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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

EU: Bundesregierung stimmt menschenrechtswidriger Asylrechtsverschärfung zu

LSVD kritisiert fehlenden Schutz für queere Geflüchtete an EU-Außengrenzen

Pressemitteilung vom 09.06.2023

Berlin / Brüssel, 09. Juni 2023. Am 8. Juni hat die Bundesregierung im Europäischen Rat einer massiven Verschärfung der EU-Asylpolitik zugestimmt. Geflüchtete sollen zukünftig Asylanträge an den Außengrenzen der EU stellen. Werden ihre Asylgesuche abgelehnt, sollen sie auch in vermeintlich sichere Drittstaaten abgeschoben werden. In den Verhandlungen hat sich die Bundesregierung nicht einmal ansatzweise für Sonderregelungen für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere (LSBTIQ*) Schutzsuchende eingesetzt. Das Vorhaben soll nun im EU-Gesetzgebungsprozess bis Anfang 2024 verhandelt werden. Dazu erklärt Philipp Braun aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD):

Wir sind entsetzt, dass die Ampelkoalition diesem Vorhaben trotz schwerwiegender Bedenken zugestimmt hat. Dass die Bundesregierung ihren eigenen queerpolitischen Aufbruch ignoriert und nicht einmal den Versuch unternommen hat, für besonders schutzbedürftige Asylsuchende, wie beispielsweise queere Geflüchtete, einen Schutzmechanismus zu etablieren, ist skandalös. Noch mehr verstört, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) diese katastrophale Verschärfung des Asylrechts als historische Entscheidung begrüßt und Bundesaußenministerin Baerbock den Schritt als seit Jahren überfällig benennt.  

Anfang des Jahres hatte der Bundestag in einer Gedenkstunde der queeren Opfer des Nationalsozialismus gedacht und sich der daraus erwachsenden besonderen Verantwortung gestellt. Nicht einmal ein halbes Jahr später vergeht sich die Bundesregierung mit ihrer Zustimmung zur EU-Asylreform in nie da gewesener Härte an den an den Schutzrechten LSBTIQ* Geflüchteter. Nicht einmal ein halbes Jahr, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag zuhörte, wie Klaus Schirdewahn ihm von seiner Verfolgung in der Bundesrepublik berichtete, stimmt die von ihm geführte Bundesregierung einer Asylrechtsverschärfung zu, die haftähnliche Zustände an den EU-Außengrenzen etabliert und queeren Geflüchtete jeglichen Schutz versagt. Asylsuchende könnten mit dem Gesetzesvorschlag auch in Staaten abgeschoben werden, in denen sie noch nie waren und in denen sie - davon ist auszugehen - auch nicht sicher sind.

Wir fordern die Mitglieder des EU-Parlaments - vor allem die Liberalen, Sozialdemokrat*innen und Grünen - auf, sich an ihre Wahlkampfversprechen zu erinnern und diesem historischen Verrat an den Rechten Schutzsuchender nicht zuzustimmen.

In der EU-Asylpolitik sollten folgende Minimalstandards keinesfalls unterschritten werden

  • LSBTIQ* müssen im Rahmen der Grenzverfahren als „besonders schutzbedürftige“ Gruppe anerkannt werden. Dies ist derzeit EU-weit nicht geregelt. 
  • LSBTIQ* Geflüchtete, wie auch alle besonders schutzbedürftigen Asylsuchenden, müssen aus den Grenzverfahren herausgenommen werden.
  • Queere Geflüchtete müssen im Asylverfahren Zugang zu LSBTIQ*-Fachberatungsstellen bekommen. 
  • LSBTIQ*-Organisationen und ihre Partner*innen müssen uneingeschränkten Zugang zu den Haftlagern an den EU-Außengrenzen bekommen. Dort sollten sie die Erkennung des besonderen Schutzbedarfs sicherstellen. Dazu gehört auch, dass LSBTIQ*-Asylsuchende vor Ort umfassend über ihre Rechte informiert werden. Das betrifft auch das Wissen, dass die Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität ein anerkannter Asylgrund ist. Dafür muss die EU die zukünftige Arbeit von LSBTIQ*-Fachberatungsstellen langfristig und auskömmlich finanzieren.
  • Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass EU-weit nur solche Staaten, in denen LSBTIQ* in allen Landesteilen sicher vor Verfolgung sind, als "sichere Drittstaaten" deklariert werden.

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