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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Recht

Andere Rechtsgebiete - Teil II

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Internet

EGMR:

  • 1.     Ermöglicht der Betreiber eines Online-Newsportals nicht registrierten Nutzern, Kommentare zu Beiträgen auf dem Portal zu posten, übernimmt er damit – neben den Verfassern derselben – eine Verantwortung bezüglich der Inhalte dieser Kommentare. Die Zuweisung des Schadensrisikos an das Newsportal stellt in soweit keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung dar.
    2.     Der gerichtliche Ausspruch der Haftung des Betreibers eines Newsportals für diffamierende Kommentare, die Leser auf dem Internetportal zu Nachrichtenbeiträgen gepostet hatten, kann unter den Umständen des vorliegendenen Falls eine gerechtfertigte und verhältnismäßige Beschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung des Portalbetreibers sein. Hierbei sind wesentliche Faktoren der Interessensabwägung der den guten Ruf einer Person verletzende Inhalt der Kommentare, die kommerzielle Ausrichtung des Portalbetriebs und die Unzulänglichkeit der vom Portalbetreiber getroffenen Maßnahmen, um Schäden am Ruf anderer Personen hintanzuhalten und dafür zu sorgen, dass die Verfasser der Kommentare zur Verantwortung gezogen werden können.
    • EGMR (Erste Kammer), Urt. v. 10.10.2013 (Fall Delfi AS vs Estland); deutsche Übersetzung MR-Int 2013, 89, m. Anm. Maria Windhager und Lukas Gahleitner, 94; Anm. Christian Volkmann, K&R 2013, 762; Anm. Alexander Millstein, MMR 2014, 41 

EUGH:
  • 1.     Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Inhalte, die auf einer Website veröffentlicht worden sind, die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, die Möglichkeit hat, entweder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Urheber dieser Inhalte niedergelassen ist, oder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, eine Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben. Anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens kann diese Person ihre Klage auch vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Diese sind nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts verursacht worden ist.
         2.      Art. 3 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) ist dahin auszulegen, dass er keine Umsetzung in Form einer speziellen Kollisionsregel verlangt. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch vorbehaltlich der bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2001/31 gestatteten Ausnahmen im koordinierten Bereich sicherstellen, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs keinen strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht.
  • 1.     Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind.
    2.     Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.
  • 1.     Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte oder dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, sofern die Informationen personenbezogene Daten enthalten, als „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46 einzustufen ist und dass der Betreiber dieser Suchmaschinen als für diese Verarbeitung „Verantwortlicher“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 anzusehen ist.
    2.     Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 ist dahin auszulegen, dass im Sinne dieser Bestimmung eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung ausgeführt wird, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats besitzt, wenn der Suchmaschinenbetreiber in einem Mitgliedstaat für die Förderung des Verkaufs der Werbeflächen der Suchmaschine und diesen Verkauf selbst eine Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft gründet, deren Tätigkeit auf die Einwohner dieses Staates ausgerichtet ist.
    3.     Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 sind dahin auszulegen, dass der Suchmaschinenbetreiber zur Wahrung der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Rechte, sofern deren Voraussetzungen erfüllt sind, dazu verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen zu dieser Person zu entfernen, auch wenn der Name oder die Informationen auf diesen Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden und gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung auf den Internetseiten als solche rechtmäßig ist.
    4.     Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 sind dahin auszulegen, dass im Rahmen der Beurteilung der Anwendungsvoraussetzungen dieser Bestimmungen u. a. zu prüfen ist, ob die betroffene Person ein Recht darauf hat, dass die Information über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird, wobei die Feststellung eines solchen Rechts nicht voraussetzt, dass der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste ein Schaden entsteht. Da die betroffene Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus den Art. 7 und 8 der Charta verlangen kann, dass die betreffende Information der breiten Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung gestellt wird, überwiegen diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu der Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche. Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn sich aus besonderen Gründen – wie der Rolle der betreffenden Person im öffentlichen Leben – ergeben sollte, dass der Eingriff in die Grundrechte dieser Person durch das überwiegende Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, über die Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste Zugang zu der betreffenden Information zu haben, gerechtfertigt ist.
  • Die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der Framing-Technik, wie sie im Ausgangsverfahren in Frage steht, allein stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet.
  • Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass zur Klärung der Frage, ob das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine "öffentliche Wiedergabe" im Sinne dieser Bestimmung darstellt, zu ermitteln ist, ob die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden oder ob die Links vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, wobei im letzteren Fall diese Kenntnis zu vermuten ist.
  • 1.     Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie und mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die von dem Betreiber eines Kommunikationsnetzes erbracht wird und darin besteht, dass dieses Netz der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellt, wenn diese Leistung von dem Anbieter zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird.
    2.     Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung genannte Dienst, der darin besteht, Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, bereits dann als erbracht anzusehen ist, wenn dieser Zugang den Rahmen des technischen, automatischen und passiven Vorgangs, der die erforderliche Übermittlung von Informationen gewährleistet, nicht überschreitet, ohne dass eine zusätzliche Anforderung erfüllt sein müsste.
    3.     Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Voraussetzung nicht im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie entsprechend gilt.
    4.     Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass es keine anderen Anforderungen als die in dieser Bestimmung genannte gibt, denen ein Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, unterläge.
    5.     Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass es ihm zuwiderläuft, dass derjenige, der durch eine Verletzung seiner Rechte an einem Werk geschädigt worden ist, gegen einen Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, Ansprüche auf Schadensersatz und auf Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahnkosten oder Gerichtskosten geltend machen kann, weil dieser Zugang von Dritten für die Verletzung seiner Rechte genutzt worden ist. Hingegen ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass es ihr nicht zuwiderläuft, dass der Geschädigte die Unterlassung dieser Rechtsverletzung sowie die Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtskosten von einem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt und dessen Dienste für diese Rechtsverletzung genutzt worden sind, verlangt, sofern diese Ansprüche darauf abzielen oder daraus folgen, dass eine innerstaatliche Behörde oder ein innerstaatliches Gericht eine Anordnung erlässt, mit der dem Diensteanbieter untersagt wird, die Fortsetzung der Rechtsverletzung zu ermöglichen.
    6.     Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 ist unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Grundrechtsschutzes und der Regelungen der Richtlinien 2001/29 und 2004/48 dahin auszulegen, dass er grundsätzlich nicht dem Erlass einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, mit der einem Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz, das der Öffentlichkeit Anschluss an das Internet ermöglicht, vermittelt, unter Androhung von Ordnungsgeld aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels dieses Internetanschlusses ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile davon über eine Internettauschbörse („peer-to-peer“) zur Verfügung zu stellen, wenn der Diensteanbieter die Wahl hat, welche technischen Maßnahmen er ergreift, um dieser Anordnung zu entsprechen, und zwar auch dann, wenn sich diese Wahl allein auf die Maßnahme reduziert, den Internetanschluss durch ein Passwort zu sichern, sofern die Nutzer dieses Netzes, um das erforderliche Passwort zu erhalten, ihre Identität offenbaren müssen und daher nicht anonym handeln können, was durch das vorlegende Gericht zu überprüfen ist.
  • Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach der Inhaber des verletzten Rechts des geistigen Eigentums von der Person, die dieses Recht verletzt hat, entweder die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens – bei der sämtliche für den Anlassfall maßgebenden Aspekte zu berücksichtigen sind – oder, ohne den tatsächlichen Schaden nachweisen zu müssen, die Zahlung einer Geldsumme verlangen kann, die dem Doppelten der angemessenen Vergütung entspricht, die für die Erteilung der Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Werks zu entrichten gewesen wäre, nicht entgegensteht.
  • Der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er die Einstellung einer Fotografie auf eine Website erfasst, wenn die Fotografie zuvor ohne beschränkende Maßnahme, die ihr Herunterladen verhindert, und mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers auf einer anderen Website veröffentlicht worden ist.
  • Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/29/EG vom 22. Mai 2001 i.V.m. mit ihrem Art. 3 Abs. 1 einerseits und Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004 andererseits sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren streitigen in der Auslegung durch das zuständige nationale Gericht entgegenstehen, wonach der Inhaber eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurden, nicht haftbar gemacht werden kann, wenn er mindestens ein Familienmitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Familienmitglied mitzuteilen.
         Die Rechtsinhaber müssen über einen wirksamen Rechtsbehelf oder über Mittel verfügen, die es den zuständigen Gerichten ermöglichen, die Erteilung der erforderlichen Auskünfte anzuordnen.
  • 1.     Art. 2 Buchst. f und Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr bzw. mit Art. 4 Nr. 11 und Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46 (Datenschutz-Grundverordnung) sind dahin auszulegen, dass keine wirksame Einwilligung im Sinne dieser Bestimmungen vorliegt, wenn die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät des Nutzers einer Website gespeichert sind, mittels Cookies durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen erlaubt wird, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen muss.
    2.     Art. 2 Buchst. f und Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46 bzw. mit Art. 4 Nr. 11 und Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2016/679 sind nicht unterschiedlich auszulegen, je nachdem, ob es sich bei den im Endgerät des Nutzers einer Website gespeicherten oder abgerufenen Informationen um personenbezogene Daten im Sinne der Richtlinie 95/46 bzw. der Verordnung 2016/679 handelt oder nicht.
    3.      Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58 ist dahin auszulegen, dass Angaben zur Funktionsdauer der Cookies und dazu, ob Dritte Zugriff auf die Cookies erhalten können, zu den Informationen zählen, die der Diensteanbieter dem Nutzer einer Website zu geben hat.
  • Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr") insbesondere ihr Art. 15 Abs. 1, ist dahin auszulegen, dass sie es einem Gericht eines Mitgliedstaats nicht verwehrt,
    –     einem Hosting-Anbieter aufzugeben, die von ihm gespeicherten Informationen, die den wortgleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, unabhängig davon, wer den Auftrag für die Speicherung der Informationen gegeben hat;
    –     einem Hosting-Anbieter aufzugeben, die von ihm gespeicherten Informationen, die einen sinngleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, sofern die Überwachung und das Nachforschen der von einer solchen Verfügung betroffenen Informationen auf solche beschränkt sind, die eine Aussage vermitteln, deren Inhalt im Vergleich zu dem Inhalt, der zur Feststellung der Rechtswidrigkeit geführt hat, im Wesentlichen unverändert geblieben ist, und die die Einzelheiten umfassen, die in der Verfügung genau bezeichnet worden sind, und sofern die Unterschiede in der Formulierung dieses sinngleichen Inhalts im Vergleich zu der Formulierung, die die zuvor für rechtswidrig erklärte Information ausmacht, nicht so geartet sind, dass sie den Hosting-Anbieter zwingen, eine autonome Beurteilung dieses Inhalts vorzunehmen;
    –     einem Hosting-Anbieter aufzugeben, im Rahmen des einschlägigen internationalen Rechts weltweit die von der Verfügung betroffenen Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.

BVerfG:
  • Der Betreiber eines Internteforums ist für Inhalte, die in Forenbeiträgen mittels "Fremdlinks" zugänglich gemacht werden, nur verantwortlich, wenn er die Links zur Kenntnis genommen oder sogar gebilligt hat.
         Anhaltspunkte dafür können sein die Häufigkeit von Links auf urheberrechtlich geschützte Werke (bezogen auf die Größe des Internetforums, die Zahl der täglich eingestellten Beiträge oder die Zahl der aktiven Nutzer des Forums) oder vorangegangene Abmahnungen durch Inhaber von Urheberrechten.
  • 1.     Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung von § 87f und § 87g UrhG die Möglichkeit und die Verpflichtung, die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung zwischen den geschützten Rechtspositionen der Presseverleger und den damit konkurrierenden Grundrechtspositionen insbesondere von Suchmaschinenbetreibern und News-Aggregatoren nachzuvollziehen und dabei unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen zu vermeiden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von Suchmaschinen für die Verwirklichung der Informationsfreiheit.
    2.     Auslegungsspielräume bestehen insbesondere bei den Fragen, was unter einem „Presseerzeugnis“ zu verstehen ist und wann „kleinste Textausschnitte“ i.S.v. § 87f Abs. 1 UrhG vorliegen, die nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst sind. Dabei ist das Interesse von Suchmaschinenbetreibern und News-Aggregatoren in Betracht zu ziehen, Textausschnitte in einem Umfang nutzen zu dürfen, der dem Zweck von Suchmaschinen und News-Aggregatoren gerecht wird, Informationen im Internet einschließlich Online-Presseerzeugnisse auffindbar zu machen.
    3.     Die Einbeziehung der Grundrechte der Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren ist darüber hinaus bei der Bemessung der für die Nutzung von Presseerzeugnissen geschuldeten Vergütung möglich.
  • 1.     Das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG steht einer zivilprozessualen Obliegenheit der Inhaber eines Internetanschlusses nicht entgegen, zu offenbaren, welches Familienmitglied den Anschluss genutzt hat, wenn über den Anschluss eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde.
    2.     Eltern sind zwar nicht verpflichtet mitzuteilen, welches ihrer Kinder das Filesharing begangen hat, allerdings schützt ihr Schweigen nicht vor negativen prozessualen Folgen wie die Verurteilung zu Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten.

BGH:
  • Ein Unterlassungsanspruch wegen eines in ein Meinungsforum im Internet eingestellten ehrverletzenden Beitrags kann auch dann gegen den Betreiber des Forums gegeben sein, wenn dem Verletzten die Identität des Autors bekannt ist.
    • BGH, Urt. v. 27.03.2007 - VI ZR 101/06; AfP 2007, 350; CR 2007, 586; GRUR 2007, 724; K&R 2007, 396; MDR 2007, 1018; MMR 2007, 518; NJW 2007, 2558; VersR 2007, 1004; VuR 2007, 306; WRP 2007, 795; ZUM 2007, 533  
  • Wird ein Hyperlink zu einer Datei auf einer fremden Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk gesetzt, wird dadurch nicht in das Vervielfältigungsrecht an diesem Werk eingegriffen.
         Ein Berechtigter, der ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne technische Schutzmaßnahmen im Internet öffentlich zugänglich macht, ermöglicht dadurch bereits selbst die Nutzungen, die ein Abrufender vornehmen kann. Es wird deshalb grundsätzlich kein urheberrechtlicher Störungszustand geschaffen, wenn der Zugang zu dem Werk durch das Setzen von Hyperlinks (auch in der Form von Deep-Links) erleichtert wird.
         Ein Internet-Suchdienst, der Informationsangebote, insbesondere Presseartikel, auswertet, die vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemacht worden sind, handelt grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, wenn er Nutzern unter Angabe von Kurzinformationen über die einzelnen Angebote durch Deep-Links den unmittelbaren Zugriff auf die nachgewiesenen Angebote ermöglicht und die Nutzer so an den Startseiten der Internetauftritte, unter denen diese zugänglich gemacht sind, vorbeiführt. Dies gilt auch dann, wenn dies dem Interesse des Informationsanbieters widerspricht, dadurch Werbeeinnahmen zu erzielen, daß Nutzer, die Artikel über die Startseiten aufrufen, zunächst der dort aufgezeigten Werbung begegnen. Die Tätigkeit von Suchdiensten und deren Einsatz von Hyperlinks ist wettbewerbsrechtlich zumindest dann grundsätzlich hinzunehmen, wenn diese lediglich den Abruf vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachter Informationsangebote ohne Umgehung technischer Schutzmaßnahmen für Nutzer erleichtern.
    • BGH, Urt. v. 17.07.2003 - I ZR 259/00 (Paperboy); BGHZ 156, 1; AfP 2003, 545; CR 2003, 920; GRUR 2003, 958; JR 2004, 284; MMR 2003, 719; NJW 2003, 3406; RDV 2003, 290; WM 2003, 2200; ZUM 2003, 855
  • Die Zusendung einer unverlangten E-Mail zu Werbezwecken verstößt grundsätzlich gegen die guten Sitten im Wettbewerb. Eine solche Werbung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der Empfänger ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt hat, E-Mail-Werbung zu erhalten, oder wenn bei der Werbung gegenüber Gewerbetreibenden aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers vermutet werden kann.
         Ein die Wettbewerbswidrigkeit ausschließendes Einverständnis des Empfängers der E-Mail hat der Werbende darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
         Der Werbende hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß es nicht zu einer fehlerhaften Zusendung einer E-Mail zu Werbezwecken aufgrund des Schreibversehens eines Dritten kommt.
    • BGH, Urt. v. 11.03.2004 - I ZR 81/01; BB 2004, 964; CR 2004, 445; DB 2004, 980; DuD 2004, 569; GewArch 2004, 347; GRUR 2004, 517; JuS 2004, 732; JZ 2005, 94; MMR 2004, 386; NJW 2004, 1655; RDV 2004, 168; WM 2004, 1049; ZGS 2004, 246; ZUM 2004, 368
  • a)     Die Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wonach Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern generell nur nach deren vorheriger ausdrücklicher Einwilligung zulässig ist (sog. "opt-in"), steht mit dem Unionsrecht im Einklang.
    b)     Für den Nachweis des Einverständnisses ist es erforderlich, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiert, was im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit eines Ausdrucks voraussetzt.
    c)     Durch eine Bestätigungsmail im elektronischen Double-opt-in-Verfahren wird weder ein Einverständnis des Verbrauchers mit Werbeanrufen belegt, noch führt sie für sich allein zu einer Beweiserleichterung zugunsten des Werbenden.
    d)     Will sich der Verbraucher auch nach Bestätigung seiner E-Mail-Adresse im Double-opt-in-Verfahren darauf berufen, dass er die unter dieser Adresse abgesandte Einwilligung in E-Mail-Werbung nicht abgegeben hat, trägt er da-für die Darlegungslast.
    e)     Kann der Verbraucher darlegen, dass die per E-Mail übermittelte Bestätigung nicht von ihm stammt, war die Werbezusendung auch dann wettbewerbswidrig, wenn die E-Mail-Adresse im Double-opt-in-Verfahren gewonnen wurde (im Anschluss an BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 81/01, GRUR 2004, 517 - E-Mail-Werbung I).
    • BGH, Urt. v. 10.02.2011 - I ZR 164/09; NJW 2011, 2657; BB 2011, 1985; DB 2011, 1857, m. Anm. Marc Stuckel, 2421; ZIP 2011, 2219; RDV 2011, 235; CR 2011, 581, m. Anm. Thomas Sassenberg, 584; AfP 2011, 480; WRP 2011, 1153, m. Aufs. Stefan Ernst, WRP 2013, 160; K&R 2011, 587, m. Anm. Stefan Engels, 590; MMR 2011, 662; WM 2011, 2065; GRUR 2011, 936, m. Anm. Stefan Leible, 939; MDR 2011, 1060
  • Den Inhaber eines Internetanschlusses, von dem aus ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Zustimmung des Berechtigten öffentlich zugänglich gemacht worden ist, trifft eine sekundäre Darlegungslast, wenn er geltend macht, nicht er, sondern ein Dritter habe die Rechtsverletzung begangen. 
         Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, haftet als Störer auf Unterlassung, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen.
  • a)     Nimmt ein Betroffener einen Hostprovider auf Unterlassung der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten in Anspruch, weil diese das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletze, setzt die Störerhaftung des Hostproviders die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus.
    b)     Der Hostprovider ist erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt. Dies setzt voraus, dass die Beanstandung des Betroffenen so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer bejaht werden kann.
    c)     Eine Verpflichtung zur Löschung des beanstandeten Eintrags besteht, wenn auf der Grundlage der Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen und einer etwaigen Replik des Betroffenen unter Berücksichtigung etwa zu verlangender Nachweise von einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auszugehen ist.
    • BGH, Urt. v. 25.10.2011 - VI ZR 93/10; BGHZ 191, 219; NJW 2012, 148; VersR 2012, 114; RIW 2012, 322; EuGRZ 2012, 123; AfP 2012, 50, m. Aufs. Angela Diederichsen, 217, und Aufs. Vera von Pentz, AfP 2014, 8; MMR 2012, 124; CR 2012, 103; K&R 2012, 110, m. Anm. Thorsten Feldmann, 113, und Aufs. Gerald Spindler, 176; GRUR 2012, 311; MDR 2012, 92
  • 1)     Ein Hotelbewertungsportal ist Diensteanbieter im Sinne des § 2 Nr. 1 TMG. Seine Haftung ist nach § 7 Abs. 2, § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG eingeschränkt. Er haftet nur dann für die unwahren Tatsachenbehauptungen von Dritten, wenn er spezifische Prüfungspflichten verletzt hat, deren Intensität sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Dazu zählen die Zumutbarkeit der Prüfungspflichten und die Erkennbarkeit der Rechtsverletzung.
    2)     Hierbei darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert. Eine inhaltliche Vorabprüfung der Nutzerbewertungen ist ihr deshalb nicht zumutbar.
    3)     Eine Haftung auf Unterlassung besteht in einem solchen Fall erst, wenn der Betreiber eines Internetportals Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt.
    4)     Etwas anderes gilt nur für hochgradig gefährliche Geschäftsmodelle, das besondere Prüfungspflichten auslöst.
    • BGH, Urt. v. 19.3.2015 - I ZR 94/13; NJW 2015, 3443, m. Anm. Stefan Ernst, 3447; BB 2015, 2443, m. Anm. Stefan Zipse, 2448; MDR 2015, 1253; GRUR 2015, 1129; WRP 2015, 1326, m. Anm. Franz Hofmann, WRP 2015, 1331-1332; ZUM 2015, 893; MMR 2015, 726, m. Anm. Alexander Milstein, 730; K&R 2015, 737; Aufs. Stefan Schilling, GRURPrax 2015, 313
  • a)     Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Nicht ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 - Morpheus).
    b)      Sind Eltern gemäß § 832 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht für eine durch die zu beaufsichtigende Person widerrechtlich herbeigeführte Urheberrechtsverletzung verantwortlich, kann der zu ersetzende Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden. 
    • BGH, Urt. v. 11.06.2015 - I ZR 7/14; NJW 2016, 950, m. Aufs. Eva Inés Obergfell, 910; WRP 2016, 66; GRUR 2016, 184, Renate Schaub, 152; K&R 2016, 117; MMR 2016, 128; Magazindienst 2016, 168; ZUM-RD 2016, 173; MDR 2016, 108; Aufs. Dana Forch, GRURPrax 2016, 1; Aufs. Clemens Rasch, IPRB 2016, 45
  • 1.     Zwar haften Anschlussinhaber nicht generell für alle Rechtsverletzungen, die mutmaßlich von ihrem Zugang begangen wurden. Doch in Abmahnverfahren reicht es, wenn die Unternehmen der Musikindustrie darlegen und beweisen, dass sie die IP-Adresse korrekt verfolgt haben. Dann wird die Täterschaft vermutet.
    2.     Die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen des Softwareunternehmens und des Internetproviders Fehler vorkommen können, spricht nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse. Vielmehr müssen die Anschlussinhaber konkrete Fehler darlegen. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle reicht insoweit nicht aus.
    3.     Die Vermutung lässt sich entkräften, beispielsweise durch den Beweis, dass entweder die Urheberrechtsverletzung nicht vom Anschluss-Inhaber der IP-Adresse erfolgte oder die Eltern ihre Kinder korrekt aufgeklärt und ermahnt hatten.
    4.     Als Schadensersatz ist ein Betrag von 200 Euro für jeden Musiktitel angemessen. Dasselbe gilt für die Abmahnkosten, wenn ihre Höhe auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechnet worden ist.
    • BGH, Urt. v. 11.06.2015 - I ZR 19/14; NJW 2016, 942: WRP 2016, 57; GRUR 2016, 176, m. Bespr. Renate Schaub, 152; ZUM 2016, 173; K&R 2016, 114; Magazindienst 2016, 180; MMR 2016, 121, m. Aufs. Andreas Sesing 82; MDR 2016, 171; Aufs. Dana Forch, GRURPrax 2016, 1; Aufs. Clemens Rasch, IPRB 2016, 45; Markus Rössel, ITRB 2016, 52-54
    • BGH, Urt. v. 11.06.2015 - I ZR 75/14; NJW 2016, 953, m. Aufs. Eva Inés Obergfell, 910; WRP 2016, 73; GRUR 2016, 191, m. Bspr. Renate Schaub, 152; ZUM 2016, 373; MMR 2016, 131, m. Aufs. Andreas Sesing, 82 und Aufs. Christian Solmecke, Felix Rüther, Harlad Büring, 153; Magazindienst 2016, 194; MDR 2016, 106; Aufs. Dana Forch, GRURPrax 2016, 1; Aufs. Clemens Rasch, IPRB 2016, 45 
  • Die Einbettung eines auf einer Internetseite mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene Internetseite im Wege des "Framing" stellt grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 und 3 UrhG dar. 
    • BGH, Urt. v. 09.07.2015 - I ZR 46/12; AfP 2016, 59; JZ 2016, 313, m. Anm. Michael Grünberger, JZ 2016, 318; WRP 2016, 224, m. Anm. Nils Dietrich, 194; GRUR 2016, 171, m. Bespr. Gerald Spindler, 157, und Aufs. Jan Bernd Nordemann, 245-; ZUM 2016, 365; MMR 2016, 190; K&R 2016, 109, m. Bespr. Christian Galetzka, 150; BlPMZ 2016, 69; MDR 2016, 105
  • a)     Ein von einer natürlichen Person unterhaltenes elektronisches Postfach ist Teil der Privatsphäre. 
    b)     Automatisch generierte Bestätigungs-E-Mails, die sowohl eine Eingangsbestätigung in Bezug auf zuvor versandte Nachrichten als auch Werbung enthalten, stellen einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar, wenn dieser dem Erhalt von Werbung zuvor ausdrücklich widersprochen hat. 
    • BGH, Urt. v. 15.12.2015 - VI ZR 134/15; NJW 2016, 870; VersR 2016, 473; WRP 2016, 493, m. Anm. Thomas Ch. Gramespacher, 495; MMR 2016, 240; AfP 2016, 149; K&R 2016, 179, m. Bespr. Simon Apel, Steffen Henn, 236; MDR 2016, 271; Anm. Peter Mankowski, EWiR 2016, 157; Anm. Sven Schonhofen, GRURPrax 2016, 104
  • a)     Ein Hostprovider ist zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern ins Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von den Rechtsverletzungen erlangt.
    b)     Ist der Hostprovider mit der Behauptung eines Betroffenen konfrontiert, ein von einem Nutzer eingestellter Beitrag verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht, und ist die Beanstandung so konkret gefasst, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, so ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich.
    c)     Zur Bestimmung, welcher Überprüfungsaufwand vom Hostprovider im Einzelfall zu verlangen ist, bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung, bei der die betroffenen Grundrechte der Beteiligten zu berücksichtigen sind. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der angezeigten Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu. Zu berücksichtigen sind aber auch Funktion und Aufgabenstellung des vom Provider betriebenen Dienstes sowie die Eigenverantwortung des für die persönlichkeitsbeeinträchtigende Aussage unmittelbar verantwortlichen - ggf. zulässigerweise anonym auftretenden - Nutzers.
    d)     Der vom Betreiber eines Arztbewertungsportals verlangte Prüfungsaufwand darf den Betrieb des Portals weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren, hat aber zu berücksichtigen, dass eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen von betroffenen Ärzten durch den Portalbetreiber eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass die Persönlichkeitsrechte der (anonym oder pseudonym) bewerteten Ärzte beim Portalbetrieb hinreichend geschützt sind.
  • Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung ist der Inhaber eines Internetanschlusses grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Mitglieder seiner Wohngemeinschaft oder seine volljährigen Besucher und Gäste, denen er das Passwort für seinen Internetanschluss zur Verfügung stellt, über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihnen die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen.
  • a)     Das für die Bestimmung des Gegenstandswerts eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs maßgebliche Interesse des Rechtsinhabers an der Unterlassung weiterer urheberrechtlicher Verstöße ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bewerten und wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Rechtsinhaber bestimmt. Anhaltspunkte hierfür sind der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts sowie die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung. Für generalpräventive Erwägungen, mit denen Dritte von Rechtsverletzungen abgeschreckt werden sollen, ist bei der Bewertung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs kein Raum.
    b)      Zu den bei der Bemessung des Gegenstandswerts zu berücksichtigenden Umständen zählen die Aktualität und Popularität des betroffenen Werks und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung. Wird ein durchschnittlich erfolgreicher Spielfilm nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin widerrechtlich öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 10.000 € angemessen. Liegt die Verletzungshandlung noch vor dem Beginn der Auswertung mittels DVD, kann auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein.
    c)      Das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Herunterladen über eine Internettauschbörse stellt regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung im Sinne von § 97a Abs. 2 UrhG aF dar. 
  • Der Restschadensersatzanspruch aus § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB, der sich auf die Herausgabe des durch den rechtswidrigen Eingriff Erlangten erstreckt, kann in Fällen des widerrechtlichen öffentlichen Zugänglichmachens eines urheberrechtlich geschützten Werks über eine Internettauschbörse mittels einer fiktiven Lizenz berechnet werden. 
  • a)     Bei der Bestimmung der Reichweite der dem Inhaber eines Internetanschlusses im Falle einer über seinen Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung obliegenden sekundären Darlegungslast zur Nutzung des Anschlusses durch andere Personen sind auf Seiten des Urheberrechtsinhabers die Eigentumsgrundrechte gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Handelt es sich bei den Personen, die den Anschluss mitgenutzt haben, um den Ehegatten oder Familienangehörige, so wirkt zugunsten des Anschlussinhabers der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 EUGrundrechtecharta, Art. 6 Abs. 1 GG).
    b)     Dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses ist es regelmäßig nicht zumutbar, die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls unzumutbar ist es regelmäßig, dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen. 
    • BGH, Urt. v. 06.10.2016 - I ZR 154/15 (Afterlife); NJW 2017, 1961; ZIP 2017, 1245; WM 2017, 1268; MDR 2017, 474; ZUM 2017, 503, m. Anm. Sebastian Köhler, 507; MMR 2017, 478; GRUR 2017, 386; K&R 2017, 269; CR 2017, 590; WRP 2017, 448; Aufsatz Wolfgang Kuntz, jM 2017, 229
  • a)     Der Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion ist nach den Grundsätzen der Störerhaftung zur Prüfung verpflichtet, ob der verwendete Router über die im Zeitpunkt seines Kaufs für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen verfügt. Hierzu zählt der im Kaufzeitpunkt aktuelle Verschlüsselungsstandard sowie die Verwendung eines individuellen, ausreichend langen und sicheren Passworts (Festhaltung an BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 34 - Sommer unseres Lebens).
    b)     Ein aus einer zufälligen 16-stelligen Ziffernfolge bestehendes, werkseitig für das Gerät individuell voreingestelltes Passwort genügt den Anforderungen an die Passwortsicherheit. Sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Gerät schon im Kaufzeitpunkt eine Sicherheitslücke aufwies, liegt in der Beibehaltung eines solchen werkseitig eingestellten Passworts kein Verstoß gegen die den Anschlussinhaber treffende Prüfungspflicht (Fortführung von BGHZ 185, 330 Rn. 34 - Sommer unseres Lebens).
    c)     Dem vom Urheberrechtsinhaber gerichtlich in Anspruch genommenen Anschlussinhaber obliegt eine sekundäre Darlegungslast zu den von ihm bei der Inbetriebnahme des Routers getroffenen Sicherheitsvorkehrungen, der er durch Angabe des Routertyps und des Passworts genügt. Für die Behauptung, es habe sich um ein für eine Vielzahl von Geräten voreingestelltes Passwort gehandelt, ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig.
  • 1.     Wenn bekannt ist, über welchen Internetanschluss urheberrechtlich geschützte Musiktitel im Wege des "Filesharing" öffentlich zugänglich gemacht worden sind, muss der Anschlussinhaber den Namen des Familienmitglieds offenbaren, das die Rechtsverletzung begangen hat.
    2.     Diese Angabe sind auch unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Betroffen zumutbar. Zugunsten des Urhebers sind das Recht auf geistiges Eigentum nach Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 GG sowie auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 EU-Grundrechtecharta und auf Seiten des Anschlussinhabers der Schutz der Familie gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG zu berücksichtigen und in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen. Danach ist der Anschlussinhaber  nicht verpflichtet, die Internetnutzung seiner Familienangehörigen zu dokumentieren und ihre Computer auf die Existenz von Filesharing-Software zu untersuchen.
    3.     Hat der Anschlussinhaber jedoch im Rahmen der ihm obliegenden Nachforschungen den Namen des Familienmitglieds erfahren, das die Rechtsverletzung begangen hat, muss er dessen Namen offenbaren, wenn er eine eigene Verurteilung abwenden will.
  • a)     § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG findet auf die telefonisch veranlasste Ausführung eines Zahlungsdienstes keine Anwendung, auch wenn die Zahlung über eine Premiumdienstenummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen soll. Eine solche Nutzung des Telefonanschlusses durch einen Dritten wird dem Anschlussinhaber deshalb nicht über § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG zugerechnet. Die spezielle Regelung des § 675u BGB für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge geht § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG vor.
    b)     Der Inhaber eines Telefonanschlusses haftet somit nicht für dessen Nutzung durch einen von ihm hierfür nicht autorisierten Dritten im Rahmen eines "Pay by Call-Verfahrens".
  • Beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks geht der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf dessen Erben über. Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen.
  • a)     Der an die Stelle der bisherigen Störerhaftung des Zugangsvermittlers für von Dritten begangene Rechtsverletzungen getretene Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG nF ist unionsrechtskonform dahingehend fortzubilden, dass er in analoger Anwendung gegen Betreiber drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden kann.
    b)      Kann der Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG nF nicht nur gegen WLAN-Betreiber, sondern auch gegen Anbieter drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden, bestehen gegen die Anwendung des Ausschlusses von Unterlassungsansprüchen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF keine durchgreifenden unionsrechtlichen Bedenken.
    c)      Wird in einem vor Inkrafttreten der § 7 Abs. 4, § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF anhängig gemachten, nach dem Inkrafttreten dieser Vorschriften andauernden Rechtsstreit der Internetzugangsvermittler wegen Urheberrechtsverletzungen, die Dritte über den von ihm bereitgestellten Internetanschluss begangen haben, auf Unterlassung in Anspruch genommen, so ist dem Kläger Gelegenheit zu geben, seinen Klageantrag an die Erfordernisse eines möglichen Sperranspruchs nach § 7 Abs. 4 TMG nF anzupassen.
    d)      Soweit für die Inanspruchnahme auf Abmahnkostenersatz auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF abzustellen ist, haftet der gewerbliche Betreiber eines Internetzugangs über WLAN für von Dritten begangene Urheberrechtsverletzungen mittels Filesharing erst nach Erhalt eines Hinweises darauf, dass über seinen Internetanschluss Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharing begangen worden sind. Für die Annahme der Haftung ist nicht erforderlich, dass das vom Hinweis erfasste und das durch die erneute Verletzung betroffene Werk identisch sind. 
  • 1.     Als Folge einer unberechtigten Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung eines Fotos ist bei der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie der objektive Wert der Benutzungsberechtigung zu ermitteln.
    2.     Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden. Dabei kommt es unter anderem auf die Intensität der Nutzung, insbesondere ihre Dauer, und die Qualität des Lichtbilds an
    3.     Soweit damit objektiv eine Erhöhung des wirtschaftlichen Werts der Bildernutzung verbunden ist, ist ferner der für die Erstellung des Lichtbilds erforderliche Aufwand zu berücksichtigen.
    4.     Für die unberechtigte Nutzung des Fotos eines Sportwagens auf der eigenen Facebook-Seite ist ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 100 Euro nicht unangemessen. Darüber hinaus kommt wegen der Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft eine weitere Entschädigung in Höhe von 100 Euro in Betracht.

andere ordentliche Gerichte:
  • Das sog. Double-Opt-In-Verfahren beim Mailversand, bei dem durch Wegklicken bzw. durch Nichtreaktion sichergestellt ist, dass weitere E-Mails des Versenders nicht mehr zu erwarten sind, ist geeignet und ausreichend, um einen Missbrauch durch Eingabe von E-Mail-Adressen Dritter zu verhindern. In der Zusendung einer diesbezüglichen Bestägungs-Mail kann noch keine unzumutbare Belästigung im Sinne der §§ 823, 1004 BGB gesehen werden.
  • Die Verwendung einer ungeschützten WLAN-Verbindung für den Zugang ins Internet birgt die keinesfalls unwahrscheinliche Möglichkeit, dass unbekannte Dritte diese Verbindung nutzen. Das löst Prüfungs- und ggf. Handlungspflichten des Anschlussinhabers aus, um der Möglichkeit einer Rechtsverletzung vorzubeugen, etwa durch Einrichtung eines Passwortschutzes, Auschalten des Routers bei Abwesenheit oder Verschlüsselung der Kommunikation zwischen Router und PC.
  • Gegen den Betreiber eines Internetforums kann ein Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Inhalte bestehen, weil er als Betreiber des Forums diese Inhalte verbreitet. Der Betreiber eines Forums ist zwar nicht verpflichtet, den Kommunikationsvorgang zu überwachen, erhält er aber Kenntnis, so muss er die Sperrung oder Löschung des Vorgangs veranlassen (in Anknüpfung an BGH Urteil vom 27.03.2007 - VI ZR 101/06; OLG Düsseldorf, OLGR 2006, 581).
  • Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich nicht als Störer für die unberechtigte Nutzung einer WLAN-Verbindung durch unberechtigte Dritte, die mit ihm in keinerlei Verbindung stehen.
  • Der administrative Ansprechpartner (Admin-C) einer Webseite kann nicht als Störer für unerbetene E-Mails in Anspruch genommen werden, wenn in der Absenderangabe der E-Mails die betreffende Webseite als Schlusbestandteil genannt wird.
  • 1.     Das Land Berlin genießt unter der Bezeichnung "Berlin" Namensschutz; es wird durchweg mit diesem Namen bezeichnet und tritt unter diesem Namen auch auf. Auf Grund dieser Bezeichnung kann der Namensträger "Berlin" unter denselben Voraussetzungen wie ein anderer Namensträger gegen einen nicht berechtigten Dritten vorgehen, der den Namen gebraucht.
    2.     Die Verwendung des Namens "Berlin" für eine ausländische Internetdomain "berlin.com", unter der in deutscher Sprache auch über Links Informations- und Dienstleistungsangebote für Touristen rund um die Stadt Berlin bereit gehalten werden, stellt wegen des unbefugten Gebrauchs des fremden Namens "Berlin" eine unberechtigte Namensanmaßung dar. Die von der isolierten Verwendung der Second-Level-Domain "berlin" ausgehende Zuordnungsverwirrung besteht auch bei der Kombination mit der generischen Top-Level-Domain "com". Aus der Top-Level-Domain "com" entnimmt der Internetnutzer nicht, dass es sich um Informations- und Dienstleistungsangebote eines Dritten und nicht des Namensträgers "Berlin" handelt.
  • Das bloße "Streaming" einer - nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellten bzw. öffentlich zugänglich gemachten - Video-Datei stellt grundsätzlich noch keinen relevanten rechtswidrigen Verstoß im Sinne des Urheberrechts dar.
  • 1.     Das Verbot der Zusendung von unerwünschten Werbemails bezieht sich nicht nur auf die bereits bekannten E-Mail-Adressen des Betroffenen, sondern erfasst alle weiteren Adressen des Betroffenen.
    2.     Dies ist nicht unverhältnismäßig, da der Werbende durch das Double-Opt-In-Verfahren in zumutbarer Weise das Vorliegen einer Einwilligung zur Zusendung von Werbemails nachweisen kann. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle hervor.
  • Durch die Bereitstellung des "Share-Buttons" bei Facebook bringt der Verfasser eines Zeitungsartikels nicht zum Ausdruck, dass er über das Setzen eines Links nebst Ankündigungstext hinaus weitergehende Nutzungsrechte an jeden Facebook-Nutzer übertragen will. Wenn ein Facebook-Nutzer nicht lediglich die "Share-Funktion" bedient, also einen bloßen Link zu dem Zeitungsbeitrag setzt, sondern den Beitrag vollständig auf den eigenen Facebook-Auftritt kopiert, verletzt er die Urheber- bzw. Nutzungsrechte des Artikelverfassers an dem Zeitungsartikel.
  • Schließen Parteien einen Host-Provider-Vertrag, bei dem der Anbieter auf seinem eigenen Server dem Kunden Speicherplatz und einen entsprechenden Internet-Zugang zur Verfügung und zur Nutzung beziehungsweise Verwaltung überlässt, bedarf es auch dann einer Datensicherungspflicht des Providers, wenn dies nicht ausdrücklich festgehalten wurde. Schon im Hinblick auf die ersichtliche Bedeutung einer Datensicherung für den Nutzer besteht eine Nebenpflicht des Anbieters, Datensicherungsmaßnahmen, etwa durch Sicherungskopien oder Backups zu ergreifen. Unterbleibt dies und kommt es zu einem Server-Crash, bei dem die Daten unwiederbringlich verloren gehen, haftet der Anbieter auf Schadensersatz.
  • 1.    Der Betreiber einer Internet-Suchmaschine ist in unionsrechtskonformer Auslegung der Bestimmungen zur Störerhaftung verpflichtet, einen von der Suchmaschine angezeigten Link zu einer von einem Dritten veröffentlichten Internetseite zu entfernen, wenn er von dem Betroffenen auf den persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalt der Internetseite hingewiesen wurde.
    2.    Entfernt der Betreiber einer Internet-Suchmaschine den Link zu der Internetseite mit persönlichkeitsrechtsverletzendem Inhalt nach Kenntniserlangung und Ablauf einer angemessenen Prüffrist nicht, kann er dem Betroffenen zum Schadensersatz verpflichtet sein. Auf die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 TMG kann sich der Suchmaschinenbetreiber nicht berufen, weil er mit der Sortierung und Anzeige von Suchergebnissen in einer bestimmten Reihenfolge eigene Informationen zur Nutzung bereit hält und überdies Kenntnis von der Persönlichkeitsrechtsverletzung erlangt hat.
  • Der Inhaber eines Internetanschlusses, von dem aus unerlaubt Dateien geladen wurden, muss selbst Nachforschungen darüber anstellen, wer konkret der Täter gewesen ist und dies dem Gericht mitteilen. Sonst haftet er selbst.
  • 1.     Schadenersatz wegen Verbreitung eines Werkes über ein Filesharing-Netzwerk kann nur dann nach der Lizenzanalogie berechnet werden, wenn der Verletzte selbst Inhaber ausschließlicher Internetrechte in einem Umfang ist, der mit dieser Form der Verbreitung vergleichbar ist. Hierfür genügt das Recht zum "On Demand View".
    2.     Die hier gewählte Berechnungsmethode der Bestimmung der Höhe des lizenzanalogen Schadenersatzes, die an der Lizenzgebühr pro Download und der Anzahl der zu erwartenden Downloads orientiert ist (vgl. bereits AG Düsseldorf BeckRS 2015, 02395 mwN), führt dazu, dass bei längerer Verbindung mit dem Filesharing-Netzwerk höhere Beträge zu zahlen sind, die abschließend auf Billigkeit zu prüfen sind. Bei einer festgestellten Verbreitung über neun Tage ist ein Schadenersatz von 293 Euro bei einem Verkaufspreis des Filmwerks von 14,99 Euro noch nicht unbillig.
  • 1.     Die Einbindung des Like-Buttons von Facebook führt dazu, dass die IP-Adressen der Besucher der Webseite sofort bei Aufruf an Facebook in die USA gesandt werden, selbst wenn die Nutzer nicht bei Facebook registriert sind. Sie haben auch keine Möglichkeit, der Weiterleitung zu widersprechen. Außerdem werden die Besucher der Webseite weder von ihrem Betreiber noch von Facebook darüber informiert, welche Daten zu welchen Zwecken an wen übertragen werden.
    2.     Diese Nutzung des Like-Buttons – und damit die Übersendung der Daten an Facebook in die USA – verletzt Datenschutzvorschriften.
  •  Wird ein Anschlussinhaber wegen illegalen Filesharings über seinen Anschluss in Anspruch genommen, genügt es nicht, dass er seine Täterschaft abstreitet und anführt, die Urheberrechtsverletzung könne von einem anderen Nutzer des Anschlusses verübt worden sein. Ihn trifft vielmehr eine Nach­forschungs­pflicht. Er muss mindestens die Namen der Nutzer angeben.
    • LG Saarbrücken, Urt. v. 22.03.2016 - 7 S 12/15; MMR 2017, 576 - Pressemeldung
  • Das aus Art. 1, 2 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die aus dem Selbstbestimmungsrecht folgende Befugnis des Einzelnen, selbst zu entscheiden, ob und inwieweit er auf seiner elektronischen Mailbox Werbung empfangen will. Wegen des zeitlichen und finanziellen Aufwands, der mit dem Abrufen und Löschen von E-Mail-Werbung verbunden ist, kann der Absender nicht annehmen, der Empfänger billige die Werbesendung oder stehe ihr zumindest indifferent gegenüber. Anders als bei gewöhnlicher Briefkastenwerbung muss er daher auch ohne ausdrücklichen Sperrvermerk davon ausgehen, dass die Zusendung von Werbung grundsätzlich unerwünscht ist. Missachtet er dies, liegt eine rechtswidrige Beeinträchtigung der Individualsphäre des Empfängers vor, die einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB begründet (KG [10. ZS] KGR 2002, 353; vgl. auch Senat KGR 2003, 322; Senat v. 02.03.2017 – 5 W 20/17 – II 2; KG [4. ZS.] v. 12.06.2012 – 4 U 23/12 – II 3). Die vom Inhaber eines E-Mail-Kontos nicht erlaubte Nutzung desselben zu werblichen Zwecken verletzt daher jedenfalls grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Empfängers (OLG Frankfurt MMR 2014, 115, m.w.N.). Dies gilt umso mehr, als die gesetzgeberische Wertung in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, wonach – von dem hier nicht bedeutsamen Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG abgesehen - jede Werbung unter elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Empfängers eine unzumutbare Belästigung darstellt, bei der Beurteilung der Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuchs heranzuziehen ist, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (BGH GRUR 2013, 1259, Rn. 20 – Empfehlungs-E-Mail).
  • Die im Impressum der Antragsgegnerin enthaltene 7-zeilige Datenschutzerklärung genügt der neuen DSGVO nicht. Es fehlen Angaben zum/zur Verantwortlichen, zur Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten sowie Art und Zweck deren Verwendung, eine Erklärung zur Weitergabe von Daten, über Cookies, Analysetools, aber vor allem die Belehrung über die Betroffenenrechte, insbesondere Widerspruchsrecht, Datensicherheit und ein Hinweis zur Möglichkeit, sich bei einer Aufsichtsbehörde zu beschweren. Mit dem OLG Hamburg (3 U 26/12) und dem OLG Köln (6 U 121/15) geht das erkennende Gericht davon aus, dass es sich bei den Vorschriften, gegen die hier verstoßen wurde um Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht gemäß § 4 Nr. 11 UWG bzw. jetzt § 3 a UWG darstellt und somit vom Antragsteller abgemahnt werden konnte. Dass die Antragsgegnerin Daten erhebt wird schon aus der gleichzeitigen Verwendung eines Kontaktformulars auf der Homepage indiziert. Da die Antragsgegnerin jedenfalls über ein Kontaktformular Daten erheben kann, ist zwingend auch eine Verschlüsselung der Homepage erforderlich, die hier fehlt.

Intersexualität

Die Rechtsprechung zu § 45 b Personenstandsrecht findet sich unter Personenstandsrecht (s.u.)

Österreich

Intersexuelle Menschen haben Recht auf adäquate Bezeichnung im Personenstandsregister

Bundesverfassungsgericht

1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt die geschlechtliche Identität. Es schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.

2. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG schützt auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts.

3. Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, werden in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt.

Sozialgerichte

1. Versicherte haben keinen Anspruch darauf, im Wege der Krankenbehandlung einen regelwidrigen Körperzustand zu erlangen.

2. Die gesetzliche Krankenversicherung braucht deshalb eine operative Vergrößerung der Klitoris und die Versorgung mit Schamlippenimplantaten nicht zu bezahlen. § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V erfasst das erstrebte Behandlungsziel "Herstellung eines körperlichen Zustandes mit beidgeschlechtlichen Merkmalen" nicht. Denn die gewünschte operative Behandlung soll einen Zustand schaffen, der sich weiter gehend von der am Leitbild des gesunden Menschen ausgerichteten Regel entfernt.

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1. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung in Form von Eingriffen in intakte, nicht in ihrer Funktion beeinträchtigte Organsysteme kommt lediglich im Ausnahmefall in Betracht. Bejaht hat der Senat solche Ansprüche bisher lediglich bei Abweichungen vom Regelfall, die entstellend wirken (vgl näher BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN), oder bei medizinisch gebotener Geschlechtsangleichung in Fällen des gesetzlich besonders geregelten Transsexualismus (vgl BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23; BSG Urteil vom 11.9.2012 - B 1 KR 9/12 R - Juris; BSG Urteil vom 11.9.2012 - B 1 KR 11/12 R - Juris).

2. Der Senat lässt die Frage offen, ob Intersexualität eine weitere Fallgruppe in diesem Sinne begründet.

3. Das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt auch bei Intersexualität - wie bei Mann-zu-Frau-Transsexualismus - Ansprüche auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP. Ein Versicherter mit einem Brustansatz, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann danach keine MAP beanspruchen (vgl BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 29).

4. Insbesondere mit Blick auf die Behandlung des Mann-zu-Frau-Tanssexualismus durch geschlechtsangleichende chirurgische Eingriffe und die zwischenzeitlich von KKn insoweit unzutreffend vertretene Rechtsauffassung weist der Senat nur ergänzend darauf hin, dass dann, wenn nach den vorgenannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Versorgung mit einer MAP besteht, diese, soweit medizinisch unbedenklich, nicht auf Größe A nach der genannten DIN-Norm begrenzt ist.

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1. Intersexualität kann die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigen.

2. Bei Intersexualität sind die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G (= Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung) jedoch regelmäßig nicht gegeben.

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Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Heilbehandlung durch einen Arzt als vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG anzusehen ist, insbesondere bei einer operativen und hormonellen Behandlung zur Festlegung eines eindeutigen Geschlechts. 

Zivilgerichte

1. Besteht für einen Vertragsschluss einer im Internet angebotenen Dienstleistung im Massengeschäft eine nicht mit dem Vertragszweck zu rechtfertigende zwingende Verpflichtung, zwischen der Anrede „Herr“ und „Frau“ zu wählen, liegt hierin eine Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität.

2. In der bloßen nicht der Geschlechtsidentität entsprechenden Anrede liegt jedoch für sich allein genommen keine Benachteiligung bei Begründung, Durchführung oder Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG, so dass auch ein Anspruch aus § 21 AGG auf Ersatz eines immateriellen Schadens nicht besteht.

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Der mit einer bestimmten Operation (hier: Testovarektomie) beauftragte Chirurg darf darauf vertrauen, dass der zuweisende Arzt (hier: Direktor einer Medizinischen Universitätsklinik) die Operationsindikation zutreffend gestellt und der Patienten nach gehöriger Aufklärung über die Sinnhaftigkeit des Eingriffs und die in Frage kommenden Behandlungsalternativen eingewilligt hat.

Zeigt sich allerdings intraoperativ ein Befund (hier: normale weibliche Anatomie mit präpuberalem Uterus und normalen Ovarien, kein Testovar), der durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Indikation und/oder der Aufklärung weckt, muss er den Eingriff zur Behebung der Zweifel jedenfalls dann abbrechen, wenn durch dessen Fortführung nicht rückgängig zu machende schwerwiegende körperliche Veränderungen bewirkt werden.

Im Jahre 1999 war das Risiko, infolge einer Sigmaresektion eine Störung der Ejakulationsfähigkeit (Anejakulation) zu erleiden, weder bekannt noch war es Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Dieses Risiko war deshalb auch nicht aufklärungspflichtig.

  • OLG Köln, Urt. v. 03.09.2008 - 5 U 51/08; MedR 2009, 343; GesR 2009, 385;  NJW-RR 2009, 960; Aufsatz Kolbe, Angela, KJ 2009, 271
  • Vorinstanz:
    Wird der Patient vor einem durchzuführenden chirurgischen Eingriff nicht zutreffend über Art, Inhalt und Umfang des Eingriffs aufgeklärt, liegt keine wirksame Einwilligung für den chirurgischen Eingriff vor.
    Ergibt sich während des chirurgischen Eingriffs eine veränderte Tatsachenlage zur präoperativen Diagnostik und somit zu dem Inhalt der Aufklärung und Einwilligung des Patienten, ist der chirurgische Eingriff abzubrechen.
    Lediglich aus therapeutischen Gründen sowie bei einer erheblichen und akuten Gesundheitsgefährdung, welche das Selbstbestimmungsrecht des Patienten überwiegt, kann ein Abbruch des chirurgischen Eingriffs und eine Aufklärung unterbleiben.

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1. Wenn eine Intersexuelle vor der operativen Verkleinerung ihrer Klitoris und der Gabe von Östrogen nicht darüber aufgeklärt wird, dass ihr Chromosomensatz männlich ist (X- und Y-Chromosom), hat sie gegen das Krankenhaus Anspruch auf Schadensersatz.

2. Dagegen kann dem Arzt kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden, wenn die Operation zu einer Zeit stattgefunden hat, als es Konsens war, intersexuellen Menschen die Diagnose des abweichenden Chromosomensatzes zu verschweigen, um keinen Schock auszulösen, weil sie entgegen dem Chromosomensatz als Mann oder Frau sozialisiert worden waren.

Veraltete Rechtsprechung seit BVerfGE zur Dritten Option (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 1 BvR 2019/16 -, Rn. (1-69)):

Das Personenstandsgesetz lässt eine Eintragung wie "inter" oder "divers" als Angabe des Geschlechts im Geburtenregister nicht zu.

  • BGH, Beschl. v. 22.06.2016 - XII ZB 52/15; NJW 2016, 2885, m. Anm. Franziska Brachthäuser, Juana Remus, 2887; FamRZ 2016, 1580, m. Anm. Wolf Sieberichs, 1582; StAZ 2016, 269, m. Anm. Jens T. Theilen, StAZ 295, und Aufs. Anatol Dutta, Tobias Helms, StAZ 2017, 98-; FuR 2016, 712; JZ 2016, 1067, m. Anm. Judith Froese, 1069; MDR 2016, 1090; FGPrax 2016, 236; Anm. Manfred Rehborn, GesR 2016, 555
  • Vorinstanz: Das Geschlecht eines Kindes ist mit "weiblich" oder "männlich" oder ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen. Die Angabe des Geschlechts mit "inter" oder "divers" ist nicht zulässig.OLG Celle, Beschl. v. 21.01.2015 - 17 W 28/14; StAZ 2015, 107
  • Gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs ist Verfassungsbeschwerde eingelegt worden. Das Verfahren trägt beim Bundesverfassungsgericht das Aktenzeichen: 1 BvR 2019/16 (Stellungnahme des LSVD vom 17.11.2016)
  • Der BGH hat in seinem Urteil vom 22.06.2017 unter Rn 23 außerdem ausgeführt: § 22 Abs. 3 PStG findet nicht nur auf Neueintragungen Anwendung, sondern die Geschlechtsangabe kann auch noch nachträglich gestrichen werden, weil es sich um die Berichtigung eines unzutreffenden Sachverhalts handelt. 

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1. § 22 Abs. 3 PStG findet nicht nur auf Neueintragungen Anwendung, sondern die Geschlechtsangabe kann auch noch nachträglich gestrichen werden.
2.  § 22 Abs. 3 PStG ist so auszulegen, dass auch eine allein auf subjektiven Empfindungen beruhende Geschlechts-(nicht)zugehörigkeit ausreichen muss, um eine Streichung des Eintrags zu rechtfertigen.

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Der Geburtseintrag über die Geburt eines Knaben, der sich insoweit als "Irrtum" erwiesen hat, als sich die Antragstellerin aufgrund einer biologischen Anlage sowohl psychisch als auch physisch zur Frau entwickelt hat - wobei die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht durch eine geschlechtsumwandelnde Operation bestätigt wurde -, ist auf Antrag zu berichtigen (Vergleiche OLG Frankfurt, 1965-12-08, 6 W 56/66, NJW 1966, 407; LG Frankenthal, 1975-11-20, 1 T 212/74, FamRZ 1976, 214). Im Berichtigungsbeschluß ist die Anordnung der Eintragung der von der Antragstellerin gewünschten Vornamen nicht zulässig.

Begriff und Formen der Transsexualität, Intersexualität und testikulärer Feminisierung.

  • AG Freiburg (Breisgau), Beschl. v. 02.02.1982 - 12 UR III 67/80; StAZ 1983, 16

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Für die Eintragung des Geschlechts gemäß PStG § 21 Abs 1 Nr 3 und 4 PersStG sind die feststellbaren körperlichen Merkmale im Zeitpunkt der Geburt maßgebend, wobei im Zweifel das Geschlecht einzutragen ist, auf das die körperlichen Merkmale des Neugeborenen in erster Linie hinweisen.

Bei der Bestimmung der Zugehörigkeit einer doppelgeschlechtlichen Person zum einen oder anderen Geschlecht kann auch deren seelische Neigung berücksichtigt werden.
   

Geschlecht sind u.U. auch Feststellungen zur Frage angeblicher Eheschließungen und insbesondere zum Vorhandensein eines leiblichen Kindes zu treffen, um aufzuklären, ob diese Umstände die Einschätzung einer Intersexualität ausschließen, so dass nur noch die Möglichkeit einer Transsexualität wahrscheinlich bleibt.

  • OLG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 14.12.2000 - 10 Wx 12/00; StAZ 2002, 169; FGPrax 2001, 239

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Es kann dahinstehen, ob die Eintragung „Zwitter" oder „Hermaphrodit" als Geschlechtsbezeichnung im Geburtenbuch grundsätzlich unzulässig ist. Im Falle des unechten Hermaphroditismus (Pseudohermaphroditismus), bei dem eine Zuordnung entweder zum männlichen oder zum weiblichen Geschlecht möglich ist, kommt sie jedenfalls nicht in Betracht.

Die Eintragung der Bezeichnung „intersexuell" oder „intrasexuell" im Personenstandsregister ist unzulässig, da diese Begriffe kein bestimmtes Geschlecht bezeichnen, sondern Oberbegriffe für verschiedene Störungen der sexuellen Differenzierung darstellen.

  • LG München I, Beschl. v. 30.06.2003 - 16 T 1944/02; FamrZ 2004, 269; NJW-RR 2003, 1590
  • AG München, Beschl. v. 13.09.2001 - 722 UR III 302/00; NJW-RR 2001, 1586

Kirchen

  • 1.     Kostenerstattungsansprüche aus einem Verfahren vor den Kirchengerichten können grundsätzlich vor den staatlichen Gerichten eingeklagt werden, wenn diese Ansprüche nicht anderweit durchgesetzt werden können.
    2.     Die staatlichen Gerichte können die kirchengerichtlichen Entscheidungen, aus denen die Kostenerstattungsansprüche hervorgegangen sind, nicht uneingeschränkt nachprüfen.
  • 3.     Die Entscheidungen der Kirchengerichte sind in diesem Bereich von den staatlichen Gerichten nur darauf hin nachzuprüfen, ob sie mit den in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien vereinbar und frei von Willkür sind sowie die grundlegenden Verfahrensgarantien einhalten.

Kirchenaustritt

  • Das nordrhein-westfälische formalisierte Verfahren zur Erklärung des Austritts aus einer Kirche oder aus einer sonstigen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft des öffentlichen Rechts und die Erhebung einer Gebühr in Höhe von 30 EUR sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
  • 1.   Wer den Austritt aus einer Kirche erklärt, die nach staatlichem Recht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat und deswegen u.a. zur Erhebung von Kirchensteuer berechtigt ist, kann seine Austrittserklärung nicht auf den staatlichen Rechtskreis beschränken.
    2.   Durch die behördliche Feststellung der Wirksamkeit eines Kirchenaustritts ist die Kirche in eigenen Rechten betroffen (§ 42 Abs. 2 VwGO).
  • Wer aufgrund staatlicher Vorschriften aus einer Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten will, kann seine Erklärung nicht auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Verbleib in der Religionsgemeinschaft als Glaubensgemeinschaft beschränken.
         Der Austretende darf aber in seiner Austrittserklärung die Kirche, aus der er austreten will, als "römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechts" bezeichnen.

Krankenversicherung


  • Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass die Partner gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung nicht einbezogen werden.

    • SG Berlin, Beschl. v. 29.02.2000 - S 73 KR 835/98 

  • § 122 BSHG hat nicht die Aufgabe, die Entscheidung des Gesetzgebers zu korrigieren, dass Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht von der gesetzlichen Familienkrankenversicherung erfasst sind.


    • OVG Münster, Beschl. v. 14.11.1991 - 24 B 2376/91; FamRZ 1992, 4; FEVS 1992, 160

Kredite


  • Die Rechtsprechung zur Bürgschaft finanziell überforderter Ehegatten findet in der Regel entsprechende Anwendung, wenn Hauptschuldner und Bürge durch eine eheähnliche Lebensgemeinschaft verbunden sind.


    • BGH, Urt. v. 23.01.1997 - IX ZR 55/96; NJW 1997, 1005; Neue Justiz 1997, 311
    • Einen guten Überblick über die schwer überschaubare Rechtsprechung bietet Scholz Andreas: Neue Entwicklungen im Bürgschaftsrecht, DRiZ 2003, 27 

  • Die Beendigung einer Partnerschaft führt nicht ohne Weiteres zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für eine während dieser Partnerschaft für Verbindlichkeiten aus der Zeit des Zusammenlebens übernommenen Bürgschaft.


    • OLG Köln, Beschl. v. 27.09.1996 - 16 W 63/96; NJW-RR 1997, 1067
    • OLG Köln, Urt. v. 04.03.1997 - 22 U 160/96; MDR 1997, 650

Melderecht

  • 1.     Der melderechtliche Berichtigungsanspruch ist darauf gerichtet, eine unrichtige Eintragung durch die richtige zu ersetzen.
    2.     Benutzt ein Einwohner mit mehreren Wohnungen im Inland keine Wohnung vorwiegend und kann auch kein Schwerpunkt der Lebensbeziehungen an einem Ort festgestellt werden, hat er gegenüber den Meldebehörden zu erklären, welche Wohnung Hauptwohnung ist. Für minderjährige Einwohner üben in diesen Fällen die Personensorgeberechtigten das Bestimmungsrecht aus.
    3.     Können sich getrennt lebende, gemeinsam sorgeberechtigte Eltern nicht über die Hauptwohnung ihres Kindes einigen, ist die frühere Familienwohnung dessen Hauptwohnung, wenn ein Elternteil sie nach der Trennung weiter bewohnt.

Mietrecht

BGH:

  • Wohnungseigentum ist auch dann „nach der Überlassung an den Mieter" i.S. des § 564b Abs. II Nr. 2 S. 2 BGB a.F. begründet worden, wenn der Mieter, dem gekündigt wurde, zur Zeit der Begründung des Wohnungseigentums als Angehöriger in der Wohnung lebte und mit dem Tode des damaligen Mieters kraft Gesetzes in das Mietverhältnis eingetreten ist. Der Angehörige rückt auch bezüglich der Wartefrist, die der Vermieter für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zu beachten hat, in die Rechtsposition des verstorbenen Mieters ein.
    • BGH, Urt. v. 9. 7. 2003 - VIII ZR 26/03; NJW 2003, 3265; FamRZ 2003, 1919; ZMR 2003, 819; NZM 2003, 847; WuM 2003, 569; DWW 2003, 336; Grundeigentum 2003, 1326, m. Bspr. Klaus Schach, 1306; Wohnungseigentümer 2004, 140; MDR 2003, 1410; NotBZ 2003, 392; Anm. Matthias Scheff, MietRB 2003, 97; Anm. Friedrich Schmidt, ZWE 2004, 159 u. 176
  • Gegen einen Untermieter kann die Räumungsvollstreckung nicht aufgrund des gegen den Hauptmieter ergangenen Titels betrieben werden.
    • BGH, Beschl. v. 18.07.2003 - IXa ZB 116/03; ZMR 2003, 826, u. 2004, 324, u. Anm. Walter Fallak, 324, u. Bspr. Holger Pauly, ZMR 2005, 337; NZM 2003, 802; ZfIR 2003, 879; NJW-RR 2003, 1450; WuM 2003, 577; WM 2003, 1825; WE 2004, 20; MDR 2004, 53; Rpfleger 2003, 596; DGVZ 2003, 187; Anm. Jan Kreikenbohm, IBR 2003, 641; Norbert Monschau, MietRB 2004, 8
  • a)     Für den Bereich des Wohnungsmietrechts ist der Lebensgefährte als "Dritter" im Sinne des 540 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen. Der Mieter einer Wohnung bedarf daher der Erlaubnis des Vermieters, wenn er seinen Lebensgefährten in die Wohnung aufnehmen will.
    b)     Der – auf höchstpersönlichen Motiven beruhende und deshalb nicht näher zu begründende – Wunsch des Mieters, eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zu begründen oder fortzusetzen, reicht in aller Regel aus, um ein berechtigtes Interesse an der Aufnahme des Dritten in die Wohnung darzulegen. Die Erlaubnis kann der Vermieter nach § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB nur versagen, wenn die Mitbenutzung der Wohnung durch die weitere Person für ihn, etwa wegen einer Überbelegung der Wohnung, unzumutbar ist.
    c.     Kein Dritter im Sinne des 540 Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Familie des Mieters wegen ihrer engen, unter dem ausdrücklichen Schutz der Verfassung (Art. 6 GG) stehenden persönlichen Beziehung und - mit Rücksicht auf ihren nur kurzen Aufenthalt - Besucher des Mieters.
    • BGH, Urt. v. 5.11.2003 – VIII ZR 371/02; BGHZ 157, 1; NJW 2004, 56; FamRZ 2004, 91, m. Anm. Gerd Brudermüller 359; JR 2004, 377, m. Anm. Werner Hinz, 379; FPR 2004, 277; FuR 2004, 429; ZMR 2004, 100, m. Aufs. Peter Derleder, ZMR 2015, 521; NZM 2004, 22, m. Aufs. Beate Heilmann, NZM 2016, 74; DWW 2004, 16; WuM 2003, 688, m. Anm. Karl Friedrich Wiek, 690; WE 2004, 19; Grundeigentum 2003, 1606, m. Bespr. Rudolf Beuermann, 1588; WM 2004, 528, m. Anm. Friedrich Wiek, 690; MDR 2004, 141; Anm. Hans-Georg Eckert, EWiR 2004, 743; Anm. Hubert Blank, LMK 2004, 1; Anm. Klaus Lützenkirchen, MietRB 2004, 35
  • Zur Frage, ob ein Mieterhöhungsverfahren allein gegen den in der gemeinsam angemieteten Wohnung verbleibenden Mieter durchgeführt werden kann, wenn der aus der Wohnung ausgezogene Ehegatte mit dem Vermieter seine Entlassung aus dem Mietverhältnis vereinbart hat und nur der andere Ehegatte seitdem die Wohnung nutzt und die Miete zahlt. 
    • BGH, Urt. v. 03.03.2004 - VIII ZR 124/03; NJW 2004, 1797; FamRZ 2004, FuR 2005, 141; 936; NZM 2004, 419; WuM 2004, 280 ; Grundeigentum 2004, 615; MDR 2004, 868; Anm. Marcel J Eupen, MietRB 2004, 226; Anm. Ulf P. Börstinghaus, LMK 2005, 149826
  • Aus einem Räumungstitel gegen den Mieter einer Wohnung kann der Gläubiger nicht gegen einen im Titel nicht aufgeführten Dritten vollstrecken, wenn dieser Mitbesitzer ist.
  • a)     Der Gläubiger kann aus einem Räumungstitel gegen den Mieter einer Wohnung nicht gegen einen im Titel nicht aufgeführten Dritten vollstrecken, wenn dieser Mitbesitzer ist (Festhaltung BGH, 25. Juni 2004, IXa ZB 29/04, NJW 2004, 3041).
    b)     Gleichermaßen ist die Vollstreckung gegen den allein in der Wohnung nach Trennung von Eheleuten verbliebenen Ehegatten des Wohnungsmieters/Räumungsschuldners ausgeschlossen. Es ist ein Räumungstitel gegen den alleinbesitzenden Ehegatten erforderlich. Es kommt nicht darauf an, ob dem Vermieter die Situation bei Klageerhebung bzw. vor Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens bekannt war.
  • Zur Wirksamkeit der Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses, die nach dem Auszug eines Mitmieters allein gegenüber dem die Wohnung weiter nutzenden Mieter ausgesprochen worden ist (im Anschluss an BGH, Urt. v. 03.03.2004 - VIII ZR 124/03, NJW 2004, 1797). 
    • BGH, Urt. v. 16.03.2005 - VIII ZR 14/04; NJW 2005, 1715; NZM 2005, 452; ZMR 2005, 522; DWW 2005, 234: Grundeigentum 2005, 610, m. Anm. 587; WE 2005, 279; MDR 2005, 858; Anm. Ulf P. Börstinghaus, LMK 2005, 149826, u. LMK 2005, II, 5; Anm. Anja Krapf, MietRB 2005, 172
  • a)     Zum konkludenten Eintritt eines Ehegatten als weiterer Mieter in den von seinem Ehepartner und dem Vermieter geschlossenen Mietvertrag.
    b)     Ein konkludenter Eintritt in den Mietvertrag liegt insbesondere vor, wenn der Ehegatte im eigenen Namen Willenserklärungen gegenüber der Hausverwaltung abgibt und den Schriftverkehr im eigenen Namen führt, die Wohnung jahrelang alleine nutzt, Mietzahlungen leistet, Schönheitsreparaturen ausführt, die Kündigung erklärt und vom Ehegatten geleistete Mietkaution „zurückfordert".
  • Der Anspruch des Wohnungsmieters auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung setzt nicht voraus, dass der Mieter in der Wohnungs seinen Lebensmittelpunkt hat.
  • a)     Hat der Mieter in die Mietwohnung einen nichtehelichen Lebensgefährten aufgenommen, ist für die Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel auch gegen den nichtehelichen Lebensgefährten erforderlich, wenn dieser Mitbesitz an der Wohnung begründet hat. Ein Mitbesitz an der Wohnung muss sich aus den Umständen klar und eindeutig ergeben.
    b)     Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, haben grundsätzlich keinen Mitbesitz an der gemeinsam genutzten Wohnung. Die Besitzverhältnisse an der Wohnung ändern sich im Regelfall nicht, wenn die Kinder nach Erreichen der Volljährigkeit mit ihren Eltern weiter zusammenleben. Haben Kinder keinen Mitbesitz an der Wohnung erlangt, reicht für ei-ne Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern aus.
  • a)     Steht die von den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gemeinsam genutzte Wohnung in dem Alleineigentum eines der Partner, so beruht die Einräumung der Mitnutzung an den anderen Partner im Zweifel auf tatsächlicher, nicht auf vertraglicher Grundlage. Der Abschluss eines Leihvertrages über den gemeinsam genutzten Wohnraum ist zwischen den Partnern zwar grundsätzlich möglich. Zu seiner Annahme bedarf es jedoch besonderer tatsächlicher Anhaltspunkte, die erkennbar werden lassen, dass die Partner gerade die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung aus ihrem wechselseitigen tatsächlichen Leistungsgefüge ausnehmen und rechtlich bindend regeln wollen.
    b)     Wird für den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Dritter zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten bestellt und für diese Bereiche ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, so kann der Betreuer, wenn der Betreute in ein Pflegeheim umzieht, von dem anderen Partner gemäß § 985 BGB die Herausgabe der im Alleineigentum des Betreuten stehenden und bis dahin gemeinsam genutzten Wohnung verlangen. Dies gilt dann nicht, wenn die Partner generell oder für diesen Fall eine anderweitige und auch den Betreuer bindende rechtliche Regelung (etwa durch Einräumung eines Wohnrechts) getroffen haben.
    c)     Vom Zeitpunkt des Umzugs des Betreuten und dem Herausgabeverlangen seines Betreuers an ist der in dem Haus verbliebene Partner gemäß § 987 BGB zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verpflichtet.
  • a)     Das Schriftformgebot des § 550 BGB will in erster Linie sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen kann. Darüber hinaus dient die Schriftform des § 550 BGB aber auch dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien sicherzustellen und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen.
    b)     Ist die Urkunde im Falle einer Personenmehrheit nicht von allen Vermietern oder Mietern unterzeichnet, müssen die vorhandenen Unterschriften deutlich zum Ausdruck bringen, ob sie auch in Vertretung der nicht unterzeichnenden Vertragsparteien hinzugefügt wurden. Wird die Vertretung der Vertragspartei durch die den Vertrag unterzeichnende Person allerdings auf andere Weise deutlich, z.B. wenn nur eine natürliche Person als Mieter oder Vermieter auftritt und eine andere Person den Vertrag unterschreibt, ist ein zusätzlicher Vertretungszusatz nicht erforderlich. 
    • BGH, Urt. v. 07.05.2008 - XII ZR 69/06; BGHZ 176, 301; NJW 2008, 2178, m. Anm. Hermann Stapenhorst, 2181; WE 2008, 183; NZM 2008, 482; ZMR 2008, 704; JR 2009, 375; MDR 2008, 851; WM 2008, 1172; Grundeigentum 2008, 798; ZfIR 2010, 141; Anm. Ulf P Börstinghaus, LMK 2008, 264036; Anm. Wolfgang Dötsch, MietRB 2008, 231 u. 269
  • Die Räumungsvollstreckung darf nicht betrieben werden, wenn ein Dritter, der weder im Vollstreckungstitel noch in der diesem beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet ist, im Besitz der Mietsache ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Verdacht besteht, dem Dritten sei der Besitz nur eingeräumt worden, um die Zwangsräumung zu vereiteln.
  • a)     Nimmt der Mieter eine Untervermietung vor, ohne die erforderliche Erlaubnis seines Vermieters einzuholen, verletzt er seine vertraglichen Pflichten auch dann, wenn er einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat.
    b)     Ob ein derartiger Vertragsverstoß des Mieters ein die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigendes Gewicht hat, ist unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
    c)     Hat der Mieter eine Erlaubnis zur Untervermietung vom Vermieter rechtzeitig erbeten, so ist eine auf die fehlende Erlaubnis gestützte Kündigung rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter seinerseits zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtet war und ihm somit selbst eine Vertragsverletzung zur Last fällt.
  • a)     Ein Ehegatte, der nicht Partei des Mietvertrages ist, ist nicht Dritter i.S.d. §§ 540, 553 BGB, solange es sich bei der von ihm bewohnten Wohnung um eine Ehewohnung handelt. 
    b)     Eine Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Ehewohnung nicht schon dadurch, dass der (mietende) Ehegatte die Wohnung dem anderen - ggf. auch für einen längeren Zeitraum - belassen hat bzw. diese nur noch sporadisch nutzt, sondern erst mit der endgültigen Nutzungsüberlassung
    • BGH, Urt. v. 12.06.2013 - XII ZR 143/11; NJW 2013, 2507; FamRZ 2013, 1280, m. Anm. Alexander Erbarth, 1281; ZMR 2013, 868, u. Aufs. Holger Pauly, ZMR 2015, 836; NZM 2013, 786, u. Aufs. Beate Heilmann, NZM 2016, 74; WuM 2013, 485; NZFam 2014, 525; MDR 2013, 899; Grundeigentum 2013, 999; Anm. Finn Zwißler, FamFR 2013, 379; Aufs. Catharina Kunze, Mathias Münch, MietRB 2014, 112; Bespr. Marina Wellenhofer, JuS 2014, 170
  • a)     Die Gerichte haben grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen sieht. Sie sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters (oder seiner Angehörigen) zu setzen (im Anschluss an BVerfGE 79, 292, 304 f.; 89, 1, 9; NJW 1994, 995; NJW 1995, 1480, 1481; NJW-RR 1999, 1097, 1098).
    b)     Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf ist nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen. Rechtsmissbräuchlich ist nicht schon der überhöhte, sondern erst der weit überhöhte Wohnbedarf. Die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, haben die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen (im Anschluss an BVerfGE 68, 361, 373 f.; BVerfG, NJW 1993, - 2 - 1637, 1638; WuM 1993, 380, 384; NJW 1994, 995, 996; NJW 1994, 2605, 2606; NJW 1995, 1480 f.).
    c)     Es lassen sich keine Richtwerte (etwa Wohnfläche) aufstellen, ab welcher Grenze bei einem Alleinstehenden von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist. Denn diese Beurteilung hängt nicht allein von der in Anspruch genommenen Wohnfläche oder der Anzahl der Räume ab, sondern von einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls.
    d)     Macht sich der Vermieter den (ernsthaften) Wunsch eines alleinstehenden volljährigen Familienangehörigen zu eigen, einen eigenen Hausstand zu gründen und mit einem (langjährigen) Freund eine Wohngemeinschaft (keine Lebensgemeinschaft) zu bilden, und bemisst er auf dieser Grundlage den aus seiner Sicht angemessenen Wohnbedarf, ist diese Entscheidung von den Gerichten grundsätzlich anzuerkennen.
    • BGH, Urt. v. 04.03.2015 - VIII ZR 166/14; BGHZ 204, 216; NJW 2015, 1590, n. Aufs. Hubert Fleindl, 2315; NZM 2015, 378, m. Aufs. Ulf Börstinghaus, 417; ZMR 2015, 923; Grundeigentum 2015, 585; DWW 2015, 133; WuM 2015, 304; MDR 2015, 637; Anm. Arnold Lehmann-Richter, IMR 2015, 178
  • a)     Ein mehrjähriger (berufsbedingter) Auslandsaufenthalt des Mieters kann ein berechtigtes Interesse an der Überlassung eines Teils des Wohnraums an einen Dritten begründen (Fortführung von BGH, Urteil vom 23. November 2005 - VIII ZR 4/05, NJW 2006, 1200).
  • b)     Von einer Überlassung eines Teils des Wohnraums im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB ist regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt. Hierfür genügt es, wenn er ein Zimmer einer größeren Wohnung zurückbehält, um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder dieses gelegentlich zu Übernachtungszwecken (Urlaub, kurzzeitiger Aufenthalt) zu nutzen. 
    • BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13; NJW 2014, 2717; ZMR 2014, 713, m. Aufs. Peter Derleder, ZMR 2015, 521, u. Aufs. Thomas Wedel, ZMR 2015, 532; DWW 2014, 333; WuM 2014, 489; NZM 2014, 631, m. Aufs. Beate Heilmann, NZM 2016, 74; Grundeigentum 2014, 998; MDR 2014, 887; Aufs.Volker Emmerich, JuS 2015, 171; Anm. Olaf Riecke, IMR 2014, 319; Anbm. Robert Harsch, MietRB 2014, 225; Anm. Norbert Eisenschmid, LMK 2014, 362888
  • a)     Während der Trennungszeit ist der auf § 985 BGB gestützte Antrag eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig (im Anschluss an BGHZ 67, 217 = NJW 1977, 43 und BGHZ 71, 216 = FamRZ 1978, 496).
    b)      Die Ehewohnung behält diese Eigenschaft während der gesamten Trennungszeit.
    c)      Der Eigentümer-Ehegatte, der dem anderen Ehegatten die Ehewohnung im Sinne des § 1361 b Abs. 4 BGB überlassen hat, kann bei wesentlicher Veränderung der zugrundeliegenden Umstände eine Änderung der Überlassungsregelung gemäß § 1361 b Abs. 1 BGB im Ehewohnungsverfahren verfolgen.
    d)     Das unzulässige Herausgabeverlangen nach § 985 BGB kann nicht in einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung im Ehewohnungsverfahren umgedeutet werden. 

andere:
  • 1.     Für einen Eintritt in das Mietverhältnis nach § 563 Abs. 2 S. 4 BGB ist es erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Todes des Vormieters ein auf Dauer angelegter gemeinsamer Haushalt mit demjenigen besteht, der sich auf sein Eintrittsrecht beruft.
    2.     Angesichts der Gefahr des Rechtsmissbrauchs sind an das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts hohe Anforderungen zu stellen. Von der Vorschrift des § 563 Abs. 2 S. 4 BGB werden grundsätzlich nur Lebensgemeinschaften erfasst, die auf Dauer angelegt sind, keine weiteren Bindungen gleicher Art zulassen und sich durch innere Bindungen auszeichnen, die ein gegenseitiges Füreinander begründen und über reine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften hinausgehen (hier: verneint für eine enge Freundin/Erbin, die mit getrenntem Mietvertrag das über der Wohnebene der Verstorbenen gelegene Geschoss bewohnt hatte, trotz möglicherweise gemeinsamer Haushaltsführung).
  • Nach Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft hat jeder der vormaligen Lebensgefährten einen Anspruch darauf, daß der andere bei der Kündigung eines gemeinsam begründeten Mietverhältnisses mitwirkt. Dieses Recht besteht auch dann, wenn dem anderen Lebenspartner zuvor die Wohnung zur alleinigen Nutzung überlassen wurde.
  • Ist derjenige Ehegatte, der alleiniger Mieter der Ehewohnung ist, nach der Trennung ausgezogen und hat den Mietvertrag gegenüber dem Vermieter gekündigt, ist die Kündigung ungeachtet der Frage, ob aus § 1353 Absatz 1 S. 2 BGB ein Kündigungsverbot folgt, im Verhältnis zum Vermieter rechtswirksam. Der in der Wohnung verbleibende Ehegatte kann auch dann keine Zuweisung der Ehewohnung nach § BGB § 1361b Abs. 1 BGB erhalten, wenn er beabsichtigt, in der Wohnung zu verbleiben und im späteren Scheidungsverfahren einen Antrag nach § 1568a BGB zu stellen.
  • Der Anspruch auf Mitwirkung an der Mitteilung nach § 1568 a Abs. 3 Nr. 1 BGB kann schon während der Trennungszeit geltend gemacht werden (entgegen OLG Hamm, FamRZ 2015, 182)
  • Siehe auch in der Rechtsprechungs- und Literaturübersicht zum Lebenspartnerschaftsgesetz unter: Rechtsprechung - Mietrecht

Mobbing

  • In Mobbing-Fällen beginnt die Ausschlussfrist wegen der systematischen, sich aus mehreren einzelnen Handlungen zusammensetzenden Verletzungshandlung regelmäßig erst mit der zeitlich letzten Mobbing-Handlung.
         Eine wirksame Ausschlussklausel, die nach ihrem Wortlaut „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" erfasst, umfasste nach der bis zum 31.12.2001 geltenden Rechtslage auch Ansprüche aus vorsätzlicher Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
         Mobbing ist kein Rechtsbegriff und keine Anspruchsgrundlage.
         Einzelne Teilakte der als Mobbing anzusehenden Gesamthandlung können jeweils für sich betrachtet rechtlich „neutral" sein.
         Die Frage, ob ein Gesamtverhalten als eine einheitliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren ist, und ob einzelne Handlungen in der Gesamtschau einen persönlichkeitsverletzenden Charakter haben, unterliegt der revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren tatrichterlichen Würdigung.
         Neben der Haftung des Arbeitgebers für eigenes Tun kommt auch eine Haftung für das Verhalten von Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB in Betracht.
         An der für das Mobbing typischen, verschiedene einzelne Handlungen zusammenfassenden Systematik kann es fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinanderfolgen, kritisiert oder schlecht beurteilt wird.
         Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten, die der vermeintlich „gemobbte" Arbeitnehmer produziert hat, sind nicht in die Prüfung eines Mobbingverhaltens einzubeziehen.
         An der erforderlichen Systematik kann es auch fehlen, wenn zwischen den einzelnen Teilakten lange zeitliche Zwischenräume liegen.
         Die Beweislast für die Pflichtverletzung und die Kausalität trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmer. Davon ist auch in Mobbing-Fällen nicht abzuweichen.
  • Der Arbeitgeber haftet nach § 278 BGB für Schäden, die einer seiner Arbeitnehmer dadurch erleidet, dass ihn sein Vorgesetzter schuldhaft in seinen Rechten verletzt.
         Führt ein schuldhaftes dienstliches Verhalten eines Vorgesetzten dazu, das ein ihm unterstellter Mitarbeiter psychisch erkrankt, so hat der Mitarbeiter gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld), wenn sich der Arbeitgeber des Vorgesetzten als Erfüllungsgehilfen bedient.
         Die Beurteilung, ob ein Gesamtverhalten eines Vorgesetzten als eine einheitliche Verletzung von Rechten des unterstellten Arbeitnehmers zu qualifizieren ist oder ob einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen des Vorgesetzten für sich genommen oder in der Gesamtschau einen rechtsverletzenden Charakter haben, unterliegt der revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren tatrichterlichen Würdigung.
    • BAG, Urt. v. 25.10.2007 - 8 AZR 593/06; NZA 2008, 223; BB 2008, 675; GesR 2008, 135; ZTR 2008, 215; MDR 2008, 511; MedR 2008, 379; VersR 2008, 1654; Arztrecht 2008, 316, m. Anm. Andreas, Manfred
  • Der Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbings (§§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) kann zwar verwirken, dafür genügen jedoch ein bloßes „Zuwarten“ oder die Untätigkeit des Anspruchstellers nicht.
  • Zu den Anspruchsgrundlagen und Klageanträgen bei Mobbing.
  • Auch bei nur verbalen sexuellen Belästigungen durch einen langjährig beschäftigten männlichen Arbeitnehmer kann eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung verhältnismäßig sein.
         Eine begangene sexuelle Belästigung macht die Weiterbeschäftigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht per se kraft Gesetzes unzumutbar.
  • 1.     Auf Mobbing gestützte Schmerzensgeldansprüche können vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist verwirken.
    2.     Für das Zeitmoment kommt es entscheidend auf die letzte Mobbinghandlung an.
    3.     Um eine effektive Rechtsverteidigung zu ermöglichen, entspricht es regelmäßig dem Interesse des Anspruchsgegners, sich zeitnah gegen Mobbingvorwürfe zur Wehr setzen zu können.
  • 1.     Gilt im Arbeitsverhältnis der Parteien die tarifliche Ausschlussfrist aus § 37 TV-L nur aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme, sind davon Ansprüche des Arbeitnehmers auf Schmerzensgeld wegen vorsätzlicher Missachtung seines Persönlichkeitsrechts durch den Arbeitgeber selbst nicht erfasst, da § 202 Absatz 1 BGB als zwingende Norm vorgeht (vgl. BAG 26. September 2013 - 8 AZR 1013/12 - AP Nr. 204 zu § 4 TVG Ausschlussfristen = NZA-RR 2014, 177).
  • 2.     Subsumierende einzelfallbezogene Ausführungen zur Frage der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers durch arbeitgeberseitiges Führungsverhalten.

Mutterschutz


  • Das geltende Mutterschaftsrecht enthält kein Beschäftigungsverbot der Beamtin als Adoptivmutter nach Geburt, Inpflegenahme oder Adoption des nicht leiblichen Kindes. Sie hat keinen Anspruch auf entsprechenden Mutterschaftsurlaub.


    • OVG Berlin, Beschl. v. 12.07.1999 - 4 N 16.99; ZBR 2000, 428
    • VG Frankfurt a.M., Urt. v. 15.10.2001 - 9 E 380/00; NVwZ-RR 2002, 134

Namensrecht

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte:


Europäischer Gerichtshof:
  • Die Artikel 12 EG und 17 EG sind dahin auszulegen, dass sie es den Verwaltungsbehörden eines Mitgliedstaats verwehren, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einen Antrag auf Änderung des Namens in diesem Staat wohnender minderjähriger Kinder mit doppelter Staatsangehörigkeit, derjenigen dieses Staates und derjenigen eines anderen Mitgliedstaats, abzulehnen, wenn dieser Antrag darauf gerichtet ist, dass diese Kinder den Namen führen können, den sie nach dem Recht und der Tradition des zweiten Mitgliedstaats hätten.
  • Art. 18 EG steht unter Bedingungen wie denen des Ausgangsverfahrens dem entgegen, dass die Behörden eines Mitgliedstaats es unter Anwendung des nationalen Rechts ablehnen, den Nachnamen eines Kindes anzuerkennen, der in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde, in dem dieses Kind – das wie seine Eltern nur die Staatsangehörigkeit des erstgenannten Mitgliedstaats besitzt – geboren wurde und seitdem wohnt.
    • EuGH (Große Kammer), Urt. v. 14.10.2008 - C-353/06 (Rs. Grunkin u.a.) - Schlussanträge; NJW 2009, 135, m. Aufs. Rieck, Jürgen, 125; FamRZ 2008, 2089; StAZ 2009, 9, m. Aufs. Lipp, Volker, 1; FPR 2008, 626; JR 2009, 151, m. Anm. Kroll-Ludwigs, Kathrin, 153; DVBl 2008, 1436; EuZW 2008, 694; InfAuslR 2009, 5; BayVBl 2009, 238; DNotZ 2009, 449, m. Anm. Martiny, Dieter, 453; FPR 2010, 29
  • Art. 21 AEUV ist dahin auszulegen, dass er es den Behörden eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Anerkennung des Nachnamens eines Angehörigen dieses Staates in allen seinen Bestandteilen, wie er in einem zweiten Mitgliedstaat, in dem dieser Staatsangehörige wohnt, bei seiner Adoption als Erwachsener durch einen Staatsangehörigen dieses zweiten Staates bestimmt wurde, abzulehnen, wenn dieser Nachname einen Adelstitel enthält, der im ersten Mitgliedstaat aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig ist, sofern die in diesem Zusammenhang von diesen Behörden ergriffenen Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sind, d. h. zum Schutz der Belange, die sie gewährleisten sollen, erforderlich sind und in einem angemessenen Verhältnis zu dem legitimerweise verfolgten Zweck stehen.
  • Art. 21 AEUV ist dahin auszulegen, dass er die Personenstandsbehörde eines Mitgliedstaats daran hindert, die Anerkennung und die Umschrift im Personenstandsregister des von einem Angehörigen dieses Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, rechtmäßig erworbenen Familiennamens, der seinem Geburtsnamen entspricht, auf der Grundlage einer Bestimmung des nationalen Rechts abzulehnen, nach der die Möglichkeit zur Erlangung einer solchen Umschrift durch Erklärung gegenüber der Personenstandsbehörde nur dann besteht, wenn der Name während eines gewöhnlichen Aufenthalts in dem anderen Mitgliedstaat erworben wurde, es sei denn, es gibt im nationalen Recht andere Bestimmungen, die eine tatsächliche Anerkennung dieses Namens ermöglichen.

Bundesverfassungsgericht:
  • Zur Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Familiendoppelnamen für Kinder.
    • BVerfG, Urt. v. 30.01.2002 - 1 BvL 23/96, BVerfGE 104, 373; NJW 2002, 1256; FamRZ 2002, 306; FPR 2002, 150; ZfJ 2002, 179; Kind-Prax 2002, 59; JAmt 2002, 73; StAZ 2002, 72; EuGRZ 2002, 282; RPfleger 2002, 307; DVBl. 2002, 472; MDR 2002, 338 
  • Der Ausschluss des Ehedoppelnamens verletzt weder das Persönlichkeitsrecht der Ehegatten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG noch Art. 6 Abs. 1 GG noch das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG.
    • BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats) Beschl. v. 07.02.2002 - 1 BvR 745/99, FamRZ 2002, 530; FuR 2002, 421; StAZ 2002, 168; ZfJ 2002, 297 
  • Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass die von Eltern, die keinen Namen tragen, für ihr erstes Kind getroffene Geburtsnamenbestimmung kraft Gesetzes (§ 1616 Abs. 2  Satz 3 BGB a.F., jetzt § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB) auch für weitere Kinder gilt.
    • (BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats) Beschl. v. 18.03.2002 - 1 BvR 2297/96, NJW 2002, 2861; FPR 2002, 533; StAZ 2003, 8 
  • § 1355 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar, soweit er ausschließt, dass Ehegatten zum Ehenamen einen durch frühere Eheschließung erworbenen Familiennamen bestimmen können, den einer von beiden zum Zeitpunkt der Eheschließung führt.
         Bis zum In-Kraft-Treten einer gesetzlichen Neuregelung ist § 1355 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches mit der Maßgabe anzuwenden, dass dann, wenn die Ehegatten bei einer Eheschließung nach dem Tage der Veröffentlichung dieser Entscheidungsformel im Bundesgesetzblatt einen von einem der Ehegatten in einer früheren Ehe erworbenen Familiennamen zum Ehenamen bestimmen wollen, jeder Ehegatte vorläufig bis zur gesetzlichen Neuregelung den von ihm zur Zeit der Eheschließung geführten Namen behält.
    • BVerfG, Urt. v. 18.02.2004 - 1 BvR 193/97; BVerfGE 109, 256; NJW 2004, 1155, m. Aufs. Manteuffel, Kerstin, 1773; FamRZ 2004, 515, m. Aufs. Mutscheler, Karlheinz, 762;  FPR 2004, 206, m. Aufs. Sacksofsky, Ute, 371; StAZ 2004, 104, m. Bericht v. Krömer, Karl, 232; MDR 2004, 633; EuGRZ 2004, 209; Streit, 2004, 63
  • Es ist mit dem Recht der Eltern, ihrem Kind einen Namen zu geben (vgl. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG), und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes (vgl. Art. 2 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG) unvereinbar, die Eintragung eines Namens (hier: Anderson) als Vorname ohne hinreichende Tatsachenfeststellungen mit der Begründung abzulehnen, der Name sei in Deutschland als Familienname gebräuchlich, und dabei maßgeblich auf öffentliche Belange und nicht auf das Kindeswohl abzustellen.
  • Mangels einer gesetzlichen Regelung existiert keine Begrenzung der elterlichen Vornamenswahl auf einen geschlechtsbezogenen Namen. Auch aus §§ 21 Abs 1 Nr 1, Nr 3 PStG folgt keine solche Beschränkung. Die Dienstanweisung für Standesbeamte und ihre Aufsichtsbehörden stellt lediglich eine Verwaltungsvorschrift ohne Gesetzescharakter dar.
         Soweit dem Vornamen für die Persönlichkeit des Kindes Bedeutung zukommt, weil er dem Kind hilft, seine Identität zu finden und seine Individualität zu entwickeln, ist von einer Gefährdung des Kindeswohls allenfalls dann auszugehen, wenn der gewählte Vorname dem Kind offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise die Möglichkeit bietet, sich anhand des Vornamens mit seinem Geschlecht zu identifizieren (hier verneint für den Vornamen „Kiran").

Bundesgerichtshof
  • Die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils kann erst dann ersetzt werden, wenn konkrete Umstände vorliegen, die das Kindeswohl gefährden, und die Einbenennung daher unerlässlich ist, um Schäden von dem Kind abzuwenden.
  • Durch die Einbenennung wird der neue Geburtsname des Kindes - vorbehaltlich einer weiteren Einbenennung - grundsätzlich unwandelbar fixiert. Nimmt der sorgeberchtigte Elternteil nach der Scheidung seiner Ehe gemäß § 1355 Abs. 5 Satz 2 BGB wieder seinen Geburtsnamen an, kann sich das Kind dieser Namenänderung nicht anschließen.
  • Bei der Wahl eines Vornamens für ihr Kind sind die Eltern grundsätzlich frei; sie sind insbesondere nicht an einen Kanon herkömmlicher Vornamen gebunden. Dem Recht der Eltern zur Vornamenswahl sind vielmehr allein dort Grenzen gesetzt, wo die Rechtsausübung das Kindeswohl konkret zu beeinträchtigen droht.
         Auch Namen, die - zumindest bisher - nur als Familiennamen gebräuchlich sind, sind nicht generell und ohne konkrete Beeinträchtigung des Kindeswohls als wählbare Vornamen ausgeschlossen. Eine solche Beeinträchtigung kann sich allerdings etwa dann ergeben, wenn der bislang nur als Familienname gebräuchliche Name nicht geeignet erscheint, dem Kind die mit dem Vornamen einhergehende Identitätsfindung und Individualisierung zu ermöglichen (etwa: "Schmitz").
         Eine konkrete, d.h. im Einzelfall nachvollziehbar zu erwartende Beeinträchtigung des Kindeswohls liegt nicht schon darin begründet, dass die Eltern für ihr Kind, das den Familiennamen der Mutter als Geburtsnamen führt, den aktuell geführten Familiennamen des Vaters ("Lütke") als weiteren Vornamen wählen. Einen generellen "Verbrauch" des väterlichen Familiennamens als Vorname des Kindes kennt das geltende Recht nicht.
  • a)     Beantragt ein Elternteil die Übertragung der Entscheidungsbefugnis über eine Namensänderung des Kindes, so hat das Familiengericht neben allgemeinen Kindeswohlbelangen auch die Erfolgsaussicht eines entsprechenden Antrags zu prüfen.
    b)     Eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis hat zu unterbleiben, wenn sich nach umfassender Amtsaufklärung keine Erforderlichkeit der Namensänderung für das Kindeswohl ergibt (Fortführung von BVerwGE 116, 28 = FamRZ 2002, 1104 und Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2001 – XII ZB 88/99 – FamRZ 2002, 94). 
  • Art. 48 EGBGB zwingt nicht zur Anerkennung einer in einem EU-Mitgliedsstaat unter Verstoß gegen das dortige Kollisionsrecht erfolgten Wahl eines unzulässigen Doppelnamens.

Sonstige Zivilgerichte
  • Zur Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses eines Begleitnamens, wenn zum Ehenamen ein Doppelnamen gewählt wird.
    • BayObLG, Beschl. v. 29.04.2003 - 1Z BR 23/03; StAZ 2003, 269
  • Die Anforderungen nach § 1618 Abs. 1 Satz 4 BGB an die Ersetzung der Zustimmung des nicht sorgeberechtigten anderen Elternteils sind geringer, wenn der Ehename der geschiedenen und neu verheirateten Mutter dem bisherigen Familinennamen des Kindes (und früheren Ehenamen der Mutter) vorangestellt werden soll - sog. additive Einbennenung.
    • OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.05.2004 - 16 U 35/04; FamRZ 2005, 1990; ZfJ 2005, 255
  • Besteht zwischen dem Kind und dem die Einwilligung zur Einbennung verweigernden Elternteil kein Namensband, sind für eine Ersetzung gemäß § 1618 S. 4 BGB geringere Anforderungen an die Erforderlichkeit für das Kindeswohl zu stellen (Abgrenzung zu OLG Rostock, Beschl. v. 19.02.2006 - 11 UF 43/06, MDR 2007, 592).
    • OLG Bamberg, Beschl. v. 10.04.2008 - 7 UF 55/08; FamRZ 2008, 2148
  • Der Anwendungsvorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts kann es gebieten, den für ein in England geborenes deutsches Kind von seinen deutschen Eltern bestimmten, aus den Namen der Eltern zusammengesetzten Doppelnamen in das deutsche Geburtenregister einzutragen, auch wenn dieser Name dem auf den Fall anwendbaren deutschen Namensrecht widerspricht (im Anschluss an EuGH, 14.10.2008, C-353/06, NJW 2009, 135 - Grunkin-Paul)
    • OLG München, Beschl. v. 19.01.2010 - 31 Wx 152/09; StAZ 2010, 76, m. Anm. Sturm, Fritz, 146; FGPrax 2010, 75; NJW-RR 2010, 660
  • Bei der Frage, ob das Kind einen vom bisherigen Familiennamen unterschiedlichen Namen tragen soll, handelt es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, so dass das Familiengericht gemäß § 1628 BGB zur Entscheidung berufen ist.
         Zu den Voraussetzungen eines wichtigen Grundes nach § 3 Abs. 1 NamÄndG.
  • 1.     Zur Verpflichtung des Standesamtes, nach einer Einbürgerung eine Namensangleichungserklärung gem. Art. 47 EGBGB zu beglaubigen oder zu beurkunden.
    2.     Der Eingebürgerte kann als neuen Vornamen auch einen fremdsprachigen Vornamen wählen.
  • 1.     Der Staat ist zwar in Wahrnehmung seines Wächteramtes (Art. 6 Abs. 2 GG) verpflichtet, das Kind vor verantwortungsloser Namenswahl durch die Eltern zu schützen. Eine Beeinträchtigung des Kindeswohls ist aber dann, wenn der Familienname des Vaters als weiterer Vorname gewählt wird, grundsätzlich nicht gegeben.
    2.     Ausländische Bräuche bei der Vornamensgebung sind in den aufgezeigten Grenzen nach deutschem Recht zu respektieren.

Bundesverwaltungsgericht
  • Bei der Interessenabwägung können Gründe für eine Namensänderung, die nicht von besonderem Gewicht sind, bei einem nur geringen öffentlichen Interesse an der Beibehaltung des Namens genügen, um eine geringfügige Änderung der Schreibweise des Namens zu rechtfertigen.
  • Durch die Neuregelung des Ehenamensrechts in BGB § 1355 hat sich grundsätzlich nichts daran geändert, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund eine Namensänderung rechtfertigt - hier die Gewährung eines Doppelnamens bei einem Stiefkind durch Hinzufügung des Familiennamens des Stiefvaters -, die in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätze der Namensführung, zu denen auch die soziale Ordnungsfunktion des Namens und das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des überkommenen Namens gehören, zu berücksichtigen sind.
  • Ein wichtiger Grund i.S.v. § 3 Abs. 1 NÄndG für eine Änderung des Familiennamens ist gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers an der Ablegung seines bisherigen Namens und der Führung des neuen Namens Vorrang hat vor dem schutzwürdigen Interesse der durch eine Namensänderung betroffenen Träger des bisherigen und des neuen Namens und vor den in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck gekommenen Grundsätzen der Namensführung, zu denen auch die Ordnungsfunktion des Namens sowie sicherheitspolizeiliche Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens gehören (Urt. v. 05.09.1985 - BVerwG 7 C 2.84 - Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 53)
  • Ist die Ehe der Eltern eines minderjährigen Kindes, das den Ehenamen der Eltern als Geburtsname erhalten hat, geschieden worden und hat der nicht erneut verheiratete allein sorgeberechtigte Elternteil wieder seinen Geburtsnamen angenommen, so ist auch nach In-Kraft-Treten des Kindschaftsreformgesetzes vom 16.12.1997 (BGBl. I 2942) die Änderung des Geburtsnamens des Kindes ("Scheidungshalbwaisen") auf öffentlicher Rechtsgrundlage möglich.
         Ein wichtiger Grund i.S.d. § NÄG, der die Änderung des Geburtsnamens des Kindes in den Namen des sorgeberechtigten Elternteils rechtfertigt, liegt bei fehlender Einwilligung des anderen Elternteils nicht schon dann vor, wenn die Namensänderung für das Wohl des Kindes förderlich ist (Änderung der Rspr. des BVerwG, insbesondere BVerwGE 95, 21 = NJW 1994, 1425).
    • BVerwG, Urt. v. 20.02.2002 - 6 C 18/01, BVerwGE 116, 28; NJW 2002, 2406, m. Anm. Wittinger, 2371; FamRZ 2002, 1104; FPR 2002, 565; StAZ 2002, 205
    • BVerwG, Urt. v. 20.03.2002 - 6 C 10/01, NJW 2002, 2410, m. Anm. Wittinger, 2371 
  • 1.     Ist die Ehe der Eltern eines minderjährigen Kindes, das den Ehenamen der Eltern als Geburtsnamen erhalten hat, geschieden worden und hat der nicht erneut verheiratete allein sorgeberechtigte Elternteil wieder seinen Geburtsnamen angenommen, so ist auch nach In-Kraft-Treten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16. 12.1997 (BGBl I S. 2942) die Änderung des Geburtsnamens des Kindes ("Scheidungshalbwaise") auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage möglich (wie Urteil v. 20.02.2002 - BVerwG 6 C 18.01).
    2.     Willigen der nicht sorgeberechtigte Elternteil und, wenn es das fünfte Lebensjahr vollendet hat, das Kind in die Namensänderung ein, so spricht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die Namensänderung dem Kindeswohl entspricht.
  • Eheleute einer gemischt-nationalen Ehe zwischen einem deutschen Staatsangehörigen und einer Ausländerin haben einen Anspruch auf eine Zusicherung der Änderung des Ehenamens (§ 1355 Abs. 1 Satz 1 BGB) für den Fall, dass der Heimatstaat der Ausländerin der Namensänderung zustimmt, sofern die übrigen Voraussetzungen für die Namensänderung vorliegen.
  • Ein wichtiger Grund für eine Änderung des Vornamens kann verneint werden, wenn die Änderung der Ordnungsfunktion des Vornamens widerspricht (hier: Hinzufügen eines weiblichen zu einem männlichen Vornamen).
  • Ein wichtiger Grund für die geringfügige Änderung der Schreibweise eines Vornamens kann vorliegen, wenn die damit herbeigeführte Übereinstimmung mit der Schreibweise des Vornamens in Reisedokumenten eines anderen Wohnsitzlandes erforderlich ist, um Schwierigkeiten bei der wiederholten Einreise zu vermeiden (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 1980 - 7 C 30.79 - Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 41).
  • 1.     Ein wichtiger Grund für die Änderung eines Familiennamens vor, wenn die Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Namensträger an der Namensänderung die Interessen an der Beibehaltung des Namens, zu denen dessen Ordnungsfunktion gehört, überwiegt.
    2.     Die Ehegatten können nicht ihre beiden Namen zum Ehenamen und damit zum gemeinsamen Familiennamen bestimmen. Bei dieser Entscheidung des Gesetzgebers handelt es sich um eine das Namensrecht prägende, grundgesetzkonforme gesetzliche Wertung, die unabhängig von den persönlichen Verhältnissen der Ehegatten zu beachten ist.
    3.     Daher kann das Verbot der aus den Namen der Ehegatten zusammengesetzten Ehedoppelnamen nur dann im Wege der Abwägung überwunden werden, wenn den Namensträgern durch die Führung eines eingliedrigen Ehenamens individuelle Beeinträchtigungen von einigem Gewicht entstehen, die nur durch die Zulassung des Ehedoppelnamens beseitigt werden können.

Verwaltungsgerichte:
  • Ein wichtiger Grund für eine Änderung des Vornamens kann verneint werden, wenn die Änderung der Ordnungsfunktion des Vornamens widerspricht (hier: Hinzufügen eines weiblichen zu einem männlichen Vornamen).
  • Zu den Voraussetzungen für eine Änderung des Familiennamens eines Pflegekindes in den Familiennamen seiner Pflegeeltern.
    • BayVGH, Urt. v. 07.03.2008 - 5 B 06.3062; BayVBl 2009, 278 
  • Bei der Auslegung von § 3 Abs. 1 NamÄndG ist im Hinblick auf sog. Scheidungshalbwaisen die Wertung des Gesetzgebers in § 1618 Satz 4 BGB zu berücksichtigen, wonach ein wichtiger Grund für die Namensänderung dann vorliegt, wenn die Namensänderung für das Kindeswohl erforderlich ist.
         Die Erforderlichkeit der Namensänderung im Hinblick auf das Kindeswohl verlangt eine Sondersituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass entweder ohne Namensänderung schwerwiegende Nachteile für das Kind zu erwarten sind, oder aber die Namensänderung für das Kind solche erheblichen Vorteile mit sich bringt, dass bei verständiger Betrachtung die Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil als nicht zumutbar erscheint.
  • 1.     Es ist grundsätzlich unzulässig, dass Kinder einen aus den Namen der Eltern gebildeten Doppelnamen führen.
    2.     Es ist unerheblich, ob die Führung des Doppelnamens zur Verbundenheit mit beiden Elternteilen beiträgt. Denn der Gesetzgeber hat die Bildung von Namensketten in den folgenden Generationen verhindern wollen. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und verletzt insbesondere nicht das Persönlichkeitsrecht des Kindes.
  • Bei einem Kind, dessen Eltern sich kurz nach der Geburt getrennt haben und das mit der Mutter und drei Halbgeschwistern aus der ersten Ehe der Mutter zusammenlebt, kann im Familiennamen des Kindes, der aus den Namen seiner Eltern zusammengesetzt ist, der Name des Vaters nur gestrichen werden, wenn entweder durch die Beibehaltung des Doppelnamens schwerwiegende Nachteile für das Kind drohen oder die Namensänderung für das Kind solche Vorteile mit sich bringt, dass die Aufrechterhaltung des Namensbandes zum anderen Elternteil nicht zumutbar erscheint.

Opferentschädigung

  • siehe auch HIV und AIDS - Opferentschädigung
      
  • Wer seinen Verlobten durch eine Gewalttat verloren hat, kann Witwenversorgung als Härteausgleich - "Brautversorgung" - grundsätzlich nicht erhalten.
    • BVerfG (3. Kammer des 1. Senats), Beschl. v. 11.09.1992 - 1 BvR 1208/91; FamRZ 1993, 1419
    • BSG, Urt. v. 24.04.1991 - 9a RVg 2/90; NJW 1991, 3299 
  • Der nichteheliche Lebenspartner eines Gewaltopfers hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente gemäß § 1 Abs. 8 OEG, §§ 38, 40 BVG.
         Zum Anspruch auf Härteausgleich nach § 89 BVG.
    • BSG, Urt. v. 28.07.1999 - B 9 VG 5/98 R; NJW-FER 2000, 47
    • BVerfG (3. Kammer des 1 Senats), Beschl. v. 30.07.2003 - 1 BvR 1587/99; FamRZ 2003, 1729; FPR 2004, 20; DVBl. 2004, 36
  • Es ist mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar, dass das Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten keine Versorgungsleistung für den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vorsieht, der nach dem gewaltsamen Tod des anderen Lebenspartners unter Verzicht auf Erwerbstätigkeit die Betreuung der gemeinsamen Kinder übernimmt.
    • BVerfG, Beschl. v. 09.11.2004 - 1 BvR 684/98; BVerfGE 112, 50; NJW 2005, 1413
  • Der Ausschluss einer Waisenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz für "faktische Stiefkinder" ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
    • BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats) Beschl. v. 10.12.2004 - 1 BvR 2320/98; NJW 2005, 1417 
  • Ein rechtlich maßgebender Zusammenhang zwischen einer bestimmten seelischen Krankheit und einem bestimmten seelisch schädigenden Vorgang kommt nur dann in Betracht, wenn nach allgemeinem medizinischen Erfahrungswissen die Krankheit nach einem Vorgang dieser Art gehäuft auftritt.
         Ermittlungen zu einer solchen Häufung sind entbehrlich, soweit die durch das BMA herausgegebenen Anhaltspunkte den generellen Ursachenzusammenhang bejahen.
         Im Einzelfall ist eine in den Anhaltspunkten aufgeführte seelische Krankheit wahrscheinliche Folge einer dort aufgeführten Extrembelastung (hier: Vergewaltigung), wenn die Krankheit in engem Anschluss an den belastenden Vorgang ausgebrochen ist. Bestehen Zweifel, ob schon vorher Krankheitssymptome vorhanden waren oder ob andere Ursachen die Krankheit herbeigeführt haben, so geht das nicht zu Lasten des Opfers.
    • BSG, Urt. v. 18.10.1995 - 9/9a RVg 4/92; BSGE 77, 1; NVwZ-RR 1997, 38; ZfS 1996, 148; Neue Justiz 1996, 500 
  • Liegen diejenigen Tatsachen vor, die nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht geeignet sind, einen Ursachenzusammenhang zwischen einem belastenden Ereignis und dem Auftreten einer psychischen Erkrankung zu begründen, so ist eine bestärkte Wahrscheinlichkeit anzunehmen, die nur durch einen sicheren anderen Kausalverlauf widerlegt werden kann (Bestätigung und Fortführung von BSGE 77, 1).
    • BSG, Urt. v. 12.06.2001 - B 9 VG 1/02 R; NJW 2004, 1476 
  • Gewalttat i.S. des OEG kann auch der "gewaltlose" sexuelle Missbrauch eines Kindes sein.
         Die vom BMA herausgegebenen Anhaltspunkte sagen, ob und welche Gesundheitsstörungen nach der herrschenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft als mögliche Folge schwerer Sexualstraftaten in Betracht kommen.
         Nur wenn im Einzelfall nach einer derartigen Sexualstraftat Symptome einer solchen Gesundheitsstörung aufgetreten sind, ist ein rechtliches Interesse an der Prüfung anzuerkennen, ob sich die Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit verdichtet.
    • BSG, Urt. v. 18.10.1995 - 9 RVg 4/93; BSGE 77, 7; SGb 1996, 437, mit Anm. Schäfer, Bernd, 439 
  • Ein tätlicher Angriff i.S.v. § 1 OEG liegt auch dann vor, wenn ein erwachsener Mann ohne Gewaltanwendung den Geschlechtsverkehr mit einem Kind unter 14 Jahren ausübt; es ist ohne Bedeutung, ob das Kind von sich aus dazu bereit und in der Lage ist, die Bedeutung des Geschehens zu erfassen.
    • BSG, Urt. v. 18.10.1995 - 9 RVg 7/93; BSGE 77, 11; NJW 1996, 1620; NZS 1996, 299
    • OLG Koblenz, Beschl. v. 15.07.1998 - 3 U 909/98; NJW 1999, 224; VersR 1998, 1397
  • Die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit tritt nach Maßgabe des § 36 SGB I ergänzend neben die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern; diese dürfen bei Untätigkeit ihres Kindes uneingeschränkt Sozialleistungsanträge stellen und verfolgen.
         Dem minderjährigen Gewaltopfer ist das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters, der aus tat- und täterbestimmten eigenen Interessen keinen Antrag auf Beschädigtenrente stellt, nicht zuzurechnen (Fortführung von BSGE 59, 40 = SozR 3800 § 1
    Nr. 5).
         Ein minderjähriges Opfer sexueller Gewalt ist nach Eintritt sozialrechtlicher Handlungsfähigkeit regelmäßig ohne Verschulden gehindert, Beschädigtenrente zu beantragen.
    • BSG, Urt. v. 28.4.2005 - B 9a/9 VG 1/04 R; NJW 2005, 2574; Streit 2005, 122 
  • Zum Leistungsausschluss wegen Mitverursachung im Recht der Gewaltopferentschädigung, 
    • wenn das Opfer in der irrigen Vorstellung handelt, einen ihm vermeintlich drohenden Angriff abzuwehren
      • BSG, Urt. v. 18.06.1996 - 9 RVg 7/94; BSGE 78, 270; SGb 1997, 436; NStZ-RR 1997, 156 
    • wenn das Opfer bei einem Ehebruch mit der Ehefrau des Täters auf der Stelle getötet wird.
      • BSG, Urt. v. 15.08.1996 - 9 RVg 6/94; BSGE 79, 87; NJW 1997, 965; SGb 1998, 176, mit Anm. Dannecker, Gerhard, 178
    • wenn das volltrunkene Opfer den Täter provoziert hat.
      • BSG, Urt. v. 10.09.1997 - 9 RVg 9/95; MDR 1998, 352
    •  wenn das Opfer in der irrigen Vorstellung handelt, einen drohenden Abgriff von einem Dritten abzuwehren
      • BSG, Urt. v. 25.03.1999 - B 9 VG 1 /98 R; BSGE 84, 54; NJW 1999, 2301 
  • Ein tätlicher Angriff i. S. des § 1 Abs. 1 OEG liegt bereits vor, wenn der Täter ein gewaltsames Einwirken auf den Körper des Opfers erst angedroht, aber schon mit der gewaltsamen Beseitigung von Hindernissen für die Verwirklichung der Drohung begonnen hat, so dass auch ein objektiver Dritter mit der unmittelbar bevorstehenden Tötung oder ernstlichen Verletzung des Opfers rechnen würde.
    • BSG, Urt. v. 10.09.1997 - 9 RVg 1/96; BSGE 81, 42; NJW 1998, 925
    • BSG, Urt. v. 24.07.2002 - B 9 VG 4/01 R; BSGE 90, 6 
  • Versorgung nach dem OEG ist auch dann zu gewähren, wenn der Täter nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat (Verletzung des Opfers in der Sylvesternacht durch Signalmunition eines unbekannten Täter)
    • BSG, Urt. v. 04.02.1988 - B 9 VG 5/96 R; BSGE 81, 288; NJW 1999, 236; MDR 1998, 913, Neue Justiz 1999, 223 
  • Zum Leistungsausschluss wegen Unbilligkeit im Recht der Gewaltopferentschädigung.
         Wegen Selbstgefährdung ist eine Entschädigung nur ausgeschlossen, wenn das Opfer leichtfertig gehandelt hat. Ob das der Fall war, ist nicht nach einem objektiven Maßstab, sondern nach den persönlichen Fähigkeiten des Opfers zu beurteilen.
         Auch wer jahrelang immer wieder Mitglieder seiner Familie, insbesondere seine Eltern, in übler Weise beschimpft, beleidigt, bedroht und verschiedentlich auch körperlich angreift, stellt sich damit nicht außerhalb der Rechtsordnung der staatlichen Gemeinschaft.
    • BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 9 VG 6/97 R; BSGE 83, 62; NJW 1999, 1573; SGb 2000, 139, mit Aufs. Dannecker, Gerhard; Biermann, Jörg, 101 
  • Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz hat auch derjenige, der durch den (bedingt) vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eines im strafrechtlichen Sinne schuldunfähigen, aber handlungsfähigen Kindes eine gesundheitliche Schädigung erleidet.
    • BSG, Urt. v. 03.02.199 - B 9 VG 7/97 R; MDR 1999, 1007 
  • Unmittelbar geschädigt sein kann auch eine andere Person (Sekundäropfer) als diejenige, gegen die der Angriff des Täters gerichtet war (Primäropfer).
         Ein Schockschaden, den eine Tochter beim Anblick ihrer ermordeten Mutter erleidet, ist in der Regel eine Schädigung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG.
    • BSG, Urt. v. 08.08.2001 - B 9 VG 1/00 R; NJW-RR 2002, 957 
  • Maßgebliches Kriterium für den erforderlichen engen Zusammenhang zwischen der das Primäropfer betreffenden Gewalttat und den psychischen Auswirkungen beim Sekundäropfer ist die zeitliche und örtliche Nähe zum primär schädigenden Ereignis und/oder die personale Nähe zum Primäropfer.
         Eine zu einem Schockschaden führende Schädigung im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes liegt vor, wenn das belastende Ereignis eine - unter Umständen zunächst weitgehend symptomlose - seelische Reaktion des Sekundäropfers von einigem Gewicht bewirkt.
    • BSG, Urt. v. 12.06.2003 - B 9 VG 1/02 R; NJW 2004, 1476; SGb 2004, 496, m. Anm. Hansen, Hans-Georg, 500 
  • Ein aus einer Inzestbeziehung geschädigt geborenes Kind hat Anspruch auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz, wenn seine Zeugung Folge einer Gewalttat i.S.d. § 1 OEG war.
    • BSG, Urt. v. 16.04.2002 - B 9 VG 1/01 R; BSGE 89, 199; NJW 2002, 3123 
  • Ein "tätlicher Angriff" i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG liegt bereits dann vor, wenn der Täter das Opfer vorsätzlich mit einer scharf geladenen, entsicherten Schusswaffe bedroht.
         Zur Verletzung Dritter durch die rechtmäßige Abwehr eines Angriffs.
    • BSG, Urt. v. 24.07.2002 - B 9 VG 4/01 R; NJW 2003, 164
  • Stalking, das seit 2007 ein besonderer Straftatbestand ist, ist nicht generell als tätlicher Angriff im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes zu werten.
         Dafür ist grundsätzlich eine in feindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung erforderlich. Je geringer dabei die Kraftanwendung durch den Täter ist, desto genauer muss geprüft werden, inwiefern durch die Handlung eine Gefahr für Leib oder Leben des Opfers bestand.
         Die Drohung mit Gewalt ist nur dann als tätlicher Angriff anzusehen, wenn die Gewaltanwendung unmittelbar bevorsteht. Hingegen reichen "gewaltlose", insbesondere psychische Einwirkungen auf das Opfer nicht aus.

Partnerschaftsvermittlung

BGH:

  • Zur Auslegung eines Auftrags zur Partnervermittlung „für einen Freizeitkontakt" als Partnerschaftsvermittlungsdienstvertrag.
         § 656 BGB ist auf Partnerschaftsvermittlungsdienstverträge entsprechend anzuwenden (Fortführung von BGHZ 112,122 = NJW 1990, 2550).
         § 656 BGB führt zur sachlichen Abweisung der auf Zahlung der vereinbarten Vergütung gerichteten Klage, nicht zur Abweisung als unzulässig.
    • BGH, Urt. v. 4. 3. 2004 - III ZR 124/03; FamRZ 2004, 775, m. Anm. Finger, Werner, 181; NJW-RR 2004, 778; MDR 2004, 799
  • Stellen sich die Bestimmungen einer im Anschluss an einen Formularvertrag (hier: Partnerschaftsvermittlungsvertrag) unterzeichneten Zusatzvereinbarung als von einer Vertragspartei gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung dar (§ 305 I 1, 2 BGB), so reicht für die Beurteilung, die Zusatzvereinbarung sei „im Einzelnen ausgehandelt" (§ 305 I 3 BGB), nicht die Feststellung, dass der Verwender der anderen Vertragspartei die Unterzeichnung „freigestellt" habe; Voraussetzung für ein „Aushandeln" ist - jedenfalls bei einem nicht ganz leicht verständlichen Text -, dass der Verwender die andere Vertragspartei über den Inhalt und die Tragweite der Zusatzvereinbarung belehrt hat oder sonst wie erkennbar geworden ist, dass der andere deren Sinn wirklich erfasst hat.
    • BGH, Urt. v. 19.5.2005 - III ZR 437/04; NJW 2005, 2543
  • Ein aufgrund des Inserats eines Vermittlungsinstituts mit einer tatsächlich nicht vermittlungsbereiten Person (Lockvogelangebot) zustande gekommener Partnervermittlungsvertrag ist grundsätzlich nicht sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB. Er kann aber nach § 123 BGB anfechtbar sein.
         Weder aus § 656 BGB noch aus der den Kunden eines Partnervermittlungsunternehmens geschuldeten Diskretion folgt die Unzulässigkeit einer Zeugenvernehmung des in der Anzeige Beschriebenen über die Behauptung eines Lockvogelangebots.
         Die Weigerung der nicht beweispflichtigen Partei, Namen und Anschrift eines nur ihr bekannten Zeugen mitzuteilen, kann nicht als Verletzung sekundärer Darlegungslast, sondern lediglich als Beweisvereitelung im Rahmen des § 286 ZPO gewürdigt werden.
  • Zur Anwendbarkeit von § 627 Abs. 1, § 628 Abs. 1 Satz 1, 3 BGB auf einen Vertrag mit dem Betreiber eines sogenannten Video-Partnerportals.
         Zur Unzulässigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die in Abweichung von § 628 Abs. 1 Satz 1, 3 BGB bei Kündigung die vertraglich vereinbarte Vergütung auch unabhängig von der Erbringung der vertragsty-pischen Hauptleistung als verdient gilt.
  • Wenn der Betreiber einer Partnervermittlung die vertraglich geschuldeten 5 qualifizierten Partnervorschläge erbringt, ist damit sein Vergütungsanspruch entstanden. Dies hat zur Folge, dass eine Rückforderung der Vergütung bei vorzeitiger Vertragskündigung durch den Kunden ausgeschlossen ist.
  • Zum Widerruf eines Partnervermittlungsvertrags nach § 312 BGB.
         Es liegt keine "vorhergehende Bestellung" im Sinne von § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB vor, wenn das in der "Haustürsituation" unterbreitete und zum Vertragsschluss führende Angebot des Unternehmers von dem Gegenstand der Einladung des Verbrauchers nicht unerheblich abweicht und dieser damit vorher weder gerechnet hat noch rechnen musste (hier: Erwartung der Vermittlung einer bestimmten, in einer Zeitungsannonce beschriebenen Partnerin und Abschluss eines von diesem konkreten Partnerwunsch gelösten allgemeinen Partnervermittlungsvertrages).
         Die Bemessung des Wertersatzes, den der Verbraucher nach dem wirksamen Widerruf eines Haustürgeschäfts für bis dahin empfangene Leistungen des Unternehmers schuldet, richtet sich nicht nach dem vertraglich vereinbarten Entgelt, sondern nach dem objektiven Wert dieser Leistungen, soweit dieser das vertragliche Entgelt nicht übersteigt.
  • 1.     Die Klausel einer Online-Partnervermittlung "Die Kündigung der VIP- und/oder Premium-Mitgliedschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (eigenhändige Unterschrift) und ist z. B. per Fax oder per Post an E. GmbH (Adresse siehe Impressum) zu richten; die elektronische Form ist ausgeschlossen." benachteiligt die Kunden unangemessen und ist daher unwirksam.
    2.     Bei einer umfassenden digitalen Ausgestaltung der Vertragsbeziehung ist es allein sachgerecht, für die Beendigungsmöglichkeit dieselben elektronischen Möglichkeiten und Formen zuzulassen wie für die Begründung des Vertrags und seine gesamte Durchführung.
    3.     Die Forderung nach Abgabe der Kündigungserklärung des Kunden ausschließlich in Schriftform begründet die Gefahr, Verbraucher ungewollt in langfristigen Vertragsbeziehungen mit negativen Kostenfolgen zu halten, weil ihnen die ordnungsgemäße und fristgerechte Kündigung erschwert wird.
  • Zur Frage, wann ein Partnervermittlungsvertrag wegen Wuchers nichtig ist.

andere Zivilgerichte:
  • Im Fall einer Partnerschaftsvermittlung via Internet gelten die vereinbarten Kündigungsfristen.
  • Für den Kauf einer Persönlichkeitsanalyse, die im Rahmen einer Online-Partnerschaftsvermittlung als PDF-Datei übermittelt wird, kann das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen werden, weil der Ausnahmetatbestand des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB nicht vorliegt. Denn die Persönlichkeitsanalyse ist weder eine Ware, noch wird sie nach Kundenspezifikation angefertigt noch ist sie zur Rücksendung ungeeignet.
    • LG Hamburg, Urt. v. 31.01.2012 - 312 O 93/11; MMR 2012, 738
  • 1.     Honorarforderungen aus einem Vertrag mit einer Online-Partnerbörse können § 656 BGB unterfallen. Sie sind dann nicht einklagbar.
    2.     Verträge mit Online-Partnerbörsen stellen dann einen unter § 656 BGB fallenden Partnervermittlungsvertrag dar, wenn sich die Online-Partnerbörse nach dem Vertragsinhalt dazu verpflichtet hat, aufgrund eines von ihr gewählten Verfahrens für den Nutzer ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen und auf Grundlage dessen eine vertraglich vereinbarte Anzahl "passende" Nutzer aus ihrem Datenpool für den Nutzer auszusuchen ("Matching") und sie ihm vorzuschlagen.
    3.     Reine Online-Kontaktplattformen, deren vertraglich geschuldete Leistung lediglich darin besteht, den Nutzern den Zugang zu einer Online-Plattform zu gewähren, auf der Nutzer ein Profil mit Angaben zur Person anlegen können und dann selbständig und eigeninitiativ nach von ihnen selbst gewählten Kriterien andere solche Nutzer herausfiltern und mit diesen in Kontakt treten und kommunizieren können - d.h. Plattformen, die ein solches "Matching" nicht schulden - unterfallen hingegen nicht § 656 BGB.

Patientenverfügung

Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor - etwa in Form einer sog. Patientenverfügung - geäußerten Willen entspricht. Dies folgt aus der Würde des Menschen, die es gebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist. Nur wenn ein solcher erklärter Wille des Patienten nicht festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell - also aus dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu ermitteln ist.

Ist für einen Patienten ein Betreuer bestellt, so hat dieser dem Patientenwillen gegenüber Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Seine Einwilligung in eine ärztlicherseits angebotene lebenserhaltende oder -verlängernde Behandlung kann der Betreuer jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts wirksam verweigern. Für eine Einwilligung des Betreuers und eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts ist kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung oder Weiterbehandlung nicht angeboten wird - sei es dass sie von vornherein medizinisch nicht indiziert, nicht mehr sinnvoll oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist. Die Entscheidungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts ergibt sich nicht aus einer analogen Anwendung des § 1904 BGB, sondern aus einem unabweisbaren Bedürfnis des Betreuungsrechts.

  • BGH, Beschl. v. 17.03.2003 - XII ZB 2/03; BGHZ 154, 205; NJW 2003, 1588; FamRZ 2003, 748; FPR 2003, 443; FuR, 2003, 469; JZ 2003, 732; JR 2003, 495; MDR, 2003, 691; DNotZ 2003, 850; ZNotP 2003, 308; RNotZ 2003, 255; FGPrax 2003, 161; BtPrax 2003, 123; NStZ 2003, 477; VersR 2003, 861; Rpfleger 2003, 354; MedR 2003, 512; Recht & Psychiatrie 2003, 153
    Hinweis: Zu dieser Entscheidung sind zahlreiche Anmerkungen und Aufsätze erschienen. Sie wurden hier nicht mit aufgenommen.

a) Der Bevollmächtigte kann in eine der in § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB genannten Maßnahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen, wenn der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, sie zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen. Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann.

b) Einem für einen Betroffenen bestehenden Betreuungsbedarf wird im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen im Sinne des § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB durch eine Bevollmächtigung erst dann nicht ausreichend Genüge getan, wenn offenkundig ist, dass der Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen hinwegsetzen würde.

c) Die schriftliche Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

1. Die mit Hilfe einer PEG-Sonde durchgeführte künstliche Ernährung stellt einen ärztlichen Eingriff i.S.d. § 1904 Abs. 2 BGB dar, die der Einwilligung des Patienten bzw. des Betreuers bedarf (Anschluss an BGH, Beschl. v. 08.06.2005 - XII ZR 177/03 - FamRZ 2005, 1474).

2. Beim Widerruf der Einwilligung zur Durchführung der künstlichen Ernährung mit Hilfe einer PEG-Sonde ist für eine gerichtliche Entscheidung nur dann Raum und Bedarf, wenn ein konkretes ärztliches Behandlungsangebot besteht und bei der Feststellung des Patientenwillens ein Dissens zwischen Betreuer und behandelndem Arzt aufgetreten ist. Es besteht insoweit eine Verpflichtung des behandelnden Arztes, mit dem Betreuer die angebotenen ärztlichen Maßnahmen und die Feststellung des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens des Betroffenen zu erörtern. Verweigert der Arzt derartige Erörterungen und kann eine Übereinstimmung der Feststellung eines konkreten Behandlungsangebotes und insbesondere des mutmaßlichen Patientenwillens nicht festgestellt werden, ist eine eigene Entscheidung des Gerichts erforderlich.

3. Kann ein erklärter Wille des erkrankten Patienten nicht mehr festgestellt werden, beurteilt sich die Zulässigkeit der Genehmigung des Abbruchs lebenserhaltender Maßnahmen nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell nach dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellung und Überzeugungen zu ermitteln ist (Anschluss an BGH, Beschl. v. 17.03.2003 - XII ZB 2/03 - NJW 2003, 1588).

Personenstandsrecht

1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt die geschlechtliche Identität. Es schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.

2. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG schützt auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts.

3. Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, werden in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt.

Der nachträglichen Änderung des Geburtseintrags steht insbesondere nicht entgegen, dass die von der antragstellenden Partei empfundene Geschlechtlichkeit, die dem binären Geschlechtssystem nicht zuzuordnen ist, einem medizinischen Nachweis nicht zugänglich ist. Vielmehr sind im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung auch solche Personen von der Möglichkeit der Streichung des Geschlechtseintrags nicht ausgeschlossen, die zwar medizinisch nachweisbar einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen sind, jedoch subjektiv nicht entsprechend dieser medizinischen Zuordnung empfinden.

Eine Erklärung nach § 45b PStG zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung beim Standesamt steht nur intergeschlechtlichen Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung offen, die sich nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen und denen die gerichtliche Vornamensänderung und Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem TSG nicht offensteht. (Leitsatz der Redaktion)

Alle Personen, deren nachhaltig selbstempfundene Geschlechtlichkeit von der im Personenregister erfassten Zuordnung abweicht, können eine Erklärung zur Geschlechtsangabe im Sinne des § 45b PStG abgeben und die Anpassung ihres jeweiligen Geburtsregistereintrags verlangen. (...) Eine einschränkende Auslegung des § 45b PStG dahingehend, dass sich nur jene Personen auf die Regelung des § 45b PStG berufen können, bei denen medizinisch eine Inkongruenz der Geschlechtschromosomen, Genitale oder der Gonaden festgestellt wurde, ist nicht geboten. (…) Der Wortlaut des § 45b PStG lässt die vorstehende, weite (verfassungskonforme) Auslegung, allein begründet auf dem nachhaltig subjektiv empfundenen Geschlecht, ohne weiteres zu. Eine entsprechende Auslegung erscheint, auch vor dem Hintergrund der ergänzenden Regelungen des TSG, geboten und angemessen.

Polizeirecht

Durch die polizeiliche Maßnahme des Wohnungsverweises mit Rückkehrverbot wird in den Schutzbereich des Grundrechts auf Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) eingegriffen. Sie ist daher grundsätzlich nur zur Vorbeugung strafbarer Handlungen (Art. 11 Abs. 2 GG) zulässig.

  • VGH Mannheim, Urt. v. 22.07.2004 - 1 S 2801/03; JZ 2005, 352

Die Polizei darf einen Bürger, der sich mit einem gültigen Personalausweis ausweist, an dessen Echtheit keine konkreten Zweifel bestehen, nicht zum Zweck der Personenfeststellung auf das Polizeirevier mitnehmen und dort für die Dauer der Überprüfung der Personalien festhalten.

Die polizeiliche Ingewahrsamnahme eines Beschuldigten zwecks Feststellung seiner Identität und Anfertigung von Lichtbildern trotz vorheriger Vorlage und Überprüfung seiner Ausweispapiere unzulässig ist.

Beamte der Bundespolizei dürfen Reisende jedenfalls auf Bahnstrecken, die Ausländern zur unerlaubten Einreise oder zu Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz dienen, verdachtsunabhängig kontrollieren. Es ist ihnen bei Stichprobenkontrollen nicht verwehrt, die Auswahl der anzusprechenden Personen auch nach dem äußeren Erscheinungsbild (hier: Hautfarbe) vorzunehmen.

Pornografie

EuGH:

  • Art. 28 EG steht einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegen, die den Verkauf und die Überlassung von Bildträgern im Versandhandel verbietet, die nicht von einer obersten Landesbehörde oder einer innerstaatlichen Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle zum Zweck des Schutzes Minderjähriger geprüft und eingestuft wurden und die keine Angabe einer solchen Behörde oder Organisation über die Altersfreigabe tragen, es sei denn, dass das durch die Regelung vorgesehene Verfahren zur Prüfung, Einstufung und Kennzeichnung von Bildträgern nicht leicht zugänglich ist oder nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums abgeschlossen werden kann oder dass die Ablehnungsentscheidung nicht in einem gerichtlichen Verfahren angefochten werden kann.

BVerfG:
  • Für die Einstufung von pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3), die sexuelle Handlungen von, an oder vor jung wirkenden Erwachsenen zum Gegenstand haben, als "jugendpronographische Schriften" i.S.v. § 184c StGB genüg es nicht, nicht, dass die Volljährigkeit der betreffenden Personen für den objektiven Betrachter zweifelhaft ist; vielmehr muss der Beobachter umgekehrt eindeutig zu dem Schluss kommen, dass jugendliche Darsteller beteiligt sind.
         Eine Strafbarkeit im Zusammenhang mit pornographischen Darstellungen "Scheinjugendlicher" kommt danach nur in Betracht, wenn und soweit in pornographischen Filmen auftretende Personen ganz offensichtlich noch nicht volljährig sind, etwa dann, wenn sie (fast) noch kindlich wirken und die Filme somit schon in die Nähe von Darstellungen geraten, die als (Schein-) Kinderpornographie unter den Straftatbestand des § 184b StGB fallen.

BGH:
  • Die vom Gesetzgeber mit Wirkung vom 11.06.1994 gewollte Straffreiheit für homosexuelle Betätigung mit 16jährigen Jugendlichen darf nicht über die Strafzumessung für das verbotene Vorführen pornografischer Filme vor noch nicht 18jährigen Jugendlichen umgangen werden.
    • BGH, Beschl. v. 23.12.1997 - 3 StR 580/97; NJW 1998, 1162; StV 1998, 261; NStZ 1998, 244 
  • Pornografische Filme und Fotografien haben den sexuellen Missbrauch von Kindern auch dann zum Gegenstand, wenn die Aufnahmen zwar unmittelbar nur die Vornahme der sexuellen Handlung der Kinder an sich selbst zeigen, sich aber aus dem Kontext der Aufnahme ergibt, dass das Kind von einem anderen, z.B. dem Fotografen, hierzu aufgefordert worden ist.
         Die Vervielfältigung von Videofilmen mittels zweier Videorekorder ist keine Herstellung in einem zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahren i.S.v. § 7 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Landespressegesetzes, so dass die Tat nicht der kurzen presserechtlichen Verjährung des § 25 Abs. 1 Satz 1 LPG unterfällt.
    • BGH, Urt. v. 24.03.1999 - 3 StR 240/98; BGHSt 45, 41; NJW 1999, 1979; NStZ 2000, 28; StraFo 1999, 280
  • Der Vorschrift des § 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB unterfallen auch Darstellungen solcher Gewalttätigkeiten, die im Rahmen sadomasochistischer Handlungen einvernehmlich erfolgen.
         Eine pornografische Darstellung hat des sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB) zum Gegenstand, wenn das dargestellte Geschehen alle Merkmale einer rechtswidrigen Tat nach § 176 StGB aufweist.
    • BGH, Urt. v. 15.12.1999 - 2 StR 365/99; NStZ 2000, 307
  • Ein Verbreiten (§ 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB) im Internet liegt vor, wenn die Datei auf dem Rechner des Internetnutzers angekommen ist. Dabei ist es unerheblich, ob dieser die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten genutzt oder ob der Anbieter die Daten übermittelt hat.
         Ein Zugänglichmachen (§ 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB) im Interner liegt vor, wenn eine Datei zum Lesezugriff ins Internet gestellt und dem Internetnutzer so die Möglichkeit des Zugriggs auf die Datei eröffnet wird.
         Das Tatbestandsmerkmal des § 184 Abs. 3 StGB "sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben" liegt stets vor, wenn die Person des tatsächlichen sexuellen Missbrauchs ein Kind ist. In den übrigen Fällen kommt es auf die Sicht eines verständigen Betrachters an.
    • BGH, Urt. v. 27.06.2001 - 1 StR 660/01; BGHSt 47, 55; NJW 2001, 3558; StV 2001, 619; NStZ 2001, 596, JZ 2002, 308, mit Anm. Kudlich, Hans, 310; JR 2002, 204, mit Anm. Lindemann, Michael; Wachsmuth, Ingmarie, 206; CR 2002, 45 
  • Wer pornografische Schriften (hier: Fotos) herstellt, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, um sie im Internet zu vermarkten, macht sich wegen Verbreitung pornografischer Schriften nach § 184 Abs. 3 Nr. 3 StGB strafbar.
    • BGH, Beschl. v. 29.01.2003 - 2 StR 519/02; NStZ 2003, 661
  • Der Begriff des "Ladengeschäfts" im Sinne von § 184 Abs. 1 Nr. 3a StGB setzt nicht zwingend die Anwesenheit von Personal voraus, wenn die technischen Sicherungsmaßnahmen einen gleichwertigen Jugendschutz wie die Überwachung durch Ladenpersonal gewährleisten (Automatenvideothek).
    • BGH, Urt. v. 22.05.2003 - 1 StR 70/73; BGHSt 48, 278; NJW 2003, 2838; NStZ 2004, 148, m. Anm. Hörnle, Tatjana, 150; GewArch 2003, 387
  • Das Merkmal des Gelangenlassens i.S.v. § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB bedeutet, dass die Schrift derart in den Verfügungsbereich eines anderen gelangt, dass dieser Kenntnis von ihrem Inhalt nehmen kann. Deshalb ist der Tatbestand regelmäßig erst erfüllt, wenn ein Dritter an dem Material Gewahrsam erlangt hat.
         Mit dem weiteren Merkmal einer fehlenden Aufforderung des Empfängers soll der Einzelne davor geschützt werden, dass er ungewollt mit pornografischem Material konfrontiert wird.
         Wird das pornografische Material in der Weise zum Kauf angeboten,  dass es zunächst mündlich oder schriftlich angeboten und erst nach entsprechender Bestellung übersandt oder sonst zugänglich gemacht wird, ist  der Tatbestand des § 184 Abs. 2 Nr. 6 StGB nicht erfüllt. Bezieht sich die Verwendungsabsicht des Fotografen beim Herstellen der pornografischen Bilder auf diese Form der Vermarktung, liegt ein strafbares Handeln nach § 184 Abs. 2 Nr. 8 StGB nicht vor.
  • Aus dem Umstand, dass der Angeklagte kinderpornographische Dateien manuell von der Festplatte seines Laptops gelöscht hat, ergibt sich, dass ihm das Vorhandensein dieser Dateien bewusst war, auch wenn diese Dateien durch deren Aufruf auf entsprechenden Internetseiten automatisch im Cache-Speicher des Laptops auf dessen Festplatte abgespeichert worden waren.
    • BGH, Beschl. v. 10.10.2006 - 1 StR 430/06; NStZ 2007, 95
  • Verstöße gegen das Verbot des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien beeinträchtigen wettbewerblich geschützte Interessen der Verbraucher im Sinne des § 3 UWG.
         Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist aufgrund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Wer in dieser Weise gegen eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verstößt, ist Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung.
         Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht des Betreibers einer Internet-Auktionsplattform hinsichtlich fremder jugendgefährdender Inhalte konkretisiert sich als Prüfungspflicht, zu deren Begründung es eines konkreten Hinweises auf ein bestimmtes jugendgefährdendes Angebot eines bestimmten Anbieters bedarf. Der Betreiber der Plattform ist nicht nur verpflichtet, dieses konkrete Angebot unverzüglich zu sperren, sondern muss auch zumutbare Vorsorgemaßnahmen treffen, damit es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt.
         Aus der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht des Betreibers einer Internet-Auktionsplattform können sich neben der Verpflichtung, Angebote des konkreten Titels in Zukunft zu verhindern, besondere Prüfungspflichten hinsichtlich anderer Angebote des Versteigerers ergeben, der das ursprüngliche jugendgefährdende Angebot eingestellt hat.
  • Die Haftung desjenigen, der einen Hyperlink auf eine Website mit rechtswidrigen Inhalten setzt, richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen. Macht sich derjenige, der den Hyperlink setzt, die Inhalte, auf die er verweist, zu eigen, haftet er dafür wie für eigene Informationen.
         Als Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung haftet, wer Internetnutzern über seine Website einen gebündelten Zugang zu pornographischen Internetseiten Dritter vermittelt, ohne durch ein den Anforderungen des § 4 Abs. 2 JMStV genügendes Altersverifikationssystem Minderjährige am Zugriff auf diese Angebote zu hindern.
         Wer ein unzureichendes Altersverifikationssystem vertreibt, das für pornographische Angebote im Internet bestimmt ist, haftet wettbewerbsrechtlich als Teilnehmer für Verstöße gegen § 4 Abs. 2 JMStV, die seine Abnehmer mit der Verwendung des Systems für entsprechende Angebote begehen, wenn ihm bekannt ist, dass die jugendschutzrechtliche Unbedenklichkeit des Systems ungeklärt ist.
         Ein Altersverifikationssystem, das den Zugang zu pornographischen Angeboten im Internet nach Eingabe einer Ausweisnummer sowie der Postleitzahl des Ausstellungsortes ermöglicht, stellt keine effektive Barriere für den Zugang Minderjähriger zu diesen Angeboten dar und genügt nicht den Anforde-rungen des § 4 Abs. 2 JMStV. Nichts anderes gilt, wenn zusätzlich die Eingabe einer Adresse sowie einer Kreditkartennummer oder Bankverbindung und eine Zahlung eines geringfügigen Betrages verlangt wird.
  • Bei der Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften kann ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot strafschärfend berücksichtigt werden, dass nicht nur wirklichkeitsnahe, also z. B. nachgestellte Szenen, sondern reale Geschehnisse wiedergegeben wurden, die schwerste Missbrauchshandlungen zum Gegenstand hatten, die von den betroffenen Kindern tatsächlich erlitten werden mussten.
  • Pornographisch i.S.d. § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB sind Abbildungen und Darstellungen, die sexualbezogenes Geschehen vergröbernd und ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensäußerungen zeigen. Das Einwirken auf ein Kind mit solchen Abbildungen verlangt eine psychische Einflussnahme tiefergehender Art. Allein durch das nach den Urteilsfeststellungen erfolgte "Zeigen von pornographischen Aufnahmen" auf dem Computer wird eine derartige Einflussnahme nicht belegt.
  • Die Strafbarkeit nach § 184b StGB setzt nicht voraus, dass die Darstellung der sexuellen Handlung einen vergröbernd-reißerischen Charakter aufweist.

Andere ordentliche Gerichte:
  • Die Einsehbarkeit eines Ladengeschäfts setzt nicht voraus, dass auch die pornografischen bzw. indizierten Schriften von draußen wahrgenommen werden können.
    • OLG Hamburg, Urt. v. 28.01.1992 - 2 St 124/91; NJW 1992, 1184; MDR 1992, 689 
  • Das Vorzeigen (oder Übergeben) von Schriften mit pornografischem Inhalt ohne Abbildungen erfüllt nicht den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern i.S.d. § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB
    • OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.11.1999 - 2b Ss 301/99; NJW 2000, 1129; StV 2000, 197; StraFo 2000, 93
  • Der ohne Weiterverbreitungsabsicht bei einem ausländischen Versand bestellende inländisch Endverbraucher pornografischer Schriften macht sich nicht als "Einführer" i.S. des § 184 Abs. 1 Nr. 4 StGB strafbar.
    • OLG Hamm, Urt. v. 22.03.2000 - 2 Ss 1291/99; NJW 2000, 1965; StraFo 2000, 275
    • LG Freiburg, Beschl. v. 26.08.1997 - III Qs 61/97, NStZ-RR 1998, 11
  • Stellt jemand im Internet pornografische Seiten zur Verfügung, muss er durch entsprechende Zugangsbeschränkungen sicherstellen, dass diese Seiten nur von Volljährigen genutzt werden können.
         Der Begriff „kann" in § 3 Abs. 2 GjSM ist nicht so zu verstehen, dass es dem Anbieter freigestellt sein soll, ein Schutzsystem einzurichten. Ausreichend ist auch nicht irgendein System, unabhängig von seiner Wirksamkeit. Die Vorkehrung muss vielmehr geeignet sein, den visuellen Zugang Minderjähriger zu den pornografischen Schriften zuverlässig zu verhindern.
         Das von dem AVS „überl8.de" ausgehende, auf der Eingabe der „Personalausweisnummer" beruhende Hindernis ist rechtlich untauglich und tatsächlich so niedrig, dass es keinen Schutz bietet.
    • KG, Urt. v. 26.4.2004 - (5) 1 Ss 436/03 (4/04); NStZ-RR 2004, 249; CR 2004, 619
  • Im Hinblick auf die kurze Dauer der presserechtlichen Verjährungsfrist steht die verbotswidrige Einstellung von Texten in eine Webseite nicht der Verbreitung von Druckwerken gleich.
    • BayObLG, Beschl. v. 14.05.2004 - 4 St RR 052/04; NStZ 2004, 702
  • Verstöße gegen das Verbot des Versandhandels mit Bildträgem ohne Jugendfreigabe nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG (FSK-18-Filme) sind wettbewerbswidrig i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.
         Eine Vorkehrung zur Sicherstellung des ausschließlichen Erwachsenenversands nach § 1 Abs. 4 JuSchG ist nur dann gegeben, wenn die Art und Weise der Übersendung gewährleistet, dass die Warensendung dem volljährigen Kunden, an den sie adressiert ist, persönlich ausgehändigt wird.
         Die Legaldefinition des Versandhandels in § 1 Abs. 4 JuSchG ist wegen des identischen Schutzzwecks des Jugendschutzes auch für das Versandhandelsverbot des § 184 Abs. 1 Nr. 3 StGB maßgeblich.
    • OLG München, Urt. v. 29.7.2004 - 29 U 2745/04; NJW 2004, 3344
    • LG Duisburg, Urt. v. 30.08.2004 - 21 = 97/04; NJW-RR 2005, 478
  • Anpreisen i.S.v. §§ 15 Abs. 1 Nr. 6 und 27 Abs. I Nr. 1 JuSchG erdordert weder einen Hinweis auf mögliche Bezugsquellen noch die Absicht, das beworbene Medium irgendwann zumindets einem Empfänger der Erklärung zugänglich zu machen.
    • OLG Hamburg, Beschl. v. 10.11.2006 - III 124/06; NStZ 2007, 487
  • Zum Pornografiebegriff (hier: Kalender mit Aktfotos von Männern mit erigiertem Penis keine Pornographie).
  • Der Besitz von DVDs mit pornografischen Inhalten führt zu einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt i.S.v. § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVG. Dies gilt gleichermaßen für den geschlossenen wie für den offenen Vollzug.
  • Für den verbotenen Besitz kinderpornografischen Materials reicht es aus, wenn das Material gezielt aufgerufen, in den Arbeitsspeicher geladen und am Bildschirm betrachtet wird, ohne dass es durch eine bewusste Speicherung perpetuiert wird. Zumindest mit der (automatisch erfolgenden Speicherung) solcher Dateien im Cache-Speicher des Computers erlangt der Computer-Nutzer Besitz i.S.d. § 184b Abs. 4 StGB. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Speicherung vom Angeklagten noch am selben Tag manuell wieder gelöscht worden ist. Denn ist das Sichverschaffen von Besitz i.S.v. § 184b Abs. 4 S. 1 StGB bereits mit der automatischen Speicherung im Cache-Speicher vollendet, so ist es für die damit gegebene objektive Strafbarkeit nach dieser Vorschrift ohne Belang, ob die Speicherung – wie vorliegend – durch spätere manuelle oder systembedingt automatisch erfolgende Löschung des Cache-Speichers wieder rückgängig gemacht wird (Anschluss BGH, 10. Oktober 2006, 1 StR 430/06, NStZ 2007, 95).
         Wenn aber der Cachespeicher alsbald manuell oder systembedingt gelöscht wird, kann es am Besitzwillen des Computer-Nutzers fehlen.
    • OLG Hamburg, Beschl. v. 11.11.2008 - 1 - 53/08 (REV), 1 - 53/08 (REV) - 1 Ss 180/08; StV 2009, 469; StraFo 2009, 165
  • Die bloße Nutzung einer Internet-Tauschbörse allein lässt keinen tragfähigen Schluss darauf zu, dass der Nutzer weiß oder damit rechnet, dass auch die von ihm auf seinen Personalcomputer heruntergeladenen und in einem Ordner "incoming" gespeicherten (hier: gewaltpornographischen) Dateien ohne sein weiteres Zutun sofort der Tauschgemeinschaft zugänglich sind.
  • Auch wer unwissentlich kinderpornographische Bilddateien auf seinen PC überspielt, erfüllt den Straftatbestand des bedingt vorsätzlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften (§184b Abs. 4 Satz 2 StGB) sobald er den Besitz solcher Dateien für möglich hält, diese Möglichkeit billigend in Kauf nimmt und die Dateien auf seinem PC belässt.

Bundesverwaltungsgericht:
  • Das Verbot des Verbreitens pornografischer Darbietungen durch Rundfunk nach § 184 Abs. 2 StGB bezieht sich nur auf Live-Sendungen.
         Ein Film ist "pornografisch" i.S.v. § 184 StGB, wenn sein Inhalt unter Hintenansetzung sonstiger menschlicher Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rückt und ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abzielt.
         Die Annahme eines Verstoßes gegen § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB durch Ausstrahlung eines pornografischen Fernsehfilms scheidet nicht schon dann aus, wenn der Film in verschlüsselter Form gesendet wird. Anders liegt es, wenn über die allgemeine Verschlüsselung des Films hinaus weitere wirksame Vorkehrungen getroffen werden, die es im Sinne einer "effektiven Barriere" regelmäßig verhindern, dass Minderjährige den Film wahrnehmen.
    • BVerwG, Urt. v. 20.02.2002 - 6 C 13.01; BVerwGE 116, 5; NJW 2002, 2966; DVBl. 2002, 976; JZ 2002, 1057, m. Anm. Hörnle, Tatjana, 1062

Andere Verwaltungsgerichte:
  • Das Verbot nach § 7 Abs. 4 JÖSchG, bespielte Bildträger öffentlich in Automaten anzubieten, gilt auch für solche Automaten, die nur mittels einer personenbezogenen Chipkarte und über ein biometrische Zugangssicherung bedient werden können.
    • VGH München, Urt. v. 28.01.2003 - 24 B 02.322; BayVBl. 2004, 112 
  • Enthält eine Webseite Verlinkungen zu Webseiten mit jugendgefährdenden Inhalten (hier: Pornografie), hat der Anbieter durch ein zuverlässiges Altersverifikationssystem zu gewährleisten, dass ausschließlich Erwachsene Zugang zu diesen Inhalten erhalten.
         Zu den Anforderungen, die an ein Altersverifikationssystem zu richten sind.
         Zur Verhältnismäßigkeit einer medienaufsichtsrechtlichen Untersagungsverfügung.

Prostitution

BVerfG:

  • Es ist nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden, dass gem. § 184d StGB i.V. mit Art. 297 EGStGB und § 1 BadWürttSperrgebietsVO bestraft wird, wer in einer baden-württembergischen Gemeinde mit nicht mehr als 35 000 Einwohner beharrlich der Prostitution nachgeht.
         Es ist nach dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht erforderlich, dass eine strafrechtliche Norm Informationen darüber vermittelt, auf welche Weise sich der Normadressat Kenntnis vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Norm (hier: Einwohnerzahl einer Gemeinde) verschaffen kann.

Verwaltungsgerichte: 
  • Ein Stundenhotel ist mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets nicht vereinbar.
  • Bordelle oder bordellähnliche Betriebe sind als in der sozialen und ökonomischen Realität vorkommende Nutzungen eine Unterart der "Gewerbebetriebe aller Art" im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Sie können in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet über § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 9 BauNVO ausgeschlossen werden.
  • 1.     Die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass einer Sperrgebietsverordnung in Art. 297 des Einführungsgesetzbuchs zum Strafgesetzbuch (EGStGB) ist nicht dahin eingeschränkt, eine Sperrgebietsverordnung dürfe eine öffentlich nicht wahrnehmbare Ausübung der Prostitution nur unter der Voraussetzung unterbinden, dass sie eine konkrete Belästigung der Öffentlichkeit durch Begleiterscheinungen der Prostitution hervorruft.
    2.     Die Legalisierung der Prostitutionsausübung nach Maßgabe des Prostitutionsgesetzes aus dem Jahr 2001 schließt es nicht aus, durch den Erlass von Sperrgebietsverordnungen eine lokale Steuerung der Prostitutionsausübung aus ordnungsrechtlichen Gründen zu bewirken. Der Jugendschutz sowie die Wahrung des öffentlichen Anstandes sind legitime Gemeinwohlziele. Auch unterhalb der polizeirechtlichen Gefahrenschwelle dürfen die betreffenden Schutzgüter vor erheblichen Beeinträchtigungen bewahrt werden.
  • 1.     Da der Landesgesetzgeber bei Erlass der Ermächtigungsgrundlage für eine bauaufsichtsbehördliche Nutzungsuntersagung die Einhaltung des baurechtlichen Genehmigungserfordernisses im Blick hatte, rechtfertigt regelmäßig die sich aus dem Fehlen einer im Einzelfall nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 LBO 2004 notwendigen Baugenehmigung für die konkrete Nutzung einer baulichen Anlage ergebende formelle Illegalität den Erlass einer solchen Anordnung.
    2.     Nach der Konzeption des Bauverfahrensrechts der §§ 60 ff. LBO 2004 ist es Sache des Bauherrn oder der Bauherrin, der oder die eine genehmigungsbedürftige Nutzung einer baulichen Anlage plant, die dafür notwendige Genehmigung vor der Nutzungsaufnahme einzuholen.
    3.     Soweit die Bauaufsichtsbehörde die Nichtbeachtung des Genehmigungserfordernisses zum Anlass für den Erlass einer Nutzungsuntersagung nimmt, sind grundsätzlich auch an die Ausübung des Entschließungsermessens und an deren Begründung (§ 39 SVwVfG) geringe Anforderungen zu stellen. In der Regel genügt insoweit ein Verweis auf das Vorliegen des formellen Gesetzesverstoßes.
    4.     Dass die Bauaufsichtsbehörde in der Begründung ihrer Nutzungsuntersagung "hilfsweise" auch darauf hingewiesen hat, dass der Betrieb der Antragstellerin von der Art der baulichen Nutzung her auf der Grundlage des § 34 BauGB "nicht genehmigungsfähig" sei, rechtfertigt keine weitergehende Prüfung der materiellen baurechtlichen Zulässigkeit der Nutzung im Rahmen der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung (§ 82 Abs. 2 LBO 2004) unter Ermessensgesichtspunkten erfordern würde
    5.     Da bauaufsichtsbehördliche Einschreitensbefugnisse grundsätzlich auch keiner Verwirkung unterliegen, begründet das bloße Nichteinschreiten der Bauaufsichtsbehörde gegen ihr bekannte illegale bauliche Anlagen oder deren Nutzung auch über einen längeren Zeitraum für sich genommen noch kein im Rahmen der Ermessensausübung beim Erlass einer Nutzungsuntersagung beachtliches schutzwürdiges Vertrauen.
    6.     Eine den Erlass der Nutzungsuntersagung (§ 82 Abs. 2 LBO 2004) insoweit ausnahmsweise hindernde "offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit" kann allenfalls ausgegangen werden, wenn es sich um einfache, in jeder Hinsicht einwandfrei abschließend (positiv) zu beurteilende Vorhaben handelt.
  • 1.     Zur Unzulässigkeit der Wohnungsprostitution, die keine freiberufliche oder dieser gleichgestellte Tätigkeit nach § 13 BauNVO darstellt, in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB, § 4 BauNVO.
    2.     Zur Bestimmung der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB - insbesondere zur trennenden Wirkung beim Aufeinanderstoßen voneinander verschiedener Bau- und Nutzungsstrukturen.
    3.     Einzelfallabgrenzung zwischen einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet und einem (faktischen) Mischgebiet; quantitative Durchmischung als Voraussetzung für die Annahme eines Mischgebietes (hier: verneint).
  • Die Errichtung eines sog. Schlafhauses für Prostituierte ist in einem Gewerbegebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. 
  • 1.     Ungeachtet eines Wandels der gesellschaftlichen Anschauungen zur Prostitution ist Art. 297 EGStGB verfassungsrechtlich unbedenklich so auszulegen, dass die Prostitution verboten werden darf, wenn ihre Ausübung abstrakte Gefahren für die Jugend und/oder den öffentlichen Anstand begründet (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 17.12.2014 - 6 C 28.13 -).
    2.     Für den Erlass einer Sperrgebietsverordnung zum Schutz des öffentlichen Anstands genügt die Prognose, dass die nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen Unbeteiligter und „milieubedingte Unruhe“ hervorrufen wird. Dies darf der Verordnungsgeber insbesondere dann annehmen, wenn ein Gebiet durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z. B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet ist.
    3.     Es obliegt dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob, wo und wann Jugendliche mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Prostitution konfrontiert werden sollen. Von Kindern und Jugendlichen Einflüsse fernzuhalten, die sich auf ihre Einstellung zur Sexualität und damit auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeit nachteilig auswirken können, ist ein unverändert legitimes Ziel staatlichen Handelns.
    4.     Art. 297 EGStGB ermächtigt den Verordnungsgeber demnach zum Einschreiten, wenn bei der anzustellenden abstrakt-generellen Betrachtung hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sind, die den Schluss rechtfertigen, durch einen Straßenstrich bzw. dessen negative Auswirkungen werden schutzbedürftige und sensible Gebiete räumlich betroffen. Nicht zu beanstanden ist, wenn der Verordnungsgeber seinen diesbezüglichen Erwägungen im Ansatzpunkt zugrunde legt, dass die Fläche für den (zukünftigen) Standort eines Straßenstrichs umso größer und dessen stadträumliche Trennung von schutzwürdigen und sensiblen Gebieten umso deutlicher sein muss, je eher von dem Straßenstrich Verletzungen der von Art. 297 EGStGB erfassten Schutzgüter auszugehen drohen.
    5.     Wenn es um die „Verlagerung“ eines Straßenstrichs geht, der bereits in der Vergangenheit an einem anderen Standort zu massiven Schutzgutverletzungen geführt hat, ist es gerechtfertigt, davon auszugehen, dass ein neuer Standort eine größere flächenmäßige Ausdehnung aufweisen und die „Pufferzone“ zwischen dem neuen Standort sowie schutzwürdigen und sensiblen Nutzungen deutlich größer bzw. „stabiler“ ausfallen muss als beim alten Standort. Im Einzelfall kann ein stadtweites Verbot der Straßenprostitution gerechtfertigt sein, wenn die negativen Begleiterscheinungen des Straßenstrichs an jeder (anderen) Stelle im Stadtgebiet mit hinreichender Wahrscheinlichkeit immer auch schutzbedürftige und sensible Gebiete der Stadt räumlich betreffen werden.
  • 1.     Es erscheint fragwürdig, eine Nutzungsuntersagung maßgeblich mit dem Fehlen einer notwendigen Baugenehmigung (formelle Illegalität) zu begründen, wenn die Behörde es gleichzeitig unterlässt, über den einige Zeit zuvor gestellten Genehmigungsantrag zu entscheiden.
    2.     Es bestehen erhebliche Bedenken, ob eine "gewerbliche Zimmervermietung", die nach den konkreten Umständen als bordellähnlicher Betrieb zu qualifizieren ist, dem Begriff der Vergnügungsstätte gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO unterfällt.
    3.     Einzelfall, in dem einiges dafür spricht, dass es sich bei dem bor-dellähnlichen Betrieb in seiner konkreten Ausgestaltung um einen sonstigen, nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb i.S. v. § 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO handelt.
  • Die Entscheidung des Verordnungsgebers, die Straßenprostitution in Koblenz grundsätzlich zu untersagen und diese lediglich in den in § 2 der Verordnung genannten Erlaubniszonen in der Zeit von 22:00 Uhr bis 04:00 Uhr zuzulassen, hält sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des Art 297 Abs 1 S 1 Nr 3, S 2 EGStGB und ist weder hinsichtlich des Zwecks der Ermächtigungsnorm noch in Bezug auf die erfolgte Berücksichtigung der zum Teil gegenläufigen Belange zu beanstanden.

Zivilgerichte:

  • Da nach der Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung nicht mehr sittenwidrig und nichtig sind und Prostituierte rechtswidrige Einbußen ihres aus den Prostitutionserlösen bestehenden Vermögens im Wege eines Schadensersatzanspruches geltend machen können, sind die von der Straftat der Zuhälterei betroffenen Frauen Verletzte i. S. d. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB, so dass die Anordnung des Verfalls ausscheidet.
    • BGH, Beschl. v. 7. 5.2003 - 5 StR 536/02; StV 2003, 616; NStZ 2003, 533; StraFo 2003, 316 
  • Der Tatbestand des § 180 a Abs. 1 StGB n. F. verlangt, dass die Prostituierten in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers können diese Voraussetzungen nur vorliegen, wenn die entsprechende Abhängigkeit einseitig, also gegen den freien Willen der Prostituierten, durch Druck oder sonstige gezielte Einwirkung herbeigeführt oder aufrechterhalten wird oder die Prostituierten an einer Selbstbefreiung oder Loslösung aus diesem Abhängigkeitsverhältnis gehindert werden; ein einvernehmlich begründetes Beschäftigungsverhältnis, das Prostituierten eine jederzeitige Selbstbefreiung bzw. Loslösung aus dieser vertraglichen Beziehung ermöglicht, fällt nicht unter den Tatbestand des § 180 a Abs. 1 StGB n. F.
    • BGH, Beschl. v. 15.7.2003 - 4 StR 29/03; StV 2003, 617 
  • Arbeitet eine Prostituierte freiwillig in einem Bordell oder bordellähnlichen Betrieb, liegt allein in der Eingliederung in eine Organisationsstruktur durch Vorgabe von festen Arbeitszeiten, Einsatzorten und Preisen noch kein „Bestimmen" i. S. von § 181a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB. Dies gilt nicht nur bei legalen Beschäftigungsverhältnissen i. S. von § 1 ProstG, sondern auch dann, wenn dabei gegen sonstige Rechtsvorschriften etwa ausländerrechtlicher, steuerrechtlicher oder sozialversicherungsrechtlicher Art verstoßen wird.
    • BGH, Beschl. v. 01.08.2003 - 2 StR 186/03; BGHSt 48, 314; NJW 2004, 81; StV 2004, 14; NStZ 2004, 262; StraFo 2004, 28; NJ 2004, 86
  • Ein Werbeverbot nach § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG setzt die konkrete Eignung der Werbung voraus, den Schutz der Allgemeinheit, vor allem von Kindern und Jugendlichen, vor den mit der Prostitution generell verbundenen Gefahren und Belästigungen zu beeinträchtigen.Dies ist bei den heute in Zeitungen üblichen Kontaktanzeigen von Prostituierten regelmäßig nicht der Fall.
    • BGH, Urt. v. 13.07.2006 - I ZR 241/03; BGHZ 168, 314; NJW 2006, 3490; JZ 2007, 477, m. Anm. Armbrüster, Christian, 479; MDR 2007, 231
  • Der Telefonnetzbetreiber und nicht der Anschlussinhaber trägt das Risiko der heimlichen Installation eines automatischen Einwahlprogramms (so genannter Dialer) in einen Computer, das für den durchschnittlichen Anschlussnutzer unbemerkbar die Verbindungen in das Internet über eine Mehrwertdienstenummer herstellt, sofern der Anschlussnutzer dies nicht zu vertreten hat (Rechtsgedanke des § 16 Absatz 3 Satz 3 TKV).
         Es obliegt dem Anschlussnutzer nicht, Vorkehrungen gegen so genannte Dialer zu treffen, solange kein konkreter Hinweis auf einen Missbrauch vorliegt.
  • Die Parteien eines Telefondienstvertrags können in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbaren, dass der Teilnehmernetz-betreiber auch Vergütungen, die für die Nutzung von Mehrwert-dienstangeboten Dritter über den Telefonanschluss geschuldet werden, als eigene Forderungen geltend machen kann.
         Allerdings muss sich der Teilnehmernetzbetreiber die im Verhältnis des Kunden zu dem Drittanbieter bestehenden Einwendungen ent-gegenhalten lassen. Eine hiervon abweichende Regelung wäre ins-besondere unter Berücksichtung der in § 15 Abs. 3 TKV enthalte-nen Wertung gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirk-sam.
  • Entgeltforderungen für die Erbringung, Vermittlung und Vermarktung von sogenannten Telefonsexdienstleistungen kann seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3983) nicht mehr mit Erfolg der Einwand der Sittenwidrigkeit entgegengehalten werden.
  • Klagen einzelner Wohnungseigentümer gegen einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung von Störungen des gemeinschaftlichen Eigentum in Gestalt von Lärmbelästigung und Verschmutzung von Treppenhaus und Fluren durch einen bordellartigen Betrieb sind nicht mehr möglich, wenn die Wohnungseigentümer mehrheitlich beschlossen haben, dass ihre Ansprüche gemeinschaftlich geltend gemacht werden sollen.

Sozialgerichte 

Finanzgerichte:
  • Kontrollbesuche der Steuerfahndung in Räumlichkeiten, die an Prostituierte zur Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit vermietet worden sind, sind grundsätzlich - in angemessener und zumutbarer Häufigkeit - zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle i.S. des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 hinreichend veranlasst. Der mögliche (Neben-)Effekt, die Prostituierten zu veranlassen, ihre steuerlichen Pflichten zu erfüllen bzw. am "Düsseldorfer Verfahren" teilzunehmen, ist mit dem Ermittlungsauftrag der Steuerfahndung nicht unvereinbar .
         Der Vermieter kann sich gegenüber den Kontrollbesuchen nicht auf ein Abwehrrecht als Inhaber des Hausrechts an den vermieteten Räumen bzw. an den gemeinschaftlich zu nutzenden Bereichen berufen, da die Kontrollbesuche bei den Mieterinnen selbst nicht als "Eingriffe und Beschränkungen" i.S. des Art. 13 Abs. 7 GG zu qualifizieren sind .

Prozesskostenhilfe

BVerfG:

  • Auch unter Berücksichtigung des Gebots der Rechtsschutzgleichheit ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit verlangt keine völlige Gleichstellung; der Unbemittelte muss vielmehr nur dem Bemittelten gleichgestellt werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Die Anforderungen an die Erfolgsaussicht dürfen jedoch nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, 13.3.1990, 2 BvR b 94/88, BVerfG E 81, 347 <357 f.>).
         Verneint ein Fachgericht mit einer von der höchstrichterlichen Rspr. abweichenden Rechtsauffassung die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung und stützt es darauf die Nichtbewilligung der Prozesskostenhilfe, so wird dem Erfordernis einer vernünftigen Abwägung der Prozessaussichten nicht Rechnung getragen.
         Prozesskostenhilfe darf insbesondere dann nicht versagt werden, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG, 4.2.1997, 1 BvR 391 /93, NJW 1997, 2102 <2103>), da andernfalls der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen wird, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen, (vgl. BVerfG, 10.12.2001, 1 BvR 1803/97, FamRZ 2002, 665).
         Hier: zu Lasten der Antragstellerin erfolgte Bewertung der Erfolgsaussichten einer Klage, mit der diese in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rspr. (vgl. BGH, v 9.9.1999, XII ZB 3/99, FamRZ 1999, 1647f.) die Übertragung des alleinigen Sorgerechts begehrt.
  • Die Ablehnung eines Prozesskostenhilfegesuchs (hier: in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren um die Befreiung von der Schulpflicht) lediglich mit der Begründung, dass "die Berufung aus den Gründen des Urteils ... keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet", ist unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsschutgleichheit.
    • BVerfG, (2 Kammer des Ersten Snats), Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2036/07; FamRZ 2008, 581
  • Es läuft dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn der unbemittelten Partei wegen Fehlens der Erfolgsaussichten ihres Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe verweigert wird, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde. Eine Beweisantizipation ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig.
         Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Allerdings muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung der Gewährung kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichtcrlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann.
         Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Entscheidung über Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage, nit der Schmerzensgeld sowie Schadensersatz wegen der Anwendung von Gewalt bei der Verhaftung und Vernehmung eines Straftäters sowie der Androhung von Folter geltend gemacht Verden soll.
  • Es ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, dass nach § 2 Abs. 2 BerHG das Steuerrecht nicht zu den beratungshilfefähigen Angelegenheiten zählt.
         Zum Grundsatz der Rechtswahrnehmungsgleichheit im außergerichtlichen Bereich.
  • Die Versagung der Beratungshilfe für Widersprüche gegen belastenden Bescheide nach dem SGB II verletzt den sich aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 3 GG ergebenden Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit und ist damit verfassungswidrig.
  • Es verstößt grundsätzlich nicht gegen die Rechtswahrnehmungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 3 GG, wenn im Verfagrensstadium der Anhörung, also vor Erlass einer belastenden Entscheidung, der Beratungshilfeantrag mit der Begründung abgelehnt wird, es sei dem Leistungsempfänger zumutbar, sich zunächst durch Nachfrage bei der Agentur für Arbeit um eine Klärung des Angelegenheit zu bemühen (Abgrenzug zu BVerfG, NJW 2009, 209)
  • Beratungshilfe kann dem unbemittelten Rechtssuchenden nicht mit dem Argument verwehrt werden, er könne gegen einen Bescheid selbst kostenlos Widerspruch einlegen und dabei die Beratung derjenigen Behörde in Anspruch nehmen, die den Ausgangsverwaltungsakt erlassen hat. Der Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG) verbietet einen Verweis auf die Beratung durch die Behörde, die den Bescheid erlassen hat.

Zivikgerichte:
  • Unterhaltsleistungen, die ein Antragsteller zugunsten eines Lebensgefährten erbringt, mit dem er in einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II zusammenlebt, sind als besondere Belastung anzusehen und mit dem für Ehegatten und Lebenspartnern in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO vorgesehenen Pauschbetrag anzusetzen.
    • OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.11.2007 - 16 WF 164/07; FamRZ 2008, 421
  • Zur Berechnung der wirtschaftlichen Bedürftigkeit im Prozesskostenhilfeverfahren, wenn der Antragsteller Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft nach SGB II ist und sein Nettoeinkommen deshalb von der ARGE teilweise anderen Mitgliedern dieser Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird.
  • Die Inanspruchnahme eines leistungsfähigen Unterhaltsverpflichteten auf Prozesskostenvorschuss geht der Prozesskostenhilfe jedenfalls dann vor, wenn der Vorschuss alsbald realisierbar ist.
  • Im PKH-Verfahren kann ein Antragsteller nicht geltend machen, er zahle seinem Lebensgefährten Unterhalt. Er kann aber als besondere Belastung den Betrag geltend machen, mit dem sein Einkommen nach SGB II herangezogen wird, um den Bedarf des Lebensgefährten zu decken.
  • Die bedürftige Partei hat einen durchsetzbaren Kostenerstattungsanspruch gegen die unterlegene Partei auch dann, wenn ihr zahlungsfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.
  • Für einen Anspruch auf Zugewinnausgleich besteht ein Prozesskostenvor-schussanspruch gegen den neuen Ehegatten.

Arbeitsgerichte:

  • 1.     Im Prozesskostenhilfeverfahren darf das Ehegatteneinkommen nur im Rahmen der abschließenden gesetzlichen Regelung des § 115 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 11a Abs. 3 ArbGG berücksichtigt werden.
    2.     Arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten sind "persönliche Angelegenheiten" iSv. § 1360a Abs. 4 BGB.
    • BAG, Beschl. v. 05.04.2006 - 3 AZB 61/04; BAGE 117, 344; NZA 2006, 694; FamRZ 2006, 111; MDR 2006, 13077
  • ebenso:


    Sado-masochistische Körperverletzungen

    • Criminal laws against sado-masochistic acts have been upheld.
      • EGMR, Urt. v. 19.02.1997 - 21627/93,  21826/93 u. 21974/93 (Fall Laskey, Jaggard u. Brown v. Vereinigtes Königreich) 
    • Einverständlich vorgenommene sadomasochistische Praktiken, die zu Körperverletzungen führen, verstoßen nicht als solche gegen die "guten Sitten" im Sinne von § 228 StGB.
           Sittenwidrig ist die Tat jedoch, wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht wird.
    • Einer Leistungspflicht der Unfallversicherung steht nicht entgegen, dass die Tötung des Versicherungsnehmers im Rahmen einer sadomasochistischen sexuellen Betätigung eingetreten ist.
      • OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.1996 - 5 U 421/94-36, VersR 1997, 949
         
    • Kein Unfallversicherungsschutz für Tod als Folge autoerotischer Handlung, denn:
      Eingriffe am Körper im Sinne des Ausschlusstatbestands in der Unfallversicherung sind gewollte Handlungen, die zu einer Substanzverletzung des Körpers führen, oder Einwirkungen von außen, die eine Beeinträchtigung körperlicher Funktionen bezwecken.
      • BGH, Urt. v. 08.11.2000 - IV ZR 1/00, NVersZ 2001, 117; NJW-RR 2001, 313; MDR 2001, 271'
         
    • Der Vorschrift des § 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB unterfallen auch Darstellungen solcher Gewalttätigkeiten, die im Rahmen sadomasochistischer Handlungen einvernehmlich erfolgen
      • BGH, NStZ 2000, 307

    Scheidung

    • Geschlechtliche Beziehungen eines Ehepartners zu einem gleichgeschlechtlichen Partner unterliegen grundsätzlich den gleichen Regeln wie heterosexuelle Beziehungen und stellen für sich genommen keine unzumutbare Härte i. S. des § 1565 Abs. 2 BGB dar.
      • OLG Celle, Beschl. v. 09.10.1981 - 12 WF 198/81; NJW 1982, 586
      • OLG Köln, Beschl. v. 13.03.1996 - 27 WF 17/96; FamRZ 1997, 24
      • OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.12.2006 - 10 WF 1526/06; NJW 2007, 2052; FamRZ 2007, 1895; MDR 2007, 662; FamRB 2007, 131; Aufs. Repasi, René: "Die Reichweite des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsschutzes im Familien- und Erbrecht", GPR 2007, 183

    Schenkung - Zuwendung

    • a)     Die vom (mit-)beschenkten Partner des eigenen Kindes geteilte oder jedenfalls erkannte Vorstellung des Schenkers, eine zugewendete Immobilie werde vom eigenen Kind und dessen Partner dauerhaft als gemeinschaftliche Wohnung oder Familienwohnung genutzt, kann die Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrages bilden (Bestätigung von BGH, Urt. v. 19.01.1999 - X ZR 60/97, NJW 1999, 1623, und v. 03.02.2010 - XII ZR 189/06, BGHZ 184, 190).
      b)     Die Schenkung begründet jedoch kein Dauerschuldverhältnis. Für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage reicht es deshalb nicht aus, dass die Lebensgemeinschaft nicht bis zum Tod eines der Partner Bestand hat. Hat jedoch die gemeinsame Nutzung der Immobilie entgegen der mit der Schenkung verbundenen Erwartung nur kurze Zeit angedauert, kommt regelmäßig ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht.
      c)     In diesem Fall ist der Schenker in der Regel berechtigt, vom Schenkungsvertrag zurückzutreten und das gesamte Geschenk oder dessen Wert zurückzufordern.
    • a)     Kontoinhaber eines Sparkontos ist derjenige, der nach dem erkennbaren Willen des das Konto eröffnenden Kunden Gläubiger der Bank werden soll (Anschluss an BGH, Urt. v. 25.04.2005 - II ZR 103/03 - FamRZ 2005, 1168 und v. 02.02.1994 - IV ZR 51/93 - FamRZ 1994, 625).
      b)     Daraus, dass die Eltern ein auf den Namen ihres minderjährigen Kindes angelegtes Sparbuch nicht aus der Hand geben, lässt sich nicht typischerweise schließen, dass sie sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten wollen (Abgrenzung zu BGH, Urt. v., 18.01.2005 - X ZR 264/02 - FamRZ 2005, 510 und BGHZ 46, 198 = FamRZ 1967, 37).
      c)     Für die Frage, ob einem Kind Ansprüche gegen seine Eltern wegen von diesen vorgenommenen Verfügungen über ein Sparguthaben zustehen, ist das Innenverhältnis zwischen Kind und Eltern maßgeblich; der rechtlichen Beziehung zur Bank kommt insoweit nur indizielle Bedeutung zu.

    Sexualkundeunterricht

    EGMR:

    • Keine Verletzung von Art. 2 des Prot. Nr. 1 zur EMRK (Recht auf Bildung), Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) und Art. 8 EMRK (Recht auf Privat- und Familienlieben) durch die Weigerung der deutschen Behörden, die Kinder der Beschwerdeführer vom teilnahmepflichtigen Sexualkundeunterricht und anderen von ihnen beanstandeten schulischen Pflichtveranstaltungen zu befreien.
    • 1.     Keine Verletzung von Art. 8 EMRK (Recht auf Privat- und Familienlieben) und Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) durch die Weigerung der Schweizer Behörden, das Kind der Beschwerdeführerin von der schulischen Sexualerziehung zu befreien
      2.     Die Sexualerziehung verfolgt im vorliegenden Fall legitime Ziele wie den Schutz vor Missbrauch. Zudem sollen die Lehrer den Schweizer Vorgaben zufolge nur auf Fragen und Handlungen der Kinder reagieren. Das ist keine systematische Sexualerziehung.
      3.     Die Religionsfreiheit schützt das Kind in der Schule nicht grundsätzlich vor anderen Ideen, sondern nur vor der Indoktrination mit bestimmten Ideen.

    BVerfG:
    • 1.     Die individuelle Sexualerziehung gehört in erster Linie zu dem natürlichen Erziehungsrecht der Eltern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 GG; der Staat ist jedoch aufgrund seines Erziehungsauftrages und Bildungsauftrages (Art. 7 Abs. 1 GG) berechtigt, Sexualerziehung in der Schule durchzuführen.
      2.     Die Sexualerziehung in der Schule muß für die verschiedenen Wertvorstellungen auf diesem Gebiet offen sein und allgemein Rücksicht nehmen auf das natürliche Erziehungsrecht der Eltern und auf deren religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen, soweit diese für das Gebiet der Sexualität von Bedeutung sind. Die Schule muß insbesondere jeden Versuch einer Indoktrinierung der Jugendlichen unterlassen.
      3.     Bei Wahrung dieser Grundsätze ist Sexualerziehung als fächerübergreifender Unterricht nicht von der Zustimmung der Eltern abhängig.
      4.     Die Eltern haben jedoch einen Anspruch auf rechtzeitige Information über den Inhalt und den methodisch-didaktischen Weg der Sexualerziehung in der Schule.
      5.     Der Vorbehalt des Gesetzes verpflichtet den Gesetzgeber, die Entscheidung über die Einführung einer Sexualerziehung in den Schulen selbst zu treffen.
              Das gilt nicht, soweit lediglich Kenntnisse über biologische und andere Fakten vermittelt werden.
      • BVerfG, Beschl. v. 21.12.1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75; BVerfGE 47, 46; NJW 1978, 807; JZ 1978, 304, m. Bespr. Thomas Oppermann, 289; DVBl 1978, 263; DÖV 1978, 244; BayVBl 1978, 303, m. Anm.  Dieter Falckenberg, 371 EuGRZ 1978, 57, m. Bespr. Eibe/Riedel, 264; RdJB 1978, 145 m. Anm. Heinz Brauburger, 378, Anm. Friedhelm Hufen, 381 und Bespr. Helmut Kentler, RdJB 1980, 177; JuS 1978, 849; Bespr. Hans-Uwe Erichsen, VerwArch 69, 387; Aufs. Günther Schultz, MDR 1978, 371; Bespr. Hufen, JA 1978, 443
    • 1.     Es ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, dass der Schulunterricht meinungs- und wertepluralistisch ausgerichtet ist. Die Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität untersagt die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger (vgl. BVerfGE 108, 282 <299>). Die Offenheit für ein breites Spektrum von Meinungen und Auffassungen ist konstitutive Voraussetzung einer öffentlichen Schule in einem freiheitlich-demokratisch ausgestalteten Gemeinwesen. Hiermit stünden weder ein einseitig an den Überzeugungen der Beschwerdeführer orientierter Schulunterricht, durch welchen der Staat vielmehr Gefahr liefe, das Gebot weltanschaulicher und religiöser Neutralität zu Lasten anderer Anschauungen zu verletzen, noch eine völlige Abschottung der Schulkinder von dem breiten Spektrum der gesellschaftlich vertretenen naturwissenschaftlichen und moralisch-ethischen Positionen in Einklang. Überdies wäre eine solche Auffassung mit dem Erfordernis eines schonenden Ausgleichs zwischen den Rechten der Beschwerdeführer aus Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 GG und dem Erziehungsauftrag des Staates aus Art. 7 Abs. 1 GG im Wege der praktischen Konkordanz nicht zu vereinbaren (vgl. BVerfGE 93, 1 <21>). Daher ist den Beschwerdeführern die mit dem Besuch der Schule verbundene Konfrontation ihrer Kinder mit den Auffassungen und Wertvorstellungen einer überwiegend säkular geprägten pluralistischen Gesellschaft trotz des Widerspruchs zu ihren eigenen religiösen Überzeugungen grundsätzlich zuzumuten (vgl. BVerfG-K 1, 141 <144>).
      2.     Mit der Vermittlung von Kenntnissen über geschlechtlich übertragbare Krankheiten und über Methoden der Empfängnisverhütung im Rahmen des Sexualkundeunterrichts hat die Schule das ihr obliegende Neutralitätsgebot nicht verletzt. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Schule den Versuch unternommen hätte, die Schüler mit dem Ziel zu indoktrinieren, ein bestimmtes Sexualverhalten zu befürworten oder abzulehnen. Dies gilt umso mehr, als die Eltern eingeladen waren, in Kooperation mit den Lehrern bei Elternabenden auf die Vermittlung dieser Thematik Einfluss zu nehmen und deren Behandlung in der häuslichen Erziehung zu begleiten. Es ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass nach den Lehrplänen die Evolutionstheorie im Rahmen des Biologieunterrichts vermittelt und die Behandlung der Schöpfungsgeschichte auf den Religionsunterricht beschränkt bleibt.
    • 1.     Die Fähigkeit aller Schüler zu Toleranz und Dialog ist eine Grundvoraussetzung für die spätere Teilnahme nicht nur am demokratischen Willensbildungsprozess, sondern auch für ein gedeihliches Zusammenleben in wechselseitigem Respekt auch vor den Glaubensüberzeugungen und Weltanschauungen (vgl. BVerfGK 1, 141 <143 f.>) Dies im Sinne gelebter Toleranz einzuüben und zu praktizieren, kann für den Landesgesetzgeber eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Schule sein.
      2.     Sucht der Landesgesetzgeber im Wege der praktischen Konkordanz einen schonenden Ausgleich zwischen den Rechten der Schüler und Eltern aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 GG sowie dem Erziehungsauftrag des Staates aus Art. 7 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 93, 1 <21>), so darf er dabei auch der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten "Parallelgesellschaften" entgegenwirken und sich um die Integration von Minderheiten bemühen.
      3.     Integration setzt nicht nur voraus, dass die religiös oder weltanschaulich geprägte Mehrheit jeweils anders geprägte Minderheiten nicht ausgrenzt; sie verlangt auch, dass diese sich selbst nicht abgrenzt und sich einem Dialog mit Andersdenkenden und Andersgläubigen nicht verschließt.
      4.     Schüler und deren Eltern können danach keine Unterrichtsgestaltung beanspruchen, nach der die Kinder vollständig von der Befassung mit Glaubensrichtungen oder Ansichten verschont bleiben, die ihnen fremd sind. In einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, gewährt Art. 4 Abs. 1 GG ein solches Recht nicht (vgl. BVerfGE 93, 1 <15 f.>)
      5.     So ist etwa nichts dagegen zu erinnern, wenn die Schule im Rahmen des Biologieunterrichts die Evolutionstheorie vermittelt und die Behandlung der Schöpfungsgeschichte auf den Religionsunterricht beschränkt oder im Rahmen des Sexualkundeunterrichts Kenntnisse über geschlechtlich übertragbare Krankheiten und über Methoden der Empfängnisverhütung vermittelt, obgleich Letzteres nach den Grundsätzen einzelner Religionsgemeinschaften eher als nicht oder wenig erwünscht erscheinen mag (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2006 - 2 BvR 1693/04 -, JURIS).
    • 1.     Zwar darf der Staat auch unabhängig von den Eltern eigene Erziehungsziele verfolgen (vgl. BVerfGE 34, 165 <182>; 47, 46 <71>), dabei muss er aber Neutralität und Toleranz gegenüber den erzieherischen Vorstellungen der Eltern aufbringen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. April 1989 - 1 BvR 235/89 -, juris). Der Staat darf keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben; er darf sich auch nicht durch von ihm ausgehende oder ihm zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in der Gesellschaft von sich aus gefährden (vgl. BVerfGE 93, 1 <16 f.>; 108, 282 <300>). Diese Verpflichtung stellt bei strikter Beachtung sicher, dass unzumutbare Glaubens- und Gewissenskonflikte nicht entstehen und eine Indoktrination der Schüler etwa auf dem Gebiet der Sexualerziehung unterbleibt (vgl. BVerfGK 1, 141 <144>).
      2.     Hinsichtlich der Präventionsveranstaltung hat das Amtsgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass die Schule mit der Sensibilisierung der Kinder für etwaigen sexuellen Missbrauch und dem Aufzeigen von Möglichkeiten, sich dem zu entziehen, das ihr obliegende Neutralitätsgebot nicht verletzt hat. Es hat nachvollziehbar darauf verwiesen, dass die auf der Glaubensüberzeugung der Beschwerdeführer beruhenden elterlichen Vorstellungen von der Sexualerziehung ihrer Kinder durch die Präventionsveranstaltung nicht in Frage gestellt worden sind, weil diese die Kinder nicht dahin beeinflusst hat, ein bestimmtes Sexualverhalten zu befürworten oder abzulehnen (vgl. insoweit auch BVerfGK 8, 151 <156>).

    • 1.     Der Landesgesetzgeber, der in § 182 Abs. 1 HessSchulG das Entziehen anderer von der Schulpflicht unter Strafe stellt, greift zwar in das Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und - wie hier angesichts der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Glaubens- und Gewissensgründe - in deren Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG ein. Jedoch hat bereits die 1. Kammer des Zweiten Senats in ihrem Nichtannahmebeschluss vom 31. Mai 2006 - 2 BvR 1693/04 - (vgl. BVerfGK 8, 151 <155 ff.>) in Ansehung der Strafnorm des § 182 Abs. 1 HessSchulG ausgeführt, dass die Verpflichtung der Beschwerdeführer, ihre Kinder an dem Unterricht einer nach dem Hessischen Schulgesetz anerkannten Schule teilnehmen zu lassen, eine zulässige Beschränkung ihres Erziehungsrechts darstelle. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass der in Art. 7 Abs. 1 GG verankerte staatliche Erziehungsauftrag der Schule dem elterlichen Erziehungsrecht gleichgeordnet ist, unterliegt es - auch im Lichte des Art. 4 Abs. 1 GG, der Einschränkungen zugänglich ist, die sich aus der Verfassung selbst ergeben - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Beachtung der Schulpflicht von den Erziehungsberechtigten dadurch einzufordern, dass der (Landes-)Gesetzgeber entsprechende Strafvorschriften schafft und die Strafgerichte bei deren Verletzung Geld- oder Freiheitsstrafen verhängen. Insofern greift auch die von den Beschwerdeführern in diesem Kontext erhobene Rüge des Verstoßes gegen das Übermaßverbot nicht durch.
      2.     Die Allgemeinheit hat ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten „Parallelgesellschaften“ entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren. Selbst ein mit erfolgreichen Ergebnissen einhergehender Hausunterricht verhindert nicht, dass sich die Kinder vor einem Dialog mit Andersdenkenden und -gläubigen verschließen, und ist deshalb nicht geeignet, die insbesondere in einer Klassengemeinschaft gelebte Toleranz gegenüber einem breiten Meinungsspektrum nachhaltig zu fördern.

    Verwaltungsgerichte:
    • 1.     Die den Schulen auf dem Gebiet der Sexualerziehung auferlegten Gebote der Zurückhaltung und Toleranz stellen regelmäßig sicher, dass unzumutbare Glaubens- und Gewissenskonflikte bei Eltern und Schülern nicht entstehen.
      2.     Die Eltern können zwar kein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der schulischen Sexualerziehung haben, wohl aber insoweit Zurückhaltung und Toleranz verlangen. Die Schule muss den Versuch einer Indoktrinierung der Schüler mit dem Ziel unterlassen, ein bestimmtes Sexualverhalten zu befürworten oder abzulehnen. Sie hat das natürliche Schamgefühl der Kinder zu achten und muss allgemein Rücksicht nehmen auf die religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern, soweit sie sich auf dem Gebiet der Sexualität auswirken
      3.     Es nicht zu beanstanden, dass der Staat gemäß dem ihm durch Art. 7 Abs. 1 GG anvertrauten Erziehungsauftrag die tatsächlichen Gegebenheiten in der Gesellschaft berücksichtigt, in der Partnerschaft nicht allein in Form der Ehe, sondern in beträchtlichem Umfang auch in anderen Formen gelebt wird.
      4.     Eine Sexualerziehung, die jede Art sexuellen Verhaltens gleichermaßen bejahen oder gar befürworten würde, verstieße zwar eindeutig gegen das Zurückhaltungs- und Rücksichtnahmegebot, welches die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG dem Staat bei der Ausgestaltung des Sexualkundeunterrichts auferlegen."Akzeptanz" in dem hier verwendeten Zusammenhang ist aber nicht gleichbedeutend mit Billigung. Gemeint ist vielmer, dass die Menschen einander akzeptieren sollen unabhängig von der jeweiligen sexuellen Orientierung und Lebensweise.
    • Auch im Hinblick auf einen im Einzelnen geschilderten Gewissenskonflikt der Eltern und ihres Kindes stellt eine Unterrichtsgestaltung bei der Sexualerziehung entsprechend der den Schulen nach dem Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen auferlegten Pflicht zu Zurückhaltung, Toleranz und Offenheit für unterschiedliche Wertungen sicher, dass die für eine Befreiung vom Unterricht maßgebliche Unzumutbarkeitsschwelle nicht überschritten wird.

    Soldaten

    • 1. Die staatlichen Behörden haben bei der Prüfung, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK) notwendig und verhältnismäßig i.S. von Art 8 Abs. 2 EMRK ist, einen Beurteilungsspielraum, der je nach der Natur der eingeschränkten Betätigungen und den mit den Eingriffen verfolgten Zielen unterschiedlich weit ist.
           2. Jeder Staat kann sein eigenes System militärischer Disziplin organisieren und hat auch dabei einen bestimmten Beurteilungsspielraum. Es ist nicht ausgeschlossen, das Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK) einzuschränken, wenn sonst die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte gefährdet ist. Vorurteile der heterosexuellen Mehrheit gegenüber einer homosexuellen Minderheit sind keine ausreichende Rechtfertigung für Eingriffe in das Privatleben, ebenso wenig wie ähnliche negative Einstellungen gegenüber Personen anderer Rasse, Abstammung oder Hautfarbe.
           3. Misshandlungen müssen ein Mindestmaß an Schwere erreichen, bevor sie in den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK (Folterverbot) fallen. Ermittlungen gegen Angehörige der Streitkräfte und ihre Entlassung wegen Homosexualität sind quälend und erniedrigend, erreichen aber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht das Mindestmaß an Schwere, so dass sie im vorliegenden Fall nicht unter Art. 3 EMRK fallen.
           4. Wenn Homosexuelle zu andauernder Wachsamkeit, Diskretion und Heimlichkeit gezwungen werden, kann das ein Eingriff in ihr Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) sein. Dieses Element tritt aber hinter das Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK) zurück.
           5. Art. 13 EMRK (Recht auf eine wirksame Beschwerde) verlangt eine innerstaatliche Beschwerde, die den zuständigen innerstaatlichen Instanzen ermöglicht, eine auf die Konvention gestützte Beschwerde sowohl in der Sache zu prüfen, als auch angemessene Abhilfe zu geben.
      • EGMR, Urt. v. 27.09.1999 - 33985 u. 33986/96 (Fall Smith u. Grady v. Vereinigtes Königreich); Slg. 1999-VI, 47; NJW 2000, 2089; ÖJZ 2000, 614
      • EGMR (3. Sektion), Urt. v. 25.07.2000 - 33985 u. 33986/96 (Fall Smith u. Grady v. Vereinigtes Königreich); NJW 2001, 809; AuR 2004, 315; ÖJZ 2000, 614
      • siehe auch EGMR (Dritte Sektion), Urt. v. 27.09.1999 - 31417/96 u. 32377/96 (Fall Lustig-Prean u. Beckett v. Vereinigtes Königreich
    • Entscheidungen der Mitgliedstaaten, die den Zugang zur Beschäftigung, die Berufsbildung und die Arbeitsbedingungen in den Streitkräften betreffen und zur Gewährleistung der Kampfkraft erlassen worden sind, sind nicht allgemein vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausgenommen.
           Der Ausschluss von Frauen vom Dienst in speziellen Kampfeinheiten wie den Royal Marines kann aufgrund der Art und der Bedingungen der Ausübung der betreffenden Tätigkeiten nach Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen gerechtfertigt sein.
    • Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen steht der Anwendung nationaler Bestimmungen entgegen, die wie die des deutschen Rechts Frauen allgemein vom Dienst mit der Waffe ausschließen und ihnen nur den Zugang zum Sanitäts- und Militärmusikdienst erlauben.
      • EUGH (Plenum), Urt. 11.01.2000 - C-285/98 (Rs. Kreil)  - Schlussanträge; Slg. 2000, I-69, NJW 2000, 497; EuGRZ 2000, 144; NZA 2000, 137; ZBR 2000, 267; DB 2000, 279; DVBl. 2000, 336, mit Anm. Koch, Christian, 476; DÖV 2000, 421; NZWehrr 2000, 28; ZFSH/SGB 2000, 118; BayVBl. 2000, 368; STREIT 2000, 34 
    • Sexuelle Beziehungen zwischen männlichen und/oder weiblichen Soldaten  mit all ihren emotionalen Implikationen können innerhalb der Bundeswehr nicht toleriert werden, da der Zusammenhalt der Truppe dadurch empfindlich gestört werden würde.
            Im Hinblick auf die durch das am 01.08.2002 in Kraft getretene Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16.02.2001 geänderte Rechtslage sowie die gewandelten gesellschaftlichen Anschauungen kann es keinen Unterschied machen, ob es sich um hetero- oder homosexuell bedingtes Fehlverhalten oder um persönlichkeitsbedingte Neigungssexualität handelt; insoweit wird an der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht mehr festgehalten.
      • BVerwG, Urt. v. 09.10.2001 - 2 WD 10/01, BVerwGE 115, 174; NJW 2002, 1514; ZBR 2003, 170; NZWehrr 2002, 79
    • Die Zentrale Dienstvorschrift 10/5 „Leben in der militärischen Gemeinschaft“, in deren Anlage 1/1 Nr. 103 „Die Haar- und Barttracht der Soldaten“ geregelt ist, stellt keinen Befehl dar.
      • BVerwG, Beschl. v. 30.11.2006 - 1 WB 59.05; BVerwGE 127, 203; NVwZ-RR 2007, 780; NZWehrR 2007, 160
        Siehe dazu auch die Anmerkung von Dreist, Peter, zu einer Entscheidung des Truppendienstgerichts Süd in NZWehrr 2008, 40.
    • Ein Soldat, zumal ein Vorgesetzter, der an einem Kameraden sexuelle Handlungen vornimmt, ohne sich zuvor hinreichend zu vergewissern, ob dieser mit seinem Vorgehen einverstanden ist, greift in schwerwiegender Weise in dessen Intimsphäre ein.
           Zur Maßnahmebemessung bei einer fahrlässig begangenen sexuellen Belästigung.
    • Die Meinungsäußerungsfreiheit findet ihre Grenze in den durch Art. 5 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Anforderungen des Rechts der persönlichen Ehre und zum Schutz der Intimsphäre, das jedem Menschen die Befugnis zuweist, seine Einstellung zum Geschlechtlichen selbst zu bestimmen und grundsätzlich selbst darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls in welcher Form er seine sexuelle Orientierung und Einstellung offenbaren oder zum Gegenstand von Erörterungen machen will.
           Wird mit der Äußerung eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen in Gegenwart eines Dritten der Eindruck erweckt, die sexuelle Orientierung des Angesprochenen solle ohne dessen Einverständnis offenbart werden, so stellt dies eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und damit ein Dienstvergehen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz dar.
           Obszöne Bemerkungen und damit sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz sind für einen Soldaten bereits dann unzulässig, wenn er sich nicht sicher sein kann, dass der/die damit konfrontierte Gesprächspartner/in dagegen keine Einwände hat.
           Es verstößt gegen das für Äußerungen von Offizieren und Unteroffizieren geltende Zurückhaltungsgebot (§ 10 Abs. 6 SG), einem Untergebenen in Gegenwart eines Dritten mit den Worten „Alles Gute, mein schwuler Freund“ zum Geburtstag zu „gratulieren“.
    • 1.     Der Bundesminister der Verteidigung hat bei der Ausübung seiner Befugnis, die Haar- und Barttracht der Soldaten durch Verwaltungsvorschriften zu regeln, einen Einschätzungsspielraum. Einschränkungen der freien Gestaltung der Haartracht können durch das Regelungsziel eines - für das Selbstverständnis und die öffentliche Wahrnehmung bestimmenden - einheitlichen äußeren Erscheinungsbilds und Auftretens der deutschen Streitkräfte im In- und Ausland bei der Erfüllung ihres Verteidigungsauftrags gerechtfertigt sein.
      2.     Der Erlass über die Haar- und Barttracht der Soldaten (Anlage 1 zur Zentralen Dienstvorschrift 10/5) ist rechtmäßig. Die - von der Regelung für männliche Soldaten abweichende - Regelung über die Haartracht von Soldatinnen ist eine zulässige Maßnahme zur Förderung von Frauen in der Bundeswehr.
    • Der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-2630/1 "Das äußere Erscheinungsbild der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr" fehlt eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Für eine Übergangszeit ist diese Dienstvorschrift, die allgemein als "Haar- und Barterlass" bekannt ist, aber auch zum Beispiel Regelungen zu Tätowierungen und Piercings trifft, bis zu einer entsprechenden Neuregelung weiterhin anzuwenden.

    Sonderurlaub

    • Zur Versagung von Sonderurlaub für die Niederkunft der nichtehelichen Lebensgefährtin eines Beamten.
      • BVerfG, Beschl. v. 01.04.1998 - 2 BvR 1478/97; ZBR 1998, 396; DÖD 1998, 231
    • Ein Beamter hat nach § 12 Abs. 2 Sonderurlaubsverordnung in der bis April 1997 geltenden Fassung keinen Anspruch auf Gewährung bezahlten Sonderurlaubs bei Niederkunft seiner Lebensgefährtin
      • BVerwG, Urt. v. 19.06.1997 - 2 C 28.97; ZBR 1998, 25; DÖD 1997, 252
    • Nach § 616 BGB i.V.m. § 52 Ia BAT-TgRV-O ist einem Angestellten aus Anlass der Niederkunft seiner Ehefrau Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung für einen Arbeitstag zu gewähren. Bei der Niederkunft der nichtehelichen Lebensgefährtin besteht ein solcher Anspruch nicht. Die tarifliche Regelung verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 6 Abs. 1, 2 u. 5 GG. Der sachliche Grund für die Beschränkung des Freistellungsanspruchs auf verheiratete Angestellte besteht darin, dass diese gemäß § 1353 Abs. 1 BGB zum Beistand gegenüber ihren Ehefrauen verpflichtet sind. Eine solche Verpflichtung trifft unverheiratete Angestellte nicht.
           Nach § 52 Abs. 3 Unterabschnitt I BAT-TgRV-O kann der Arbeitgeber dem Angestellten in "sonstigen dringenden Fällen" Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung bis zu drei Arbeitstagen gewähren. Die Entscheidung, den Angestellten bei der Niederkunft der nichtehelichen Lebensgefährtin nicht unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen, sondern ihn auf unbezahlte Freistellung oder die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub zu verweisen, ist grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft.
      • BAG, Urt. v. 18.01.2001 - 6 AZR 492/99; FamRZ 2001, 1366; NZA 2002, 47; ZTR 2001, 421; DB 2001, 1672

    Sorgerecht

    ERMR:

    • Entscheidungen, die dem einen Elternteil nach einer Scheidung das Sorgerecht zusprechen, berühren das Rechts des anderen Elternteils auf Achtung seines Familienleben und fallen deshalb in den Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 1 EMRK.
      Wenn die elterliche Sorge über ein Kind nur deshalb der Mutter zugesprochen wird, weil der Vater homosexuell ist und mit einem Mann zusammenlebt, verstößt das gegen Art. 8 i.V.m. Art. 14 EMRK.
    • Deutschland diskriminiert Väter außerehelich geborener Kinder beim Zugang zur (gemeinsamen) elterlichen Sorge.
           Eine unterschiedliche Behandlung i. S. von Art. 14 EMRK ist dann diskriminierend, wenn es für sie keine objektive und angemessene Rechtfertigung gibt, d. h., wenn sie kein legitimes Ziel verfolgt oder zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten Zweck kein angemessenes Verhältnis besteht.
           Die Vertragsstaaten haben einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang Unterschiede bei im Übrigen vergleichbaren Sachverhalten eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Der bei der Regelung der elterlichen Sorge bestehende weite Beurteilungsspielraum der Vertragsstaaten ist umso enger, je mehr sich ein europäischer Standard herausgebildet hat. Insoweit ist die Konvention als lebendiges Instrument im Lichte der heutigen Verhältnisse auszulegen.
           Nur sehr gewichtige Gründe können die Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts oder einer außerehelichen Geburt rechtfertigen. Dieser Maßstab gilt auch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der unterschiedlichen Behandlung des Vaters eines aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft hervorgegangenen Kindes im Vergleich zum Vater eines ehelichen Kindes.
           Der Ausschluss einer gerichtlichen Einzelfallprüfung der Alleinsorge der Mutter gemäß § 1626a Abs. 2 BGB verstößt gegen Art. 14 EMRK i. V. mit Art. 8 EMRK, da die Ungleichbehandlung von Vätern außerehelich geborener Kinder im Vergleich zu Müttern und geschiedenen Vätern nicht durch das Kindeswohl gerechtfertigt ist (gegen BVerfG, Senatsurteil v. 29. Januar 2003, FamRZ 2003, 285, m. Anm. Henrich, S. 359).
      • EGMR, Urt. v. 03.12.2009 - 22028/04 (Fall Zaunegger v.Deutschland); NJW 2010, 501, m. Aufs. Coester, Michael, 482; FamRZ 2010, 103, m. Anm. Henrich, Dieter, 107, Anm. Scherpe, Jens M., 108,. Anm. Hammer, Stephan, 623, Aufs. Löhnig, Martin, 338; ZKJ 2010, 112, m. Aufs. Willutzki, Siegfried, 86; FuR 2010, 214; EuGRZ 2010, 42; ÖJZ 2010, 183; Aufs. Rakete-Dombek, Ingeborg, FF 2010, 7; Aufs. Rimkus, Karsten, ZFE 2010, 47
      • EGMR (Erste Kammer), Urt. v. 03.02.2011 - 35637/03 (Fall Sporer vs. Österreich) - Pressemitteilung  

    BVerfG:
    • Die für eine Umgangseinschränkung notwendige konkrete Gefährdung des Kindes kann nicht schon dann angenommen werden, wenn infolge möglicherweise pädophiler Neigungen des umgangsberechtigten Elternteils ein „Restrisiko" verbleibt. Es ist vielmehr erforderlich, dass der sichere Schluss auf derartige Neigungen gezogen werden kann und diese auch eine Einschränkung der Verhaltenskontrolle im Sinne einer Gefährdung des Kindes ergeben. Solange keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Kindes bestehen, hat die Mutter trotz ihrer nachvollziehbaren Vorbehalte den unbegleiteten Umgang des Vaters mit dem Kind zumindest in neutraler Weise zu dulden.
      • BVerfG, Beschl. v. 29.11.2007 - 1 BvR 1635/07; FF 2008, 74
    • Der rechtliche Vater eines Kindes, der für dieses Elternverantwortung wahrnimmt, ist Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.
           Die Vorschrift geht zwar von einer auf Zeugung begründeten leiblichen Elternschaft aus, nimmt aber über diese Zuordnung hinausgehend die Eltern-Kind-Beziehung als umfassendes Verantwortungsverhältnis von Eltern gegenüber ihren der Pflege und Erziehung bedürftigen Kindern unter seinen Schutz. Voraussetzung dafür, entsprechend dem Elternrecht Verantwortung für das Kind tragen zu können, ist insofern auch die soziale und personale Verbundenheit zwischen Eltern und Kind.
           Die Abstammung wie die sozial-familiäre Verantwortungsgemeinschaft machen gleichermaßen den Gehalt von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG aus.
    • Zu den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 GG an die Berücksichtigung des Kindeswillens in Sorgerechtsverfahren.
           Bei der Prüfung von Sorgerechtsentscheidungen, die einen Obhutswechsel zum Gegenstand haben, legt das BVerfG einen strengeren Kontrollmaßstab zugrunde.
    • Wenn ein nach § 1626a BGB nicht-sorgeberechtigter Vater über einen längeren Zeitraum die elterliche Sorge für ein Kind zwar nicht in rechtlicher, aber in tatsächlicher Hinsicht wahrgenommen hat, ist es nach Art. 6 Abs. 2 GG geboten, § 1680 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 BGB dahingehend auszulegen, dass eine Sorgerechtsübertragung auf den Vater regelmäßig dem Kindeswohl dient, solange nicht konkret feststellbare Kindesinteressen der Übertragung widersprechen.
    • Aus der grundrechtlichen Gewährleistung des Elternrechts wie auch aus der Verpflichtung des Staates, über dessen Ausübung im Interesse des Kindeswohls zu wachen, ergeben sich auch Folgerungen für das Prozessrecht und seine Handhabung in Sorgerechtsverfahren. Eine dem Elternrecht genügende Entscheidung kann nur aufgrund der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden.
           Das Verfahren muss grundsätzlich geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen. Sehen die Fachgerichte von der Beiziehung eines Sachverständigen ab, müssen sie anderweitig über eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügen.

    Zivilgerichte
    • Zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge, wenn der die Alleinsorge begehrende Elternteil für die völlige Zerrüttung der sozialen Beziehungen zwischen den Eltern (haupt-)verantwortlich ist.
           Aus der normtechnischen Gestaltung der Regelung des § 1671 Abs. Nr. 2 BGB kann kein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten des Fortbestands der gemeinsamen elterlichen Sorge hergeleitet werden. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist.
           Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge setzt ein Mindestmaß an Ubereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Nicht schon das Bestehen der Pflicht der Eltern zur Konsensfindung ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität nicht verordnen lässt.
    • Lehnt die Mutter Kontakte zu dem Vater ab, weil er durch Verschweigen seiner HIV-Infektion ihr Vertrauen missbraucht hat, so kommt ein gemeinsames Sorgerecht nicht mehr in Betracht.
    • Die sexuellen Neigungen eines Elternteils (hier: sadomasochistische Praktiken) stehen der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht entgegen, wenn sie sich nicht auf das Wohl des Kindes auswirken.
    • 1.     Die einem getrennt lebenden Elternteil zustehende Alltagssorge (§ 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB) umfasst nicht die Befugnis, über die Vornahme oder Nichtvornahme von Schutzimpfungen seines minderjährigen Kindes autonom zu entscheiden. Denn es handelt sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 1628 Satz 1 BGB, deren Entscheidung das Familiengericht bei Dissens der Kindeseltern einem Elternteil übertragen kann.
      2.     Befürwortet ein Elternteil die Durchführung der von der Ständigen Impfkommission der Bundesrepublik Deutschland empfohlenen Schutzimpfungen, indiziert diese Haltung - vorbehaltlich entgegen stehender Umstände des Einzelfalls - seine Eignung, eine kindeswohlkonforme Impfentscheidung (§ 1697a BGB) zu treffen.

    Sozialhilfe

    • Leben minderjährige unverheiratete Kinder in einem Haushalt mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater zusammen, kann nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG nur Einkommen und Vermögen ihrer Mutter, nicht auch Einkommen und Vermögen ihres Stiefvaters berücksichtigt werden.
           Einkommen und Vermögen des Stiefvaters kann nur nach Maßgabe des § 16 BSHG oder nur dann berücksichtigt werden, wenn es der Mutter tatsächlich zugewendet wird und damit deren Einkommen und Vermögen erhöht oder zumindest deren Eigenbedarf mindert.
      • BSG, Urt. v. 26.11.1998 - 5 C 37.97; BVerwGE 108, 36; NJW 1999, 1881; DVBl. 1999, 1110; ZfS 2001, 110
    • Bei der Prüfung, ob von dem Angehörigen nach dessen Einkommen und Vermögen Leistungen zum Lebensunterhalt an dem mit ihm in Haushaltsgemeinschaft lebenden Hilfesuchenden erwartet werden kann, sind Maßstäbe anzulegen, die sicherstellen, dass dem Angehörigen ein Lebenshaltungsniveau verbleibt, das deutlich über dem der Hilfe zum Lebensunterhalt liegt. Dabei darf von dem doppelten Regelsatz eines Haushaltsvorstandes ausgegangen werden.
      • BVerwG, Urt. v. 29.02.1996 - 5 C 2/95; NJW 1995, 2880; FEVS 1996, 441 
    • Genügen die einer Einstandsgemeinschaft im Sinne des Abs. 1 BSHG zur Verfugung stehenden Mittel vorübergehend nicht, den Bedarf insgesamt zu decken, ist zu erwarten, dass sich ein erwachsenes Mitglied der Gemeinschaft, das ein seinen eigenen Bedarf übersteigendes Einkommen erzielt, auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche beschränkt, wenn dies den übrigen Mitgliedern ermöglicht, ebenfalls den unerlässlichen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Beschränkung ist in einem Umfang von bis zu 20 Prozent des Regelsatzes zu erwarten.
      • OVG Münster, Beschl. v. 10.05.2002 - 12 B 423/02; ZFS 2004, 114 
    • frühere Rechtsprechung zur "eheähnlichen Gemeinschaft"