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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Viele Wege führen zur Regenbogenfamilie

Immer mehr Lesben und Schwule entscheiden sich dafür, leibliche Kinder zu bekommen oder Kinder bei sich aufzunehmen, um mit ihnen als Familie zu leben. Viele Wege führen zur Regenbogenfamilie und Regenbogenfamilie ist nicht gleich Regenbogenfamilie. Sie unterscheiden sich bisweilen erheblich in ihren Entstehungsdynamiken, ihren rechtlichen Absicherungen und in der gesellschaftlichen Wahrnehmung.

So ist das deutsche Familienrecht nicht darauf ausgelegt, dass es gleichgeschlechtliche oder mehr als zwei Elternteile geben kann. Allerdings wurde der Gesetzgeber in den letzten Jahren wiederholt vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert, Regenbogenfamilien anzuerkennen und eingetragene Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichzustellen. Im Urteil zur Sukzessivadoption wurde dabei betont, dass Regenbogenfamilien den Schutz durch Art. 6 GG genießen.

Regenbogenfamilien mit Kindern aus heterosexuellen Beziehungen

Viele Regenbogenfamilien entstehen dadurch, dass ein leibliches Elternteil nach einem späten Coming-out eine neue gleichgeschlechtliche Beziehung eingeht.

Mit der Möglichkeit der Stiefkindadoption (2005) kann in Eingetragenen Lebenspartnerschaften die neue Partnerin bzw. der neue Partner die leiblichen Kinder der Partnerin bzw. des Partners annehmen. Dafür braucht es die Zustimmung des anderen leiblichen Elternteils, da dessen rechtliches Verwandtschaftsverhältnis mit dem Kind dann erlischt. Nicht selten werden in die neuen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften weitere gemeinsam gewünschte Kinder geboren.

Erfüllung des Kinderwunsches mit anonymer Samenspende

Lesbische Frauen erfüllen sich ihren Kinderwunsch häufig mit Hilfe eines anonymen Samenspenders und entscheiden sich für die Unterstützung durch eine Samenbank und ärztliches Personal.

In Deutschland wird das regional unterschiedlich umgesetzt und (damit) kompliziert. Es gibt zwar kein offizielles Verbot. Doch die Bundesärztekammer empfiehlt in ihren „Richtlinien zur assistierten Reproduktion“ von 2006, dass nur heterosexuellen verheirateten Frauen auf diesem Wege geholfen werden sollte.

Zudem werden die Kosten nur bei verheirateten Paaren von der Krankenkasse übernommen. Viele Frauen fahren deshalb zum Beispiel in die Niederlande, nach Dänemark oder Spanien, wo es längst einen freien Zugang zur Reproduktionsmedizin gibt.

Aufgrund der nach wie vor fehlenden Gleichstellung im Abstammungsrecht ist nach der Geburt nur die leibliche auch rechtliche Mutter. Ihre Lebenspartnerin wird im zeitaufwendigem wie bürokratischen Prozess der Stiefkindadoption geprüft. So kann es bis zu einem Jahr dauern, bis das gemeinsam geplante Wunschkind auch zwei sorgeberechtigte Eltern hat. Die Kinder können in der Regel mit 18 Jahren erfahren, wer der genetische Erzeuger ist.

Pflegefamilien

Es gibt Kinder, die aus verschiedensten Gründen nicht in ihren Herkunftsfamilien bleiben können und ein neues Zuhause suchen. Das Pflegekinderwesen ist kommunal geregelt und so werden inzwischen in mehreren Bundesländern Lesben und Schwule aktiv als mögliche Pflegefamilien angesprochen.

Insbesondere für Schwule, die biologisch und rechtlich weniger Möglichkeiten haben mit leiblichen Kindern zu leben, ist dies eine Möglichkeit, Familie zu sein. Wenn Lesben und Schwule ein oder mehrere Pflegekinder aufnehmen, so ist dies in der Regel auf Dauer angelegt und kann unter Umständen zu einer Adoption des Pflegekindes führen.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption (2013) können auch nichtleibliche Kinder des Lebenspartners bzw. der Lebenspartnerin angenommen werden.

Adoption eines nichtleiblichen Kindes

Einen Kinderwunsch durch (die) Adoption eines nichtleiblichen Kindes umzusetzen, gestaltet sich im In- und Ausland derzeit als äußerst schwierig. Im Ausland gibt es nur wenige Agenturen, die mit gleichgeschlechtlichen Paaren zusammenarbeiten wollen. In Deutschland stellt sich die Regierungspartei CDU/CSU mit Bundeskanzlerin Merkel nach wie vor gegen ein gemeinsames Adoptionsrecht.

Auch bei vielen zuständigen Behörden ist der Vorbehalt noch sehr groß. Allerdings gibt es auch in Deutschland einzelne Agenturen, die Lesben und Schwule bei Auslandsadoptionen begleiten.

Regenbogenfamilien in Mehrelternmodellen

Immer mehr Lesben und Schwule leben auch gemeinsam neue Familienmodelle. So können sich etwa zwei Mütter und ein Vater, zwei Väter und eine Mutter oder zwei Mütter und zwei Väter gemeinsam um ein Kind kümmern. In diesen Konstellationen gibt es viele Möglichkeiten, wie biologische, rechtliche und soziale Elternschaft entschieden und gelebt werden.

Viele lesbische Frauen wünschen sich für ihr Kind einen präsenten Vater und suchen einen schwulen Mann oder ein schwules Paar. Je nachdem, auf welcher rechtlichen Basis der Vater seine Elternrolle leben möchte, kann durch die nichtleibliche Mutter eine Stiefkindadoption mit Einwilligung des Vaters vorgenommen werden. Der biologische Vater gibt in dem Fall das Kind zur Adoption für die Lebenspartnerin der leiblichen Mutter frei. Für viele Regenbogenfamilien ist dies ein optimaler Weg. Der Vater kann als sozialer Vater an der Familie beteiligt bleiben, aber die Entscheidungen und das Lebensumfeld des Kindes liegen in der Regel bei den Müttern.

In den Fällen, in denen alle gleichberechtigt rechtliche Eltern sein wollen, wird es komplizierter, da das Familienrecht insgesamt nur zwei rechtliche Eltern vorsieht. Um einen Ausgleich zwischen den beteiligten Eltern zu schaffen, kann eine Variante gewählt werden, die für die nichtleibliche Mutter in der Eingetragenen Lebenspartnerschaft das kleine Sorgerecht, also die Alltagssorge, vorsieht. In diesem Fall kann der Vater die Vaterschaft mit Unterhaltspflicht und Umgangsrecht anerkennen.

Kinder wachsen in Regenbogenfamilien gut auf

Ausnahmslos sind Kinder in Regenbogenfamilien Wunschkinder. Laut einer durch das Bundesministerium für Justiz beauftragten und von Martina Rupp durchgeführten Studie zur „Lebenssituation von Kindern in Eingetragenen Lebenspartnerschaften“ haben sie alle Chancen und Möglichkeiten.

Hinsichtlich Persönlichkeitsentwicklung, der schulischen und beruflichen Entwicklung sowie der Entwicklung von emotionalen und sozialen Kompetenzen stehen Kinder in Regenbogenfamilien Kindern aus anderen Konstellationen in nichts nach. Denn es kommt nicht auf die Familienkonstellation oder das Geschlecht der Eltern an, entscheidend ist die Beziehungsqualität in der Familie.

Constanze Körner
LSVD-Regenbogenfamilienzentrum Berlin
www.regenbogenfamilienzentrum.de

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