Was wollen die Parteien tun, um Diskriminierung gegen LSBTI* gesetzlich zu beseitigen!
Ergänzung von Artikel 3 im Grundgesetz, stärkeres Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, rechtliche Anerkennung von trans* und inter* Menschen
Eine freie Gesellschaft muss allen Menschen garantieren, jederzeit, an jedem Ort, ohne Angst und Anfeindung verschieden zu sein. Damit das auch für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) möglich wird, verabschiedete der LSVD auf seinem 29. Verbandstag unter dem Motto „Blockaden brechen – Respekt wählen! Gemeinsam für Freiheit und gleiche Rechte“ sieben Forderungen zur Bundestagswahl 2017.
- Ein respektvolles gesellschaftliches Miteinander und Akzeptanz im Alltag stärken!
- Volle Anerkennung von Regenbogenfamilien durchsetzen!
- Diskriminierung gegen LSBTI gesetzlich beseitigen!
- Das Recht auf Respekt in allen Lebensaltern verwirklichen!
- Eine geschlechter- und diversitätsgerechte Gesundheitsversorgung sicherstellen!
- Eine LSBTI inklusive Flüchtlings- und Integrationspolitik umsetzen!
- Menschenrechte von LSBTI in der Entwicklungszusammenarbeit und Außenpolitik fördern!
Anlässlich der Bundestagswahl 2017 haben wir in unseren Wahlprüfsteinen die Parteien zu verschiedenen LSBTI-Themen befragt und ihre Antworten ausgewertet. Hier dokumentieren wir, was sie vorhaben, um Diskriminierung gegen LSBTI gesetzlich zu beseitigen!
Wir wollten wissen:
- 3.1 Sind Sie für eine Ergänzung des Gleichheitsartikels unserer Verfassung um das Kriterium der „sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität“?
- 3.2 Wie werden Sie intergeschlechtlichen Menschen in unserer Rechtsordnung Selbstbestimmung und rechtliche Anerkennung ermöglichen, d.h. unbürokratisch Alternativen zum Personenstand „männlich“ bzw. „weiblich“ anbieten?
- 3.3 Wie möchten Sie eine Reform des Transsexuellenrechts auf den Weg bringen, die die Würde und Selbstbestimmung in den Mittelpunkt stellt und durch die Antragslösung demütigende Hürden auf dem Weg zur Vornamens- und Personenstandsänderung beseitigt?
- 3.4 Wie wollen Sie sich für eine Verbesserung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einsetzen, insbesondere für ein Verbandsklagerecht sowie für die Aufhebung der Ausnahmeregelungen für Religionsgemeinschaften?
- 3.5 Wie wollen Sie dafür Sorge tragen, dass Deutschland auf EU-Ebene seinen Widerstand dagegen aufgibt, LSBTI* im europäischen Recht den gleichen Schutz vor Diskriminierung zu gewährleisten, wie er bereits hinsichtlich der ethnischen Herkunft oder des Geschlechts besteht?
Die Abschaffung von Ungleichbehandlungen und ein wirksamer Diskriminierungsschutz sind für den Zusammenhalt einer Gesellschaft unabdingbar. Die fehlende Berücksichtigung der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität in Art. 3, Abs. 3 des Grundgesetzes wirkt sich bis heute negativ auf die Lebenssituation von LSBTI aus. Der Gleichheitsartikel des Grundgesetzes muss um ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität ergänzt werden.
Intergeschlechtliche haben als gleichberechtigte Menschen ein Recht auf freie Entfaltung und Entwicklung. Sie müssen einen angemessenen Platz in der Rechtsordnung erhalten. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum Menschen nach deutschem Recht zwangsweise entweder männlich oder weiblich sein müssen.
Vorbilder für die Anerkennung der Geschlechtsidentität können die Rechtsordnungen von Argentinien oder Malta sein. Dort kann jeder Mensch die Änderung des Vornamens und des eingetragenen Geschlechts beantragen, wenn diese nicht mit der eigenen Geschlechtsidentität übereinstimmen. Anders als in Deutschland müssen Trans* keine demütigenden und langwierigen bürokratischen Verfahren mit zwei gerichtlich bestellten Begutachtungen überstehen.
Das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) weist noch Lücken auf. Zudem blockiert Deutschland auf EU-Ebene seit Jahren eine Gleichbehandlung im Antidiskriminierungsrecht. Das geht nicht zuletzt zu Lasten der Rechte von LBSTI*, die ihn einer Reihe von EU-Mitgliedsstaaten noch erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt sind.
3.1 Sind Sie für eine Ergänzung des Gleichheitsartikels unserer Verfassung um das Kriterium der „sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität“?
Union
„Wir sind der Meinung, dass der Diskriminierungsschutz aufgrund der sexuellen Orientierung bereits rechtlich verwirklicht ist. Das Grundgesetz und das einfache Recht wie auch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbieten Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität bereits. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Schutz in den letzten Jahren auch konsequent ausgebaut. Für Verfassungsänderungen muss ein strenges Prüfraster zugrunde gelegt werden, nach dem zu fragen ist, ob ausreichende Gründe bestehen, den Grundrechtekatalog des Grundgesetzes als „Herzkammer“ der Verfassung anzutasten. In diesem Fall ist der angestrebte Schutz durch Artikel 3 Absatz 1 GG bereits gewährleistet. In seiner verfassungsgerichtlichen Ausgestaltung deckt sich der Schutzbereich des Artikels 3 Absatz 1 GG mittlerweile mit dem des Absatzes 3 GG. Eine ausdrückliche Nennung der sexuellen Orientierung wäre deshalb nicht erforderlich.“
SPD
„Ja, Menschen sollen unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben können – mit gleichen Rechten und Pflichten. Die Gleichheitsrechte in Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz wollen wir deshalb um die sexuelle Identität erweitern.“
Linke
„Ja, dieses Ziel verfolgt DIE LINKE weiterhin. Sie hat hierzu in der Vergangenheit Gesetzentwürfe eingebracht und wird dies weiterhin tun.“
Grüne
„Wir treten dafür ein, das besondere Gleichheitsgebot des Grundgesetzes um die Merkmale der sexuellen und geschlechtlichen Identität zu ergänzen. Bereits bei der Verfassungsreform 1994 nach der Deutschen Einheit haben wir uns für die Aufnahme der sexuellen Identität in Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz stark gemacht. Das hat in der Verfassungskommission von Bund und Ländern seinerzeit eine einfache, jedoch nicht die erforderliche 2/3-Mehrheit gefunden. In der nächsten Legislaturperiode muss das endlich geschehen.“
FDP
„Ja. Wir Freie Demokraten fordern eine Anpassung des Antidiskriminierungskatalogs in Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz an denjenigen der europäischen Grundrechtecharta und damit die Aufnahme der Merkmale der sexuellen Ausrichtung und des Alters.“
AfD
„Die Bürgerrechte von Schwulen, Lesben und Transgendermenschen werden nur in einem finanz- und wirtschaftspolitisch verantwortungsvoll geführten Staat langfristig geschützt werden können. Selbstbewusste Nationen und nicht überbordende lnstitutionen integrieren und schützen die in ihr lebenden Gruppen, z.B. Homosexuelle am besten und geben ldentität und staatsbürgerliche Verantwortlichkeit.
Für uns ist besonders wichtig, dass unsere abendländische Wertegemeinschaft und unsere deutsche Leitkultur respektiert, akzeptiert und auch gelebt wird! Religiöse und persönliche Befindlichkeiten haben sich dem unterzuordnen.
Wir bestehen darauf, die Diskussion über die angestrebten Rechtsprechungen von der Genderideologie zu entkoppeln.“
3.2 Wie werden Sie intergeschlechtlichen Menschen in unserer Rechtsordnung Selbstbestimmung und rechtliche Anerkennung ermöglichen, d.h. unbürokratisch Alternativen zum Personenstand „männlich“ bzw. „weiblich“ anbieten
Union
„CDU und CSU werben für Toleranz und wenden sich gegen homophobe Tendenzen genauso wie gegen jede Form der Diskriminierung.
Das geltende Transsexuellengesetz ist in seinen wesentlichen Grundzügen inzwischen fast dreißig Jahre alt. Es entspricht nicht mehr in jeder Hinsicht aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen. Deshalb wurde im September 2014 eine Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zur Situation von trans- und intersexuellen Menschen eingerichtet. Diese hat zu den Themenfeldern zwei Gutachten in Auftrag gegeben, die am 16.02.2017 öffentlich vorgestellt und diskutiert wurden. Der Abschlussbericht ist für den Sommer 2017 vorgesehen. In einer am 2. Juni 2017 gefassten Entschließung hat der Bundesrat die Bundesregierung nunmehr aufgefordert, das geltende Transsexuellengesetz vor Veröffentlichung der Ergebnisse dieses Abschlussberichtes aufzuheben und durch ein modernes Gesetz zu ersetzen.
Nach der Überzeugung von CDU und CSU sollte das Ergebnis des noch ausstehenden Abschlussberichts abgewartet werden, zumal sich ggf. personenstandsrechtliche Folgefragen ergeben werden. Im Ergebnis unterstützen CDU und CSU jedoch das Vorhaben, das Transsexuellengesetz, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf eine neue zeitgemäße Grundlage zu stellen.
Im Übrigen kann in Deutschland auf Verlangen bereits heute darauf verzichtet werden, in die Geburtsurkunde das Geschlecht aufzunehmen (§ 59 Abs. 2 PStG). Außerdem erfolgt auch im Geburtenregister keine Angabe des Geschlechts, wenn diese nicht eindeutig möglich ist (§ 22 Abs. 3 PStG).“
SPD
„Die bestehende Regelung in § 22 Absatz 3 PStG stellt klar, dass die Geschlechtsangabe im Geburtseintrag offen bleibt, wenn diese nicht zweifelsfrei feststeht. Die SPD ist grundsätzlich zu weiteren Reformschritten bereit, die die Lage der Betroffenen weiter verbessern. Ob es bessere oder unbürokratische Alternativen zum Personenstand „männlich“, „weiblich“ oder „kein Eintrag“, gibt muss sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientieren und einen Mehrwert in Bezug auf deren Selbstbestimmung im Vergleich zum rechtlichen Status quo bieten. Die Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich. Einige Personen würden ein „drittes Geschlecht“ vorziehen. Andere wiederum fühlen sich beiden Geschlechtern zugehörig oder empfinden eine ganz eindeutige Geschlechtszugehörigkeit. Wir müssen hier eine breite gesellschaftliche Debatte ohne Diskriminierung und Vorurteile führen. Außerdem ist Aufklärung, beispielsweise in Schulen, von großer Bedeutung.“
Linke
„Geschlechtskosmetische/normierende Operationen vor der Einwilligungsfähigkeit sind aus Sicht der LINKEN umgehend gesetzlich zu unterbinden. DIE LINKE strebt an, dass alle Menschen frei ihren Vornamen und ihr Geschlecht ohne jegliche Form von Begutachtung rechtlich wählen können. Neben den Kategorien männlich und weiblich sind mit den Betroffenenverbänden weitere Kategorien zu entwickeln. Das bisherige Transsexuellengesetz wird überflüssig, wenn umfassende gesetzliche Regelungen in den bestehenden Gesetzen geschaffen werden. Das BMFSJ hat hierzu von Prof. Dr. Konstanze Plett ein Gutachten und einen Gesetzentwurf erarbeiten lassen.“
Grüne
„Wir plädieren für eine dritte Option im Personenstandsrecht. Wir wollen das Personenstandsgesetz so novellieren, dass alle Menschen durch die Schaffung einer weiteren Geschlechtskategorie die Möglichkeit erhalten, im Geburtenregister mit Wirkung für alle Folgedokumente und mit Wirkung einer rechtlichen Gleichbehandlung, dauerhaft weder eine Zuordnung zum männlichen noch zum weiblichen Geschlecht vornehmen müssen. Diese neue Geschlechtskategorie ist gemeinsam mit den Betroffenenverbänden zu entwickeln.
Darüber hinaus schlagen wir ein Selbstbestimmungsgesetz vor, wonach auch intergeschlechtliche Menschen eine vereinfachte Berichtigung des Geschlechtseintrages und Änderungsmöglichkeit der Vornamen eingeräumt und ein effektives Offenbarungsverbot gewährleistet werden.“
FDP
„Bei Geburt müssen in Deutschland Meldebehörden Name und Geschlecht eines Kindes feststellen. Ist das Geschlecht nicht eindeutig feststellbar, so wird das Kind mit „x“ gekennzeichnet und juristisch als ohne Geschlechtszuweisung erfasst.
Wir Freie Demokraten erkennen den Wunsch von Betroffenen nach einem dritten und alternativen Personenstand, wie er sich in vielen anderen Ländern bereits durchsetzt. So bleibt für diese Personen ungeklärt, welche Art von Lebenspartnerschaft sie eingehen können, da sie rein rechtlich weder Mann noch Frau sind. Wir erkennen ebenso an, dass gerade für Eltern betroffener Kinder mit dieser Lösung die Angst vor Diskriminierung nicht gemindert wird. Diese Angst treibt viele Eltern zu übereilten geschlechtsanpassenden Operationen, statt es dem Kind zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen eine freie und mündige Entscheidung selbstbestimmt zu treffen. Wir Freie Demokraten sehen, dass die Probleme der immerhin 80.000 - 100.000 Intersexuellen in Deutschland noch unzulänglich mit Verwaltungsanweisungen angegangen werden. Eine öffentliche Diskussion und die Schaffung eines Bewusstseins für die Problematik sind ein erster und wichtiger Schritt.“
AfD
Siehe Antwort 3.1
3.3 Wie möchten Sie eine Reform des Transsexuellenrechts auf den Weg bringen, die die Würde und Selbstbestimmung in den Mittelpunkt stellt und durch die Antragslösung demütigende Hürden auf dem Weg zur Vornamens- und Personenstandsänderung beseitigt?
Union
Siehe Antwort 3.2
SPD
„Die SPD fühlt sich der Resolution des Europarats zur Diskriminierung von transsexuellen Menschen verpflichtet, die dazu auffordert, eine Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags schnell, transparent, leicht zugänglich und auf Selbstbestimmung basierend zu gestalten.
Eine punktuelle Änderung des aktuell gültigen Transsexuellengesetzes ist angesichts bestehenden dringenden Reformbedarfes bei weitem nicht ausreichend. Wir wollen eine grundsätzliche Novellierung des Gesetzes. Grundlage der Reform ist das Prinzip der Anerkennung der Geschlechtsidentität und der Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung. Dabei ist insbesondere die teure und unnötige Begutachtungspflicht vor einer Vornamens- bzw. Personenstandsänderung abzuschaffen und durch ein unbürokratisches Verfahren zur Anerkennung der Geschlechtsidentität zu ersetzen. Zahlreiche Studien haben festgestellt, dass Begutachtungsverfahren in vielen Fällen von unverhältnismäßigem Zeit- und Kostenaufwand sowie von entwürdigenden und diskriminierenden Erfahrungen für die Betroffenen geprägt sind. Deshalb müssen die Verfahren so gestaltet werden, dass die Würde und die Bedürfnisse der Betroffenen im Mittelpunkt stehen.“
Linke
siehe Antwort 3.2
Grüne
„Seit Jahren fordern wir eine Abschaffung des veralteten Transsexuellengesetzes der nach über 30 Jahren nicht dem Stand der Wissenschaft entspricht und die Menschenrechte von Trans*Personen mit Füßen tritt. Daher haben wir ein modernes Selbstbestimmungsgesetz vorgeschlagen, dessen Leitbild die persönliche Freiheit und nicht irgendwelche Ordnungsvorstellungen über die Geschlechter ist. Es ist höchste Zeit, dass die tatsächliche Vielfalt von Identitäten akzeptiert wird, anstatt Trans* Menschen in vorgegebene Raster zu pressen und ihnen das Leben schwerzumachen.
Wir wollen das Verfahren für die Änderung der Vornamen und Berichtigung des Geschlechtseintrages deutlich vereinfachen und nur vom Geschlechtsempfinden des Antragstellers abhängig machen. Die Transsexualität kann nicht diagnostiziert werden, nur die Antrag stellende Person selbst kann letztlich über ihre geschlechtliche Identität Auskunft geben. Es wird zudem auf die Anrufung eines Gerichts verzichtet. Der Antrag ist bei den Standesämtern zu stellen, so dass die Berichtigung im Rahmen eines Verwaltungsaktes unbürokratisch erfolgen soll.“
FDP
„Wir Freie Demokraten setzen uns für eine Fortentwicklung des Transsexuellen-Gesetzes ein. Die Personenstands- und Namensänderung sind heute gutachterpflichtig und langwierig. Diese Verfahren halten wir für überflüssig. Die aktuelle Bundesregierung war hier vier Jahre lang untätig. Wir Freie Demokraten wollen, dass die Personenstands- und Namensänderungen ohne diskriminierende Hürden erfolgen.
Einen Zwang zu medizinischen Maßnahmen lehnen wir ab. Daneben treten wir aber dafür ein, dass Krankenkassen einheitlich die Kosten für alle geschlechtsangleichenden Behandlungen bei Transsexualität übernehmen.“
AfD
Siehe Antwort 3.1
3.4 Wie wollen Sie sich für eine Verbesserung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einsetzen, insbesondere für ein Verbandsklagerecht sowie für die Aufhebung der Ausnahmeregelungen für Religionsgemeinschaften?
Union
„Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsrecht haben wir ein Instrumentarium geschaffen, um wirksam gegen Diskriminierung vorgehen zu können. Dabei haben wir die Rechte des Einzelnen, der von Diskriminierung betroffen ist, sehr gestärkt. Da Diskriminierung stets eine Frage von individueller Betroffenheit ist, sehen wir für ein pauschales Verbandsklagerecht hier keinen Bedarf. Die bestehenden Regelungen des AGG, die mit den Regelungen des Staatskirchenrechts im Einklang stehen, haben sich bewährt und bedürfen nach unserer Überzeugung keiner Veränderung.“
SPD
„Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist vor 10 Jahren in Kraft getreten. Wir werden es weiterentwickeln. Hierfür stärken wir die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und weiten den Anwendungsbereich des AGG auf staatliches Handeln aus. Zudem wollen wir ein Verbandsklagerecht im AGG verankern.“
Linke
„Das AGG muss ausgebaut werden. Es ist bislang ein zahnloser Tiger, da Klagefristen zu kurz (dies betrifft insbesondere Diskriminierungen in der Probezeit) und nur ein individueller Klageweg möglich sind. Deshalb tritt DIE LINKE für eine Verlängerung der Klagefristen, ein Verbandsklagerecht, den Ausbau der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit einem intensiven Beratungsangebot und einer eigenständigen Klagemöglichkeit sowie die Aufhebung der Ausnahmeregelungen für Religionsgemeinschaften ein.“
Grüne
„Mehr als 10 Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist es Zeit für eine Reform. Wir haben dazu einen ausführlichen Antrag formuliert. Danach soll der Rechtsschutz für Betroffene gestärkt und insbesondere ein echtes Verbandsklagerecht eingeführt werden. Antidiskriminierungsverbände sollen über die bisherigen gesetzlichen Möglichkeiten hinaus stellvertretend für die Betroffenen klagen können. Sie sollen auch klagen können, wenn das Verfahren einen Präzedenzcharakter haben und Rechtssicherheit für eine größere Zahl von Beschäftigten schaffen könnte. Zudem wollen wir den Anwendungsbereich des Gesetzes um die öffentlich-rechtlichen Leistungsgewährungen ergänzen und staatliche Stellen zu positiven Maßnahmen zwecks Diskriminierungsbekämpfung verpflichten. Darüber hinaus streben wir an, durch Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 9 Abs. 1 AGG) und der arbeitsrechtlichen EU-Antidiskriminierungsrichtlinie (Art. 4 Abs. 2) die Ausnahmen für die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften enger zu fassen und damit den individuellen Rechten deutlich mehr Geltung zu verschaffen. Im Ergebnis soll klargestellt werden, dass diese Ausnahmeklausel nur auf den Kernbereich der Glaubensverkünddigung ihre Anwendung.“ findet.“
FDP
„Für uns Freie Demokraten ist die Bekämpfung der Diskriminierung gesellschaftspolitisches Ziel. Der Auftrag zu einem umfassenden Persönlichkeitsschutz folgt unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 (Menschenwürde) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit). Die damit verbundene Bürokratie und die Kosten, die beispielsweise der Wirtschaft durch gesetzliche Regelungen entstehen, dürfen jedoch nicht außer Betracht bleiben. Der Abbau von Diskriminierungen lässt sich nicht nur per Gesetz verordnen, sondern ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Immer mehr Vorschriften zu erlassen heißt nicht, dass die Praxis nachher auch besser funktioniert. Es kommt auf eine dauerhafte Sensibilisierung für das Thema, ein Umdenken in den Köpfen und eine Veränderung des Bewusstseins bei jedem Einzelnen an. Darüber hinaus ist es wichtig, insgesamt eine Kultur zu entwickeln, in der Vielfalt nicht nur akzeptiert und toleriert, sondern als Bereicherung empfunden wird. Statt neue Diskriminierungsmotive aufzuzählen und unter Strafe zu stellen, sollte man sich am Aufbau einer starken Zivilgesellschaft beteiligen. Grundsätzlich halten wir Freie Demokraten die Ausweitung von AGG-Tatbeständen und eine Erweiterung der Zuständigkeiten der Antidiskriminierungsstelle mit enormem bürokratischem Apparat für falsch. Wir Freie Demokraten lehnen ein erweitertes Verbandsklagerecht ab. Bei Diskriminierungen spielen im Regelfall sehr individuelle Gesichtspunkte eine Rolle. Verbandsklagen, die Gruppeninteressen betreffen, wären daher nicht geeignet, dem Einzelnen besser zu seinem Recht zu verhelfen und Rechtssicherheit und Genugtuung im Einzelfall herzustellen.“
AfD
Siehe Antwort 3.1
3.5 Wie wollen Sie dafür Sorge tragen, dass Deutschland auf EU-Ebene seinen Widerstand dagegen aufgibt, LSBTI* im europäischen Recht den gleichen Schutz vor Diskriminierung zu gewährleisten, wie er bereits hinsichtlich der ethnischen Herkunft oder des Geschlechts besteht?
Union
„Bereits seit 2000 gibt es eine EU-Richtlinie, die einen weitreichenden Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung u. a. wegen der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf vorschreibt. Über den Bereich des Arbeitslebens hinaus gibt es hingegen gegenwärtig keinen Konsens der EU-Mitgliedstaaten, weitere Regelungen auf europäischer Ebene zu schaffen. Hauptargument ist dabei, dass dieser Bereich - gemäß dem Subsidiaritätsprinzip - besser auf mitgliedstaatlicher Ebene geregelt werden kann.
Unabhängig von der o. g. Richtlinie gilt seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die Verpflichtung aus der Europäischen Grundrechtecharta, nach der Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Ausrichtung im Anwendungsbereich des Europarechts verboten sind.“
SPD
„Die Position der SPD ist klar: Wir setzen uns für den gleichen Schutz von LSBTI* vor Diskriminierung auch über die nationalen Grenzen hinaus ein. Voraussetzung für eine geänderte Positionierung Deutschlands auf europäischer Ebene ist eine entsprechende Positionierung der Bundesregierung. Hierfür hat sich die SPD während der laufenden Legislaturperiode mit Nachdruck eingesetzt, nachdem auf ihre Initiative im Koalitionsvertag der aktuellen Legislaturperiode unter anderem vereinbart wurde, den 'Nationalen Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz' um das Thema Homo- und Transphobie zu erweitern. Nach langwierigen und zähen Verhandlungen konnte sich die SPD durchsetzen. Der Nationale Aktionsplan wurde am 14.6.2017 vom Kabinett beschlossen. Dies eröffnet die Möglichkeit einer geänderten Verhandlungsposition Deutschlands auf europäischer Ebene, für die wir uns – in der kommenden Legislaturperiode – weiterhin mit aller Kraft einsetzen werden.“
Linke
„Die Blockadehaltung der Bundesregierung auf EU-Ebene gegen einen horizontalen Ansatz bei den Antidiskriminierungsrichtlinien ist falsch. Wenn DIE LINKE an der Bundesregierung beteiligt ist, wird dies nicht geschehen. In der Oppositionsrolle werden wir dies weiterhin kritisieren und Anträge dahingehend einbringen.“
Grüne
„Wir wollen ein diskriminierungsfreies Europa – im beruflichen Leben wie in allen gesellschaftlichen Bereichen. Wir haben daher den Vorschlag für eine neue europäische Antidiskriminierungsrichtlinie, die den Diskriminierungsschutz für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender unter anderem auch auf den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen erstrecken will, von Beginn an massiv unterstützt.
Im Europäischen Parlament haben wir uns erfolgreich dafür stark gemacht, dass diese fünfte Anti-Diskriminierungsrichtlinie von der EU-Kommission auf den Weg gebracht wurde. Auch haben wir mit parlamentarischen Initiativen die neue Antidiskriminierungsrichtlinie unterstützt. Denn leider ist im Ministerrat die schwarz-rote Bundesregierung einer der Hauptbremser. Diese Haltung wollen wir aufbrechen. Wir treten dafür ein, dass die nächste Bundesregierung die neue Antidiskriminierungsrichtlinie aktiv unterstützt und auf eine schnelle Verabschiedung drängt.“
FDP
„Die Europäische Union hat mit ihrer Grundrechtecharta EU-weite Antidiskriminierungsrichtlinien aufgestellt, die Vorbildcharakter auch für uns in Deutschland hat. Wir Freie Demokraten fordern eine Anpassung des Antidiskriminierungskatalogs in Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz an denjenigen der europäischen Grundrechtecharta und damit die Aufnahme der Merkmale der sexuellen Ausrichtung und des Alters. Wir fordern außerdem, dass einheitlich in allen Ländern der EU alle Formen der Diskriminierung gegen LSBTI abgeschafft werden. Daneben soll bei allen EU-Beitrittskandidaten eine zügige rechtliche Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen sowie ein angemessener Rechtsrahmen für Trans* und Inter* eingefordert werden.“
AfD
Siehe Antwort 3.1
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