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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt an der Grundschule?! Beispiele aus dem Fachunterricht

Vielfalt • Familienformen • Sexualkunde / Sexualaufklärung / Sexualerziehung • LGBT • Homosexualität

Welche Möglichkeiten gibt es LSBTIQ-Lebensweisen und Identitäten im Grundschulunterricht zu thematstieren? Unterrichtsbeispiele und Handlungsempfehlungen

Graphic Recording des Webtalks Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt an der Grundschule?! Beispiele aus dem Fachunterricht

Strategien und Handlungsempfehlungen aus dem Webtalk mit Juliette Wedl (Koordinierungsstelle Gender und Diversity Studies der TU Braunschweig, Ostfalia HaW, HBK Braunschweig) und Prof. Dr. Martin Lücke (FU Berlin, Didaktik der Geschichte am Friedrich-Meinecke-Institut) im Rahmen des 4. Regenbogen-Parlaments "Selbst.verständlich Vielfalt. LSBTIQ* gehören dazu" 

Hauptaussagen des Webtalks: Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt an der Grundschule?! Beispiele aus dem Fachunterricht

  • bislang kaum Thema im Grundschulunterricht: fehlendes altersgerechtes Material, Befürchtung vor elterlichen Widerstand
  • Aber Kinder sind bereits im Grundschul- und auch im Kita-Alter von einer Vielfalt an Lebensweisen und Identitäten umgeben bzw. bringen diese mit
  • pädagogischer Auftrag: Förderung der freien Entfaltung aller Kinder (Heternormativität und starre Geschlechterrollen beschränken die Identitäts-Entwicklung und Vorstellungswelt aller Kinder
  • explizit als eigenständiges Thema, aber auch implizit in Sachaufgaben / Lesetexten
  • Geschichts-Unterricht: Geschlecht, Paarbeziehungen, Sexualität und die Sicht darauf waren früher anders und haben sich im Laufe der Geschichte gewandelt
  • Einbinden von Eltern durch gut vorbereitete Elternabende

Aufzeichnung des Inputs "Welche Rolle spielt Vielfalt von Geschlecht und Identitäten in der Grundschule heute?" von Juliette Wedl (Koordinierungsstelle Gender und Diversity Studies der TU Braunschweig, Ostfalia HaW, HBK Braunschweig) (Präsentation zum Input von Juliette Wedl)

 

Aufzeichnung der Vorstellung des Praxisbeispiels "Geschichte queer unterrichten - queere Geschichte unterrichten" mit Prof. Dr. Martin Lücke (Friedrich-Meinecke-Institut, Didaktik der Geschichte an der FU Berlin) (Präsentation zum Input von Prof. Dr. Martin Lücke)

 

„Vielfalt von sexuellen und geschlechtlichen Identitäten“ kaum Thema im Grundschulunterricht

Noch immer hängt es sehr stark von den einzelnen Pädagog*innen ab, ob und wie das Thema im Schulunterricht behandelt wird. Dabei gibt es Möglichkeiten auch die Vielfalt von Lebensrealitäten und Identitäten fächerübergreifend zu thematisieren und für einen selbstbewussten Umgang mit ihnen einzutreten.

Juliette Wedl betonte zum EinGrafik zum Webtalk stieg, dass das Thema „Vielfalt von sexuellen und geschlechtlichen Identitäten“ kaum im Grundschulunterricht vorkommt. Zum einen berichten Lehrkräfte immer wieder, dass es kein altersgerechtes Material gibt. Zum anderen besteht die Befürchtung, dass es Widerstände seitens der Eltern geben würde, die argumentieren, dass die Thematisierung von unterschiedlichen sexuellen und geschlechtlichen Identitäten vor der Pubertät nicht in den Unterricht gehören würde.

Dem entgegen steht, dass Kinder bereits im Grundschul- und auch im Kita-Alter von einer Vielfalt an Lebensweisen und Identitäten umgeben sind, die Teil ihrer Lebenswirklichkeit sind und die sie wie andere Dinge auch beschäftigen.

Daher ist es aus fachlicher Sicht notwendig, dass diese Vielfalt gleichberechtigt auch in der Grundschule sichtbar wird und als Querschnittsthema in den Fachunterricht einfließt. Und die Erfahrungen zeigen, dass Eltern selten dagegen, sondern oft auch dankbar sind. Daher sollte sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auch Querschnittsthema bei den Elternabenden sein.

Warum ist Vielfalt von sexuellen und geschlechtlichen Identitäten in der Grundschule von Anfang an wichtig?

  • Weil Kinder Vielfalt erleben und selbst mitbringen. Beispielsweise gibt es schon in der Grundschule trans* Kinder, nicht-binär identifizierte Kinder, intergeschlechtliche Kinder oder Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen. Später kommen die unterschiedlichen sexuellen Orientierungen hinzu. Auf diese Vielfalt muss Unterricht eingehen, damit alle Kinder sie als Normalität kennenlernen.
  • In jeder (Grundschul-)Klasse sitzen statistisch ein bis zwei Kinder, die jetzt oder später nicht cisgeschlechtlich bzw. nicht heterosexuell sind. Deshalb spielt die eigene geschlechtliche Identifizierung bereits in der Grundschule eine Rolle.
  • Kinder haben Fragen zu gesellschaftlicher Vielfalt und auch ein Recht auf eine altersgerechte Antwort.
  • Heteronormativität beschränkt Kinder. Die Norm der Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität stellt andere Lebensweisen als a-normal und defizitär dar. Damit beschränkt Heternormativität die Identitäts-Entwicklung und Vorstellungswelt aller Kinder und wird von diskriminierenden Verhaltensweisen begleitet.
  • Unser Recht kennt über das Personenstandsrecht vier Geschlechtsoptionen, daher sollte diese Vielfalt von Geschlechtern sich von Anfang an auch in allen Bildungsinstitutionen wiederfinden.
  • Die Förderung der freien Entfaltung aller Kinder, auch einer selbstbestimmten sexuellen und geschlechtlichen Identität, ist pädagogischer Auftrag und VerpfliGrafik zum Webtalk chtung.

Es gibt zunehmend Arbeitsmaterialien, Unterrichtseinheiten und LSBTIQ*-inklusive Bücher, die als Lektüre im Unterricht verwendet werden können. Dazu zählen auch mehrere Methodenkoffer, die als pädagogisches Zusatzmaterial zum Einsatz in den Klassen zur Verfügung stehen. Der Klett-Verlag hat einiges im Programm. Zu den Themen Inter- und Transgeschlechtlichkeit empfehlen sich Kinderbücher. Mehr Informationen und Materialien gibt es über „Akzeptanz für Vielfalt!“.

Wie kann sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Grundschule thematisiert werden?

  • explizit als eigenständiges Thema
  • implizit: Wenn beispielsweise Mathe-Aufgaben verbunden oder bebildert werden mit vielfältigen Familienformen. Auch können Bilder mit vielfältigen Identitäten im Klassenzimmer aufgehangen werden.

Prof. Dr. Martin Lücke berichtete aus Perspektive der Geschichtsdidaktik. Wenn es darum geht, dass Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt in die Schule gebracht werden, ist es wichtig, immer zwei Dimensionen zu beachten. Schule als allgemeinen pädagogischen Raum, aber auch Schule als Ort, wo konkreter Fachunterricht stattfindet. Die Unterrichtsinhalte haben immer etwas mit der Art und Weise zu tun, wie wir die Welt zu sehen bereit sind. LSBTIQ* Lebensweisen und Identitäten sollten deshalb auch Teil des jeweiligen Fachunterrichts sein.

Grafik zum Webtalk Besonders über die zentralen Prinzipien von historischem Anderssein (Historizität) und Wandelbarkeit (Alterität) kann eine Brücke geschlagen werden, um eine Verbindung zwischen dem Fach und dem Thema sexueller und geschlechtlicher Vielfalt herzustellen. Bei einer solchen Art von historischem Denken, bei dem es um Wandelbarkeit und historischem Anderssein geht, können Kinder erfahren, dass auch Geschlecht, Sexualität und die Sicht darauf früher anders waren und dass sie sich im Laufe der Geschichte geändert haben.

Wer weiß, dass Dinge anders waren und sich geändert haben, hat in der Gegenwart auch eine Art Empowerment, sich dafür einzusetzen, dass sich Dinge ändern und auch anders gedacht werden. Deswegen ist das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auch wichtig für das historische Denken in der Grundschule. Das Portal „Queer history“ liefert hierzu Denkanstöße. Im Rahmen der Unterrichtsmodule wird vor allem der Frage nachgegangen, wie es gelingen kann, Schüler*innen dafür zu sensibilisieren, dass Geschlecht und Sexualität eine Geschichte haben.

Faktoren, die den Einsatz für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Grundschule fördernGrafik zum Webtalk Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt an der Grundschule?! Beispiele aus dem Fachunterricht

  • Das Schulministerium unterstützt die Methoden.
  • Das Einbinden von Eltern durch gut vorbereitete Elternabende nimmt Unsicherheiten.
  • Die schulübergreifende Vernetzung stärkt das eigene Engagement.
  • Der politische Wille und die Bereitstellung von finanziellen Ressourcen durch den*die Schulträger*in sind notwendig zur Umsetzung.
  • Dezentrale Fortbildungen für Lehrkräfte decken deren Wissensbedarf gut ab.

 

Das Regenbogenparlament ist Teil des LSVD-Projektes im Kompetenznetzwerk „Selbst.verständlich Vielfalt“.  Die Regenbogenparlamente sind seit ihrem Auftakt 2018 zum bundesweit einmaligen Leuchtturm-Forum zum Thema „Regenbogenkompetenz“ entwickelt. Das vierte Regenbogenparlament 2020 fand als virtuelle Veranstaltungsreihe "Rainbow-Week" zwischen dem 08. und 17. September statt. Die Broschüre mit den Ergebnissen und Handlungsempfehlungen ist hier als Download verfügbar oder kann kostenfrei unter rene.mertens@lsvd.de als gedruckte Broschüre bestellt werden.

Ansprechpersonen für das Projekt des LSVD

Jürgen Rausch / René Mertens - koordinierungsstelle@lsvd.de

Das Kompetenznetzwerk "Selbst.verständlich Vielfalt" wird im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.

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