Regenbogenkompetenz: Interessenvertretung von LSBTI in Rundfunk- und Medienräten
Ergebnisse des Fachforums auf dem 2. Regenbogenparlament "Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten"
Wie kann die „Regenbogenkompetenz“ in der Senior*innenarbeit, in der Bildung, in Religionsgemeinschaften, in den Medien, in der Arbeitswelt und in der internationalen Menschenrechtspolitik erhöht werden? Das wurde beim zweiten bundesweiten Regenbogen-Parlament diskutiert. Hier dokumentieren wir die Ergebnisse des Fachforums "Regenbogen-Kompetenz in Rundfunk- und Medienräten".
Die Broschüre mit den Ergebnissen und Handlungsempfehlungen des 2. Regenbogen-Parlaments "Akzeptanz von LSBTI* weiter gestalten" kann als pdf heruntergeladen werden oder aber so lange der Vorrat reicht per Mail an presse@lsvd.de kostenfrei bestellt werden.
Hauptaussagen des Fachforums "Regenbogen-Kompetenz in Rundfunk- und Medienräten"
- Sensibilisierung für LSBTI*-Themen unter dem Gesichtspunkt von gesellschaftlicher Vielfalt ist in allen Gremien der Medien- und Rundfunkräten notwendig.
- Lobbying für Vertretungen, etwa über andere Organisationen, die bereits einen Sitz in dem Gremium haben
- Professionalisierung: Medienschaffende und Redaktionen in Bezug auf queere Themen; Community und ihre Organisationen in Bezug auf eigene Pressearbeit
- Standards für gute LSBTI-sensible Medienarbeit erarbeiten und verbreiten
- Queere Medien unterstützen: Zeitungen kaufen, Abos abschließen, in socials teilen
- Redaktionen nicht nur tadeln, sondern für gute Berichte auch loben (teilen, liken, verbreiten)
Bericht zum Fachforum "Regenbogen-Kompetenz in Rundfunk- und Medienräten"
In der medialen Bericht-Erstattung über LSBTI* hat sich vieles zum Besseren gewandelt. Während einige Medien seriös und angemessen berichten, behandeln andere LSBTI*-Themen überwiegend in reißerischer oder voyeuristischer Aufmachung mit provokativ herabsetzenden Aussagen.
Beim letzten Regenbogen-Parlament in Berlin wurde über die „Lebenswelten von LSBTI* in Medien-Wunsch und Wirklichkeit“ diskutiert. In Köln ging es darum, was sich bisher durch die Interessenvertretung von LSBTI* in einigen Rundfunk- und Medienräten verbessert hat und welche Herausforderungen noch bevorstehen.
Seit 2015 vertritt Caro Frank die Interessen der Allgemeinbevölkerung für die LAG Lesben und das Schwule Netzwerk in der Medienkommission NRW. Damit gehören die beiden Landesverbände zum ersten Mal zu den gesellschaftlich relevanten Gruppen, die in dieses Gremium berufen und dort kollegial aufgenommen wurden. Der Medienkommission obliegen die Vergabe und Kontrolle von Frequenzen, die Aufsicht über bestimmte private Fernsehprogramme, über die privaten Radioprogramme sowie die Förderung von Bürgermedien und Medienkompetenz der Bevölkerung.
Gleiches gilt für die Niedersächsische Landesmedienanstalt. Benjamin Rottmann übernimmt hier die Vertretung des LSVD Niedersachsen-Bremen seit 2016. Auch in Niedersachsen spiegelt sich die gesellschaftliche Vielfalt in der Zusammensetzung der Räte noch nicht umfassend wider. Hier besteht weiterhin Verbesserungs-Potential. Analog zur Situation in Nordrhein-Westfalen findet die ehrenamtliche Arbeit sowohl in den großen Sitzungen aller Mitglieder als auch in einzelnen Ausschüssen statt. Und auch hier findet mehrheitlich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit statt. Die wichtigste Personalentscheidung betrifft die Wahl des*der Direktors*in der Landesmedienanstalt, denn die Direktion bestimmt in jeder Anstalt maßgeblich die inhaltliche Arbeit.
Jenny Renner ist seit 2016 ZDF-Fernsehrät*in. Ihre Entsendung in den ZDF-Fernsehrat erfolgte über den Sitz des Landes Thüringen. Seit diesem Zeitpunkt sind nicht mehr einzelne Parteien, sondern lediglich die Vertretung der Bundesregierung dabei. Dadurch wird die Zusammensetzung des Rates weniger politiklastig. Die dadurch hervorgerufene Mehrheit von kirchlichen Vertretungen wird allerdings kritisch gesehen. Bei diesem Gremium des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks kommt der direkten Programm-Beobachtung eine größere Bedeutung als beim privaten Rundfunk zu.
Auch können bei Beschwerden der Zuschauer*innen direkte Nachfragen gestellt und Verbesserungsvorschläge gemacht werden. Außerdem wählt der Fernsehrat die Intendanz und den Verwaltungsrat. Eine Stärkung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks scheint sinnvoll zu sein, da nur dort Vielfalt ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist. In allen Gremien wird die Auseinandersetzung mit vermehrt rechtspopulistischem Vokabular in der Politik, in der Berichterstattung und in den Medien allgemein mehr und mehr notwendig. Die Angriffe (z.B. auf die Pressefreiheit) nötigen zu direkter Auseinandersetzung, bieten jedoch gleichzeitig die Chance sich selbst zu positionieren.
Die Sensibilisierung für LSBTI*-Themen unter dem Gesichtspunkt von gesellschaftlicher Vielfalt ist in allen Gremien notwendig. Die Vertretungen der anderen Organisationen in den Medien- und Rundfunkräten haben sich schon mehrfach als sehr gute Multiplikator*innen herausgestellt. Auch hier ist im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (von ZDF über 3Sat und KiKa bis zu Phoenix und arte) eine direkte Sensibilisierung der Redaktionen zu deren eigener Berichterstattung möglich.
Weitere LSBTI*-Vertretungen bestehen bereits beim WDR, beim SWR, bei Radio Bremen und zukünftig auch beim Deutschlandfunk. In allen Bundesländern ist weiterhin gute Lobbyarbeit nötig, um die Entsendung von LSBTI*-Vertretungen in die Gremien zu gewährleisten.
Forderungen
- Bewusstsein schaffen für LSBTI*in Redaktionen und Medienhäusern („Normalisierung des Besonderen“)
- Professionalisierung von Medienschaffenden / Redaktionen zu LSBTI*-Themen
- Repräsentation von vielfältigen Stimmen in den Medien („nicht immer nur der weiße schwule cis-Mann, „keine single story“)
- mehr Präsenz von selbstgesetzten queeren Themen in den Medien
- Redaktionen / Medienhäusern signalisieren, was gute Medienarbeit zu LSBTI*-Themen ist
- größere mediale Kraft, Sichtbarkeit, Solidarität
- LSBTI*-Medien unterstützen
- Vertretung von LSBTI* in allen Rundfunk- und Medienräten
- für alle verständlich werden
Strategien
- Sensibilisierung für Lebenswelten von LSBTI*
- Guter Journalismus zu LSBTI*-Themen braucht Aufklärung und Sensibilisierung der Redaktionen / Medienhäuser
- Vernetzung und vielfältige Aufstellung in den eigenen Verbänden („Diversität leben“)
- Vernetzung der Community-Strukturen für gemeinsame PR-Arbeit und Professionalisierung der Pressearbeit
- Redaktionen nicht nur tadeln, sondern auch loben
- Bündnisse mit anderen Vereinen, Organisationen, Interessensvertretungen (Bündnispolitik statt Identitätspolitik)
- Sichtbarkeit der LSBTI*-Community stärken
- Lobbyarbeit
- (An)Sprache finden, die außerhalb der „queer bubble“ funktioniert. Wir müssen auch außerhalb der LSBTI*-Community verstanden werden.
Maßnahmen
- Waldschlösschen-Appell überarbeiten und verbreiten: www.der-appell.de
- Angebote der Medienanstalten zur Diversitäts-Sensibilisierung für Redaktionen
- Qualitätsstandards (Recherche, Themenvielfalt, Repräsentation etc.) formulieren
- Standards für „No-Gos“ (bzgl. der Verwendung von Begriffen und der Bebilderung) festlegen
- Pool von Sprechenden von Interessensvertretungen anlegen und zur Verfügung stellen (vgl. Vielfaltsfinder der Neuen Deutschen Medienmacher)
- aktive Pressearbeit durch gemeinsame Pressemitteilungen und öffentlichkeitswirksame Aktionen
- Beispiele für gute Berichterstattung teilen, liken, verbreiten
- Austausch, Wissenstransfer und gegenseitige Unterstützung
- Zeitungen kaufen, Abos abschließen
- Sensibilisieren und Gespräche mit Landtagsabgeordneten führen
- Leitfaden zu LSBTI*-Themen in einfacher Sprache (geplant von SCHLAU NRW)
- Workshop-Angebot von ANDERS & GLEICH
„Wenn wir unseren eigenen Zielhorizont erweitern und Bündnisse mit anderen Gruppen eingehen, ermöglichen wir einen erweiterten Zugang zu Ressourcen, die zum Erreichen der eigenen Ziele beitragen. (…) Letztendlich kann das, was wir in unseren unterschiedlichen Organisationen alle anstreben – ob wir jetzt beim LSVD, den NdM, NDO oder einer anderen Organisation aktiv sind – unter „soziale Gerechtigkeit“ zusammengefasst werden. Am Ende des Tages haben wir dann ein gemeinsames Ziel. Wir sollten, da wo es Sinn macht, viel häufiger common cause coalitions bilden.“ – Tina Adomako
„Insbesondere in Zeiten eines wachsenden Populismus müssen LSBTI* als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft Sitz und Stimme in Fernseh- und Medienräten haben. Auch die Deutungshoheit von Begriffen sollten wir zurückgewinnen, durch vereinfachte sprachliche Mittel können wir mehr Menschen mit unseren Themen und Positionen erreichen.“ - Benjamin Rottmann
Das Regenbogen-Parlament in Köln war eine Veranstaltung des LSVD-Projekts „Miteinander stärken. Rechtspopulismus entgegenwirken“ in Kooperation mit der Stadt Köln, Amt für Weiterbildung – Volkshochschule / Bereich Politische Bildung. Die Veranstaltung wurde unterstützt von: Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Nordrhein-Westfalen, Heinrich Böll Stiftung Tunis, &a o Hostels (Köln), Restaurant Consilium (Köln). Moderiert wurde das Regenbogen-Parlament von Berena Yogarajah, Referent*in des Autonomen Frauen*Lesben*Referats der Uni Köln.
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