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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

LSBTIQ-Jugendliche im Sport: Was können Sportvereine gegen Homophobie und Transfeindlichkeit tun?

Strategien und Handlungsempfehlungen

Vor welchen Herausforderungen stehen junge LSBTIQ* im Sportbereich? Was können Vereine und auch Fachkräfte im Jugendsport tun, um LSBTIQ*-feindlichen Haltungen und Ressentiments entgegenzuwirken?

(Lesedauer: 5 Min.)

Auch wenn viele Fußballvereine auf Profi-Ebene LSBTIQ*-feindlichen Einstellungen entgegenwirken, ist das Thema im Breitensport kaum sichtbar. In Vereinen werden negative Einstellungen noch immer reproduziert. Das betrifft auch die Jugendsportarbeit von Vereinen und Träger*innen der Jugendhilfe. Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Menschen werden nur selten ausdrücklich mitgedacht oder direkt angesprochen.

Vor welchen Herausforderungen stehen junge LSBTIQ* im Sportbereich? Was können Vereine und auch Fachkräfte im Jugendsport tun, um LSBTIQ*-feindlichen Haltungen und Ressentiments entgegenzuwirken?

Darüber diskutierten im Rahmen des 5. Regenbogen-Parlaments 2021 Erik Jödicke (Bundesvorstand im Jugendnetzwerk Lambda), Linos Bitterling (Coach bei den Boxgirls Berlin e.V./ Projektleitung My Body – My Choice) und Christian Rudolph (Team out & proud“ - Kompetenz- und Anlaufstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Fußball beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) / LSVD-Bundesvorstand). Moderation: Kim Alexandra Trau

Videoaufzeichnung des Talks "Diskriminierung & Anfeindungen im Jugendsport entgegenwirken"

Inhaltsverzeichnis

  1. Erfahrungen von jungen Queers in Sportvereinen
  2. Projekt „Box Queers“
  3. Team out & proud im Fußball
  4. Coming-out im Sport
  5. Handlungsempfehlungen für Sportvereine

1. Erfahrungen von jungen Queers in Sportvereinen

„Sportvereine in Deutschland haben ein enormes Potenzial, wenn sie ihre Strukturen hinterfragen und sich für LSBTIQ* öffnen. Dazu braucht es Ansprechpersonen für LSBTIQ*, in den Vereinen, eine queer*sensible Trainer*innen-Ausbildung und einen satzungsmäßigen Schutz vor Diskriminierung“

Erik Jödicke (Bundesvorstand im Jugendnetzwerk Lambda)

Neben Familie und Schule ist der Sport-Verein ein wichtiger Fixpunkt, gerade für LSBTIQ*-Jugendlichen im ländlichen Raum. Erik Jödicke (Lambda) berichtete aus persönlicher Erfahrung, dass gerade bei Sportvereinen im ländlichen Raum Queerness kaum präsent ist. Das führt zu Uniformitäts- und Anpassungsdruck bei LSBTIQ*-Jugendlichen.

Laut einer Studie der Sporthochschule Köln halten 96% der Befragten Homosexuellen- und Trans*feindlichkeit für ein großes Problem in Sportvereinen. Jede fünfte Person erlebte verbale Beleidigungen bis hin zu psychischen und körperlichen Übergriffen.

Gerade hier haben Sportvereine des Breitensports ein hohes Potenzial Diskriminierung und Anfeindungen zu begegnen. Sportvereine sind identitätsstiftend und können LSBTIQ*-Jugendliche auf ihrem Weg Sicherheit geben und ihr Selbstbewusstsein stärken.

Vereinssatzungen sollten sich sich klar gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identitaet aussprechen.

Lösungsansätze sieht Erik Jödicke darin, explizite Ansprechpersonen für LSBTIQ* in den Vereinen zu schaffen. Nur wenige Trainer*innen haben das Thema auf dem Schirm, da es in Aus- und Weiterbildungen oftmals fehlt. Das muss sich dringend ändern.

Wichtig sind auch die Satzungen der Vereine, die sich klar gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität aussprechen sollten. Solche Anregungen in den Vereinen machen die Thematik sichtbar. Sie führen zu Auseinandersetzungen innerhalb des Vereins und können so Mitglieder sensibilisieren und Aufmerksamkeit generieren.

Im besten Fall wirken die Vereine in die Gesellschaft hinein und umgekehrt. Vereine sind ein generationen-übergreifender Querschnitt der Gesellschaft. Es ist wichtig, dass sie sich mit dem Thema Diskriminierung auf den unterschiedlichen Ebenen auseinandersetzen und sich für einen diskriminierungsfreien Sport starkmachen.

2. Projekt „Box Queers“

Linos Bitterling (Boxgirls Berlin e.V.) stellte den Verein Boxgirls Berlin e. V. und vor allem auch das Projekt „Box Queers“ vor. Das sich besonders an LSBTIQ*-Jugendliche richtet. Es umfasst verschiedene Angebote wie FLINTA Gruppen, queere Gruppen oder auch Queer Kids, für junge Menschen zwischen 7 und 11 Jahren und bietet geschützte Räume, um gemeinsam zu trainieren.

Mit dem Projekt „Queer Teens“, das von der Sportjugend Berlin gefördert wird, erreicht der Verein auch niedrigschwellig queere Jugendliche in Jugendfreizeit-Einrichtungen. Linos Bitterling berichtete, dass Wettkämpfe im Leistungssport Boxen für genderqueere Menschen immer noch schwer erreichbar sind. Hier ist es wichtig, strukturelle Rahmen-Bedingungen zu schaffen, um die Sichtbarkeit von queeren Sportler*innen zu stärken – im Vorstand oder als Coaches, die für die Jugendlichen Ansprech-Personen und auch Role-Models sein können.

Im Verein Boxgirls sind alle Coaches angehalten, genderneutrale Sprache zu benutzen, denn nur weil eine Person sich gerade im Mädchen* Training wohlfühlt, heißt es nicht, dass die Person sich auf das Geschlecht festgelegt hat.

3. Team out & proud im Fußball

„Ich habe die Hoffnung, dass die junge Generation mit mehr Selbstbewusstsein ausgestattet wird und hoffentlich bald im Fußball queere Sportler*innen noch stärker vertreten sind. Es muss außerdem weiter daran gearbeitet werden, die binäre Geschlechterordnung aufzubrechen, z.B. in der Umkleidesituation, den Toiletten und dem Sicherheitsbereich“

Christian Rudolph (Projekt "Team out & proud" / LSVD-Bundesvorstand)

Christian Rudolph (Team out & proud) berichtete, dass vor zehn Jahren beim DFB noch die Frage gestellt wurde, ob sexuelle und geschlechtliche Vielfalt überhaupt ein Thema für den Fußball sei. Im Rahmen des neuen DFB-Projektes können seit Anfang des Jahres Vereine und Verbände sensibilisiert und die Regenbogen-Kompetenz erhöht werden.

Rudolph unterstrich, wie wichtig es gerade für LSBTIQ*-Jugendliche ist, Vorbilder zu haben, die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt respektieren oder diese offen leben. Große Dachverbände wie die UEFA oder der DFB haben eine besondere Verpflichtung, sich für LSBTIQ* im Sport einzusetzen und ihre Kanäle zu nutzen, um Diskriminierung und Anfeindungen entgegenzutreten.

Sensibilisierung und Qualifizierung von Trainer*innen zum Thema LGBTIQWelchen Bedarf es besonders im Fußball gibt, zeigen die zahlreichen Anfragen, die ihn seit Jahresbeginn erreichen. Eine häufige Frage ist, welche ersten Schritte gegangen werden müssen, um Vielfalt zu fördern. Christian Rudolph wirbt dafür, Ansprechpersonen für LSBTIQ* in den Vereinen zu schaffen und die Qualifizierung der Trainer*innen voranzutreiben. Besonders bei der Nachwuchsförderung braucht es Sensibilisierung und ein aktives Eintreten gegen Diskriminierungen und Anfeindungen. Das Projekt „Team out & proud“ steht auch im Austausch mit Fanprojekten, die dazu beigetragen haben, dass sich der Diskurs verändert hat.

Besonders der Profi-Fußball ist in der Pflicht, sich mehr gegen Diskriminierung einzusetzen. Die großen Verbände und Vereine sind finanziell gut ausgestattet und können über ihre Kanäle tausende Menschen erreichen. Auch im Breitensport gibt es viele gute Vorbilder, die unterstützt und gestärkt werden müssen. Gerade in kleinen Vereinen ist ein Großteil der Menschen aktiv. Um so wichtiger ist es, an dieser Basis anzusetzen und für einen diskriminierungsfreien Sport zu werben.

4. Coming-out im Sport

Gerade im Fußball ist die weltweite mediale Aufmerksamkeit hoch. Wenn sich Profi-Fußball-Spieler*innen outen, dann vor der ganzen Welt. Die Menschen müssen also auch mit sehr negativen Reaktionen rechnen. Denn mitunter reicht es schon aus, in einem Spiel das Tor zu verfehlen, um Hasskommentare oder gar Morddrohungen zu erhalten. Nicht selten hat ein Coming-out auch finanzielle Konsequenzen. Einige der größten Sponsor*innen im Individual-Sport, beispielsweise im Tennis, kommen aus Ländern, in denen LSBTIQ* Anfeindung und Verfolgung erleiden müssen.

Die Angst den eigenen Sponsor zu verlieren, schwingt hier immer mit. Für Frauen* scheint es leichter zu sein, sich zu outen, zumindest innerhalb eines Frauenteams. Einen Grund dafür sehen die Expert*innen in toxischen Männlichkeits-Bildern, die auch im Sport reproduziert und vorgelebt werden. Diese werten auch schwule und trans* Männer ab.

5. Handlungs-Empfehlungen für Sportvereine

Zusammenarbeit mit großen Akteuren im Sport kann für Öffentlichkeit von LSBTIQ*-Themen sorgen.

  • Peer-to-Peer-Ansatz: Mehr offen queere Ansprechpersonen und Trainer*innen in Vereinen. LSBTIQ*-Jugendliche bringen ihnen meist mehr Vertrauen entgegen.
  • Fortbildungen für Trainer*innen und innerhalb der Vereinsstrukturen, um queersensibles Wissen zu generieren.
  • Erarbeiten von Leitlinien zum Umgang mit Diskriminierungen
  • Vereinssatzung durch eine klare Haltung gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität ergänzen.
  • geschlechtergerechte Sprache nutzen und Sichtbarkeit einer LSBTIQ*-freundlichen Haltung schaffen.
  • Öffentlichkeitsarbeit: organisieren von Podien oder Fachtagen zu LSBTIQ*-Themen
  • Installieren von Auszeichnungen / Qualitätsiegeln für Vereine, die sich deutlich gegen Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung einsetzen.
  • Allianzen eingehen mit großen Akteur*innen des Sports, um LSBTIQ*-Themen in die Öffentlichkeit zu bringen.
  • Auseinandersetzung mit toxischer Männlichkeit, besonders in männerdominierten Sportarten wie Kraftsport oder Kampfsport fördern

Diese Handlungs-Empfehlungen können nicht nur dazu beitragen, die Sichtbarkeit von LSBTIQ* im Sport zu stärken, sondern auch eine aktive Auseinandersetzung innerhalb der Vereine anzustoßen und alle Aktiven in den Vereinen zu sensibilisieren. So haben Vereine die Möglichkeitkeit, Offenheit zu signalisieren und gleichzeitig geschützte Räume zu schaffen.

Zudem können sich Vereine und Verbände durch eine stärkere Vernetzung und den Austausch von Beispielen guter Praxis und Erfahrungen im Umgang mit LSBTIQ*-feindlichen Einstellungen und anderen Diskriminierungs-Erfahrungen stärker professionalisieren und bestehende Strukturen ausbauen. Um Diskriminierung in Sportvereinen auf allen Ebenen abzubauen, ist auch die Auseinandersetzung mit Intersektionalität und der Umgang mit Mehrfach-Diskriminierung wichtig.

Das Regenbogenparlament 2021 war eine Veranstaltung im Rahmen des Kompetenznetzwerks "Selbst.verständlich Vielfalt". Das Kompetenznetzwerk "Selbst.verständlich Vielfalt" ist das Kompetenznetzwerk "Homosexuellen- und Trans*feindlichkeit" im Bundesprogramm "Demokratie leben!".

Ansprechpersonen für das LSVD-Projekt im Kompetenznetzwerk sind Jürgen Rausch / René Mertens: koordinierungsstelle@lsvd.de

Illustrationen: Sibylle Reichel www.sibylle-reichel.de

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