschärfung der Diskriminierung von lesbischen Zwei-Mütter-Familien. Bundesrat und Bundesregierung einigten sich dann im Vermittlungs-Ausschuss. Danach hat der Bundesrat dem Gesetz am 18.12.2020 in einer neuen Fassung zugestimmt. Wir haben sehr dafür gekämpft, dass dieses Gesetz in seiner ursprünglichen Fassung nicht verabschiedet wird

Das neue Adoptionshilfe-Gesetz führt für das Verfahren der Stiefkind-Adoption eine neue verpflichtende Beratung durch die Adoptions-Vermittlungs-Stellen ein. Diese Beratungs-Pflicht entfällt nun, wenn der annehmende Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dem leiblichen Elternteil des Kindes verheiratet ist oder in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt lebt.

Zudem wird für diese Paare die notwendige zusätzliche Beteiligung der Adoptions-Vermittlungs-Stellen nicht vorgesehen, da das ohnehin am Verfahren beteiligte Jugendamt die im Gesetz vorgeschriebene fachliche Äußerung abgibt. (LSVD-Ratgeber: Stiekindadoption bei lesbischen Regenbogenfamilien)

Nachdem wir eine Verschlechterung verhindern konnten, muss nun aber auch die noch bestehende Diskriminierung beseitigt werden. Wir fordern eine umfassende Reform des Abstammungs- und Familienrechts, um Regenbogenfamilien in ihrer Vielfalt rechtlich abzusichern. Die neue Bundesregierung hat das in ihrem Koalitionsvertrag versprochen.

Verfahren der Stiefkindadoption? 

Der alte Gesetzentwurf zum Adoptionshilfe-Gesetz wollte unter anderem das Verfahren der Stiefkindadoption neu regeln. Das Verfahren der Stiefkindadoption ermöglicht die Annahme des leiblichen Kindes der Lebenspartnerin/ des Ehegatten. Dafür muss die Stiefkindadoption beim Familiengericht beantragt werden; im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens wird das örtliche Jugendamt bzw. die zuständige Adoptionsvermittlungsstelle beteiligt, die dazu Stellung nimmt, ob die Adoption dem Wohl des Kindes entspricht. Nach einer Anhörung vor Gericht wird dann über die Stiefkindadoption entschieden.

Die Möglichkeit der Stiefkindadoption ist für eine Familienkonstellation gedacht, in der Kinder aus einer früheren Beziehung in eine neue Partnerschaft eingegliedert werden sollen. Der neue Partner bzw. die neue Partnerin des leiblichen Elternteils wird rechtlich anerkannter zweiter Elternteil. Der frühere Partner bzw. die frühere Partnerin muss damit einverstanden sein, die Elternschaft abzugeben. Hier ist es sinnvoll zu prüfen, ob die rechtliche Eingliederung in die neue Familie dem „Wohl des Kindes dient“(§ 1741 Abs. 1 Satz1 BGB) und zu verlangen, dass die Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat (§ 1744 BGB, „Probejahr“).

Seit 01.01.2005 gibt es durch das Inkrafttreten des Überarbeitungsgesetzes zum Lebenspartnerschaftsgesetz eine Gleichstellung bei der Stiefkindadoption zwischen verheirateten Paaren und Paaren in Eingetragenen Lebenspartnerschaften. Seither können auch Lesben und Schwule die leiblichen Kinder ihrer Partner*innen adoptieren.

Verfahren der Stiefkindadoption bei Zwei-Mütter-Familien

Bei Zwei-Mütter-Familien werden die Kinder als Wunschkinder in die Partnerschaften der Frauen hineingeboren. Demgemäß gibt es bei diesen Frauenpaaren keinen „abgebenden Elternteil“; es besteht daher eine gänzlich andere Ausgangslage.

Dennoch ist die Stiefkindadoption bis heute für lesbische Paare die einzige Möglichkeit, die gemeinsame rechtliche Elternschaft und die damit verbundene Absicherung zu erreichen. Denn auch mehrere Jahre nach der Eheöffnung gibt es für sie noch keine Gleichstellung im Abstammungsrecht. Deshalb wird zunächst nur die Frau, die das Kind geboren hat, rechtlich Elternteil (§ 1591 BGB). Die Partnerin der biologischen Mutter muss das gemeinsame Kind als Stiefkind adoptieren, um zweiter rechtlich anerkannter Elternteil werden zu können. Das in eine Hetero-Beziehung geborene Kind hat dagegen in der Regel von Geburt an zwei Elternteile (automatisch kraft Ehe oder durch Vaterschaftsanerkennung § 1592 Nr. 1, Nr. 2 BGB).

Die Stiefkindadoption ist ein „langer und steiniger Weg“, weil das Verfahren aus der Praxis mit heterosexuellen Paaren, die Kinder aus einer früheren Beziehung ihres Partners bzw. ihrer Partnerin als Stiefkind adoptieren wollen, in der Regel 1:1 auf gemeinsame Wunschkinder lesbischer Paare übertragen wird. So wird die empfohlene Adoptionspflegezeit oft als verbindlich angenommen und es werden Bewertungskriterien angelegt, welche die Lebenswirklichkeit und Familiengenese in Zwei-Mütter-Familien nicht berücksichtigen. Jugendämter und Familiengerichte prüfen die Gesundheit der Frauen, ihre Vermögensverhältnisse, ihren polizeilichen Leumund und vieles andere mehr und bestehen zum Teil darauf, dass die Stiefkindadoption frühestens nach Ablauf eines Probejahres stattfinden darf.

Wir haben in den letzten 14 Jahren zahlreiche Frauenpaare bei der Stiefkindadoption von Kindern beratend begleitet, die von den Frauen im Wege der Insemination mit Fremdsamen im beiderseitigen Einverständnis gezeugt worden waren. Dabei haben wir festgestellt, dass viele Jugendämter mit der Begutachtung dieser Frauenpaare unerfahren oder überfordert waren. Dieser Missstand wird noch dadurch vergrößert, dass es weder bei den Jugendämtern noch bei den Familiengerichten verbindliche Standards dafür gibt, was überprüft werden muss. Die Anforderungen sind deshalb oft uferlos. Die Beibringung der zahlreichen Nachweise ist für die Mütter mit viel Zeitaufwand und Kosten verbunden. Dabei sind viele der angeforderten Nachweise für die Zulässigkeit der Stiefkindadoption ohne Bedeutung. Die Stiefkindadoption kann z.B. nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Nachprüfung habe ergeben, dass die Co-Mutter Arbeitslosengeld II bezieht oder an einer chronischen Krankheit leidet.

Diese Überprüfung ist für die Lebenspartnerinnen entwürdigend. Sie sind die einzigen Eltern, in deren Partnerschaften Kinder hineingeboren werden, die gegenüber dem Jugendamt und dem Familiengericht ihre Eignung als Eltern nachweisen müssen. Bei der Anerkennung der Vaterschaft wird die Eignung des Mannes als Vater niemals überprüft. Es wird noch nicht einmal geprüft, ob er tatsächlich der biologische Vater des Kindes ist.

Die Notwendigkeit der Stiefkindadoption für alle Zwei-Mütter-Familien ist langwierig, diskriminierend und nicht im Interesse des Kindeswohls. Durch das Adoptionshilfe-Gesetz sollte nun die Stiefkindadoption weiter erschwert werden.

Das Adoptionshilfe-Gesetz

Das Adoptionshilfe-Gesetz will die Verfahren der Adoption neu regulieren. In der alten, von Bundesregierung und Bundestag bereits verabschiedeten, Fassung war durch Neufassung der Vorschrift des § 9a Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) und § 196a Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) neu eine verpflichtende Beratung bei den Adoptionsvermittlungsstellen vorgesehen. Ohne den Nachweis dieser Beratung des abgebende Elternteils, des annehmenden Elternteils, des Ehegatten des annehmenden Elternteils und des Kindes war zwingend die Zurückweisung des Adoptionsantrages durch das Gericht normiert.

Die Einführung einer verpflichtenden Beratung vor einer Stiefkindadoption haben wir abgelehnt. Bereits bisher ist nach § 1741 BGB eine Adoption nur zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient. Dies zu überwachen, ist Aufgabe der in der Regel zu beteiligenden Jugendämter. Es gibt keine Veranlassung zur Annahme, die Familiengerichte und Jugendämtern seien bisher ihrer Aufgabe zur Wahrung des Kindeswohl nicht gewissenhaft nachgekommen, und eine weitere Hürde aufzubauen. Auch hielten wir es für unangemessen und praxisfern, Stiefkindfamilien dem Generalverdacht zu unterwerfen, Adoptionsverfahren verantwortungslos einzuleiten.

Es ist auch abzulehnen, im familiengerichtlichen Verfahren die fachliche Äußerung nun grundsätzlich durch die Adoptionsvermittlungsstellen abgeben zulassen, wie dies bisher nur teilweise üblich ist. Jugendämter sind nicht generell ungeeigneter, oft sogar orts- und sachnäher, so dass die Beibehaltung der bisherigen Rechtslage im Interesse des Kindeswohls geboten ist. Die Durchführung einer solchen verpflichtenden Beratung durch eben die Stelle vorzusehen, welche später im familiengerichtlichen Verfahren eine fachliche Stellungnahme abgibt, ist zudem auch strukturell verfehlt und widerspricht dem Zweck der Vorschrift.

Das Verfahren der Stiefkindadoption wird mit dieser Reform für alle Paare erschwert. Die Verschärfung träfe aber Zwei-Mütter-Familien insbesondere, da sie mangels Alternative immer auf dieses Verfahren angewiesen sind, um ihre Familienform rechtlich abzusichern. Daher haben wir intensiv gegen das Adoptionshilfe-Gesetz in dieser Fassung gekämpft. Und wir waren erfolgreich. Im Juli 2020 hat der Bundesrat das Adoptionshilfe-Gesetz gestoppt, wegen der darin von der Bundesregierung geplanten Verschärfung der Diskriminierung von lesbischen Zwei-Mütter-Familien. Nach einer Einigung im Vermittlungsausschuss wurde es nun in der Bundesratssitzung vom 18.12.2020 in einer neuen Fassung verabschiedet.

Das neue Adoptionshilfe-Gesetz führt für das Verfahren der Stiefkindadoption eine neue verpflichtende Beratung durch die Adoptionsvermittlungsstellen vor. Diese Beratungspflicht entfällt, wenn der annehmende Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dem leiblichen Elternteil des Kindes verheiratet ist oder in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Damit ist die befürchtete Verschärfung der Diskriminierung von Zwei-Mütter-Familien vom Tisch. Zudem wird für diese Paare die notwendige zusätzliche Beteiligung der Adoptionsvermittlungsstellen nicht vorgesehen, da das ohnehin am Verfahren beteiligte Jugendamt die im Gesetz vorgeschriebene fachliche Äußerung abgibt.

Reform des Abstammungsrechts

Im März 2019 hat die damalige Justizministerin Katarina Barley einen ersten Diskussionsentwurf zur Reform des Abstammungsrechts vorgelegt, der auch die Situation von Zwei-Mütter-Familien verändern würde. Der LSVD hat eine im Entwurf vorgesehene Mutterschaft der zweiten Mutter ab Geburt aufgrund der Ehe oder aufgrund der Mutterschaftsanerkennung begrüßt. Wenn ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft geboren wird, müssen beide Mütter von Geburt an automatisch gleichberechtigte Eltern ihres Kindes sein können. Damit würde das Verfahren der Stiefkindadoption nicht länger erforderlich sein.

Allerdings war die im Entwurf vorgesehene unterschiedliche rechtliche Behandlung von privaten Samenspenden und ärztlich assistierter künstlicher Befruchtung bei den Anfechtungsrechten nicht sachdienlich. Zudem kritisierten wir an dem Entwurf auch, dass Vereinbarungen vor der Zeugung ausdrücklich ausgeschlossen und insgesamt keine verbindlichen Elternschaftsvereinbarungen zugelassen werden. Der LSVD forderte zudem einen verlässlichen rechtlichen Rahmen, der es ermöglicht, dass den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen entsprechend bis zu vier Menschen einvernehmlich rechtliche Elternteile und/oder Sorgeberechtigte sein können. Zudem sah der Entwurf keinen selbstbestimmten Eintrag von trans- und intergeschlechtlichen Eltern in der Geburtsurkunde vor.

Nach diesem Diskussionsentwurf vergingen anderthalb Jahre, ohne dass im Justizministerium etwas passierte. Der LSVD hatte zusammen mit allout daher eine Petition an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht gestartet. Die neue Justizministerin Christine Lambrecht hat sich lange nicht zu diesem Thema geäußert, wollte dann aber die Diskriminierung beenden. Dies ist nicht geschehen.

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung von 2021 wurde eine Reform des Abstammungsrechts vereinbart. Bislang sind jedoch weder Eckpunkte noch ein Gesetzentwurf vorgelegt worden (Stand: Dezember 2023). Der LSVD drängt die Bundesregierung zum Handeln, da die Chance auf eine Reform nicht erneut vertan werden darf. Dazu haben wir u.a. im Mai 2023 mit über 30 anderen Organisationen "Leitplanken zum Abstammungsrecht" sowie eine Petition übergeben.

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