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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

LSVD zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen

Schriftliche Stellungnahme des LSVD zur Vorbereitung der Anhörung am 11.03.2020

Für eine effektive Ächtung fordert der LSVD Nachbesserungen bezüglich der Einführung einer Schutzaltersgrenze von mindestens 26 Jahren, des Verbots nichtöffentlicher Werbung sowie der Strafbarkeit von Erziehungsberechtigten bei der Mitwirkung an Konversionsinterventionen

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Vorbereitung der öffentlichen Anhörung nehme ich zu dem Entwurf des Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen (BT Drucksache 19/17278) Stellung.

Der LSVD begrüßt grundsätzlich die Tatsache, dass das Bundesministerium für Gesundheit sich entschlossen hat, Behandlungen, welche auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität gerichtet sind, zu verbieten und unter Strafe zu stellen.

Der nun vorgelegte Entwurf verbietet die Praktik von Konversionsinterventionen aber nicht in dem gebotenen Umfang und mit der erforderlichen Konsequenz.

Insbesondere zu folgenden Punkten möchte ich kritisch Stellung nehmen:

1. Zu § 1 Begriffsbestimmung

Der Begriff der Konversionsbehandlung stellt eine verharmlosende und bagatellisierende Bezeichnung der zum Zwecke der Konversion durchgeführten Praktiken dar. Ebenso wie der Begriff „Konversionstherapie“ suggeriert der Begriff der „Behandlung“ einen heilenden und therapeutischen Charakter des Geschehens und ist positiv im Sinne eines Heilungsversprechens und eines erreichbaren Behandlungsziels konnotiert. Der Begriff der Konversionsbehandlung birgt die Gefahr von Umgehungstatbeständen, indem etwa Maßnahmen wie „Gesundbeten“ oder „Austreibungen“ weiter durchgeführt werden, weil diese nicht eindeutig als „Behandlungen“ zu qualifizieren sind.

Sachgerecht wäre es, der Empfehlung der Vertreterin der Bundespsychotherapeutenkammer in der Anhörung im Bundesministerium für Gesundheit am 25.11.2019 zu folgen und den Begriff der „Behandlung“ durch den Begriff der „Intervention“ zu ersetzen.

2. Zu § 2 Abs. 1 Schutzaltersgrenze

Die Altersgrenze von lediglich 18 Jahren ist vorliegend nicht ausreichend, um die besonders vulnerable Gruppe der im Coming-Out befindlichen Minderjährigen, Heranwachsenden und jungen Erwachsenen zu schützen. Der Entwurf betont in seiner Begründung zutreffend, das Konversionsinterventionen in unethischer und sittenwidriger Weise in den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung und der Identitätsfindung eingreifen und damit die Betroffenen in ihrem Recht der sexuellen und geschlechtlichen Selbstbestimmung als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG massiv verletzen.

Dieser Prozess der Persönlichkeitsentwicklung und der Identitätsfindung ist mit dem 18. Lebensjahr regelmäßig nicht abgeschlossen. Vielmehr betrifft er Heranwachsende und junge Erwachsene bis zum Alter von 26. Jahren gleichermaßen; deren besondere Vulnerabilität und Bedürfnisse schützt das recht auch an andere Stelle etwa im Strafrecht und im Jugendhilferecht in besondere Weise. Besonders zu berücksichtigen ist hier, dass Konversionsinterventionen regelmäßig auch junge Erwachsene treffen, die intensiv in die sozialen Bezüge ihrer Glaubensgemeinschaften eingebunden sind und eher später als früher die Gelegenheit haben, sich ein herkunftsunabhängiges Bild von ihrer Identität und ihren Bedürfnissen zu bilden. Im Alter von 18 Jahren werden die Betroffenen häufig noch die Schule besuchen und regelmäßig noch im Elternhaus leben und auch in finanzieller Hinsicht von ihren Eltern abhängig sein. Die besondere Schutzpflicht des Staates gebiete hier daher eine höhere Schutzaltersgrenze, die auch dadurch gerechtfertigt ist, dass ein schützenswertes Interesse an der Durchführung von Konversionsinterventionen ohnehin nicht anzunehmen ist.

Ein höheres Schutzalter ist auch deshalb in der rechtlichen Abwägung vertretbar, weil die Idee einer wirksamen informierten Einwilligung in eine Konversionsintervention ohnehin erheblichen rechtlichen Bedenken begegnen muss. Eine solche Einwilligung würde voraussetzen, dass das vermeintliche Ziel der Intervention tatsächlich erreichbar ist und eine umfassende Aufklärung auch über die Gefahren und möglichen Schäden einer solchen Konversionsintervention erfolgt ist. Diese Voraussetzungen erfüllen Konversionsinterventionen regelmäßig nicht. Weder einer gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung, noch einer Trans*Geschlechtlichkeit kommt objektiv ein Krankheitswert zu. Die Änderung der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität ist aufgrund ihres Charakters als Bestandteil der Persönlichkeit kein denkbares Interventionsziel. Zudem kann das vorgegebene Ziel mit der Intervention aus wissenschaftlicher Sicht auch nicht erreicht werden. Und schließlich würde eine wirksame Einwilligung auch eine umfassende Aufklärung über die möglichen schädlichen Nebenwirkungen voraussetzen.

Vermag man dem umfassenden Schutzcharakter einer Schutzaltersgrenze von 26. Jahren nicht folgen, wäre jedoch in jedem Fall mindestens eine Schutzaltersgrenze von 21. Jahren erforderlich.

3. Zu § 3 Verbot der öffentlichen und nichtöffentlichen Werbung

Das Verbot der Werbung für, des Anbietens und des Vermittelns von Konversionsinterventionen sollte dem gesetzlichen Schutzzweck folgend umfassend für öffentliche und nichtöffentliche Werbung, Anbietung und Vermittlung unabhängig vom Alter der Zielgruppe gelten. Bereits unter 2. wurde dargelegt, dass es weit über das 18. Lebensjahr hinaus Schutzbedarf für Heranwachsende und junge Volljährige gibt. Die im Entwurf vorgesehen Begrenzung des Verbots für nichtöffentliches Werben, Anbieten und Vermitteln auf Minderjährige ist im Hinblick auf den Schutzzweck und die Bewertung der Konversionsinterventionen inkonsequent und suggeriert, dass das Angebot von Konversionsinterventionen grundsätzlich noch schutzwürdig ist. Dies ist kontraproduktiv und signalisiert den Anbietern, dass sie lediglich das 18. Lebensjahr abwarten müssen, um ihre Interventionen durchzusetzen. Die vorgesehene Einschränkung des umfassenden Werbeverbots relativiert den Gesetzeszweck damit unnötig und ohne jede sachliche Rechtfertigung. 

4. Zu § 5 Abs. 2 Strafbarkeit von Fürsorge- und Erziehungsberechtigten

Die Ausnahme der Strafbarkeit für diejenigen, welche als personensorgeberechtigte Personen handeln, sofern sie durch die Tat nicht ihre Erziehungspflicht gröblich verletzen, ist verfehlt und muss ersatzlos gestrichen werden. Die Regelung verkennt, dass es häufig gerade die Eltern sind, die ihre Kinder in die nach diesem Gesetz nun endlich untersagten Interventionen drängen.

Diese Gruppe nun von der Strafbarkeit auszunehmen, ist rechtlich nicht vertretbar. Die Erziehungs- und Fürsorgeberechtigten haben gerade eine besondere Pflicht, ihre Kinder vor den hier in Rede stehenden Interventionen zu schützen; ein Verstoß gegen diese Schutzpflicht stellt immer eine gröbliche Verletzung der Erziehungspflicht dar. Aus diesem Grund ist es geboten, dass der Staat sein Wächteramt über die Ausübung der elterlichen Sorge ernst nimmt und das gesetzliche Verbot der sog. Konversionsinterventionen auch gegenüber den Eltern mit Nachdruck durchsetzt, da Konversionsinterventionen immer eine Kinderwohlgefährdung darstellen und deren strafrechtliche Verfolgung geboten ist. Es ist daher kein Grund erkennbar, warum Personensorgeberechtigte hier von der Strafandrohung ausgenommen werden sollten.

Gabriela Lünsmann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Bundesvorstand des LSVD

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