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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Sportförderung sollte Akzeptanz und gleichberechtigte Teilhabe von LSBTI* stärken

LSVD begrüßt Gesetzesentwurf zur Förderung des Sports in Schleswig-Holstein und schlägt weitere Verbesserungen vor.

LSVD begrüßen den vorliegenden Gesetzesentwurf zur Förderung des Sports in Schleswig-Holstein. Zur Stärkung von Akzeptanz und Teilhabe von LSBTI* sind jedoch noch weitere Verbesserungen nötig

LSVD begrüßt Gesetzesentwurf zur Förderung des Sports und schlägt weitere Verbesserungen vor

Stellungnahme des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) Schleswig-Holstein zur Anhörung Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Sports im Land Schleswig-Holstein (SportFG SH) Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Drucksache 19/3270

1. Inhaltsangabe

2. LSBTI*-inklusive Sportförderung in Schleswig-Holstein

Wir begrüßen den vorliegenden Gesetzesentwurf und freuen uns, dass die Gleichstellung aller Menschen unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität und/oder sexuellen Orientierung explizit in dem Entwurf benannt wird. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, sind jedoch weitere Maßnahmen notwendig. Deshalb möchten wir auf noch bestehende Leerstellen hinweisen:

Ein zukünftiges Gesetz zur Förderung des Sports im Land Schleswig-Holstein sollte dringend auch die Ziele verfolgen, die Akzeptanz und die gleichberechtigte Teilhabe von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI*) sowie nicht-binären Sporttreibenden zu befördern, Vereine und Träger dabei zu unterstützen, Maßnahmen zu diesem Ziel umzusetzen sowie Programme und Kampagnen gegen LSBTI*-Feindlichkeit und andere minderheiten- und demokratiefeindliche Einstellungen im Sport auf den Weg zu bringen. Dazu könnte auch die Finanzierung von hauptamtlichen Antidiskriminierungsstellen bei Sportfachverbänden beitragen, die dann in den Breitensport hineinwirken könnten.

Denn Sportvereine sind auch Räume in denen demokratische Teilhabe, soziale Verantwortung und die Akzeptanz von vielfältigen Lebensweisen und Identitäten vorgelebt und vor allem auch gefördert werden sollte. Der Gesetzesentwurf zum SportFG SH kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten und vor allem auch Vorbild für die Sportförderung in anderen Bundesländern werden.

3. Akzeptanz von LSBTI* im Sport & die Bremer Erklärung

Spitzen- und der Breitensport haben für unsere Gesellschaft eine wichtige Bedeutung und sind ebenso für die persönliche Lebensqualität vieler Menschen wichtig. Unabhängig davon, ob es um Sport-Veranstaltungen mit nationalem (Meisterschaften, Sportfeste) bzw. lokalem (Städte-Turniere, Vereinsfeste) Charakter oder um die persönliche Lebensführung geht, Sport hat immer auch soziale Auswirkungen, beeinflusst gesellschaftliche Entwicklungen und ist auch ein Raum für demokratische Teilhabe. Im Sport spiegelt sich der Querschnitt unserer Gesellschaft wider, dazu gehört auch die Vielfalt von Identitäten und Lebensweisen der Sporttreibenden.

Allein in Schleswig-Holstein gab es laut der Plattform Statista (2020) 769.648 Mitglieder in 2.533 Sportvereinen. Eine repräsentative Befragung von YouGov im Juni 202 kam zu dem Ergebnis, dass sich 7 % der in Deutschland lebenden Menschen als lesbisch, schwul, bisexuell oder trans* identifizieren. Für Schleswig-Holstein gehen wir daher davon aus, dass im organisierten Breiten- und Spitzensport mehr als 50.000 lesbische, schwule, bisexuelle, trans*- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Sportler*innen sind.

Auch wenn viele Sportvereine auf Profi- und Amateurebene und einige Sportverbände aktiv abwertenden Einstellungen gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI*) entgegenwirken, kommt es in den Stadien und in anderen Sportstätten immer wieder zu LSBTI*-feindlichen Entgleisungen. Dort werden negative Einstellungen geprägt und reproduziert, die weit über den Sportplatz hinaus in unsere Gesellschaft wirken.

Mit der „Bremer Erklärung“ zur sexuellen Vielfalt und geschlechtlichen Identität im Sport haben die Sportminister*innen der Länder im November 2020 deutlich gemacht, dass die Teilhabe am Sport allen Menschen gleichermaßen offenstehen muss, unabhängig von Geschlecht, geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung oder Alter. Gleichermaßen forderten sie von den Einrichtungen und Trägern im Sport, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität aktiv in ihre Antidiskriminierungsarbeit einzubeziehen. Einrichtungen und Träger des organisierten Sports sollten ebenso eine offene Haltung zu Fragen sexueller und geschlechtlicher Vielfalt einnehmen, um Menschen jeglicher sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität den Weg in die Einrichtungen, Vereine und Verbände zu erleichtern und Ausgrenzung vorzubeugen.

4. Welche Ergänzungen sind nötig, um die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Sport zu fördern und Minderheitenfeindlichkeit entgegenwirken?

Um die Antidiskriminierungsarbeit von Sportverbänden, Vereinen und weiteren Mitgliedern des Landessportverbandes Schleswig-Holstein zu fördern, das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Fort- und Ausbildungen im Sport zu verankern und auch die Sportinfrastruktur so auszugestalten, dass sie allen Menschen unabhängig von geschlechtlicher Identität oder anderer körperlicher Fähigkeiten eine diskriminierungsfreie Teilhaben ermöglicht, schlagen wir folgende Ergänzungen in dem Gesetzesentwurf vor:

Um die diskriminierungsfreie Teilhabe am Sport für alle Einwohner*innen in Schleswig-Holstein zu gewährleisten und dies auch explizit in den Zielen der Sportförderung festzuschreiben, ist es sinnvoll, die Aufzählung im § 1 Absatz 1 SportFG SH um die Merkmale sexuelle Orientierung, geschlechtliche Identität und körperliche Merkmale der Geschlechtsentwicklung zu ergänzen. Darüber hinaus sollte im selben Abschnitt in einem neuen Absatz 3 die Arbeit gegen Rassismus, Antisemitismus, Muslim*innenfeindlichkeit, Antiziganismus und LSBTI*-Feindlichkeit sowie gegen Demokratiefeindlichkeit explizit aufgenommen und somit auch als Ziel der Förderung des Sports in Schleswig-Holstein benannt werden.

Ebenso sollte in § 3 Nummer 3 SportFG SH der Abbau von Barrieren in der Infrastruktur von Sportstätten mit genannt werden, um das Ziel einer diskriminierungsarmen Teilhabe aus § 1 Absatz 1 SportFG SH auch in der Infrastruktur der Sportstätten zu ermöglichen. Diese Ergänzungen sind besonders für trans*-, nicht-binäre sowie intergeschlechtliche Sporttreibende wichtig, da die Infrastruktur vieler Sportstätten noch immer von einer binären Geschlechtereinteilung (männlich / weiblich) geprägt ist und Sportreibende implizit oder explizit damit ausschließt.

Gleichfalls sollte in Nummer 5 die Teilhabe zusätzlich aufgenommen werden. Denn Teilhabe bedeutet auch, dass die bestehenden Strukturen im Sport es LSBTI* ermöglichen selbstbestimmt und diskriminierungsfrei am Sport- und vor allem auch am Vereinsleben zu partizipieren.

Zwar erwähnt die Gesetzesbegründung zu § 3 Nummer 7, dass zum Schutz der Integrität des Sports auch die Abwehr vielfältiger Bedrohungen, wie beispielsweise menschenverachtendes Verhalten und (sexualisierte) Gewalt gehört, jedoch sollte dies auch explizit mit in den Gesetzestext aufgenommen werden. Um deutlich zu machen, dass ein angst- und diskriminierungsfreies Klima im Sport und der Schutz der demokratischen Grundwerte ebenfalls zur Integrität des Sports gehören, schlagen wir vor, § 3 Nummer 7 wie folgt neuzufassen:

7. die Integrität des Sports zu schützen und zu stärken, insbesondere durch Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch, Dopingmissbrauch sowie gegen demokratie- und minderheitenfeindliche Einstellungen und Gewalt

In § 5 Absatz 1 SportFG SH schlagen wir in Satz 1 folgende Ergänzung vor:

(1) Der Landessportverband hat die Fördermittel (§ 4 Abs. 1) nach Maßgabe seiner Richtlinien an seine Mitglieder (§ 1 Nummer 2) zur Wahrnehmung förderungswürdiger Aufgaben nach § 5 Abs. 2 zu vergeben und dafür Sorge zu tragen, dass auch durch diese Fördermittel Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch, Dopingmissbrauch, demokratie- und minderheitenfeindliche Einstellungen und Gewalt im Sport ergriffen werden. Einen Teil der Mittel kann der Landessportverband auch für eigene Maßnahmen zur Förderung des Sports und für die Antidiskriminierungsarbeit verwenden.

Für den Absatz 2 desselben Paragrafen schlagen wir die neuzufassenden Punkte 12 und 13 vor, in denen es heißen soll:

12. Maßnahmen, Kampagnen und Programme, die demokratie- und minderheitenfeindlichen Einstellungen im Sport, wie beispielsweise Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, LSBTI*-feindliche Einstellungen und anderen Merkmalen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenwirken. Dies gilt vor allem auch für die Kinder- und Jugendarbeit in Vereinen und Verbänden. Dazu zählen auch entsprechende Sensibilisierungen und Fortbildungen für Trainer*innen, Übungsleiter*innen, Fachkräfte und weitere Aktive des Sports,

13. diversitätssensible und spezifische LSBTI*-Angebote sowie Projekte und Veranstaltungen, die dem Austausch in den Sportvereinen und Verbänden für trans* und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Sportreibende dienen, um ihnen eine Teilnahme am Training und an den Wettkämpfen sowohl im Breiten- wie auch im Leistungssport zu ermöglichen.

4. Warum sind Ergänzungen im Gesetzesentwurf zur Förderung des Sports im Land Schleswig-Holstein (SportFG SH) wichtig?

Ob Leistungs- oder Freizeitsport, Team- oder Individualsport – Ressentiments und Anfeindungen gegen LSBTI* sind ein Problem. Das zeigt die Studie "Outsport – Sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Sport“ der Deutschen Sporthochschule Köln.

Diskriminierungserfahrungen von LSBTI* im Sport

  • 16 % der befragten LSBTI*-Sportler*innen haben in den letzten 12 Monaten persönliche negative Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gemacht. Dies gilt insbesondere für trans* Personen (40%).

Welche negativen Erfahrungen machen LSBTI* im Sport?

  • 81 % berichten von verbalen Beschimpfungen / Beleidigungen
  • 71 % von Diskriminierung
  • 40 % von verbalen Bedrohungen
  • 36 % von digitalem Mobbing
  • 32 % erlebten körperliche Grenzüberschreitung
  • 21 % körperliche Gewalt

Ein Fünftel der Befragten fühlt sich aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität von bestimmten Sportarten ausgeschlossen. Dies gilt vor allem für trans* Personen (56 %) und insbesondere trans* Männer (73 %).

  • 96 % meinen, dass es im Sport ein Problem mit Homophobie und 95%, dass es ein Problem mit Transphobie gibt. Dies gilt insbesondere für die Sprache – hier sehen vier von fünf Befragten allgemein ein Problem im Sport.

Die daraus resultierenden Ängste selbst von Homophobie, Transphobie oder anderen LSBTI*-feindlichen Haltungen betroffen zu sein, könnten auch dazu führen, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*- und intergeschlechtliche Menschen weniger oft in Sportvereinen und Verbänden aktiv und organisiert sind als heterosexuelle bzw. cisgeschlechtliche Sporttreibende.

Teilhabe von trans*-, intergeschlechtlichen und nicht-binären Sporttreibenden fördern

Auch Menschen, die sich nicht dem männlichen oder weiblichen bzw. gar keinem Geschlecht zugehörig (nicht-binär) fühlen oder sich in einer Transition befinden, sollte eine uneingeschränkte und diskriminierungsfreie Teilhabe am Sport- und Vereinsleben ermöglicht werden. Jedoch ist der Breiten- und Vereinssport noch immer sehr stark auf eine binäre Geschlechtereinteilung fokussiert. Von der Bewertung bei Wettkämpfen über das Training bis zu Wettkampfstrukturen, Umkleiden und Sanitäreinrichtungen ist alles in männlich und weiblich aufgeteilt. Diese Strukturen schließen trans*-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Sporttreibende noch viel zu oft von Teilhabe und einem aktiven Vereinsleben aus.

Die Sportförderung in Schleswig-Holstein könnte auch hier die Teilhabe fördern und dazu beitragen, die bestehenden Strukturen diskriminierungssensibel zu überprüfen und dann entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Die von uns vorgeschlagenen Ergänzungen könnten dazu führen, dass die Akzeptanz von Vielfalt und das Eintreten gegen Minderheiten- sowie gegen Demokratiefeindlichkeit zu einer der Kernaufgaben innerhalb des Sports in Schleswig-Holstein wird.

Als Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Schleswig-Holstein sind wir dankbar, dass wir im Rahmen der Anhörung unsere Einschätzungen an den Ausschuss übermitteln können.

5. Fehlende Anhörung von Sinti*zze, Rom*nja, Jüd*innen und migrantischen Organisationen

Uns fällt jedoch auf, dass in der Liste der im Rahmen der Anhörung angefragten Organisationen keine erkennbar migrantischen Organisationen und keine Selbstvertretungen von Sinti*zze und Rom*nja zu finden sind. Gleiches gilt für fehlende Vertretungen von Jüd*innen. Es wäre wünschenswert, auch diesen Gruppen durch Stellungnahmen Möglichkeiten zur Teilhabe zu eröffnen. Das ist besonders deshalb notwendig, weil antiziganistische Haltungen und Anfeindungen genauso wie antisemitische Angriffe leider immer noch zur Realität in und um Sportstätten zählen. Auch für diese Gruppen muss ein diskriminierungs- und angstfreier Sport in Schleswig-Holstein gewährleistet werden. Die gesetzliche Sportförderung könnte hier ein deutliches Signal setzen.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende Barbara Ostmeier, sehr geehrte Ausschussmitglieder, wir hoffen sehr, dass Sie die Chance nutzen, um die Akzeptanz von gesellschaftlicher Vielfalt sowie Präventionsprojekte gegen Minderheitenfeindlichkeit auch im Rahmen der schleswig-holsteinischen Sportförderung zu berücksichtigen und hierfür entsprechende Förderungen in Aussicht zu stellen.

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