VG der ILO, Urteil Nr. 2550 v. 12.07.2006
101. Sitzungsperiode Urteil Nr. 2550
Das Verwaltungsgericht –
In Anbetracht der zweiten gegen die Internationale Arbeitsorganisation gerichteten Klageschrift des Herrn D. B. vom 4. Mai 2005, die am 13. September berichtigt worden ist, der Klagebeantwortung der Organisation vom 2. November 2005, der Erwiderung des Klägers vom 7. Februar 2006 und der Gegenerwiderung der Organisation vom 31. März 2006;
In Anbetracht von Artikel II Absatz 1 der Satzung des Gerichtes;
Nach Durchsicht der Akte und ohne dass eine mündliche Verhandlung von den Parteien beantragt oder vom Gericht angeordnet worden ist;
In Anbetracht der Aktenstücke, aus denen sich die folgenden Tatsachen und Behauptungen ergeben:
A. Der Kläger, ein 1946 geborener deutscher Staatsangehöriger, ist 1981 in den Dienst des Internationalen Arbeitsamts, dem Sekretariat der Internationalen Arbeitsorganisation, getreten. Zurzeit bekleidet er die Stelle eines Leitenden Technischen Sachverständigen der Besoldungsgruppe P.5 in der Abteilung für Tätigkeiten nach Sektoren. In einem vom 28. Oktober 2002 datierten Vermerk teilte er der Personalabteilung mit, dass er am 9. Juli 2002 eine Lebenspartnerschaft deutschen Rechts mit einem Partner desselben Geschlechts begründet habe. Er fügte seine Lebenspartnerschaftsurkunde bei und beantragte, in den Genuss der in der Personalordnung vorgesehen Familienzuschläge zu kommen. Diesen Antrag erneuerte er im Januar 2003. Da er hierauf keine Antwort erhielt, wendete er sich schriftlich an den Leiter der Abteilung Personalverwaltung und -entwicklung mit der Frage, ob sein Vermerk vom 28. Oktober 2002 eingegangen sei. Nach einer Reihe von Diskussionen mit dem Abteilungsleiter wurde er mit E-Mail vom 10. Februar 2004 darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Personalabteilung noch dabei sei, die Frage der Anerkennung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften zu prüfen, und zwar insbesondere im Lichte des Bulletins des Generalsekretärs der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) vom 20. Januar 2004, und dass das Amt mehr Zeit benötige, um diese Frage zu lösen. In dem genannten Bulletin, das später zurückgezogen und durch einen weniger direkt formulierten Text ersetzt wurde, bekräftigte der Generalsekretär den Grundsatz, dass Fragen des Personenstands nach dem Heimatrecht des Bediensteten geregelt werden und dass nicht nur eine Ehe, sondern auch eine nach seinem Heimatrecht begründete nichteheliche Lebensgemeinschaft zum Bezug der für Angehörige, die die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen, vorgesehenen Leistungen berechtigen.
Am 3. September reichte der Kläger eine Beschwerde ein, die darauf gerichtet war, dass sein Lebenspartner als sein Gatte anerkannt wird. Am 21. September antwortete ihm der Leiter der Hauptabteilung Personalverwaltung und -entwicklung, dass, nachdem die verschiedenen Einrichtungen des UN-Systems sich in dieser Frage nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise hatten verständigen können, das Amt es für untunlich halte, seinen Verwaltungsrat damit zu befassen. Unterdessen sei es ihm möglich, gleichgeschlechtliche Ehen dann anzuerkennen, wenn „das nationale Recht sie als Beziehung zwischen Gatten definiert.” Er genehmigte die unmittelbare Anrufung des Gerichts ohne Beschreitung des internen Rechtsbehelfsweges.
Der Kläger entschied sich, den Paritätischen Ausschuss anzurufen. Neben den Familienzulagen forderte er Erstattung der Beiträge zur Kranken-, Lebens- und Sozialversicherung, die er auf den Namen seines Lebenspartners hatte leisten müssen, der mangels Anerkennung als Gatte durch das Amt weder in der Krankenkasse noch im Gemeinsamen Pensionsfonds des Personals der Vereinten Nationen mitversichert werden konnte. Er forderte ferner einen Ausgleich für den finanziellen Schaden, der ihm dadurch entstanden sei, dass sein Lebenspartner keine Arbeitserlaubnis in der Schweiz habe erlangen können, und verlangte, dass das Amt sich bei den Schweizer Behörden darum bemühen möge, dass eine solche Erlaubnis erteilt wird. Schließlich forderte er auch einen Ausgleich seines immateriellen Schadens.
In seinem Bericht vom 15. Dezember 2004 kam der Paritätische Ausschuss zu dem Schluss, dass eine deutsche Lebenspartnerschaft dem Kriterium eines tatsächlichen Zustandes entspreche, der im Sinne des Urteils Nr. 1715 des Gerichts ein Recht auf die Anerkennung der Gatteneigenschaft eröffne. Er wies außerdem darauf hin, dass das Amt nach der Veröffentlichung des Bulletins des Generalsekretärs vom 20. Januar beschlossen hatte, zwei gleichgeschlechtliche kanadische Ehen anzuerkennen und so den Begriff des „Gatten” im Sinne der Personalordnung weit auszulegen. Das Amt habe damit eine neue Verwaltungspraxis im Hinblick auf Paarbeziehungen nicht herkömmlicher Art eingeführt. Der Paritätische Ausschuss empfahl, sich in Anwendung dieser Praxis an die Ständige Vertretung Deutschlands bei den Vereinte Nationen und den Internationalen Organisationen in Genf zu wenden, um sich bestätigen zu lassen, dass die Lebenspartnerschaft des Klägers für Zwecke des Bezugs von Leistungen und Vorteilen anerkannt ist, und sodann aufgrund der Antwort der Ständigen Vertretung den Begriff des „Gatten” weit genug auszulegen, damit der Lebenspartner des Klägers als Gatte anerkannt werden könne. Der Ausschuss empfahl ferner, dass das Amt ihm die Familienzulagen rückwirkend ab dem „Tag der Einführung seiner Verwaltungspraxis hinsichtlich gleichgeschlechtlicher Paarbeziehungen”, d.h. ab März 2004 gewährt und „alle Maßnahmen ergreift, die es normalerweise für einen Gatten hinsichtlich des Aufenthalts und der Arbeitserlaubnis vornimmt”. Er war aufgrund der „wohlwollenden Schritte, die das Amt unternommen hatte, um die Frage über seinen Verwaltungsrat zu lösen,” jedoch nicht der Auffassung, dass dem Kläger ein immaterieller Schaden ersetzt werden sollte.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2005 teilte die Exekutivdirektorin für Management und Verwaltung dem Kläger im Namen des Generaldirektors mit, dass dieser die Auffassung des Paritätischen Ausschusses nicht teile. Sie legte dar, dass die Anerkennung zweier gleichgeschlechtlicher kanadischer Ehen durch das Amt auf „der Begründung einer vom Geschlecht der Partner unabhängigen Gattenbeziehung” beruhe und dass dies „keinesfalls eine faktische oder sonstige Verwaltungspraxis begründe[...], dass das Amt nichteheliche Lebensgemeinschaften anerkennen kann” – eine solche Anerkennung erfordere eine Änderung der Personalordnung durch den Verwaltungsrat. Da Runderlässe des UN-Generalsekretärs nicht unmittelbar auf die Internationale Arbeitsorganisation anwendbar seien, können in Ermangelung sonstiger Regelungen das Amt sich nur auf die Personalordnung stützen, um einem Begehren auf Änderung des Personenstandes zu entsprechen. Der Generaldirektor sei daher der Auffassung, dass die Empfehlung des Paritätischen Ausschusses, dass das Amt nichteheliche Lebensgemeinschaften anerkennen solle, jeder Rechtsgrundlage entbehre. Dies ist die angefochtene Entscheidung.
B. Der Kläger sieht sich durch das Internationale Arbeitsamt aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung diskriminiert, was eine Verletzung eines grundlegenden, von zahlreichen internationalen Übereinkommen geschützten Menschenrechts darstelle. Ein Arbeitgeber dürfe seine Arbeitnehmer nicht auf der Grundlage ihrer homosexuellen Neigungen oder des Bestehens einer Lebensgemeinschaft mit einer Person desselben Geschlechts unterschiedlichen Beschäftigungsbedingungen unterwerfen.
Ferner werde er aufgrund seiner Staatsangehörigkeit diskriminiert, da bei Bediensteten anderer Staatsangehörigkeiten Paarbeziehungen mit Personen desselben Geschlechts wohl anerkannt werden, nur weil deren Heimatrecht gleichgeschlechtliche Ehen zulasse. Im Allgemeinen sei es nicht das nationale Recht, das die Beschäftigungsbedingungen beim Internationalen Arbeitsamt bestimme; die diesbezügliche Ausnahme hinsichtlich des Personenstandes der Bediensteten sei nur eine einfache Verwaltungspraxis, auch wenn sie von anderen internationalen Organisationen gleichermaßen so gehandhabt werde. Weder in der Personalordnung noch sonst wo gebe es eine geltende Bestimmung, aus der das Personal dies entnehmen könne. Bezugnehmend auf das Urteil Nr. 28 macht der Kläger geltend, dass das Gericht nur an die internen Bestimmungen der Organisation gebunden sei und es daher die Frage der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Gatten ausschließlich auf der Grundlage der Personalordnung beurteilen sollte, die keine formellen Voraussetzungen dafür aufstellen, dass jemand als Gatte anzusehen ist.
Die Organisation behaupte zu Unrecht, dass eine Änderung der Personalordnung erforderlich sei, mit der neben den Gatten auch Parteien einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich genannt werden; vielmehr sei eine Auslegung der Personalordnung, wonach „andere als offiziell verheiratete Gatten” ausgeschlossen seien, nicht mit den vom Internationalen Arbeitsamt vertretenen Werten zu vereinbaren, die auch der Verwaltungsrat zu beachten habe. Der Kläger legt dem Gericht nahe, davon auszugehen, dass der Generaldirektor befugt ist, die Personalordnung auch ohne Änderung zugunsten von Parteien einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auszulegen, wie dies auch der UN-Generalsekretär getan hat.
Aus Sicht des Klägers sei es nicht opportun, dass die Organisation sich auf einen einzigen Aspekt des nationalen Rechts bezieht, da das Leben eines deutschen Bediensteten im Ausland, vor allem wenn es sich um einen Bediensteten einer internationalen Organisation handelt, nicht generell vom deutschen Recht beherrscht wird. Ferner habe der deutsche Gesetzgeber mit dem Erlass des Lebenspartnerschaftsgesetzes nicht die Absicht verfolgt, Unterschiede zwischen gleichgeschlechtlichen Lebensbünden und Ehen zu machen, sondern im Gegenteil bestehende Unterschiede zwischen beiden Formen des Zusammenlebens zu beseitigen. Das Internationale Arbeitsamt bediene sich nun aber gerade der deutschen Gesetzgebung, um einen Unterschied zwischen Lebenspartnerschaften und Ehen zu machen. Schließlich seien die wenigen verbleibenden Unterschiede, die in Deutschland noch zwischen Lebenspartnerschaften und Ehen bestehen, für das Dienstverhältnis des Klägers zum Internationalen Arbeitsamt nicht relevant.
Der Kläger führt weiter aus, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht am 17. Juli 2002 entschieden habe, dass der besondere Schutz der Ehe nach Art. 6 GG es nicht verbiete, dass der Gesetzgeber für Partnerschaften zwischen Personen desselben Geschlechts Rechte und Pflichten vorsehen, die denen entsprechen oder nahe kommen, die sich aus der Ehe ergeben. Infolge dieser Entscheidung sei das Lebenspartnerschaftsgesetz aus dem Jahre 2001 am 15. Dezember 2004 derart geändert worden, dass sich die Unterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft nunmehr auf „einige marginale Aspekte” reduzierten.
Der Kläger macht auch geltend, dass er als Bediensteten des Internationalen Arbeitsamtes innerhalb des internationalen öffentlichen Dienstes diskriminiert werde. Er macht das Amt dafür verantwortlich, dass er gegenüber anderen internationalen Bediensteten, deren nichteheliche Lebensgemeinschaften durch ihre jeweiligen internationalen Dienstherren anerkannt sind, benachteiligt wird.
Der Kläger begehrt die Anerkennung seines Partners als Gatten im Sinne der Personalordnung und die rückwirkende Zahlung der Familienzulagen ab dem 9. Juli 2002, dem Tag der Begründung ihrer Lebenspartnerschaft. Er verlangt ferner die Zahlung von 30 000 US-Dollar als Ausgleich für seinen immateriellen Schaden, den Einkommensverlust aufgrund der fehlenden Arbeitserlaubnis seines Partners und die als Beiträge zur Kranken- und Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Lebensversicherung aufgebrachten Kosten.
C. Unter Bezugnahme auf die Urteile Nr. 1715 und Nr. 2193 macht die Organisation geltend, dass der Kläger zur Untermauerung seines Klagebegehrens nicht den Nachweis geführt hat, dass eine Ehe vorliegt, und auch nicht, dass seine Partnerschaft nach deutschem Recht als Ehe gilt oder dass das deutsche Lebenspartnerschaftsgesetz sich auf die Frage der Zulagen für unterhaltsberechtigte Gatten erstreckt, die er nach der Personalordnung begehrt. Im Gegenteil bestätigten die Erläuterungen des deutschen Generalkonsuls und des Klägers selbst vor dem Paritätischen Ausschuss, dass Lebenspartner nicht alle Rechte von nach dem deutschen Eherecht verbundenen Gatten genießen und dass das Bundesverfassungsgericht am 17. Juli 2002 erklärt hat, dass Ehe und Lebenspartnerschaft zwei unterschiedliche Institutionen sind.
Es liege keinerlei Beweis vor, dass die angefochtene Entscheidung rechtswidrig war oder offensichtlich mit irgendeinem Rechts- oder Tatsachenfehler, einem Verfahrensmangel oder einem Machtmissbrauch behaftet war. Die Entscheidung wäre im Gegenteil dann rechtswidrig gewesen, wenn das Internationale Arbeitsamt der Empfehlung des Paritätischen Ausschusses gefolgt wäre, weil es dann einseitig einen Beschluss gefasst hätte, der allein dem Verwaltungsrat vorbehalten ist. Auch wenn letzterer im November 2001 den Generaldirektor – unter dem Vorbehalt der Einwände einiger Mitgliedstaaten – ermächtigt hat, gewisse Initiativen hinsichtlich nichtehelicher Lebensgemeinschaften zu ergreifen, so habe doch dieser Beschluss auf der Prämisse beruht, dass der Begriff des „Gatten” im Sinn der Personalordnung vom Generaldirektor nicht automatisch dahingehend ausgelegt werden konnte, dass er ohne vorherige Zustimmung des Verwaltungsrates auch in nichtehelicher Lebensgemeinschaft verbundene Partner erfasst.
Die Beklagte behauptet weiter, dass der Generaldirektor die angefochtene Entscheidung zu Recht auf die ständige Praxis der Organisation gestützt hat, die Bestandteil ihres internen Rechts geworden sei. Mangels einer Definition des Begriffes „Gatte” in der Personalordnung, beziehe sie sich auf das Heimatrecht des Bediensteten, um festzustellen „ob ein Eheband zwischen dem Bediensteten und der Person besteht, die dieser als Gatten geltend macht.” Im Falle des Klägers zwinge die Bezugnahme auf das deutsche Recht zu dem Schluss, dass er nicht als verheiratet anerkannt ist, sondern als in einer Lebenspartnerschaft lebend, wobei es sich um „eine gesonderte und verschiedene Institution handelt, die nach deutschem Recht einen von der Ehe zu unterscheidenden Status mit sich bringt.”
Die Praxis der Internationalen Arbeitsorganisation sei nicht diskriminierend, sondern beruhe vielmehr auf anzuerkennenden verwaltungsmäßigen Gründen und sei die berechtigte und vernünftige Folge einer unterschiedlichen Situation. Diese Praxis könne nicht so gesehen werden, dass sie zum Gegenstand habe, eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung herbeizuführen, da gleichgeschlechtliche Ehen genauso behandelt würden wie verschiedengeschlechtliche Ehen. Wenn auch der Gedankengang nachvollziehbar sei, dass sie in den Fällen eine diskriminierende Wirkung habe, in denen das nationale Recht keine gleichgeschlechtlichen Ehen zulasse, so liege das eben am Recht des betreffenden Staates, aber ihre Aufrechterhaltung sei aus allgemeineren Erwägungen gerechtfertigt, „solange bis eine Änderung bei den zugrunde liegenden Unterschieden eintritt, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Ausrichtung der nationalen Rechtsordnungen, die derzeit die Vielfalt der Ansichten zu dieser Frage unter den Mitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen widerspiegeln.”
Die Zuerkennung eines Ausgleichs für immateriellen Schaden, für Einkommensausfall wegen des Umstandes, dass der Partner des Klägers keine Arbeitserlaubnis besaß, oder für die Kosten der Kranken- und Sozialversicherung des Partners sei nicht begründet, da die Organisation alles in ihrer Macht stehende getan habe, um die Situation homosexueller Partner zu verbessern. Würde das Gericht Familienzulagen zusprechen, so könnten diese erst ab dem Inkrafttreten des geänderten Statuts geschuldet sein, nicht aber rückwirkend.
D. In seiner Erwiderung führt der Kläger seine Argumentation weiter aus. Wenn die Organisation sich auf das nationale Recht beziehe, so müsse sie dieses in den richtigen Kontext setzen. Die Unterscheidung des deutschen Rechts zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft beruhe auf einem diskriminierenden Ausgangspunkt. Gegenüber solchen Rechtsvorschriften müsse die Internationale Arbeitsorganisation ihre eigene, diskriminierungsfreie, Lösung auf der Grundlage ihre eigenen Grundhaltung und der Verpflichtungen finden, die sie selbst eingegangen ist.
Der Kläger führt zwei Entscheidungen des deutschen Bundesverwaltungsgerichts an, die sein Vorbringen stützen, dass er nicht ledig ist, weswegen es nicht rechtmäßig sei, sein Gehalt und seine Zusatzleistungen nach den für Bedienstete ohne unterhaltsberechtigte Angehörige geltenden Sätzen zu zahlen. Das Amt sei außerdem auch noch nachlässig gewesen und habe nicht nachgewiesen, dass es alles in seiner Macht stehende getan habe, um – entsprechend den Anweisungen des Verwaltungsrates – die Anerkennung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften voranzutreiben.
E. In ihrer Gegenerwiderung erhält die Organisation ihre Auffassung aufrecht. Die Bezugnahme auf das Heimatrecht des Bediensteten erscheine als die einzig mögliche Lösung, die zugleich auch der weltweiten kulturellen Vielfalt gerecht wird, wie sie sich der Organisation darstellt. Aus den Diskussionen im Verwaltungsrat im November 2001 und in der UN-Generalversammlung im März 2004 gehe hervor, dass eine erhebliche Zahl von Staaten sich jeder Änderung mit Nachdruck widersetzen, die es einer internationalen Organisation ermöglichen würde, zum Zwecke der Zuerkennung von Leistungen nach der Personalordnung die Begriffe „Gatte” oder „Partner” selbst zu definieren –
SIEHT FOLGENDE GRÜNDE:
1. Der Kläger ist Bediensteter der Besoldungsgruppe P.5 und deutscher Staatsangehöriger; er hat mit Vermerk vom 28. Oktober 2002 an die Verwaltung des Internationalen Arbeitsamtes beantragt, dass sein Partner männlichen Geschlechts, mit dem er seit dem 9. Juli 2002 durch einen nach dem deutschen Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 registrierten Rechtsakt verbunden ist, als sein Gatte anerkannt wird. Am 16. Januar 2003 füllte er das vom Internationalen Arbeitsamt übermittelte Formular über die Familienzusammensetzung und über Anträge auf Familienzulagen aus, in dem er beantragte, dass sein Gatte als unterhaltsberechtigter Angehöriger betrachtet wird. Nach wiederholtem Andringen, bei dem er sich insbesondere auf die neuen bei der UNO erlassenen Regelungen berief, erhielt er mit Datum vom 10. Februar 2004 eine vorläufige Antwort und schließlich ein Schreiben des Leiters der Abteilung Personalverwaltung und -entwicklung, mit dem ihm die Gründe dargelegt wurden, derentwegen das Amt gleichgeschlechtliche Partnerschaften nur dann anerkennen könne, wenn es sich um Ehen handele, die nach dem anwendbaren nationalen Recht eine Rechtsbeziehung zwischen Gatten zustande bringe. In dem Schreiben wird hinzugefügt:
„Das Amt hofft aufrichtig, dass es ihm möglich wird, den Erlass von Vorschriften über gesetzlich anerkannte Partnerschaften zu erwirken, sobald es der Auffassung ist, dass seine Vorschläge in den zuständigen Beschlussorganen eine ausreichende Unterstützung finden.”
Diese Antwort war für den Kläger nicht überzeugend, weswegen dieser eine Beschwerde beim Paritätischen Ausschuss einreichte, die der Ausschuss nach Anhörung zahlreicher Zeugen – darunter insbesondere auch des deutschen Generalkonsuls in Genf – positiv beschied. Dabei empfahl der Paritätische Ausschuss am 15. Dezember 2004 der Verwaltung, sich an die Ständige Vertretung Deutschlands bei den Vereinte Nationen und den Internationalen Organisationen in Genf zu wenden, um sich bestätigen zu lassen, dass die Lebenspartnerschaft des Klägers „für Zwecke des Bezugs von Leistungen und Vorteilen nach deutschem Recht gesetzlich anerkannt ist,” sowie daraus alle rechtlichen Konsequenzen zu ziehen, und zwar zumindest ab März 2004, da in diesem Monat die Gültigkeit zweier kanadischer Ehen gleichgeschlechtlicher Paare anerkannt worden war.
2. Mit einer am 4. Februar 2005 bekannt gegebenen Entscheidung weigerte sich der Generaldirektor, der Empfehlung des Paritätischen Ausschusses zu folgen, und wies die Beschwerde zurück. Diese Entscheidung vom 4. Februar 2005 ist es, die der Kläger vor dem hiesigen Gericht mit dem Begehren anficht, seinen Partner als Gatten im Sinne der Personalordnung anzuerkennen, die Zahlung der ab dem 9. Juli 2002 geschuldeten Familienzulagen sowie die Erstattung seiner Kosten der von ihm für Rechnung seines Partners gezahlten Kranken- und Rentenversicherungskosten und des Einkommensverlustes aufgrund der fehlenden Arbeitserlaubnis seines Partners zu erhalten. Er verlangt ferner die Zahlung von 30 000 US-Dollar als Ausgleich für seinen immateriellen Schaden.
3. Wie im ebenfalls heute ergangenen Urteil Nr. 2549 geht es um die Frage, ob das Internationale Arbeitsamt den Lebenspartner des Klägers als dessen „Gatten” im Sinne der Personalordnung ansehen konnte und musste und ihm daher die Leistungen zu gewähren waren, die dem unterhaltsberechtigten Gatten eines Beschäftigten zuerkannt werden: Die zwischen den Parteien ausgetauschten Argumente sowie die Empfehlung des Paritätischen Ausschusses gleichen hinsichtlich der so formulierten Grundsatzfrage – in entsprechender Anwendung – denen, die das Gericht in seinem Urteil Nr. 2549 beurteilt hat. Das Gericht ist daher aus den dort angegebenen Gründen1) der Auffassung, dass es Fallgestaltungen gibt, in denen die Eigenschaft eines Gatten auch ohne eine Eheschließung anerkannt werden kann, wobei der betreffende Bedienstete anzugeben hat, auf welche Bestimmungen des örtlichen Rechts er sich genau beruft.
4. Es ist daher zu prüfen, ob das deutsche Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 den Schluss zulässt, dass der Kläger und sein Lebenspartner Gatten im Sinne der hier anzuwendenden Vorschriften sind. Nach dem Vorbringen in der Erwiderung der Beklagten ist dieses Gesetz auf gleichgeschlechtliche Partner beschränkt und sieht es die Begründung der Partnerschaft vor einer staatlichen Behörde sowie eine Gesamtheit von gegenseitigen Rechten und Pflichten vor, zu denen z.B. eine – auch nachpartnerschaftliche – Unterhaltspflicht gehört. Die Beklagte hebt jedoch hervor, dass das Gesetz nicht eine Eheform zum Gegenstand hat und dass das Bundesverfassungsgericht, das über die Vereinbarkeit des Gesetzes mit Art. 6 Abs. 1 GG zu entscheiden hatte, in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2002 ausgeführt hat, dass die eingetragenen Lebenspartnerschaft „keine Ehe” im Sinne jener Verfassungsbestimmung sei. Dies ist zwar richtig, es ist aber hinzuzufügen, dass das Gericht in derselben Entscheidung ebenfalls ausgeführt hat, dass der„besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG [...] den Gesetzgeber nicht [hindert], für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen. Dem Institut der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.” Die deutsche Regierung hat diese Entscheidung im Jahre 2004 wie folgt verstanden, als sie sich anschickte, Änderungen des Gesetzes vom 16. Februar 2001 vorzuschlagen:
„Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Juli 2002 die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Künstliche Unterscheidungen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft sollen beseitigt werden“
Im Sinne einer Angleichung der wesentlichen Grundzüge der Ehe und der Lebenspartnerschaft durch die deutschen Behörden und Gerichte ist ferner eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu nennen, mit der die Zahlung von Familienzulagen an verpartnerte deutsche Staatsangestellte angeordnet wird, die einem Tarifvertrag unterliegen, der die Zahlung solcher Zulagen an verheiratete Angestellte vorsieht. Die Beklagte versteht diese Entscheidung richtig, wenn sie anführt, dass das Bundesarbeitsgericht der Auffassung ist, dass mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz „ein neuer Personenstand eigener Art” geschaffen wurde; sie fügt jedoch hinzu, dass diese Lösung im Hinblick auf den streitgegenständlichen Tarifvertrag gerechtfertigt sein möge, sie aber für die Anwendung der Personalordnung des Internationalen Arbeitsamtes nicht einschlägig sei.
5. In Wirklichkeit sind die Unterschiede zwischen der Form der Eheschließung und der Begründung einer Lebenspartnerschaft sowie die Unterschiede bei den Folgen für die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien äußerst gering, wie insbesondere die vom deutschen Generalkonsul in Genf vor dem Paritätischen Ausschuss vorgetragenen Präzisierungen und die Beurteilung durch die deutschen Gerichte zeigen.
6. Daher ist das Gericht der Auffassung, dass – entsprechend der Entscheidung in der Rechtssache, die zu dem Urteil Nr. 2549 geführt hat – der Generaldirektor mit der angefochtenen Entscheidung vom 4. Februar 2005 zu Unrecht die Anerkennung des Lebenspartners des Klägers als Gatten verweigert hat und dass diese Anerkennung rückwirkend ab dem 28. Oktober 2002 zu erfolgen hat, dem Tag des ersten dahingehenden Ersuchens des Klägers. Die beklagte Organisation hat dieses Urteil auszuführen, indem sie dem Kläger diejenigen Vorteile gewährt, die ihm seit diesem Tag verweigert worden sind und indem sie der Krankenkasse eine Bescheinigung über die Anerkennung des Partners als Gatten übermittelt, damit diese daraus ggf. die erforderlichen Konsequenzen für seine Mitversicherung zieht. Gegen Vorlage der nötigen Belege hat sie dem Kläger die Kosten zu erstatten, die ihm durch den Abschluss einer privaten Krankenversicherung für seinen Lebenspartner entstanden sind, jedoch nicht die Beträge für die vom Betroffenen selbst abgeschlossene Lebensversicherung. Hinsichtlich der Pensionsansprüche hat die Organisation dem Gemeinsamen Pensionsfonds des Personals der Vereinten Nationen alle für die Beurteilung der Ansprüche des Lebenspartners des Klägers erforderlichen Angaben zu übermitteln. Soweit jedoch das Klagebegehren auf den Ausgleich des Einkommensverlusts durch das Fehlen einer Arbeitserlaubnis der Schweizer Behörden gerichtet ist, kann ihm vorliegend nicht stattgegeben werden, da diese Frage die Schweizer Behörden betrifft und der Lebenspartner, dem eine Ausweiskarte ausgestellt worden ist, als „Hausangestellter” des Klägers geführt wurde.
7. Der Kläger fordert ferner Ausgleich für den immateriellen Schaden, der ihm durch die diskriminierende Haltung der Organisation ihm gegenüber und durch deren Nachlässigkeit beim Voranbringen der Anerkennung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften entstanden sei. Nach Lage der Akten kann jedoch keineswegs auf die Böswilligkeit der Beklagten und auf eine diskriminierende Haltung ihrerseits geschlossen werden. Hingegen ist das Gericht nach Abwägung aller Umstände des Falles der Auffassung, dass der Kläger Anspruch auf eine Entschädigung seines immateriellen Schadens hat, die auf 5 000 Schweizer Franken festgesetzt wird.
8. Da er obsiegt, sind dem Kläger Verfahrenskosten zuzusprechen, die auf 3 000 Franken festgesetzt werden.
Aus diesen Gründen –
VERFÜGT WAS FOLGT:
- Die angefochtene Entscheidung vom 4. Februar 2005 wird aufgehoben.
- Die Sache wird an die Internationale Arbeitsorganisation zurückverwiesen, die die Rechte des Klägers gemäß obigem Erwägungsgrund 6 zu prüfen hat.
- Die Organisation zahlt dem Kläger eine Entschädigung von 5 000 Schweizer Franken.
- Sie zahlt ihm ferner 3 000 Franken Kostenerstattung.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Verkündet in Genf, in öffentlicher Sitzung am 12. Juli 2006.
Catherine Comtet
Anmerkung:
- Im Erwägungsgrund 11 des Urteils Nr. 2549 vom selben Tag heißt es:
Daher stellt sich die Frage, ob die vom Amt für den Fall einer nach dem Heimatrecht des Bediensteten bestehenden Ehe bereits vorgenommene weite Auslegung des Gattenbegriffes nicht auf diejenigen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften erstreckt werden muss, die vom Heimatrecht der Partner nicht ausdrücklich als Ehen bezeichnet werden. Hier ausschließlich auf die Wortbedeutung abstellen zu wollen, erschiene dem Gericht übertrieben formalistisch; ein solcher Ansatz verbietet sich in Bereichen, in denen die Situationen je nach Land variieren und wo besonderes Augenmerk darauf zu richten ist, keine Ungleichbehandlung zwischen Bediensteten zu schaffen, die sich in vergleichbaren Situationen befinden: Dass ein Land sich für eine rechtliche Lösung entschieden hat, die zwar die Gültigkeit gleichgeschlechtlicher Lebensbünde anerkennt, diesen aber das Etikett "Ehe" verweigert, muss nicht notwendigerweise zu dem Schluss führen, dass Beschäftigten, die dem betreffenden Staat angehören, bestimmte Rechte vorenthalten werden müssen... (Der Rest ist praktisch identisch mit dem letzten Satz von Erwägungsgrund 3 und dem ersten Satz von Erwägungsgrund 4.)