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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Diskriminierungsarme Bild-Berichterstattung: Tipps und Checklisten für Redaktionen und Fotograf*innen

Ergebnisse des Workshop "Voll im Bild?!" vom LSVD, den Neuen Deutschen Medienmachern und den Sozialhelden

Wie geht eine diskriminierungsarme Bild-Berichterstattung? Klischees und Stereotype in der medialen Berichterstattung vermeiden. Flyer und Checkliste mit den Ergebnissen des Workshops des LSVD mit den Neuen Deutschen Medienmachern und den Sozialhelden

Bild aus dem Workshop zu diskriminierungsarmer Bild-Berichterstattung: Tipps und Checklisten für Redaktionen und Fotograf*innen

Bilder spielen in der medialen Berichterstattung eine fundamentale Rolle. Deshalb ist es wichtig, dass sie die Wirklichkeit möglichst realitätsgetreu abbilden. Und dennoch sind die in der Presse verwendeten Fotos zu oft durch die Klischees, Stereotype und Sehgewohnheiten der Rezipient*innen geprägt.

  1. Voll im Bild?! Fünf Tipps für eine diskriminierungsarme Bildberichterstattung
  2. Bildredaktionen: Checkliste zur diskriminierungs-armen Bild-Berichterstattung 
  3. Fotograf*innen: Checkliste zur diskriminierungs-armen Bild-Berichterstattung 

Die Neuen Deutschen Medienmacher, die Sozialhelden e.V. und der LSVD haben daher gemeinsam den Workshop: „Voll im Bild?! Workshop für diskriminierungs-arme Bild-Berichterstattung“ organisiert. (Ausführliche Dokumentation des Workshops "Voll im Bild?!" als pdf zum Donload)

„Voll im Bild?! Workshop für diskriminierungs-arme Bild-Berichterstattung“

Mit 40 Fotograf*innen, Bildredakteur*innen, Models und Expert*innen, haben wir in Berlin über Fotojournalismus und Bilder von Menschen mit Migrationsgeschichte, mit Behinderung und aus der LSBTI-Community gesprochen. Wir haben an Lösungen gearbeitet und erste Foto-Shootings gemacht.

Zusammen mit den Mitwirkenden am Workshop haben wir eine Checkliste für diskriminierungs-arme Bild-Berichterstattung für Redaktionen und für Fotograf*innen entwickelt. Diese findet sich auch in unserem Flyer "Voll im Bild?" zusammen mit weiteren Infos zu diskriminierungs-armer Bild-Berichterstattung.

1. Voll im Bild?! Fünf Tipps für eine diskriminierungs-arme Bild-Berichterstattung

Ob als Symbolbild, Aufmacher oder Bebilderung: Fotos haben in der Berichterstattung eine enorme Bedeutung. Sie beeinflussen unser Verständnis von Artikeln, von Themen, von Menschen, von Gruppen und letztlich von unserer Welt.

Deshalb ist es wichtig, dass sie die Wirklichkeit möglichst realitätsgetreu abbilden. Und dennoch sind die in der Presse verwendeten Fotos nicht selten durch Vorurteile, Klischees und Stereotypen geprägt. Das wollen wir mit diesen Anregungen ändern.

Diskriminierungs-Arme Bild-Berichterstattung: Checkliste für Bildredaktionen und Fotograf*innen

a). Eigene Bilder und Klischees reflektieren

Steht das Thema fest, sollte ich mich als Fotograf*in, Bildredakteur*in oder Bildjournalist*in fragen, was mir spontan dazu einfällt und ob ich diese Bilder (wieder) zeigen möchte. Denn erst nach den ersten Assoziationen wird es interessant.

Das gilt vor allem, wenn das Thema im weitesten Sinne mit Diskriminierung oder stigmatisierten Gruppen zusammenhängt. Will ich vielleicht lieber Bilder zeigen, die nicht den Sehgewohnheiten der Leser*innen entsprechen? Vielleicht kann ich bestehende Vorurteile über die fotografische Inszenierung auch ad absurdum führen?

Mit Gruppenfotos lässt sich z. B. eine Reduktion auf diskriminierende Merkmale wie Hautfarbe, Religion, Behinderung oder sexuelle Orientierung vermeiden, denn es zeigt die Vielfalt und Mehrfachzugehörigkeit von oftmals als homogen gedachten Gruppen.

Wenn es mir wichtig ist, die gesellschaftliche Vielfalt zu repräsentieren, sollte ich mich fragen: Was und wen könnte ich bei dem Thema noch zeigen? Warum einen Beitrag zu allgemeinen Themen wie Arbeitsplatz, Bildung, Familie, Freundschaft oder dem Jahrhundert-Sommer nicht auch mit Menschen bebildern, die nicht üblicherweise mit diesen Themen in Verbindung gebracht werden; Menschen unterschiedlichen Alters, Aussehens, Hautfarbe oder sexueller Orientierung.

Redaktionen und Fotograf*innen können sich diesbezüglich auch von Expert*innen beraten lassen oder Workshops besuchen.

b). Models als Expert*innen ernst nehmen

Wenn geklärt ist, was und wen ich zeigen will, geht es an die Umsetzung. Unterschiedliche Themen und Stimmungen brauchen unterschiedlich viel Zeit, Sicherheit und Vertrauen. Dabei ist es wichtig, auch die eigene Positionierung wahrzunehmen. Welche Erfahrungen hat mein Model vermutlich mit Angehörigen meiner Gruppe gemacht?

Die Models sollten dabei als Expert*innen ernst- und wahrgenommen werden, auch dann, wenn sie selbst vielleicht unsicher oder schüchtern sind. Denn immerhin geht es um ihre Lebensrealität. Es geht für sie auch darum, keine weitere Diskriminierungserfahrung während des Fotoshootings selbst machen zu müssen. Was halten sie von der Idee? Welchen Stereotypen sind sie bereits begegnet?

Die Models sollten rechtzeitig benachrichtigt werden, damit sie ausreichend Zeit haben, sich Gedanken zu machen, wie und in welchen Situationen sie fotografiert werden möchten und wie auf keinen Fall. Zum Briefing gehört auch, die Models verständlich über ihre Bildrechte zu informieren.

c). Respektvolle und gleichberechtigte Kommunikation mit den Models

Gute Fotos brauchen Vertrauen und Vertrauen braucht Zeit, auch ohne Kamera. Die Models sollten als Expert*innen beteiligt werden: Was wollen sie? Wie sehen sie das? Fotograf*innen sollten eigene Ideen zur Diskussion stellen, Anweisungen als Bitten formulieren und sich regemäßig versichern, ob sich das Model wohlfühlt. Dieses Mitspracherecht führt zu Vertrauen und Vertrauen zu besseren Bildern.

Die Models sollten als Individuen wahrgenommen und fotografiert werden, in einer aktiven Rolle, in Interaktion und ihrer natürlichen Umgebung. Gleichzeitig kann ich auch meinen Spielraum und meine Verantwortung als Model nutzen, indem ich über Themen und Diskriminierungs-Erfahrungen aufkläre und aktiv das Gespräch suche.

Es hilft, sich im Shooting die Fotos gemeinsam anzuschauen, um Motive zu reflektieren und neue Bildideen zu bekommen. Dazu sollte für eine Kommunikation auf Augenhöhe bei eventuellen Sprachbarrieren (Gebärdensprach-) Dolmetscher*innen hinzugezogen werden, um die Kommunikation bspw. mit gehörlosen Models für beide Seiten zu vereinfachen.

d). Die letzte Entscheidung liegt beim Model

Models, Fotograf*innen, Bildredakteur*innen und Journalist*innen haben womöglich unterschiedliche Anforderungen und Wünsche an das zu veröffentlichende Bild – entschieden werden, sollte in einem gemeinsamen Austausch. Die Entscheidungshoheit sollte bei den Models liegen, denn letztlich geben sie ihr Gesicht für die Story und tragen somit das Risiko. Daher sollte man die Models auch schützen.

Die Verantwortung liegt hier bei der Redaktion, genügend Ressourcen für die Begleitung und Moderation nach der Veröffentlichung einzuplanen, um für mögliche negative Reaktionen und herabwürdigende Kommentare ausreichend gewappnet zu sein.

e). Einen Bilderpool für Vielfalt anlegen

Gerade wenn ich gesellschaftliche Vielfalt in unterschiedlichen Kontexten repräsentieren will, lassen sich die entstandenen Bilder vielleicht zukünftig auch für weitere Themen verwenden?

Warum nicht mal Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Geschlechter zeigen, wenn es um den Mindestlohn geht? Warum kein blindes Mädchen mit ihren Eltern, wenn es um Familienpolitik geht? Warum kein lesbisches, älteres, Eis essendes Paar, wenn über die nächste Hitzewelle berichtet wird oder der Wetterbericht angekündigt wird?

Unabdingbar ist dafür wieder das Einverständnis der Models und der Fotograf*innen. So können bestimmte Verwendungszwecke vertraglich festgelegt bzw. durch die Formulierung „Verwendung nur in nicht-diskriminierenden Zusammenhängen“ vertraglich ausgeschlossen werden.

Damit die Fotos dann auch für neue Kontexte und Themen gefunden werden, sollte das Bilderarchiv präzise verschlagwortet werden.

2. Bildredaktionen: Checkliste zur diskriminierungs-armen Bild-Berichterstattung 

Wann sind Bilder diskriminierend?

Wenn es um Minderheiten und Themen wie Migration, Menschen mit Behinderung oder LSBTIQ geht, können gängige Fehler vermieden werden: z. B.

  • Fotos, die Frauen von hinten und mit Kopftüchern zeigen,
  • Fotos, auf denen Behinderungen von Menschen ohne Behinderung nachgestellt werden
  • Fotos über Homosexualität, die Männerpaare von hinten oder LSBTIQ nur auf dem Christopher Street Day (CSD) zeigen.

Ist das Bild als Symbolbild geeignet?

Bilder, die Klischees reproduzieren, stark stereotypisierend sind und im schlimmsten Fall Vorurteile bekräftigen, sollten vermieden werden.

Wird die gesellschaftliche Vielfalt repräsentiert?

Allgemeine Themen wie Arbeitsplatz, Bildung, Familie oder Rente können auch mit Regenbogenfamilien, Menschen mit Migrationsgeschichte oder mit Behinderung bebildert
werden.

Gehört ein Mensch immer nur einer Gruppe an?

Mehrfachzugehörigkeit zeigen: Die Frau mit Kopftuch kann Mechatronikerin und alleinerziehende Mutter sein, der Mann im Rollstuhl kann Anwalt und transgeschlechtlich sein.

Aus welchem Kontext stammt das Bild?

Inhaltlichen Zusammenhang von Bildern und Schlagwörtern vor der Verwendung prüfen.

Wann sollen Diversitätsmerkmale gezeigt werden, wann nicht?

Dafür plädieren, in Bildern zu repräsentieren, anstatt zu markieren

3. Fotograf*innen: Checkliste zur diskriminierungs-armen Bild-Berichterstattung 

Müssen eigene Bilder hinterfragt werden?

Bei der Bebilderung von Themen über Minderheiten: Erst eigene Klischees prüfen, dann ggf. versuchen die Sehgewohnheiten der Rezipient*innen zu durchbrechen.

Werden die Protagonist*innen ernst genommen?

Sie sind die Expert*innen ihrer eigenen Lebensrealität. Sie sollten entscheiden, wie sie dargestellt werden möchten.

Wie können Minderheiten fair dargestellt werden?

Die Porträtierten sollten in einer aktiven Rolle und in Interaktion gezeigt werden, nicht als Problemobjekt. Arbeitsplatz, Bildung, Familie oder Rente können auch mit Regenbogenfamilien, Menschen mit Migrationsgeschichte oder mit Behinderung bebildert
werden.

Ist mit den Porträtierten alles geklärt?

Bildrechte im Voraus besprechen und das Einverständnis für die weitere Verwendung
einholen.

Werden die Fotos von der Bildredaktion in dem vereinbarten Kontext benutzt?

Wenn nicht, kann die Fotoredaktion darauf hingewiesen werden.

Was muss beim Verkauf an Bilddatenbanken beachtet werden? 

Bilder sollten möglichst präzise verschlagwortet werden. So können sie leichter gefunden und z. B. für Themen wie Arbeit, Alltag, Sommer, Familie, verwendet werden.

 

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