Außenministerin Baerbock stellt Aktionsplan Afghanistan vor
Ob auch LSBTI vor den Taliban gerettet werden sollen, bleibt weiter unklar
Update vom 20.01.2022: Die Bundesregierung hat bekannt gegeben, dass über 80 LSBTI-Menschenrechtsverteidiger*innen aus Afghanistan eine Aufnahme-Zusage für Deutschland bekommen haben. Aber: Das geplante Aufnahmeprogramm könnte afghanische LSBTI durch Fokus auf menschenrechtliches Engagement und „Kernfamilie“ so gut wie ausschließen.
Am Donnerstag hat die neue Außenministerin Baerbock den Aktionsplan Afghanistan vorgestellt. Dieser beinhaltet unter anderem die Beschleunigung der Ausreise derjenigen Afghan*innen, denen Deutschland bereits Schutz zugesagt hat. Auch soll ein humanitäres Aufnahmeprogramm geschaffen werden. Dabei hat das Auswärtige Amt zwar bestimmte gefährdete Gruppen benannt, queere Personen aber wie es scheint ausgeklammert. Der LSVD fordert, dass klargestellt wird: Auch queere Afghan*innen werden bei der Aufnahme berücksichtigt. Dazu erklärt Patrick Dörr (LSVD Bundesvorstand):
Wir unterstützen ganz ausdrücklich, dass die Bundesregierung nun endlich die Dringlichkeit der Lage erkennt und einen Aktionsplan zur Rettung gefährdeter Menschen aus Afghanistan vorlegt. Auch begrüßen wir ausdrücklich, dass afghanische Menschenrechtsverteidiger*innen gestärkt werden sollen. Zu lange müssen die Menschen vor Ort jedoch schon auf die zugesagte Hilfe warten. Das gilt auch für queere Personen in Afghanistan. Am laufenden Band gehen bei uns Hilferufe ein, in denen queere Menschen uns von ihrer Angst und von Gewalt berichten. Auf gleichgeschlechtliche Handlungen steht in Afghanistan die Todesstrafe. Transgeschlechtliche Personen erleben aufgrund ihrer Sichtbarkeit besonders viel Gewalt. Dem Auswärtigen Amt liegen seit Monaten Listen mit Namen gefährdeter lesbischer, schwuler, bisexueller, trans- und intergeschlechtlicher Menschen (LSBTI) im Land vor, der Bundesregierung sind unsere wiederholten Forderungen nach expliziter Berücksichtigung von LSBTI bei den Aufnahmeprogrammen bekannt. Wir befürchten nun, dass die Bundesregierung queere Afghan*innen im Stich lässt. Wir fordern daher Außenministerin Baerbock auf, ausdrücklich klarzustellen, dass auch LSBTI aus Afghanistan gerettet werden und dass gleichgeschlechtliche Paare hierbei als Familie anerkannt werden.
Bereits am 16. Dezember hat sich der LSVD in einem Brief an Innenministerin Faeser (SPD) und Außenministerin Baerbock (Grüne) gewandt und dringend darum gebeten, dass die Bundesregierung schnellstmöglich mit dem angekündigten Aufnahmeprogramm beginnt. Gleichzeitig hat der LSVD darauf gedrungen, dass die Bundesregierung dabei LSBTI als hoch gefährdete Gruppe explizit berücksichtigt. Am 21. Dezember hat der LSVD zusammen mit weiteren Organisationen, die LSBTI-Geflüchtete unterstützen, die Forderung öffentlich gemacht und eine Petition an die Bundesregierung gestartet, die bis jetzt schon fast 2.000 Menschen unterzeichnet haben.
In dem am Donnerstag von Außenministerin Baerbock vorgestellten Aktionsplan Afghanistan werden in den sieben Leitlinien eine ganze Reihe besonders gefährdeter Gruppen explizit genannt, hierunter: Frauen und Mädchen, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger*innen, Medienschaffende und Journalist*innen. LSBTI hingegen, die bereits vor der Machtübernahme der Taliban von Staat und Mehrheitsgesellschaft verfolgt wurden und deren Gefährdung sich nun noch einmal massiv verschärft, bleiben unberücksichtigt. Auch unter der vorherigen Regierung waren LSBTI-Organisationen verboten und unterdrückt, so dass der Verweis auf Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger*innen queere Personen faktisch nicht einschließt.
Erfreulich ist hingegen, dass „bei der Definition der Kernfamilie von Menschen mit Aufnahmezusage und der Prüfung von Härtefällen“ auch „die Lebensrealität der Menschen besser berücksichtigt werden“ soll. Dies muss heißen, dass das grün geführte Außenministerium auch gleichgeschlechtliche Paare, die aufgrund der Gesetzeslage und der Verfolgungsgefahr in Afghanistan nicht heiraten konnten, als Kernfamilie betrachtet. Bei der Familienzusammenführung sind in der bisherigen Praxis gleichgeschlechtliche Paare, die im Herkunftsland verfolgt wurden, vom Auswärtigen Amt Ehepaaren nicht gleichgestellt worden.
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