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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Queer School: Regenbogen-Kompetenz in Schule und Unterricht

Was können Lehrkräfte und Schulleitungen gegen Homophobie und Transfeindlichkeit tun

Kinder, die lesbisch, schwul, bisexuell, trans* oder intergeschlechtlich  sind oder auch nur dafür gehalten werden, erfahren immer noch Mobbing und Gewalt auf Schulhöfen. Wörter wie „schwul“ oder „lesbisch“ werden als Schimpfwörter missbraucht und bleiben von Lehrkräften oftmals unwidersprochen. Wie lässt sich das verändern?

Klassenlehrerin mit ihren Schüler*innen: Symbolbild für das Thema "LGBT in der Schule: Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Unterricht"

Ergebnisse der Podiumsdiskussion "Queer School: Regenbogen-Kompetenz in Schule und Unterricht" auf dem Regenbogen-Parlament mit Marco Düsterwald (Volkshochschul-Landesverband Nordrhein-Westfalen), Renate Bonow (Landeskoordination „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“), Sebastian Krebs (Stellvertretender Vorsitzender der GEW NRW), Laura Becker (Bundesverband Queere Bildung) und Nikolaj Grünwald (Landesschüler*innenvertretung NRW).

Die Broschüre mit den Ergebnissen aller Fachforen und Workshops vom 2. Regenbogen-Parlaments "Akzeptanz von LSBTI* kann als pdf heruntergeladen werden. Sie kann auch so lange der Vorrat reicht per Mail an presse@lsvd.de kostenfrei bestellt werden.

Hauptaussagen 

  • Schule hat den Auftrag, Kinder und Jugendliche auf gesellschaftliche Vielfalt vorzubereiten
  • Lehrkräfte dürfen Schimpfwörter und Mobbing nicht ignorieren und sollten sensibel für Heteronormativität und Diskriminierung sein
  • Vielfalt als Querschnittsthema verankern in Leitbilder, Schulverfassungen, Lehrpläne und Schulbücher
  • Regenbogen-Kompetenz in die Aus- und Fortbildung von Lehrer*innen und pädagogischem Personal
  • rechtspopulistische Kampagnen gegen Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in der Schule (Missbrauch des Beutelsbacher Konsens in der politischen Bildung u.a.)

Queere Lebensweisen: Kein Alltag in der Schule?!

Lehrkräfte und pädagogisches Personal treffen in ihrer Arbeit täglich auf die Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Kindern und Jugendlichen. Auch queere Lebensweisen sind ein Teil dieser gesellschaftlich gelebten Vielfalt in Deutschland, sei es hinsichtlich sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität /-ausdruck oder aber hinsichtlich ihrer Familienformen.  Besonders Schulen und Bildungs-Einrichtungen sollen junge Menschen auf diese Vielfalt vorbereiten. Oft gelingt das jedoch nur mit mäßigem Erfolg.

Kinder erfahren immer noch Mobbing und Gewalt auf Schulhöfen, wenn sie lesbisch, schwul, bisexuell, trans* oder intergeschlechtlich (LSBTI*) sind oder auch nur dafür gehalten werden. Wörter wie „schwul“ oder „lesbisch“ werden als Schimpf-Wörter missbraucht und bleiben von Lehrkräften oftmals unwidersprochenDas pädagogische Personal schreitet zu selten ein. „Schwul“ oder „Schwuchtel“ wird etwa immer noch von 62 % der Sechstklässler*innen und von 54 % der Neunt- und Zehntklässler*innen als Schimpfwort verwendet. Das hätten Studien der Humboldt-Universität Berlin bereits gezeigt.(1)

Der Unterricht und die Lern-Materialien sind heteronormativ, d.h. sie zeigen in der Regel kaum bis keine Vielfalt an Geschlechter-Rollen, Familien-Formen oder Lebensweisen.  LSBTI* sind meistens – wenn überhaupt – nur ein Thema im Biologieunterricht.

Auf der Podiumsdiskussion gingen die Expert*innen der Frage nach, wie es gelingen kann, dass Schulen Orte des Respekts und der Vielfalt werden können.

Lehrkräfte dürfen Schimpfwörter und Mobbing nicht ignorieren

Nikolaj Grünwald von der Landesschüler*innenvertretung Nordrhein-Westfalen betonte, dass es immer noch an Sensibilisierung fehle. Schimpfwörter dürfen nicht ignoriert werden. Oft sei es nur die lokale Schüler*innen-Vertretung, die hier aktiv werden würde. Schulleitungen und Lehrkräfte würden häufig eher passiv reagieren. Bei Schulen in privater Trägerschaft (vor allem bei christlichen Trägern) verschärft sich die Situation noch einmal deutlich, so Grünwald. Der Status quo zeige auch, dass das Klima der Vielfalt an Schulen noch ausbaufähig sei.

Dem stimmte auch Laura Becker vom Bundesverband „Queere Bildung“ zu. Projekte wie „Schule ohne Rassismus“ und „Schule der Vielfalt“ böten Lehrkräften und Schüler*innen die Möglichkeiten, den Alltag an ihren Schulen so zu verändern, dass dieser von einem respektvollen und diskriminierungsfreien Umgang geprägt sei.

Nach Einschätzung des Podiums sei es jedoch eine Herausforderung, in einem solchen Prozess alle einzubinden. Häufig scheitere ein solcher Prozess an der angespannten Personalsituation und an der Überlastung von Lehrkräften. Diese Erfahrungen würden auch Schüler*innen-Vertretungen vor Ort machen. Oft sind es nur einzelne Lehrkräfte, die hier unterstützen würden. 

Leitbilder, Schulverfassungen, Lehrpläne und Schulbücher: Vielfalt verankern

Diese Einschätzung teilte auch Renate Bonow, die im Projekt  „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ für die Landeskoordination in Nordrhein-Westfalen zuständig ist. Laura Becker vom Bundesverband Queere Bildung e.V. merkte an, dass Lehrkräfte oft zwar das Thema auf dem Schirm hätten, jedoch es oft auch an den zeitlichen Kapazitäten scheitern würde. Nur wenn wir die Vielfalt von unterschiedlichen Lebensweisen und Identitäten auch in die Leitbilder und Schulverfassungen verankern würden, könne es gelingen, Vielfalt auch in Schulen erlebbar zu machen und einen respektvollen Umgang sicherzustellen.

Es ginge hier auch um die Sichtbarkeit dieser Vielfalt. Besonders auch Schulbuch-Verlage und die Bildungs-Verwaltungen sollten dafür sorgen, dass die Vielfalt in unserer Gesellschaft auch in den Schulbüchern und Unterrichts-Materialien abgebildet werde.

Nikolaj Grünwald fügte hinzu, dass Schulen auch mehr demokratische Räume bieten müssen. So erfahren Schüler*innen eine Selbstwirksamkeit beim Thema Mitbestimmung und Teilhabe. Renate Bonow merkte an, dass die Thematisierung von LSBTI* auch umfassender in den Lehrplänen verankert werden müsse. Wenn es nicht auch in den Lehrplänen verankert werde, finde das Thema im Unterricht nicht statt

Regenbogen-Kompetenz in die Ausbildung

Gleichzeitig sollte auch das Thema Regenbogen-Kompetenz in die Aus- und Fortbildung von Lehrer*innen und pädagogischem Personal aufgenommen werden.

Laura Becker unterstrich, dass die Wissensvermittlung zu den Themen „Diskriminierung“ und „Vielfalt“ im Vorbereitungsdienst der Lehrkräfte unbedingt verbessert werden sollte. Vielfalt müsse über das Thema Inklusion hinausgedacht werden. Es sei grundlegend, dass Schule die Vielfalt von Identitäten und Lebensweisen als ein Querschnittsthema begreife. Auch sei Vielfalt eine Frage der Haltung von Lehrkräften und pädagogischem Personal. Eine bloße stoffliche Output-Orientierung sei hier eher hinderlich, so Renate Bonow.

Rechtspopulistische Einschüchterungen von Lehrkräften

Sebastian Krebs von der GEW merkte in diesem Zusammenhang auch an, dass die AfD gegenwärtig in einigen Bundesländern mit ihren online Portalen zur Denunziation von Lehrkräften das Schulklima zu beeinflussen versucht.

Es existieren Aufrufe an Schüler*innen zur Denunziation von Lehrer*innen, die sich angeblich nicht an den Beutelsbacher Konsens hielten. Man versuche Lehrkräfte einzuschüchtern, um die Sichtbarkeit der Vielfalt von Identitäten zu verhindern und Kritik an rechten Positionen mundtot zu machen. Das Neutralitätsgebot von Schule werde so instrumentalisiert.

Die Volkshochschulen sehen sich beim Thema Neutralität in einer ähnlichen Situation, vor allem weil sie in der Regel zur kommunalen Verwaltung gehören. Gleichwohl können sie auch Raum geben, um gesellschaftliche Vielfalt sichtbar zu machen und dafür in Kursen zu sensibilisieren.

Demgegenüber steht die Einsicht, dass die politische Aufklärung über populistische Bedrohungen der Menschenrechte und der Demokratie auf jeden Fall ein Auftrag von Schule wie auch Volkshochschule ist. Wir sollten das Thema Vielfalt nicht denen überlassen, die mit Agitationen und faktenfreien Kampagnen unser gesellschaftliches Miteinander spalten wollen, so Marco Düsterwald vom Landesverband NRW der Volkshochschulen. Zielführender sei, die eigenen Wertvorstellungen zu kommunizieren, als sich an rechten Positionen abzuarbeiten. Darüber war sich das Panel einig.

Weitere Forderungen des Podiums

  • Förderung ehrenamtlicher Strukturen, die sich in der Anti-Diskriminierungs-Arbeit engagieren wie zum Beispiel Queere Bildung e.V. Denn Hauptamt wird automatisch mehr ehrenamtliches Engagement hervorgerufen.
  • Das BAMF ist aufgefordert, in den Lehr-Materialien für Integrations-Schulen LSBTI* nicht weiterhin zu ignorieren.
  • Die NRW Landesregierung ist aufgefordert, etwas gegen die Diskriminierung von trans* und iInter* Menschen im Schulalltag zu unternehmen. Die Schule der Vielfalt gibt dazu demnächst einen Leitfaden heraus.

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Das zweite Regenbogenparlament "Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten" in Köln war eine Veranstaltung des LSVD-Projekts "Miteinander stärken" in Kooperation mit der Stadt Köln, Amt für Weiterbildung – Volkshochschule / Bereich Politische Bildung. Die Veranstaltung wurde unterstützt von: Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Nordrhein-Westfalen, Heinrich Böll Stiftung Tunis, &a o Hostels (Köln), Restaurant Consilium (Köln). Moderiert wurde das  Regenbogenparlament von Berena Yogarajah, Referent*in des Autonomen Frauen*Lesben*Referats der Uni Köln. Hier gibt es die gesamte Dokumentation des zweiten Regenbogenparlament "Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten"

Fußnote

(1)Vgl. Klocke, U. (2012). Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen: Eine Befragung zu Verhalten, Einstellungen und Wissen zu lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgeschlechtlichen Personen und deren Einflussvariablen. Berlin: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Online abrufbar.